ad-hoc-news: Immer wieder Streit um die Sicherheit
–Von Martin Roy–
Berlin (ddp). Die Sicherheitsmaßnahmen für das Treffen der Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen und Russlands (G8) sorgt für immer neue Diskussionen. Eine Hamburger Fotografin erstritt sich vor Gericht die Akkreditierung zum G8-Gipfel in Heiligendamm. Die FDP kritisierte am Samstag das Vorgehen der Sicherheitsbehörden und des Bundespresseamtes. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz nannte die Sicherheitsmaßnahmen überzogen.
Dagegen verteidigten Unions-Politiker die Vorkehrungen. Der frühere Vize-Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Gottfried Mahrenholz, sagte, das Demonstrationsverbot beim G8-Gipfel widerspreche der bisherigen Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts. Unter dem Motto «Eine andere Welt ist möglich» ist für Samstag eine Demonstration von internationalen G8-Kritikern in Rostock geplant. Zu der Kundgebung von mehr als einem Dutzend globalisierungskritischer Organisationen, Friedensgruppen, Gewerkschaften und Parteien wurden rund 100 000 Teilnehmer erwartet. Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm sagte, er rechne mit weniger Teilnehmern. Das Verwaltungsgericht Berlin verpflichtete das Bundespresseamt zur Akkreditierung der Fotografin Marily Stroux. Der Bescheid des Bundespresseamtes, der sich ohne inhaltliche Begründung nur auf eine Empfehlung des Bundeskriminalamtes (BKA) berufe, sei aus formellen und materiellen Gründen rechtswidrig. (Aktenzeichen: VG 27 A 137.07) Insgesamt war rund 20 Journalisten eine Akkreditierung für den G8-Gipfel verweigert worden. Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, sagte, wenn der Verfassungsschutz gegen einige kritische Berichterstatter Bedenken habe, stelle sich unweigerlich die Frage, inwieweit die Pressefreiheit in Deutschland noch bestehe. «Es drängt sich der Eindruck auf, dass es nach der Demonstrationsfreiheit nun der Pressefreiheit an den Kragen gehen sollte», sagte Piltz. Wiefelspütz sagte, die aktuellen Beschränkungen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit seien überdimensioniert. «Wer sich friedlich gegen den G8-Gipfel wendet, muss dies auch in der Nähe des Veranstaltungsorts Heiligendamm tun dürfen. Alles andere wird dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht gerecht», betonte er. Die übergroße Mehrheit der Demonstranten sei friedlich. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verteidigte den Zaun zur Sicherung des G8-Gipfels. «Soll ein solcher Gipfel nicht auf der Zugspitze stattfinden, muss der ungestörte Ablauf durch einen Zaun gewährleistet werden», sagte Schäuble. Gäbe es nur friedliche Demonstranten, wären kein Zaun und nur sehr wenig Polizei nötig. Das Sicherheitskonzept der Polizei sei durch die Klagen gegen das Demonstrationsverbot nicht in Gefahr. «Die polizeiliche Einsatzleitung ist flexibel genug, um ihr Konzept der jeweilige Lage anzupassen, auch kurzfristig», sagte er. Es sei gut, dass in Deutschland polizeiliche Verfügungen gerichtlich überprüft werden könnten. Unions-Bundestagsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sagte: «Das Demonstrationsrecht ist kein schrankenloses Grundrecht und auch kein Recht auf Randale«. Daher könne es zur Gefahrenabwehr zeitlich und örtlich beschränkt werden. Mahrenholz sagte, das Bundesfassungsgericht habe seit dem Urteil zu Demonstrationen gegen die Atomanlage in Brokdorf den Standpunkt vertreten, dass Demonstranten ein Recht darauf haben, den Ort zu erreichen, an dem das stattfindet, wogegen sie protestieren. Das Demonstrationsrecht beziehe sich auf den Ort, an dem man demonstrieren wolle. Das sei jetzt der G8-Gipfel. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, forderte die Politik auf, sich nicht hinter Gerichtsbeschlüssen zur Einschränkung des Demonstrationsrechts verstecken und die Folgen die Polizei ausbaden lassen. «Die Politik muss diese Maßnahmen erklären und die Bürger überzeugen», sagte er. Wenn die Einsatzführung am Ort demonstrationsfreie Zonen vorschlage, erfolge das, weil sie anders die Sicherheit nicht gewährleisten könne. Zugleich kritisierte Freiberg den früheren CDU-Generalsekretär Heiner Geißler für seinen Vergleich der Polizeikräfte in Heiligendamm mit der DDR-Staatssicherheit. Geißler trage damit zur Verschärfung der Situation bei. Geißler hatte nach einem Zeitungsbericht gesagt: »Die deutsche Einheit wäre nie zustande gekommen, wenn die Stasi-Leute die Demonstranten in Ost-Berlin, in Leipzig und in Dresden überall so eingeschüchtert und behindert hätten, wie das heute mit den Demonstranten vor Heiligendamm passiert.«
(Quellen: Mahrenholz im »Kölner Stadt-Anzeiger«; Fromm im »Münchner Merkur«; Piltz, Schäuble in der »Berliner Zeitung«; Wiefelspütz, Bosbach in der »Passauer Neuen Presse«; Freiberg in der hannoverschen »Neuen Presse« und den »Stuttgarter Nachrichten” (Samstagausgaben); Verwaltungsgericht laut Deutscher Journalisten-Union) ddp/roy
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