Viel wurde bisher gesagt und geschrieben über die Repression und Aktionen die beim Gipfel-Treffen in Kopenhagen stattgefunden haben. Über das scheinbare "Erstarken einer neuen radikalen Klimabewegung". Wenig Reflektionen gibt es bisher zum "Innenleben der Mobilisierung". Also zu den Strukturen und Prozessen vor Ort also. Welche haben zur Ermächtigung (Empowerment) der Einzelnen beigetragen? Welche haben dieser entgegen gewirkt?
Große Schafsherden - Wenig Selbstermächtigung, Direkte Aktionen, Alltagsalternativen und D.I.Y.
Ein immer wiederkehrendes Muster in der Protest-Choreographie vom 11. - 16. Dezember in Kopenhagen (siehe http://indymedia.dk/) war folgendes: Zu lang im Voraus angekündigten Zeitpunkten und Orten versammelten sich große Menschenmassen zu Protestmärschen. Die Polizei war entsprechend vor Ort und fuhr große Teile der Demonstration schon zu Beginn der Aktion in die Knäste ein. Die Reste der "Herde" blieben mehr oder weniger ohnmächtig zurück und verstreuten sich. Nun kann mensch sich über diese Repression aufregen. Und klar: Die Bilder erzählen eine gute Geschichte. Das Schweinesystem ist tatsächlich ein Schweinesystem. Aber zur Ermächtigung des Einzelnen trugen diese Aktionsformen wenig bei. Wohl eher zu einem Ohnmachtsgefühl. Scouts oder "Kundschafter" sollten die Massen "führen". Das dies schon vom Prinizip her problematisch ist und auch in der Praxis größtenteils fehlgeschlagen ist spricht Bäden über die Aktions-Praxis der "Bewegung".
Wo waren die autonomen Kleingruppen-Aktionen in der Innenstadt am 12. Dezember? Was wäre gewesen hätten sich massenhaft, vorbereitete Kleingruppen über die Stadt verteilt und bestimmte, inhaltlich wichtige Ziele angegriffen? Erklettert, verklebt, besetzt, verziert, bepflanzt, sabotiert, blockiert, gesmasht, bespielt. Immer mit viel Vermittlungsebene und eigener Öffentlichkeitsarbeit durch die Unterstützung einer Mediengruppe die den AktivistInnen dient und diese nicht zu führen, vereinnahmen und vetreten versucht (s.u.)? Und diese Aktionen gleichzeitig auf Utopien verwiesen hätten, die vor Ort direkt erfahrbar gewesen wären? Meine These: Die Bullen vollkommen überfordert, exzellente Vermittlung und ermächtigte AktivistInnen. Das Camp in Stirling beim G8 in Gleneagles und die Camps for Climate Action in UK können hier als Inspiration dienen.
Kleine Hoffnungsschimmer
Trotz diese doch sehr ernüchternden Bilanz sei auf einige kleine Hoffnungsschimmer auch in Kopenhagen verwiesen
Was die Organisation von Infrastruktur angeht, deren Würdigung auch immer viel zu kurz kommt haben die dänischen AktivistInnen vom ClimateCollective wohl ganze Arbeit geleistet. Auch was das Zusammentragen des inhaltlichen Stands der Dinge angeht ( http://www.climatecollective.org/resources/). Trotz dem war von den dahinter stehenden radikal-ökologischen Utopien an den Convergence-Centern und Infopoints leider auch wenig zu spüren. Eigentlich gäbe es aber auch hier Alternativen: Wie eine radikal-ökologische Infrastruktur allen AktivisInnen gleichberechtigt zugänglich gemacht werden kann, zeigen wieder einmal die Engländer mit ihrer AT Coop ( http://www.atcoop.org.uk/). Unter den vielen D.I.Y Bio-Vegan-Küchen aus ganz Europa stellte sei als tolle Ausnahme die frische, kleine aber feine Suppenküche aus Schweden genannt. Die AktivistInnen dort haben ein ganzes Jahr lang, mit Blick auf Kopenhagen, nicht-kommerziellen Gemüsebau betrieben um damit die vielen hungrigen Mäuler beim COP15 zu stopfen. Wer sich dich köstlichen, mit Holzfeuer gekochten Suppen auf den Zunge zergehen lassen hat, wusste: Ohne Mampf, kein Kampf. Inklusive der Vermittlung einer alternativen Nahrungsmittel-Produktions-Utopie ( http://www.mykorrhiza.se/wiki/pmwiki.php/OmOss/AboutUs). Was sonst noch so an D.I.Y ging war wohl das Techie-Kollektiv "terminal.21" die sowohl als Kollektiv selbst als auch durch die zur Verfügung-Stellung von Infrastruktur für aktivistische Medienmacher_Innen zur Ermächtigung aller Beteiligten beigetragen haben ( http://terminal21.de/).
