Hamburg: Briefkontrolle löst Empörung aus – Schäuble verteidigt Vorgehen
Knapp zwei Wochen vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm hat das Verwaltungsgericht Schwerin die umstrittenen Einschränkungen für Demonstrationen teilweise aufgehoben. Wie das Gericht am Freitag mitteilte, wurde nur eine Bannmeile von 200 Metern vor dem Sicherheitszaun um das Seebad für rechtmäßig erklärt. Unterdessen gab es Wirbel um geöffnete Briefe in Hamburg. Man habe Bekennerschreiben mit möglichem terroristischen Hintergrund gesucht, so die Bundesanwaltschaft.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung des Schweriner Gerichts ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Das Verfahren hatte ein Bündnis von Gegnern der Konferenz beantragt, das für den 7. Juni einen Sternmarsch nach Heiligendamm geplant hat. Die Polizei legte umgehend Beschwerde gegen den Beschluss beim Oberverwaltungsgericht Greifswald ein.
Bannmeile außer Vollzug
Das Schweriner Gericht setzte mit seiner Eilentscheidung eine von der Polizei geplanten kilometerbreite Bannmeile außer Vollzug. Den von der Versammlungsbehörde vorgetragenen Sicherheitsbedenken könne in der äußeren Zone durch Auflagen Rechnung getragen werden, befanden die Richter. Die geplanten Aufzüge würden auf bestimmte Routenführungen beschränkt, so dass Rettungswege frei blieben. Gegen den Entscheid kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern erhoben werden.
Beim Schweriner Verwaltungsgericht ist nach Angaben eines Sprechers ein weiterer Eilantrag von Gipfel-Gegnern anhängig, der angemeldete Demonstrationen um den Flughafen Rostock-Laage betrifft. Die Polizei in Rostock will über eine so genannte Allgemeinverfügung vom 30. Mai bis zum 8. Juni in einer 200-Meter-Zone vor dem Sicherheitszaun um den G8-Tagungsort öffentliche Versammlungen und Aufzüge verbieten.
“Leuchtender Sieg des Rechtsstaats”
Während des Gipfeltreffens vom 6. bis 8. Juni sollte die Sperrzone auf bis zu sechs Kilometer rund um den zwölf Kilometer langen Zaun erweitert werden. Der Sicherheitszaun umgibt Heiligendamm bereits seit Wochen. Auch rund um den Flughafen Rostock-Laage, auf dem die Maschinen mit den G8-Staats- und Regierungschefs landen und wieder abfliegen werden, sind für die Zeit vom 2. bis 8. Juni Versammlungen untersagt worden.
Grünen-Chefin Claudia Roth begrüßte den Gerichtsentscheid als “leuchtenden Sieg des Rechtsstaats”. “Wir fordern die Polizei auf, das Urteil jetzt zu respektieren und keine Berufung gegen das Urteil einzulegen.”
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellte derweil klar, dass Postdurchsuchungen der Hamburger Polizei nicht in Zusammenhang mit dem G8-Gipfel stünden. Schäuble erklärte, die Postdurchsuchungen in Hamburg stünden im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen bereits begangener Straftaten. “Es gibt im Zuge der Vorbereitungen des Gipfels keine solchen Maßnahmen und wird es auch nicht geben”, sagte er in München.
Brieföffnung ohne G8-Hintergrund?
Die Bundesanwaltschaft teilte mit, die Durchsuchung habe zur Aufklärung mehrerer Brandanschläge im Hamburger Raum beitragen sollen, bei denen ein terroristischer Hintergrund vermutet werde. Die Maßnahme sei richterlich angeordnet worden und habe sich nur auf Briefe bezogen, deren Erscheinungsbild auf ein Bekennerschreiben schließen lasse. “Im Ergebnis wurde daher auch lediglich ein Brief geöffnet.”
Die “tageszeitung” hatte zuvor berichtet, dass das Hamburger Landeskriminalamt bei der Suche nach militanten G8-Gegnern systematisch Post durchsuche. Im Vorfeld des Gipfels hatte es in Hamburg Anschläge mit Sachschäden gegeben, zu denen sich militante Globalisierungsgegner bekannt hatten.
Schäuble verteidigt Aufwand
Schäuble verteidigte den großen Sicherheitsaufwand rund um den Gipfel. “Der Aufwand ist notwendig und nicht übertrieben, sondern angemessen.” Es sei besser, im Vorfeld vorsichtiger zu sein, als hinterher fehlende Vorsicht zu bemängeln.
Die Deutsche Post AG hatte zuvor bereits auf Anfrage bestätigt, dass Ermittler des Landeskriminalamtes in Hamburg Briefsendungen kontrolliert haben.
In den vergangenen Wochen hatten Unbekannte in Hamburg mehrere Farb- und Brandanschläge verübt. Anschließend gingen bei Zeitungen oder Nachrichtenagenturen Bekennerschreiben von Gegnern des G8- Gipfels in Heiligendamm ein.
Polizeipräsident: Stehe zu Maßnahme
Wie viele Polizisten an der Kontrolle von Briefen beteiligt waren, wollte Hamburgs Polizeipräsident Werner Jantosch nicht sagen. Die Federführung habe die Bundesanwaltschaft. Jantosch betonte jedoch: “Ja, ich stehe zu dieser Maßnahme, denn sie dient dazu, Licht in das Dunkel der zahlreichen Anschläge in Hamburg zu bringen.”
Ein Postsprecher betonte, die Polizei habe ohne Hilfe der Post gearbeitet. Deshalb sei der Umfang der Kontrollen auch nicht bekannt. “Da wird unser Personal rigoros abgezogen”, sagte er. Die Beamten seien von Dienstag bis Donnerstag im Briefzentrum gewesen und hätten auch einen Briefkastenleerer auf seiner Tour begleitet.
Mit Material von dpa und reuters
[http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/6/0,3672,5541158,00.html]