Polizist stieß Ian Tomlinson zu Boden – widersprüchliche Autopsie-Berichte, Delikt der Körperverletzung bereits verjährt
Die britische Staatsanwaltschaft hat am Donnerstag bekanntgegeben, dass im Fall Ian Tomlinson keine Anklage gegen einen Londoner Polizisten erhoben wird. Der Beamte hatte den 47-jährigen Zeitungsverkäufer, der auf dem Heimweg von der Arbeit in die Demonstration gegen den G20-Gipfel geriet, geschlagen und zu Boden gestoßen.
Die Polizei gab zuerst an, Tomlinson sei ohne Zusammenhang mit dem Einsatz gegen Protestierende an Herzversagen gestorben. Auch eine erste Autopsie bestätigte dieses Ergebnis. Als Tage später ein Video auftauchte, in dem deutlich zu sehen ist, wie Tomlinson mit den Händen in den Hosentaschen vor der Polizistenkette geht und mit Schlagstock und Bodycheck zu Fall gebracht wird, wurden Ermittlungen eingeleitet.
Eine zweite Autopsie ergab innere Blutungen als Todesursache (derStandard.at berichtete).
Wegen der widersprüchlichen Untersuchungsergebnisse bestünde keine Aussicht auf eine Verurteilung des Beamten, sagte Keir Starmer, der Leiter der Anklagebehörde. Es sei zwar erwiesen, dass von Tomlinson keine Gefahr für die Beamten ausgegangen sei, und der Polizist habe sich der Körperverletzung schuldig gemacht.
Eine Verurteilung wegen Totschlags sei aber nicht zu erwarten, und für eine Anklage wegen Körperverletzung sei es zu spät, weil der Tatbestand des “common assault” nach sechs Monaten verjährt.
Tomlinsons Sohn Paul King zeigte sich in einer ersten Stellungnahme empört: “Die Staatsanwaltschaft hat zugegeben, dass der Polizist meinen Vater angegriffen hat – warum wird keine Anklage erhoben? Ihr werdet noch von uns hören.” Familienanwalt Jules Carey zufolge erwägen Tomlinsons Angehörige, Einspruch gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft einzulegen und fordern eine Untersuchung. Die Londoner Polizei will erst über ein Disziplinarverfahren entscheiden, wenn der Beiricht der unabhängigen Beschwerdekommission vorliegt.
Source: http://derstandard.at/1277338708626/G20-Proteste-in-London-Keine-Anklage-wegen-Todes-eines-Unbeteiligten