Rote Hilfe Rostock
Mit der Einreichung einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Schwerin gegen
die G8-Polizeibehörde Kavala, sowie der Weiterführung eines
Widerspruchsverfahrens haben 2 G8 Gegner den schon laufenden juristischen
Überprüfungen der vor und während des G8 Gipfels gegenüber mehreren
hundert Personen ausgesprochenen Platzverweise zwei weitere wichtige
Musterverfahren hinzugefügt.
Schon Anfang Juli wurde von einer Hamburgerin gegen einen räumlich
unbeschränkten Platzverweis Klage eingereicht. Weiter sind in Schwerin auch
Klagen anhängig gegen Platzverweise, die sich gegen eine Gruppe der am
Campaufbau in Wichmannsdorf beteiligten WendländerInnen richtet.
Heute nun zieht ein Bonner G-8 Gegner vor das Schweriner Gericht, weil ihm
seinerzeit für eine zig km² große Fläche von Kühlungsborn über
Nienhagen bis zur Grenze von Bad Doberan ein mehrtägiger Platzverweis
ausgesprochen wurde, obwohl die Polizei keine konkrete von ihm ausgehende
Gefahr nennen konnte . Gleichzeitig setzte ein weiterer Rostocker mit einem
heute aufgegebenen Schreiben gegen die Kavala das Widerspruchsverfahren
gegen einen im Vorfeld des G8 Gipfels ausgesprochenen Platzverweis fort.
Damals wurde er daran gehindert, eine Demonstrationsroute in Heiligendamm in
Augenschein zu nehmen, um Detalinformationen für ein anstehendes
Kooperationsgspräch mit der Polizei zu gewinnen.
Damit stehen nun flächendeckend für die Bereiche Rostock und Bad Doberan
sowohl während des G8-Gipfels als auch in der Zeit der Protestvorbereitung
erlassene Platzverweise auf dem Prüfstand
Zentraler juristischer Angriffspunkt ist die Willkür, mit der die Polizei
bei der Erteilung der Platzverweise vorgegangen ist. „Die Platzverweise
sind grundrechtseinschränkend, eine vorgeschriebene Gefahrenprognose hat
nicht stattgefunden oder kann in keiner Weise durch konkrete Tatsachen
untermauert werden“, so Sebastian Nickel, Anwalt der Betroffenen.
So gab es lediglich einen hineinkopierten Textbaustein, der quasi auf alle
Menschen zutreffen kann, die sich im Bereich von Rostock und Bad Doberan
aufhalten. In dem Fall des klagenden Bonners verwiesen die Polizeibeamten
nur auf eine allgemeine Bedrohungslage.
Die Polizeitruppe Kavala mißachtete auch mehrere hundert Male, daß ein
Platzverweis räumlich und zeitlich eng umgrenzt sein muß und auf keinen
Fall das Gebiet mehrerer Gemeinden gleichzeitig umfassen darf. Gegen den
Bonner und mehrere hundert weitere G8 GegnerInnen wurden aber Platzverweise
ausgesprochen, die das Gebiet von gleich 5! Gemeinden umfasssten.
„Die Polizei benutzte die Platzverweise offenbar als Mittel der
Arbeitserleichterung und insbesondere, um DemonstrantInnen an der Ausübung
ihres Versammlungsrechtes zu hindern“, so Nickel.
Kläger und Anwälte geben sich optimistisch bezüglich der
Erfolgsaussichten der Klagen. Schon während des G8-Gipfels hatte die Kavala
zwei räumlich und zeitlich ähnlich unkonkrete Platzverweise vor Gericht
wieder zurückgezogen, als 2 Betroffene am 6.6 ein Eilverfahren anstrengten,
um ihn außer Kraft zu setzen. In diesem Verfahren werden bald noch 2
Feststellungsklagen eingereicht, mit dem Ziel, die Betroffenen zu
rehabilitieren und deren Namen aus den Polizeidateien zu löschen.
„Der bewußte und kalkulierte vielhundertfache Gesetzesbruch durch die
Polizeitruppe Kavala war ein Testballon, um herauszufinden, wie man sich
unter Verweis auf „komplizierte polizeiliche Großlagen“
Handlungsspielräume gegen Proteste verschafft, die, wenn Sie nicht später
vor Gerichten angegriffen werden, dafür sorgen, daß die Polizei bei
Großereignissen machen kann, was sie will“, äußerte sich der Bonner
Kläger Bernhard Budnick.
Nach Auffassung der Roten Hilfe Rostock haben die Platzverweise auch die
Funktion, ein kriminalisierendes Verfahren gegen linke AktivistInnen auf
einer, wenn auch zweifelhaften, so aber dennoch formal existenten Grundlage
zu beginnen, aufgrund derer man die Daten der Betroffenen in polizeilichen
Dateien abspeichern kann, so Dieter Rahmann von der Ortsgruppe Rostock, der
auch der Widerspruchsführer in dem zweiten heute weitergeführten Verfahren
ist. Aus diesen Dateien kommt man dann aber nur mit sehr viel
bürokratischem Aufwand wieder raus, hat aber bei jeder Polizeikontrolle mit
kriminalisierendem Verhalten der PolizeibeamtInnen zu kämpfen.
Rote Hilfe Ortsgruppe Rostock
Klägerverteter: Sebastian Nickel
Klägervetrtreterin bzgl. der Platzverweise gegen die WendländerInnen:
Ulrike Donat
Klägerverteterin der Hamburgerin: Verina Speckin und bzgl. der Eilverfahren
Lars Nümann