Die dritte Gewalt lebt. Der Rechtsstaat zeigt Zähne. Eine Zeit lang sah es danach aus, dass Politik und Polizei – Legislative und Exekutive – schalten und walten können, wie sie wollen. Doch jetzt weist die unabhängige Justiz die Ministerien und Sicherheitsbehörden mit ihren Begehrlichkeiten in ihre Schranken. Das Signal, das von dem Schweriner Richterspruch ausgeht, ist laut und unmissverständlich: bis hierhin – und keinen Schritt weiter.
Nicht alles, was sich Strategen rund um die Rostocker G8-Polizeitruppe Kavala zur Absicherung des Weltwirtschaftstreffens einfallen ließen, deckt sich deutlich mit dem Grundgesetz. Die Richter stellen die Demonstrationsfreiheit der Bürger als hohes Gut über den Wunsch der Ordnungshüter, Heiligendamm weiträumig zur Sperrzone und damit Zehntausende Demonstranten zu unerwünschten Personen zu erklären.
Das Veto des Gerichts ist eine Chance. Es ist die Chance zu Dialog und Deeskalation. Es ist die Aufforderung an beide Seiten, zur Sachlichkeit zurückzukehren, bevor es zu spät ist. Während Politiker und Globalisierungsgegner an einem hysterischen Fieber aus gegenseitigen Schuldzuweisungen zu erkranken drohen, bewahren wenigstens einige Juristen einen kühlen Kopf.
Und noch eines: Solange unsere Justiz besonnen richtet, sind Vergleiche mit dem Unrechtssystem der DDR, mit Stasi und Schnüffelstaat, deplatziert.
JÖRG KÖPKE
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