An Aktionsformen gab es leider ebenfalls wenige Alternativen zu der oben beschrieben Tragödie. Die wenigen spannenden Dinge gingen wohl von Landwirtschafts-AktivistInnen oder AktivistInnen vom UK Climate Camp aus. Letztere hatten zu Ende des Gipfels keine Lust mehr auf die tatenlosen Parolen die dem Greenwash-Projekt par exellence "Hopenhagen", bei diversen Demos entgegen gebrüllt wurden und nahmen das Problem selbst in die Hand. In der Nacht zum 18. Dezember besezten sie kurzer Hand das Zentrum des Projekts und errichteten ein Mini-Camp um ein Zeichen gegen diesen grün-kapitalistischen Müll zu setzen ( http://www.climatecamp.org.uk/actions/copenhagen-2009/hopenhagen). Aus dem ähnlichen Spektrum stammte auch die Idee des "BikeBlocs". Wenn auch eingebunden in die etwas müde Aktion von "Reclaim Power!" der dazu entsprechenden Bullen-Repression war die Idee: Kleingruppe auf bunten D.I.Y-Fahrrädern die Chaos verbreiten und gleichzeitig radikale, kapitalismuskritische Akzente in Sache Fortbewegung und Mobilität setzen. Eine geniale Weiterentwicklung des etwas unflexiblen CriticalMass-Konzepts ( http://www.climatecamp.org.uk/actions/copenhagen-2009/bike-bloc). Überhaupt war die "Bolsjefabrikken" also zu doitsch die "Bonbon-Fabrik" ein Ort für Fahrrad-Reparatur-D.I.Y, mit entsprechenden Workshops und informellem Skill-Sharing (Fähigkeiten-Teilen) zu verschiedenen Reparaturarbeiten und sonstigen kreativen Aktionsformen (z.B. Eco-Street-Art).
Und was die Landwirtschafts-Aktionen anging, so waren dies zwar als Format auch erstmal normale Latsch-Demos aber zum einen waren es Aktionen mit konkreter Kritik, konkreter Formulierung von anti-kapitalistischen Alternativen, Vermittlung der selbigen durch ausdauernde Flyer-Ausgabe und was auch sonst fast überhaupt nicht der Fall war: Der Anwesenheit von Betroffenen aus dem globalen Süden. Abgesehen davon, gab es am Rande der Demo des Landwirtschafts-Aktionstages viele Kleingruppen-Aktionen: 1. Aktionstheater zum Greenwashing eines Bio-Plastik und -Sprit-Produzenten. 2. Banner-Drop und Blockade vorm Supermarkt-Multi "Netto" bei gleichzeitiger Ausgabe von bio-veganen Burgern und Suppe an Passanten. 3. Leider fehlgeschlagenes Lahm-Legen einer Shell-Tankstelle an der Route. 4. Tierrechtlicher Banner-Drop am Gebäude der Lobbyisten der Agrar-Industrie und Tierfabriken in Dänemark ( http://linksunten.indymedia.org/de/node/14617 + http://linksunten.indymedia.org/en/node/14493 + http://www.reclaimthefields.org/).
