Nach den Auseinandersetzungen zwischen Linken und der Polizei im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm drängen Politiker der Koalition auf ein schärferes Vorgehen gegen Demonstranten. Abgeordnete von CDU und CSU bringen sogar den Einsatz der GSG 9 ins Gespräch und fordern den Einsatz von Schusswaffen. Gleichzeitig wird über ein Verbot von schwarzer Bekleidung auf öffentlichen Veranstaltungen nachgedacht. Offenbar dienen die Angriffe auf die Polizei am vergangenen Samstag nun als Legitimation, um gegen den gesamten G8-Protest vorgehen zu können. Bereits gestern wurde eine antirassistische Demonstration mit ca. 10.000 Teilnehmern in der Rostocker Innenstadt gestoppt, brutal auseinander geknüppelt und zur Beendigung gezwungen. Zahlreiche Menschen wurden verletzt. Dass dieser Einsatz wie das jetzt immer massiver werdende Vorgehen der Polizei selbst nach rechtsstaatlichen Maßstäben kaum gedeckt ist, steht außer Frage. Auch für die kommenden Tage kann damit gerechnet werden, dass die Polizei nun die Rückendeckung der Politik ausnutzt, um den globalisierungskritischen Protest mit Repression zu überziehen.
Die militanten Angriffe auf die Polizei am vergangenen Samstag in Rostock waren zielgerichtete Aktionen. Diese fanden trotz oder gerade vor dem Hintergrund eines in den letzten 10 Jahren massiv hochgerüsteten Polizeiapparates, der Aushebelung elementarer Bürgerrechte und der zunehmenden Durchleuchtung der Bevölkerung statt. Unter dem Label der “Terrorbekämpfung” wird die Militarisierung der bundesdeutschen Gesellschaft weiter vorangetrieben. Die neoliberale Zurichtung aller Lebensbereiche führt zu einer zunehmenden Anzahl von Menschen, die auch hier in die Armut gedrängt und jeglicher Perspektiven beraubt werden. Gleichzeitig wird diese Gesellschaftsform der Welt als vorbildliche “Zivilgesellschaft” vorgeführt, die im Namen der Menschenrechte Kriege führt. Die Militanz der Gipfelgegner steht in keinem Verhältnis zur Gewalttätigkeit der bestehenden Verhältnisse. Dass nun ernsthaft der Einsatz von Schusswaffen gegen Demonstranten erwogen wird, sagt weniger über die Stärke der Militanz aus, als über die Erosion demokratischer Prinzipien in der Bundesrepublik Deutschland.
Bei vielen Demonstrationen müssen linke Aktivisten die zunehmende Repression von “Ordnungskräften” am eigenen Leib erfahren. Bereits in den Wochen vor der Rostocker Großdemo haben die Sicherheitsbehörden mit ihren Maßnahmen die linksradikale Szene geradezu herausgefordert. Wer bei Vorkommnissen wie am Samstag in Rostock diesen Kontext ausblendet, hat kein wirkliches Interesse an der Einordnung der Gewalt. Autonome sind keine Pazifisten: Sie halten nicht die andere Wange hin, wenn sie geschlagen werden! So ist nur verständlich, dass in einer Situation, in der ein Block mit 8.000 bis 10.000 Menschen aus dem linksradikalen Spektrum auf der Strasse steht und in der die sonst üblichen Machtverhältnisse auf der Strasse partiell außer Kraft gesetzt sind, Antworten auf die üblichen Provokationen offensiver ausfallen. Die symbolische Zerstörung von Schaufensterscheiben einer Bank ist eben eine Form der Artikulation von Opposition zum bestehenden System, die zudem weltweit verstanden wird.
Das Nebeneinander der verschiedenen politischen und praktischen Ansätze von Widerstand ist das Erfolgsmodell gegen das Gerede von der Alternativlosigkeit der kapitalistischen Zurichtung der Welt. Dass sich Aktionen wie in Rostock vorrangig auf der symbolischen Ebene bewegen, ist den Aktivisten bewusst. Anstelle von Distanzierungen gegenüber militanten Widerstandsformen, wie einige Akteure der Bewegung sie in den letzten Tagen kundtaten, muss mit fruchtbaren Auseinandersetzungen an konkreten Schritten für die Perspektive einer anderen Welt gearbeitet werden.
In den kommenden Tagen werden rund um Heiligendamm Aktionen und Blockaden gegen den G8-Gipfel stattfinden. Daran wird sich die gesamte Gegenbewegung zu G8 beteiligen. Zu ihr gehören zu einem nicht unwesentlichen Teil Linksradikale und Autonome. Deren Aktionsformen sind legitim und gehören zur Vielfältigkeit einer Bewegung, die ohne die Ereignisse in Rostock kaum wahrgenommen worden wäre.
Antifaschistische Linke Berlin