Protestveranstaltungen im Umkreis von sechs Kilometern um das Tagungshotel untersagt
Andreas Förster
BERLIN. Nach der neuerlichen Ausweitung der Bannmeile um den Veranstaltungsort des G8-Gipfels Anfang Juni in Heiligendamm hat sich die Kritik am Vorgehen der Sicherheitskräfte verschärft. Am Wochenende war bekannt geworden, dass vom 5. Juni an in einem Radius von rund sechs Kilometern um das Tagungshotel herum keine Demonstrationen und Protestveranstaltungen erlaubt werden. Spitzenpolitiker von Grünen und Linkspartei warnten davor, das Demonstrationsrecht einzuschränken.
Der Tagungsort des G8-Gipfels ist bereits von einem massiven Stahlgitterzaun umgeben, der Heiligendamm in einer Entfernung von drei Kilometer umspannt. Zusätzlich hat die Polizei inzwischen eine 200 Meter breite Zone vor dem Zaun eingerichtet, in der sich nur Sicherheitskräfte aufhalten dürfen.
Angst vor “modernen Waffen”
Nun wurde verfügt, dass in einer weiteren, rund drei Kilometer breiten Sicherheitszone vom 5. bis 9. Juni, also während der Beratungen, keine Veranstaltungen stattfinden dürfen. Dieser Bereich umfasst ein Viereck zwischen den Ortschaften Kühlungsborn, Bad Doberan, Kröpelin und Nienhagen.
Begründet wird diese Maßnahme von der Polizei-Sondereinheit “Kavala” mit nicht näher erläuterten “Gefahrenprognosen” des Bundeskriminalamtes. Demnach könnte der Tagungsort mit “modernen Waffen”, die über “eine hohe Reichweite und Treffsicherheit” verfügen, angegriffen werden. Um dies zu verhindern, werde ein “breiterer Korridor” von sechs Kilometern benötigt. Allerdings liegen deutschen Sicherheitsbehörden bislang keine Hinweise auf solche geplanten Attacken auf den G8-Gipfel vor.
Die Gipfelsoli Infogruppe, die den G8-Protest mitorganisiert, sprach von einem “beispiellosen Demonstrationsverbot in der Geschichte der Bundesrepublik”. Ihr Sprecher Hanne Jobst sagte in Berlin, Bundesinnenminister Schäuble und das BKA wollten den linken Protest verhindern und in der Öffentlichkeit delegitimieren.
Kritik kam auch aus der Politik. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte gestern nach Beratungen der Spitzengremien ihrer Partei in Berlin, Versuche, das Demonstrationsrecht einzuschränken, machten “aus einem starken Staat einen schwachen Staat”. Nicht durch kritischen Protest leide das Ansehen Deutschlands, sondern “wenn sich Politik hinter Zäunen verbarrikadiert und sich vor Menschen versteckt”. In einem von der Partei- und Fraktionsspitze unterzeichneten Aufruf der Linkspartei heißt es: “Wir fordern die Sicherheitskräfte und die politisch Verantwortlichen auf, ihren Beitrag zur Deeskalation zu leisten und auf Repressionen gegen die Protestbewegung zu verzichten.”
Netzsperre in Ostsee ausgelegt
Wann eine gerichtliche Entscheidung über das Demonstrationsverbot getroffen wird, war gestern noch unklar. Die Organisatoren eines Sternmarsches, der am 7. Juni nach Heiligendamm führen soll, hatten gegen dessen Verbot einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Schwerin eingereicht. Nun werde zunächst den Antragstellern Akteneinsicht zu den Gründen des Versammlungsverbots gewährt, sagte ein Gerichtssprecher. Außerdem werde eine Stellungnahme der Polizeidirektion Rostock eingeholt, die das Verbot verfügte.
Vor Heiligendamm begannen gestern die Arbeiten zur Errichtung einer Netzsperre auf See. Mitarbeiter einer Rostocker Spezialfirma fingen damit an, von einem Kutter aus das Netz in der Ostsee auszubringen, das mit dem Zaun um Heiligendamm verbunden wird. Die Netzanlage soll insgesamt 4,5 Kilometer lang sein.
Siehe auch im Internet unter:
www.berliner-zeitung.de/g8
[http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/politik/655359.html]