Bei all diesen Aktionen haben natürlich nie die sonst schon gängigen und doch sehr viel selbstbestimmteren Aktionsformen wie Rythms of Resistance (Samba-Band -> http://www.rhythms-of-resistance.org/) oder Clown-Army (Clowns-Armee -> http://en.wikipedia.org/wiki/Clandestine_Insurgent_Rebel_Clown_Army) gefehlt. Spontan organisiert scheinten sich auch die unzähligen Gefangenen zu haben. Von Zerlegung der Knäste, bis Ausbruchsversuchen, Gesängen und Parolen war wohl alles dabei. t
Bewegungs-Führer - Skandalöse Anti-Rep-Arbeit und Medien-Politik
Ähnlich ernüchternd wie die Aktionspolitik, war die Medienpolitik von CJA ( http://www.climate-justice-action.org/). Diejenigen die schon letztes Jahr während des Klimacamps in der Kritik wegen Vereinnahmung und einseitige Steuerung des Prozess standen fanden sich, wo auch sonst, im Medienteam von CJA wieder. Das diese Menschen "Bewegungsführer" sind ist jetzt auch von ihnen selbst bestätigt worden. In offiziellen taz-Interviews wird nun unverblümt von "führenden Köpfen der sozialen Bewegung" gesprochen. Damit dürfte dem Banner-Slogan von Greenpeace "Politiker reden, Führer handeln", auch von Seiten der "radikalen Klima-Bewegung" genüge getan worden sein. Personalisierte Kritik bringt hier wohl wenig weiter. Die entsprechenden Menschen drängen sich ja so penetrant in den Vordergrund, dass sie kaum zu übersehen sein dürften. Das System nach dem gearbeitet wird ist aber dennoch erwähnenswert: Es werde Kollektiv-Identitäten geschaffen (z.B. "Climate Justice Movement" - "Die Bewegung") und Institutionen die für jene Sprechen ("Climate Justice Action"). Und statt das wie bei NGOs deren Logos gepuscht werden müssen, geht es hier um Einzelpersonen, die sich aus welchen gründen auch immer, persönlich profilieren müssen. Entsprechende Personenkreis formen dann informelle Cliquen und Parlellstrukturen in denen sie sich gegenseitig der Ball zugespielt wird. Andere Menschen werden von (Medien-)Ressourcen ausgegrenzt und auf Grund mangelnder "Professionalität" zurück gedrängt und damit "Macht" angehäuft. Und all dies darf dann nicht in der Öffentlichkeit debattiert werden, weil es die "Einheit der Bewegung" gefährden würde: Klar, eine offene Streitkultur wäre desaströs für diese Strukturen. Ein Schauspiel, das Einblick in entsprechende Logiken gab, war das Presse-Training, dass von CJA vor Beginn der Proteste durchgeführt wurde. Ähnliche Kritik wurde aber auch von Menschen geäußert, die das Medienteam während der 2 Wochen in Kopenhagen frustriert verlassen haben.
Beim erwähnten Presse-Training wurden aber auch einige inhatliche Mankos deutlich: Positive Bezug auf "Demokratie", blinde Solidarität mit Delegationen aus dem globalen Süden (z.T. also auch mit korrupten Despoten) statt mit den dort kämpfenden sozialen Bewegungen, Aussagen die beinahe Appelle an die Herrschenden waren, Reparationen und "Klima-Schulden" als Lösungs-Konzept (Wer bemisst den Schaden? Wer zahlt? Wie wird das erreicht? Lobbying?). Aussagen wie "Wir sind keine UNO Gegner, wir wollen hier gar nicht die Legitimationsfrage stellen" sprechen wohl Bände. Zum Klima-Camp letztes Jahr wurden ja bereits alternative Positionen formuliert ( http://de.indymedia.org/2008/08/224669.shtml).
Und das Fatale zum Schluss: Zwar wehrt sich niemand gegen diese Zustände. Allerdings ist es auf Grund der diskursiven Dominanz in den Medien dieser Strukturen bei Gipfelprotesten auch schwierig eigene Pressearbeit zu leisten. Umso besser, dass es doch einige unabhängige Medienmacherinnen nach Kopenhagen geschafft haben und Menschen für sich selbst haben sprechen lassen ( http://linksunten.indymedia.org/de/filtersearch/results/taxonomy%253A125).
