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2006-07-08

Sächsische Zeitung: Putin gibt den Volkstribun

Sächsische Zeitung 8.7. 2006

Putin gibt den Volkstribun
Von Ulrich Heyden, SZ-Korrespondent in Moskau

Russland. Vor dem Gipfel der G 8 empfängt der Präsident Regierungsgegner.

„Njet AES“ – Nein zu Atomkraftwerken – stand in großen weißen Buchstaben auf den schwarzen T-Shirts von sechs jungen Männern. Während Putin diese Woche in Moskau seine Begrüßungsworte vor dem Kongress der internationalen zivilgesellschaftlichen Organisationen hielt, hatten sich Mitglieder der Umweltorganisation „Ekosaschita“ zum stummen Protest gegen den geplanten Ausbau der Atomenergie auf ihre Stühle gestellt.

Der Kreml-Chef gab sich gelassen. „Lasst die Leute stehen“, wies er die Ordner an, eine Anspielung auf den Vorwurf, die Nichtregierungsorganisationen (NGO) würden nur im Auftrag und mit Geld aus dem Ausland arbeiten. Genüsslich zeigte das Staats-TV, wie sich die Demonstranten später ermüdet wieder hinsetzten.

Teure Imagekampagne

Putin nutzt die Zeit vor dem G 8-Gipfel, der vom 5. bis 17. Juli in St. Petersburg stattfindet, um sich als dialogbereiter Demokrat zu präsentieren. Damit der Gipfel auch wirklich den vom Kreml gewünschten Image-Gewinn für Russland bringt, holte man sich Unterstützung von der anderen Seite des Ozeans. Die US-Werbeagentur Ketchum bekam den Auftrag, für ein positives Russland-Image zu sorgen. Russland führt in diesem Jahr den Vorsitz in der G 8.

Russische Liberale, wie der ehemalige Putin-Berater Andrej Illarionow, sehen den Gipfel mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite sei es „ein großes Ereignis“, auf der anderen Seite müsse man feststellen, dass Russland sich seit seinem Beitritt zur G 8 im Jahr 2002 den demokratischen Standards der anderen Mitgliedsstaaten nicht angenähert, sondern sich weiter von diesen wegentwickelt habe.

Opposition plant Proteste

Als brennende Probleme nannte Illarionow undurchsichtige Praktiken in den russischen Energiekonzernen sowie das umstrittene NGO-Gesetz, das ausländischen Stiftungen die Arbeit in Russland erschwert. Putin erklärte jedoch auf der Konferenz der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Moskau, das Gesetz werde nachgebessert.

Unterdessen laufen die Sicherheitsvorkehrungen für den G 8-Gipfel auf vollen Touren. Tagungsort ist der Konstantin-Palast, bis vor wenigen Jahren noch eine Ruine, zum 300. Stadtjubiläum von St. Petersburg aber in aller Pracht wieder hergerichtet.

Aber auch die kleine außerparlamentarische Opposition will den Gipfel nutzen, um auf Demokratieabbau, Einschränkung der Pressefreiheit und Korruption hinzuweisen. Am 12. Juli beginnt in Petersburg das „2. Russische Sozialforum“. Drei Tage später ist eine Demonstration zum Panzerkreuzer Aurora geplant. Das Schiff, das einst den Startschuss für die Oktoberrevolution gab, wärmt offenbar das Herz der Globalisierungsgegner. Die Stadtverwaltung hüllt sich in Schweigen, ob sie Straßenaktionen überhaupt genehmigen will.

Unterdessen bekommen bekannte Petersburger Linke Besuch von der Polizei, die vorsorglich schon mal Fingerabdrücke abnimmt. Mehreren bekannten Oppositionellen wurde geraten, während des Gipfels die Wohnung nicht zu verlassen.

Sächsische Zeitung 8.7. 2006

links:

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external link www.badespasz.tk  [Ausführlicher Pressespiegel rund um Heiligendamm]
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