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2006-07-13

Junge Welt: Großdemonstration wurde an den Stadtrand verlegt

Junge Welt 13.7. 2006

“Großdemonstration wurde an den Stadtrand verlegt”
Russisches Sozialforum tagt während G-8-Gipfel in St. Petersburg. Repression gegen Globalisierungsgegner. Ein Gespräch mit Berit Schröder

Berit Schröder ist aktiv in der Interventionistischen Linken und arbeitet derzeit in der Berliner G-8-Info- und Pressegruppe
Im russischen St. Petersburg findet am Wochenende der diesjährige G-8-Gipfel statt. Was ist an Protesten gegen das Treffen geplant?
Vieles wird sich auf das russische Sozialforum konzentrieren, das außerhalb der Stadt in einem Stadion stattfindet. Die Organisatoren hatten lange darum ringen müssen, für diese Versammlung eine Erlaubnis zu bekommen. Auf dem Forum treffen sich die unterschiedlichsten Kreise. Schwerpunkt werden weniger die globalen Bezüge und der Gipfel sein, sondern Themen wie Sozialabbau, Rentenkürzungen, Mieterprobleme oder die Privatisierung von Teilen der Bildung und vor allem der kommunalen Dienstleistungen.

Neben dem Sozialforum gibt es derzeit in Moskau ein dreitägiges libertäres Forum. Dort trifft sich das anarchistische Spektrum. Während man jetzt im Zusammenhang mit dem G-8-Gipfel aus dem ganzen Land von zahlreichen Festnahmen hört, gab es aus Moskau am Dienstag die ersten positiven Nachrichten. Eine bunte Truppe – eine “Clowns Army”, wie sie bereits bei den letzten G-8-Protesten 2005 im schottischen Gleneagles aufgetreten war – zog durch die Moskauer Innenstadt und machte vor einem McDonald’s-Imbiß eine Aktion unter dem Motto “Food not Bombs”, also Essen statt Bomben.
Wird es in St. Petersburg auch eine Demonstration gegen den G-8-Gipfel geben?
Es sollte eigentlich eine große Demonstration am Rande der Altstadt geben. Die war bereits genehmigt, doch jetzt wurde sie an den Stadtrand verlegt. Die Polizei meint, sie könne einmal um das Stadion führen, indem das Sozialforum tagt. Aus unserer Sicht kommt das einem Demonstrationsverbot gleich, denn dort wird der Protest praktisch unsichtbar sein.
Welche Ausmaße haben die Festnahmen, von denen Sie sprachen?
Teil der Strategie ist es, die sozialen Proteste – die sich natürlich nicht nur gegen den G-8-Gipfel, sondern auch gegen Präsident Putin richten – unsichtbar zu machen. Die Anreise nach St. Petersburg wird für die Aktivisten erschwert. Wer auffällt, wird festgenommen. Schon letzte Woche sind sechs Mitglieder der Gruppe “Für die Entwicklung der Region von Nachodka” – das ist an der Pazifikküste nördlich von Wladiwostok – aus der Transsibirischen Eisenbahn heraus verhaftet worden. Ähnlich erging es Roman Burlak, vom Komsomol in Krasnojarsk (Mittelsibirien), der ebenfalls im Zug verhaftet wurde. Wie uns erzählt wurde, hat man ihm offenbar Dynamit untergeschoben. Auf den Bahnhöfen gibt es Kontrollen der Züge. Die Polizei sucht nach Aktivisten, die an der Weiterfahrt gehindert und zum Teil auch verhaftet werden. Von einigen Leuten ist seit Tagen unbekannt, wo sie geblieben sind.

In Moskau und St. Petersburg wurden in den letzten Wochen bei Antifaschisten und Anarchisten Hausdurchsuchungen durchgeführt. In vielen Orten wurden Aktivisten von der Polizei zu Hause oder am Arbeitsplatz aufgesucht und gewarnt. In St. Petersburg wurden auch zwei Deutsche festgenommen. Eigentlich wollten sie über die Proteste eine Fotodokumentation erstellen. Jetzt hat man sie zu zehn Tagen Haft verurteilt, weil sie angeblich in einen Vorgarten gepinkelt haben. Ebenfalls dort wurden am Montag zwei Personen allein wegen des Verteilens von Flugblättern verhaftet. Das alles reiht sich in die immer weitere Einschränkung der Demonstrationsfreiheit am Rande der G-8-Gipfel ein, die wir in den letzten Jahren erlebt haben. Auch in Mecklenburg-Vorpommern hat man für den dortigen Gipfel im nächsten Jahr schon jetzt das Polizeigesetz geändert, um weiträumige Kontrollen durchführen zu können.
Sind hierzulande Solidaritätsaktionen geplant?
Ja. Der Freitag ist schon vor längerer Zeit zum globalen Aktionstag erklärt worden. In Deutschland sind Aktionen unter anderem in Frankfurt am Main, in Thüringen, im Ruhrgebiet, in Hamburg und natürlich in Stralsund geplant. Dabei geht es auch um die Solidarität mit den Protesten in Rußland. Die Forderungen, auf die man sich für diese weltweit stattfindenden Aktionen geeinigt hat, sind: freie Bildung und Gesundheitsversorgung für alle, keine Patente auf AIDS-Medikamente, gegen Atomkraft.

Interview: Wolfgang Pomrehn

Junge Welt 13.7. 2006

links:

external link Indymedia Rußland  [Mehr Artikel zum G8 2006 in Rußland]
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external link www.badespasz.tk  [Ausführlicher Pressespiegel rund um Heiligendamm]
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