Unter dem Motto „Wir zahlennicht für Eure Krise" wird es bekanntlich am 28. März zwei Demonstrationen geben, eine in Berlin, eine in Frankfurt/M. Diese Demonstrationen begrüßen wir wie alle, die gegen die Abwälzung der Kosten der kapitalistischen Krise kämpfen wollen. Darum zählt die Gruppe Arbeitermacht auch von Beginn zu den UnterstützerInnen der Demo, arbeitet aktiv in den Vorbereitungskreisen und Bündnissen mit und engagiert sich im Aufbau von Mobilisierungsstrukturen.
Eine solche politische Massen-Demonstrationgegen die Krise ist schon lange überfällig, um endlich ein Signal an alle Unzufriedenen zu geben, auf die Straße zu gehen, Stärke zu zeigen und über die Mobilisierung tragfähige Kampfstrukturen aufzubauen.
Welche Stoßrichtung?
Wie wir schon in der letzten Ausgabe der Neuen Internationale (Antikapitalistische Bewegung aufbauen! NI136) geschrieben haben, war unter den beteiligten Kräften die politische Stoßrichtung grundsätzlich umstritten.
Die Bürokraten aus der Linkspartei, aus der linken Gewerkschaftsbürokratie wie auch reformistische und kleinbürgerliche Politikaster von attac oder dem BUND wollten den Aufruf zur Demonstration von Beginn an politisch möglichst harmlos halten.
Konkret heißt das erstens, dass der Kapitalismus vielleicht noch als Ursache der Probleme benannt werden darf,dass aber zugleich alle möglichen Utopien ausgebreitet werden, um über „neue" staatliche Konjunkturprogramme, den „Umbau" und die „Demokratisierung" der Gesellschaft voranzutreiben. Kurzum, der von diesen Kräften ausgearbeitete und seit dem 8. Februar auch mehrheitlich angenommene Katalog legt sich auf eine links-bürgerliche, reformistische Darstellung des Kapitalismus fest.
Konkrete Forderungen wie jene nach 10 Euro Mindestlohn, Erhöhung der Regelsätze von Hartz IV auf 500,- Euro und jene nach der 30-Stunden-Woche sind abgelehnt worden.
Aufschlussreich ist auch schon das Zustandekommen dieser Entscheidung. Eine aus dem Frankfurter und Berliner Vorbereitungsbündnis zusammengesetzte Gruppe zur Erarbeitung des Entwurfs eines Bündnisaufrufs kam nach langem Hin und Her mit einen von Bernd Riexinger (ver.di-Vorsitzender Stuttgart und Linkspartei-Vorsitzender Baden-Württemberg) verfassten Kompromissvorschlag heraus, der selbst schon etliche Weichheiten, aber doch eine verhandelbare Liste von Forderungen enthielt.
Dieser Vorschlag wurde jedoch schon bei einer nachfolgenden Telefonkonferenz gekippt. Warum? Weil er etwa nach Diskussion auf regionalen Bündnistreffen abgelehnt worden wäre? Nein! Wenn überhaupt, war das Gegenteil der Fall. Das Berliner Regionalplenum, das größte das es bisher gibt, stimmte diesem Entwurf zu (auch wenn er weniger radikal als das von den Berlinern selbst verfasste Eckpunktepapier ausfiel).
Vielmehr ließ der Vorstand der Partei DIE LINKE über Michael Schlecht, ver.di-Funktionär und Linkspartei-Vorständler, ausrichten, dass DIE LINKE eine Mindestlohnforderung und 500 Euro Regelsatz für Hartz IV nicht unterstützen könne.
Damit war für die meisten Gruppierungen im Bündnis der „Kompromiss" gekippt, ein neuer musste her, so dass Organisationen wie DIE LINKE auf jeden Fall dabei sein können.
Da sich die Bundesvorstände von ver.di und IG-Metall offen gegen die Demo gestellt haben, wollten außerdem auch die meisten Gewerkschaftsfunktionäre möglichst wenig Forderungen, die über den DGB-Mainstream hinausgehen, für den bekanntlich schon 10 Euro Mindestlohn zu viel sind. Auch attac fand jetzt noch weitere Bedenken. BUND und andere Weltverbesserer sowieso.
Das bundesweite Treffen
Jedenfalls, so die ursprüngliche Vereinbarung, sollte der Aufruf zur Demonstration am 8. Februar diskutiert und beschlossen werden. Wie sich dort schnell, wenn auch wenig überraschend erwies, war aber der Inhalt gar nicht mehr diskussions- oder verhandlungsfähig.
Bernd Riexinger hatte es schon am Anfang der Versammlung in Frankfurt auf den Punkt gebracht: Sollte der Entwurf abgelehnt werden, könnten sich ver.di Baden-Württemberg, aber auch DIE LINKE nicht mehr dahinter stellen. Und auch attac machte klar, dass es einen Aufruf ohne diese Organisationen nicht unterzeichnen würde, selbst wenn es damit inhaltlich einverstanden wäre.
Riexinger machte den Versammelten in Frankfurt/Main klar, das nichts mehr geändert werden dürfe, da es inhaltlich schon mit dem Vorstand der Linkspartei und den ver.di-Gremien abgestimmt sei und man diesen Prozess wegen Zeitknappheit nicht neu aufrollen könne. Nur: Warum lässt man dann eigentlich Leute aus ganz Deutschland anreisen?
