Die Verbannung von Protesten aus der Nähe des G8-Gipfelortes Heiligendamm stößt auf Kritik. In Rostock wollen heute Zehntausende demonstrieren.
Rostock (OZ/dpa/AP) Die Entscheidung des Greifswalder Oberverwaltungsgerichtes (OVG) gegen Demonstrationen von Globalisierungsgegnern nahe dem Gipfelort Heiligendamm entfachte gestern neuen politischen Streit. Das OVG hatte in der Nacht zum Freitag einen Beschluss des Schweriner Verwaltungsgerichts aufgehoben, das Proteste bis auf 200 Meter an den Sicherheitszaun heran zugestanden hatte.
Damit folgten die Greifswalder Richter Bedenken der Polizei und schickten einen für den 7. Juni geplanten Sternmarsch auf eine sechs Kilometer entfernte Bundesstraße. Die Organisatoren des Sternmarsches prüfen derzeit eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe. Sie wollen zunächst den Verlauf der heutigen Demonstrationen im Land abwarten, sagte Anwalt Carsten Gericke.
Nach Ansicht des Ex-Vize-Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Gottfried Mahrenholz, widerspricht das Demo-Verbot beim G8-Gipfel der Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts. „Das Verwaltungsgericht Schwerin ist näher an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als das Oberverwaltungsgericht Greifswald“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Auch nach Ansicht des Zivilrechtlers Uwe Wesel verstößt ein Demonstrationsverbot am Zaun um den Tagungsort des G8-Gipfels gegen die Versammlungsfreiheit. „Ich rechne damit, dass das Bundesverfassungsgericht das wieder kippt“, sagte gestern der emeritierte Professor der FU Berlin. Wesel sagte zudem: „Das Bundesverfassungsgericht könnte theoretisch auch noch den ganzen Zaun kippen, weil dieser so weit um das Tagungsgelände gezogen wurde.“
Das Netzwerk Attac rechnet nach der Entscheidung mit Reaktionen von G8-Gegnern. Er befürchte zwar keine „Eskalation, aber mit Scharmützeln, ähnlich wie nach dem Ende eines Fußballspiels, rechne ich schon“, zitiert die „Netzeitung“ einen Sprecher.
Seit gestern werden an deutschen Grenzen auch wieder Kontrollen durchgeführt. Gewaltbereite Gipfelgegner machte die Polizei dabei nicht aus. Wegen der heutigen Rostocker Großdemo kontrollierte gestern die Polizei auch an mehreren Einfahrtstraßen der Hansestadt vor allem Fahrzeuge mit auswärtigen Kennzeichen. Bis in den Abend hinein wurde nichts gefunden, hieß es. In Schwerin rechnet die Polizei hingegen nach Aufhebung des Versammlungsverbotes mit Ausschreitungen. Ein Sprecher der rechtsextremen NPD kündigte an, sich nicht an die Auflage des Verwaltungsgerichts halten zu wollen, den Aufmarsch an den Stadtrand zu verlegen. Bis zum späten Abend war gestern aber nicht klar, ob die Demos stattfinden dürfen. Schwerin hatte beim OVG Beschwerde eingelegt.