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2007-05-31

Frankfurter Rundschau: Heiligendamm: Umstrittene Generalprobe für den Ernstfall

Wie viel Polizei muss sein? Was ist verhältnismäßig? Eine Woche vor dem Gipfel in Heiligendamm schaukelt sich die Debatte über das Sicherheitskonzept hoch.

VON HANS-HERMANN KOTTE UND BEN REICHARDT

Die Proteste gegen das Treffen der Außenminister aus den EU-Ländern und Asien in Hamburg am Montag gelten als eine Art Generalprobe für die Demonstrationen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm kommende Woche. Weil es nach der friedlichen Demonstration auch Krawalle mit brennenden Barrikaden und Wasserwerfereinsatz gab, wurde am Dienstag über das Sicherheitskonzept gestritten.

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth bezeichnete das Konzept der Polizei als zu rigoros und rief zur Deeskalation auf. Sie bezweifelte, dass der Einsatz eines mehrere tausend Mann starken Polizeiaufgebots bei der zunächst friedlichen Demonstration verhältnismäßig gewesen sei: “Das war eigentlich ein wandelnder Polizeikessel”, sagte sie dem Nachrichtensender N24. Die Demonstranten seien von dem Polizeikordon in “menschenleere Gegenden” geleitet worden. “Das Deeskalationsprinzip heißt, dass man nicht Friedliche und einzelne Gewaltbereite in einen Topf wirft, sondern dass man das Demonstrationsrecht tatsächlich gestattet und zur Geltung bringt”, sagte Roth.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verteidigte dagegen das Vorgehen. “Ich glaube, man kann sagen, dass der Polizeieinsatz geglückt ist”, sagte GdP-Chef Konrad Freiberg dem NDR. Das Klima vor dem G8-Gipfel sei zunehmend vergiftet. “Wir haben die Situation, dass sich immer mehr Leute zur Gewalt bekennen.” Um gewaltfreie Demonstrationen zu gewährleisten, sei von Seiten der Polizei daher ein “außerordentlich hoher Personaleinsatz” notwendig.

Nach zunächst friedlichen Protesten war die Polizei mit Farbbeuteln, Steinen, Feuerwerkskörpern und Tränengas attackiert worden. Die Beamten setzten Tränengas und Schlagstöcke ein.

Um solche Auseinandersetzungen bei den Demonstrationen in Rostock und Heiligendamm zu vermeiden, sieht Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie vor allem die Polizei in der Pflicht, sich deeskalierend zu verhalten. “Es kommt darauf an, dass man den Demonstranten genügend Raum gibt ihr Anliegen darzustellen”, sagte Steven der Frankfurter Rundschau. Wenn eine Demonstration wie in Hamburg “im Polizeiaufgebot untergeht, wirkt das eher eskalierend und löst Panik aus bei Leuten, die gar nicht gewaltbereit sind”.

Um Ausschreitungen beim G8-Protest in Rostock zu vermeiden, habe es Absprachen mit den beteiligten Organisationen gegeben, sagt Werner Rätz von Attac der FR. Es sei Konsens, dass der Protest “einen ruhigen, friedlichen Charakter” haben solle. Rätz lobte ausdrücklich die Kooperation mit der Rostocker Polizei. Die habe in Gesprächen zwar kein Mittel ausgeschlossen, aber “in eher freundlicher Weise offen gelassen”, welcher Mittel sie sich bedienen werde. Hingegen sei das Vorgehen der Bundesregierung eindeutig negativ zu beurteilen. “Die Hausdurchsuchungen sind durch nichts zu rechtfertigen.” Das Beschmieren von Häusern und Anzünden von Autos seien Straftaten, aber es sei “weit weg von Terrorismus”.

Als “weitgehend unverhältnismäßig” stuft auch der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner, die Durchsuchungen ein. Das Sammeln von Geruchsproben “riecht verdammt nach Stasi-Methode”. Seines Erachtens habe es so etwas in der Bundesrepublik bislang nicht gegeben. “Das ist makaber und darüber hinaus ein Moment der Eskalation”, sagte Gössner der FR. Vom Prinzip her sei die Polizei schließlich zur Deeskalation verpflichtet. Das bedeute aber auch, dass sich die Organisatoren der Demonstration im Zweifelsfall offen gegenüber der Polizei verhalten müssten, sagte Gössner. Gleichwohl sei ihm bewusst, dass es für die Organisatoren vor Ort umstritten sei, mit der Polizei zu kooperieren, weil dies zusätzlich zur Eskalation beitragen könne.

Monty Schädel, Mitorganisator des Protestes in Rostock, ist sich sicher, dass es eine Eskalation nicht geben wird. Schließlich hätten sich die Teilnehmer auf einen Konsens verpflichtet und “ich gehe davon aus, dass Menschen überzeugbar sind”. Sollte es wider Erwarten zu Störungen aus Reihen der Demonstranten kommen, wolle man diese selbst lösen. “Ich werde der Polizei nicht zubilligen, in unsere Demonstration hinein zu gehen”, sagte er der FR. Kooperation mit den Sicherheitskräften werde es nur bei der Demonstrationsstrecke und dem zeitlichen Ablauf geben.

Die Polizeigruppe Kavala in Mecklenburg-Vorpommern, die den G8-Einsatz durchführt, will sich nach eigener Aussage um Deeskalation bemühen. “Das gehört zu unserem Konzept”, sagte ein Kavala-Sprecher der FR. Man sei weiterhin in Gesprächen mit den Gipfelgegnern und werde bei den Demonstrationen 60 Beamte in “Deeskalationstrupps” einsetzen, die durch besondere Westen erkennbar seien. Zur Frage der möglichen Gewalt von Seiten der Demonstranten sagte der Sprecher: “Wer hehre Ziele hat, muss auch glaubhaft bleiben, das geht nicht mit Gewalt.” Die große Zahl der Beamten solle “nicht überbewertet werden”. Es gehe schließlich “nicht um ein Kreisliga-Spiel, sondern um den G8-Gipfel”.

Unterdessen hob das Verwaltungsgericht Schwerin am Dienstag ein weiteres von der Polizei verhängtes Demonstrationsverbot auf. Danach können drei Kundgebungen am Flughafen Rostock-Laage unter Auflagen stattfinden. Bereits am Freitag hatte das Gericht die von den Behörden verfügte großräumige Bannmeile rund um Heiligendamm teilweise für rechtswidrig erklärt.

[http://www.fr-online.de/top_news/?sid=0697e90694ffa0271c2234fa375f3623&em_cnt=1145093]