Von den 60 bis 70 Anwesenden stimmte etwa 30 für den Erklärungsentwurf, 14 dagegen, der Rest waren Enthaltungen. Aus Berlin wie aus dem gesamten Norden und Osten waren wegen der Entfernung nur wenige angereist, die viel Kritik am Entwurf hatten. Aber auch der Vertreter von etwa 100 Menschen der Vorbereitungsgruppe Berlin/Nordosten zählte hier eben wenig, verglichen mit „Großorganisationen", der halben Landtagsmannschaft der Linkspartei oder gewichtigen Gewerkschaftsfunktionären.
So bleibt das zentrale Motto „Wir bezahlen nicht für eure Krise" sowie Ort und Zeit das letztlich einzig wirklich Verbindende.
Auch andere Dinge waren etwas obskur. So sollten von den Anwesenden verbindliche Bestellungen für das Mobilisierungsplakat abgegeben werden, für das denn auch nachfolgend eine Rechnung an den Bestellenden gestellt werde, bis Montag sei dazu Zeit. Gesehen hatte das Plakat vorher kaum jemand. Erst auf mehrmalige Anfrage eines Vertreters des Rhein-Main-Bündnisses wurde erst der happige Preis für ein Plakat genannt.
Eines ist klar geworden: Das Ganze spielt sich schon vor dem Hintergrund der Wahlkämpfe 2009 ab. Die Teile der Gewerkschaftsbürokratie, die der SPD nahestehen, lehnen die Demos am 28. März komplett ab, bekämpfen sie geradezu. Sie sind eher beschäftigt, das aktuelle Konjunkturpaket der Regierung zu propagieren als eigenständige Aktionen zu billigen.
DIE LINKE wiederum will sich als kritische Kraft profilieren. Ein wenig mehr Regulierung, etwas Keynes, dann klappt es wieder mit dem Kapitalismus. Ähnliche Visionen hat auch attac.
Aber auch das hat seine Grenzen. Der Entwurf der Erklärung wurde anschließend mit dem Vorstand der Linkspartei kompatibel gemacht. Alle konkreten Forderungen waren anschließend durch schwammige Formulierungen ersetzt worden - gerade bei den Knackpunkten Hartz IV, Mindestlohn und Arbeitszeitverkürzung. Nichts blieb, was der mitregierenden Linkspartei in Berlin oder bei kommenden Regierungsbeteiligung in anderen Ländern hätte Bauchschmerzen bereiten können. Nichts blieb, woran sich diverse Gewerkschaftsfunktionäre oder Vorständler der Linkspartei später konkret messen lassen müssten. Gerade von Vertretern der Erwerbslosengruppen und Sozialkampagnen gab es deshalb daran Kritik.
Die Erklärung transportiert einen Reformismus, der Bitten an Parlamentarier richtet. Sie gibt keine Richtung für Kämpfe an, sondern orientiert den Protest wieder auf den Parlamentarismus.
Das sind Gründe, warum verschiedene Organisationen, darunter Gruppe Arbeitermacht (GAM) und REVOLUTION, den Aufruf ablehnen. Bei dem Treffen stimmten neben der GAM auch VertreterInnen von RSB, Rhein-Main-Bündnis, MLPD und einige andere gegen den Aufruf. Sicherlich werden viele diesen nicht unterzeichnen und auch nicht verteilen.
Mobilisieren - und antikapitalistischen Block aufbauen!
Die Demonstrationen am 28. März stellen einen wichtigen Schritt zur Mobilisierung gegen die Krise dar. Sie sind Teil eines internationalen Aktionstags gegen die G 20, zu dem auch das Weltsozialforum aufruft. Neben Berlin und Frankfurt wird es auch in anderen europäischen Großstädten, vor allem in London, wo die G 20 tagen, große Demos geben.
Sie stehen außerdem auch im inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Mobilisierung gegen den 60. Jahrestag der NATO in Straßbourg. Sprich, sie sind - trotz all ihrer Schwächen - Teil einer international koordinierten Antwort der Arbeiterbewegung und der Jugend auf die Krise.
Es geht aber auch um eine politische und kämpferische Perspektive über den 28. März hinaus. So richtig und wichtig es ist, gemeinsam mit reformistischen Massenparteien wie DIE LINKE oder mit den Gewerkschaften trotz bürokratischer Führung gemeinsam zu mobilisieren, so ist auch klar, dass deren politische Führung die Bewegung in eine Sackgasse lenken wird. Daher ist es notwendig, dass sich all jene Kräfte, die sowohl eine klare Ausrichtung gegen das Kapital, wie einen entschiedenen Abwehrkampf mit politischen Streiks, Besetzungen, Massenaktionen usw. wollen, ihre Kräfte gegen die Reformisten bündeln müssen, um auf Demos, in der Öffentlichkeit, in den Bündnissen, in den Betrieben politisch und organisiert Paroli bieten zu können. Daher unterstützen wir aktiv den Aufbau von antikapitalistischen, klassenkämpferischen Blöcken am 28. März!
Infos:
http://kapitalismuskrise.org