Skandalös auch, wie sich entsprechende Führungsstrukturen in der Antirepressions-Arbeit auswirken. Über ein dutzend Menschen stecken im Knast und müssen dort auch bis Mitte Januar sitzen, teils mit schweren Vorwürfen (Waffenbesitz, Widerstand etc.) und was passiert? Individualisierte Soli-Arbeit mit Petitionen für einzelne "Bewegungs-FührerInnen", die nach einigen Tagen sowieso wieder auf freien Fuß kommen ( http://www.petitiononline.com/Tadzio/petition.html). Nun kommt es also auch schon auf die Kontakte zu entsprechenden Cliquen an, in wie weit sich mit Menschen im Knast Solidarität wird. Und statt einen Generalkritik an Knästen und Strafe zu integrieren geht es nur noch um die Stars und Sternchen der neuen "Klima-Bewegung" ( http://noprisonnostate.blogsport.de/ + http://www.projektwerkstatt.de/strafe/)
Wie Weiter?
Naja, die Alternativen in Sache Medienarbeit sind ja bekannt und werden auch schon lange von unabhängigen AktivistInnen bei ihren Aktionen praktiziert. Wie schon erwähnt sollten Medienteams, wenn überhaupt von den Aktivist_Innen gewünscht, zuarbeiten und vermitteln. Das heißt also, Pressemitteilungen werden in einem gleichberechtigten Prozess von allen erarbeitet und auf Bitte von der Straße von den Medienmenschen verschickt. Sprechen kann und soll jeder der will. Möglichst für sich und nicht für andere. Aber immer die Menschen vor Ort. Ein Pseudonym für alle mit der Presse sprechenden (siehe AntiRa-Camp in Hamburg letztes Jahr), oder einzelne AktivistInnen ist eine weitere Option um Vereinnahmung vorzubeugen.
Was die Aktionskonzepte angeht gibt es hier auch zahllose Alternativen. Autonome Zeitschrifen eures Vertrauens vermitteln Praxiswissen ( http://directactionde.blogspot.com/2009/12/farbe-auf-12-gebaude.html). Kreative Aktionstrainings, Bücher und Reader sind keine Mangelware ( http://kreativerstrassenprotest.twoday.net/ + http://kommunikationsguerilla.twoday.net/ + http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/dan/haupt.html + http://klimaschutzvonunten.blogsport.de/). Und ein Blick über den deutschen Tellerrand, zum Beispiel in das UK würde auch niemenschem Schaden.
Das Wintermärchen aus Kopenhagen erzählt aber auch eine Geschichte über politische Kulturen. Viele der Menschen die in die diesem unschönen Zusammenhängen zu erwähnen wären stammen auch doitschen Bewegungszusammenhängen. Viel Kritik daran wurde in informellen Gesprächen auch von AktivistInnen aus anderen Ländern geäußert (NL, UK). Doitsche Zustände also? Wahrscheinlich nicht nur. Entsprechende Egos gibt es wohl auch in anderen Ländern. Aber die lahme politische Kultur in Germoney, bietet doch einen wunderbaren Nährboden für solche Strukturen. Was wir brauchen ist frischer Wind: Wissen teilen statt monopolisieren, Selbstorganisation statt Dienstleistung, menschennahe Vermittlung statt akademische Eliten, kreative, dezentrale Aktionen statt Massenevents, reflektive, kreative aber strukturierte Entscheidungsfindung statt hierarchischen Plena, Offenheit, Ermächtigung und Transparenz statt Cliquen, Alltagsalternativen und D.I.Y statt "nichts Richtiges im Falschen", um die Sache kämpfen statt Egos und
Karrieren zu bedienen, offene Streitkultur statt Klüngelleien, herzliche und einladende Räume schaffen statt abschreckende Subkulturen... Und das sind nur einige Anregungen die aber in anderen Ländern (z.B. UK) schon sehr viel mehr der politische Praxis entsprechen. Ein englisch-sprachiger Artikel zum Thema "politische Kulturen" sollte bald im Shift-Magazine ( http://shiftmag.co.uk/) erscheinen.
