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2006-07-13

n-tv: Festung in Vorpommern

n-tv 13. Juli 2006

Lächerlich, peinlich, skandalös

von Hubertus Volmer

Der Deutschland-Besuch von US-Präsident George W. Bush ist ein Skandal. Nicht die Tatsache, dass er kommt; natürlich nicht. Sondern die Umstände seines Aufenthalts. Mitten im Sommer wurde eine Urlaubsregion zur Festung ausgebaut.

Mehr als 12.500 Polizisten wurden zusammengezogen. In Stralsund, Heiligendamm und Trinwillershagen wurden Absperrgitter, Stacheldraht und Gitterbauzäune aufgestellt. Unmittelbar betroffen von diesen Absperrungen sind 4.500 Menschen. Sie mussten ihre Autos wegfahren, dürfen nicht auf ihre Balkons treten, nicht einmal ihre Fenster öffnen. Auch in der weiteren Umgebung ist die Fortbewegung für Anwohner und Urlauber nur eingeschränkt möglich: 580 Kilometer Straßen wurden gesperrt – sogar auf Strecken, die Bush nur mit dem Hubschrauber fliegt.

Gesperrt wurden auch 220 Quadratkilometer Seefläche und ein 15 Kilometer langer Strandabschnitt bei Heiligendamm. Vor der Küste patrouillieren 26 Streifenboote und 28 Schlauchboote der Polizei. Acht amerikanische Militärhubschrauber beobachten die Gegend von oben. 20 Millionen Euro soll der Besuch insgesamt kosten. Wer diese Kosten trägt – das arme Mecklenburg-Vorpommern oder die Bundesregierung – ist noch nicht entschieden.

Die viel zitierten potemkinschen Dörfer sind nichts gegen die lächerliche Aufführung in Stralsund und Trinwillershagen. Fast ein Viertel der 1.000 Bürger, die Bush auf dem Markplatz von Stralsund zuwinken dürfen, sind Bundeswehrsoldaten. Der Oberbürgermeister hatte sie zu der Veranstaltung “eingeladen”. Alle anderen mussten sich in Rathäusern und Landratsämtern anmelden. Die Kommunen durften entscheiden, wer den Präsidenten sehen darf und wer nicht.

Beim Grillfest in Trinwillershagen trifft Bush am Abend dann “Menschen aus der Region” – sie sollen ihm erzählen, wie das so war, als Ostdeutschland demokratisch wurde. Unter den Gästen sind vor allem CDU-Politiker, Vertreter der Kirchen und der Wirtschaft. Nicht einmal der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern war willkommen. Harald Ringstorff erhielt seine Einladung erst am 12. Juli, wurde aber aufgefordert, seine Teilnahme schon am 10. Juli zu bestätigen. Da muss ihm die Lust auf Wildschwein vergangen sein.

Dass Trinwillershagen ausgewählt wurde, weil es schon zu DDR-Zeiten ein Vorzeigeort war, ist im Übrigen nur ein Gerücht. Der wahre Grund ist weitaus peinlicher: Im einstigen LPG-Kulturhaus des Dorfes war Angela Merkel am 23. Juni 2005 mit fast 100 Prozent der Stimmen zur Direktkandidatin ihres Wahlkreises nominiert worden.

Guido Westerwelle hat es auf den Punkt gebracht: Die Idee der Kanzlerin, den US-Präsidenten “in der Hochsaison der Touristen ausgerechnet an die Küste von Mecklenburg-Vorpommern einzuladen und dann die Strände abzusperren, ist eher eine Schnapsidee gewesen”.

Erinnert sich noch jemand an den Besuch von US-Präsident Clinton 1999 in Berlin? Clinton besuchte damals ein Restaurant am Kollwitzplatz, nahm ein spontanes “Bad in der Menge” und hinterließ einen sehr guten Eindruck. Klar, die Zeiten haben sich geändert. Merkels Inszenierung in ihrem Wahlkreis soll darüber hinwegtäuschen, dass es nicht mehr möglich ist, den amerikanischen Präsidenten zivil und zivilisiert zu empfangen. Es ist ein Skandal.

n-tv 13.7. 2006

links:

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external link www.badespasz.tk  [Ausführlicher Pressespiegel rund um Heiligendamm]
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