Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigt sich verärgert über die Sicherheitsdebatte und die Vorwürfe gegen ihn.
Herr Schäuble, wegen der umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen beim G8-Gipfel gelten Sie als Symbolfigur für die Einschränkung der Grundrechte. Berührt Sie das?
Wenn Sie Verantwortung haben, müssen sie diese wahrnehmen und werden kritisiert. Dem stelle ich mich. Für G8 bin ich als Bundesinnenminister jedoch nur an zweiter Stelle verantwortlich. Zaun, Demonstrationsbeschränkungen, Polizeieinsatz: Alles Sache des Landesinnenministers von Mecklenburg- Vorpommern und seiner Polizeibehörden. Aber Sie werden es nie erleben, dass ich die Arbeit der Polizei öffentlich in Zweifel ziehe, nur weil einzelne Maßnahmen auf Unverständnis stoßen. Insoweit übernehme ich gerne politische Gesamtverantwortung.
Darüber hinaus aber gab es Razzien bei Globalisierungsgegnern, Postüberwachungen ….
… und Geruchsproben, um Straftäter zu überführen. Alles im Rahmen staatsanwaltlicher Ermittlungsverfahren, mit denen ich als Innenminister null Komma null zu tun habe. Ich bin dafür nicht zuständig. Gleichwohl wurde mir unterstellt, ich sammle Geruchsproben. Das habe ich im Leben nicht getan und denke auch nicht daran. Dass so ein Unfug verbreitet wurde, ist ärgerlich und zeigt einen Mangel an Unterscheidungsvermögen.
Heißt das, Sie halten diese Methoden auch nicht für angemessen?
Darüber entscheidet die Staatsanwaltschaft nach Maßgabe der Strafprozessordnung, nicht ich. Die Polizei tut ihre Pflicht, die Staatsanwaltschaft auch. Deshalb sehe ich keinen Grund zur Kritik.
Als gängige Ermittlungsart sind Geruchsproben aber bisher nicht gerade bekannt gewesen.
Mag ja sein, aber die Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme richtet sich doch nicht nach deren Bekanntheitsgrad! Und ich erwarte, dass Politiker, die ernstgenommen werden wollen, keine Gefühlsverlautbarungen nach dem Grad der öffentlichen Aufgeregtheit abgeben, sondern sich strikt am geltenden Recht orientieren - auch das ist politische Führung. Es wurde den Leuten eingeredet, wir seien ein Staat, der massenhaft Geruchsproben auf Vorrat nimmt wie die Stasi. Das stimmt nun einmal nicht. Es wurden völlig grundlos Ängste geschürt.
In den vergangenen Jahren sind die Sicherheitsgesetze ständig verschärft worden. Können Sie verstehen, dass in Kombination mit Geruchsproben, Hausdurchsuchungen und Symbolen wie dem Zaun um Heiligendamm Ängste hochkommen?
Darüber kann man reden. Aber wir müssen Ursache und Wirkung auseinanderhalten. Gäbe es nur friedliche Demonstranten, bräuchten wir keinen Zaun und nur sehr wenig Polizei. Es geht der Politik nicht darum, Ängste zu schüren. Aber es ist meine Pflicht, auf Bedrohungen hinzuweisen, dass es gewaltbereite Krawallmacher gibt und wir dies ernstnehmen. Aber ich sage auch, dass die Polizei das in den Griff bekommt.
Hat Ihr Ministerium dem Bau des Zauns zugestimmt?
Die Entscheidung hat die damalige rot-grüne Bundesregierung gefällt. Wir haben das nochmal geprüft und für richtig befunden. Soll ein solcher Gipfel nicht auf der Zugspitze stattfinden, muss der ungestörte Ablauf durch einen Zaun gewährleistet werden.
Die Polizei hat ein Demonstrationsverbot verhängt, das noch weit über den Zaun hinausreicht. Ist das angemessen?
Die Gerichte haben noch nicht in letzter Instanz entschieden. Es ist gut, dass in unserem Land solche Verfügungen überprüft werden.
Würde eine Einschränkung des Demoverbots das Polizeikonzept über den Haufen werfen?
Die polizeiliche Einsatzleitung ist flexibel genug, um ihr Konzept der jeweiligen Lage anzupassen, auch kurzfristig. Für uns ist der Schutz des Demonstrationsrechts genauso wichtig wie die Gewährung des störungsfreien Ablaufs des Gipfels. Die Bundesregierung tritt ja auch dafür ein, dass die Menschen sich politisch engagieren und ihre Freiheitsrechte wahrnehmen. Es ist in Ordnung, wenn Menschen demonstrieren und ihre Meinung sagen. Der Aufwand an Polizisten bei einem solchen Ereignis wie dem G8-Gipfel rechtfertigt sich ja nur, wenn die Weltöffentlichkeit mit den Themen erreicht wird.
Werden Sie denn ein Demo-Camp besuchen oder Gespräche mit Demonstranten führen?
Das habe ich nicht vor. Ich habe auch keine Einladung erhalten. Wer mich sprechen will, kann es aber sagen.
Welche Rolle spielt die Bundeswehr bei dem Einsatz in Heiligendamm?
Die Bundeswehr leistet logistische Hilfe wie Verpflegung. Aber sie übernimmt keine polizeilichen Aufgaben. Das will bei dem Einsatz auch niemand.
Sie möchten aber künftig die Bundeswehr im Innern einsetzen. Zur Terrorismusbekämpfung planen Sie auch, dem Bundeskriminalamt neue Instrumente wie heimliche Online- Durchsuchungen zu ermöglichen. Bisher lehnt die SPD beides ab. Wegen der anstehenden Landtagswahlen bleibt Ihnen nicht mehr viel Zeit für solche Projekte.
Wir werden uns bei der Online- Durchsuchung mit Sicherheit einigen. Ich strebe an, dass das Kabinett den Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause verabschiedet. CDU/CSU und SPD haben ja im letzten Jahr gemeinsam die Verfassung entsprechend geändert - nun müssen wir dem BKA die Befugnisse auch geben, es geht schließlich um Terrorabwehr.
Die SPD ist davon nicht überzeugt.
Wir sind im Gespräch. Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, schlage ich vor, für die Online- Durchsuchungen das Grundgesetz zu ändern.
Sie würden dann einmal mehr die Verfassung der Politik anpassen.
Nein. Die Verfassung würde der Lebenswirklichkeit angepasst, wie schon so oft. Lösen Sie sich von der Vorstellung, eine Verfassungsänderung sei etwas Verwerfliches. Das Gegenteil ist der Fall. Das ist notwendig. Sonst wäre die Verfassung starr. Früher gab es keine Telefone, also auch keine Telefonüberwachung. Heute nutzen Verbrecher Computer, also müssen wir sie überwachen, da mit ihrer Hilfe schwerste Straftaten verübt werden. Der Rechtsstaat dient dazu, die Überwachungen auf das notwendige Maß zu begrenzen, sie transparent zu gestalten und zu kontrollieren. Dieser Staat ist ein Freiheitsstaat, der in der Gewährleistung der freiheitlichen Verfassung seinen Bürgern ein hinreichendes Maß an Sicherheit sichert.
Das Gespräch führten Sigrid Averesch und Daniela Vates.
Streitbar
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat im November 2005 das Amt angetreten. Zuvor war er Vize-Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion. Der 64-jährige Jurist aus dem Badischen hat wie kaum ein anderer Politiker in der Union die Sicherheitsdebatte angefacht.
Berliner Zeitung, 02.06.2007
[http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/politik/658492.html]