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2006-07-17

Neues Deutschland: Im Kirow-Stadion eingesperrt

Neues Deutschland 17.7. 2006

Trotz staatlichen Großaufgebots an Uniformierten: Proteste gab es

Starke Sicherheitsvorkehrungen, Reisebeschränkungen in Russland und eine strenge Visa-Vergabe führten dazu, dass die sonst typischen Proteste von Globalisierungsgegnern zum G 8-Gipfel nur eingeschränkt stattfanden.

Sommerliches Treiben herrschte am Sonnabendnachmittag rund um das Kirow-Stadion am Rande von St. Petersburg. Die Gegend um die Sportstätte gilt als grüne Lunge der Millionenstadt. Am Wochenende gehen dort ganze Familien verschiedenen Freizeitbeschäftigungen nach. Doch am Sonnabend waren in Büschen und auf Wiesen schwerbewaffnete Polizeieinheiten postiert, die mit Feldstechern die Umgebung beobachteten. Das Stadion selbst glich einer Polizeifestung. An den Zufahrtstraßen und den Eingängen wimmelte es von Uniformierten und Mitarbeitern in Zivil, die sich gar nicht bemühten, ihre Mission zu verbergen.
Das Kirow-Stadion war zum Zentrum der russischen Gipfel-Gegner erkoren worden. Die städtischen Behörden hatten es kostenfrei für ein Meeting der russischen Sozialforumsbewegung zur Verfügung gestellt. Das war den G 8-Gegnern gar nicht recht, weil der Ort weit von der Petersburger Innenstadt entfernt liegt und leicht zu kontrollieren ist. Das sollte sich am Sonnabend zeigen.
Die Polizei ließ zwar alle Interessierten anstandslos ins Stadion, wo sich etwa 300 Angehörige verschiedener globalisierungskritischer Gruppen trafen. Als sie sich aber am Mittag zur Demonstration gegen das G 8-Treffen außerhalb des Stadions versammeln wollten, machte sie die Eingänge dicht und sperrte die Gipfelgegner für einige Stunden in der Arena ein. Ein Ausbruchsversuch jüngerer Aktivisten wurde wegen der ungünstigen Kräfteverhältnisse schnell abgeblasen. Statt dessen beließen es die Sozialforumsteilnehmer bei einer Protestveranstaltung im Stadion, die sich vor allem gegen die Repression richtete.
Auf einer Pressekonferenz berichteten sie über verschiedene Repressionsmaßnahmen der letzten Tage. So seien zahlreiche Globalisierungskritiker aus anderen russischen Städten an der Anreise nach Petersburg gehindert worden. Auch über willkürliche Festnahmen in den Zügen wurde berichtet. Zahlreiche Kurzzeit-Haftstrafen wurden verhängt, die dafür sorgten, dass die Aktivisten während des Gipfels nicht anwesend sein konnten. Betroffen waren auch zwei Bielefelder Fotografiestudenten, die eine Fahrradkarawane begleitet hatten und schon vor dem Gipfel zu einer zehntägigen Haftstrafe wegen Urinierens in der Öffentlichkeit verurteilt worden waren. Am Sonnabend wurden sie nach internationalen Protesten freigelassen und nach Lettland abgeschoben.
Das Konzept der Behörden, die Gipfelgegner auf das Kirow-Stadion einzugrenzen, ging indes nicht voll auf. Denn sowohl anarchistische als auch kommunistische Gipfelgegner waren von vornherein nicht zum Kirow-Stadion gekommen. Die Proteste aus dem kommunistischen Spektrum wurden im belebten Zentrum St. Petersburgs von zahlreichen Schaulustigen, darunter vielen Touristen, beobachtet. Deswegen hielt sich die Polizei auch bis auf einige kleinere Rangeleien zurück. Erlaubt war eine Kundgebung. Doch die Aktivisten hatten sich in einiger Entfernung vom genehmigten Ort getroffen und marschierten gemeinsam zum Kundgebungsplatz. Parolen wurden skandiert und Lieder gesungen. So kam doch noch ein Demonstrationszug auf den Gehwegen der Innenstadt zustande.
Schon vor dem Gipfel hatten Aktivisten aus dem libertären Spektrum mit Spontanaktionen das staatlich verordnete Schweigen über den Gipfel zu durchbrechen versucht. Bei einer Anti-Atomkraftwerk-Aktion im Zentrum von Petersburg wurden 13 Aktivisten festgenommen. Die AKW-Gegner hatten darauf aufmerksam machen wollen, dass die Atomenergieproduktion auf dem Gipfel ein zentrales Thema ist.
Am Sonntagvormittag gab es in der Petersburger Innenstadt weitere kleinere Proteste von G 8-Gegnern, die aber sofort mit Polizeigewalt und Festnahmen beendet wurden. Russische Aktivisten riefen deshalb zu weiteren internationalen Solidaritätsaktionen auf und schlugen vor, öffentlich Druck auf russische Botschaften zu machen. Auch in Berlin fand am Sonntag eine solche Protestkundgebung statt.
Petersburger Gipfelkritiker werten es als Erfolg, dass es trotz des staatlichen Großaufgebots einige Proteste in der Stadt gegeben hat. Allerdings wurde an dem Wochenende auch deutlich, dass die russischen Behörden die Protestszene weitgehend unter Kontrolle haben. Deren Zerstrittenheit war ein weiteres Manko. Zwischen den unterschiedlichen Spektren gab es kaum Zusammenarbeit.

Neues Deutschland 17.7. 2006

links:

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external link www.badespasz.tk  [Ausführlicher Pressespiegel rund um Heiligendamm]
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