In einer Reflektion heißt es sinngemäß übersetzt: "Wenn wir all unser Wissen und unsere Erfahrung zusammenbringen, dann sollte wir vielleicht überall hingehen. Aber nicht nach Mexiko (d.A: dort finde der nächste Klimagipfel statt). Wir sollte viel mehr 100.000 Menschen mobilisieren um lokal zu handeln in trans-lokaler Solidarität um alternative Strukturen zu schaffen und zu unterstützen wie radikal-ökologische, nicht-kommerzielle Landprojekte, urbane Freiräume und Aktionsplattformen, lokale Flüchtlingshilfen und andere Projekte die als Inspiration dienen könnten für eine radikal-ökologische und sozial gerechte Alltags-Praxis." Ich denke darüber sollten wir nachdenken. Und auch darüber ob wir die ursprüngliche Idee der Climate Camps aus England nicht nun endlich in der BRD durchsetzen wollen.
! D.I.Y - Do it yourself - D.I.T - Do it together !
P.S.: Wie Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Spektren möglich wäre, dazu gab es ja bereits Reflektionen von einige Menschen aus der Vorbereitung des Klima-Camps. Zur Information, hier im Anhang.
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Dieser Text ist der Versuch einer Reflexion über den Klimacamp Prozess im letzten Jahr.
Er will versuchen die Ursachen der Trennung des Klimacamp-Prozesses zu analysieren, Sinn und Folgen der entstandenen Gräben zu hinterfragen und sich mit ihnen auseinandersetzen.
Die Idee eines Klimacamps in Deutschland hatte zunächst bei vielen Menschen Energie und Aufbruchstimmung ausgelöst. Nach der Trennung war von dieser kaum mehr etwas vorhanden. Viele Menschen - vor allem auch solche, die neu in dem Prozess waren - fühlten sich abgeschreckt.
Einige Aktive erleben die Folgen des Klimacamp-Prozesses selbst jetzt noch als Behinderung ihrer politischen Arbeit. Deshalb war es für uns wichtig, uns ein weiteres Mal mit der Spaltung und ihren Folgen auseinander zu setzen, um dieses Thema abzuschließen.
Wieso es zur Trennung kam
Im Klimacampprozess sind viele verschiedene Menschen aus unterschiedlichsten politischen Kulturen mit verschiedenen Politikverständnissen zusammen gekommen. Auch die Vorstellungen darüber, wie der Prozess zu einem Klimacamp aussehen sollte, waren sehr unterschiedlich. Uneinigkeiten über die Formen des Umgangs miteinander und die Gestaltung der Treffen führten bereits frühzeitig immer wieder zu Konflikten. Auch gab es verschiedene Ideen davon, wie die eigene Politik aussehen soll. Für einen Teil der Vorbereitenden war beispielsweise die Anknüpfung an die G8 Proteste ein sehr zentraler Punkt. Diese Menschen hatten aufgrund der Bündnisarbeit des voran gegangen Jahres eine relativ klare Vorstellung wie ein Bündnisprozess aussieht. In dem Prozess waren auch Menschen aus einem eher herrschaftskritisch ökologischen Spektrum, die vom Klimacamp in Großbritanien und der dort viel stärkeren ökologisch fokussierten Linken inspiriert waren. Verschiedene Verhältnisse zu „Bewegungspolitik“ trafen in dem Prozess aufeinander und jeder wollte seine Vorstellungen im Klimacamp verwirklichen.
Die Tatsache, dass das Klimacamp als G8-Nachfolgeprojekt galt, hatte von Anfang an Druck auf den Prozess erzeugt und bestimmte Erwartungen wurden auch von außen immer wieder an den Prozess herangetragen. Erschwerend kam ein wachsender Zeitdruck hinzu. Dieser führte zu einer Konzentration wichtiger Aufgaben bei Menschen, die auch aufgrund früherer Tätigkeiten „wußten wie es schnell geht“ - was wiederum zu Problemen der Transparenz im Prozess führte.
Im Prozess gab es einige Versuche zu konkretisieren, was und wo mensch mit einem Klimacamp hin wollte: beispielsweise von AAP mit ihrem NGO-Papier. Dass es trotz dieser Versuche zu keiner Klärung darüber kam, trug wesentlich zur Trennung bei. Die Konflikte und ein produktiver Streit über die Vorstellung, wie mensch sich Intervention in Gesellschaft vorstellt, wurden nicht gesucht. Für einige war dabei die Frage, welche Rolle „NGOs“ innerhalb des Prozesses spielen und wie mit einer möglichen Vereinnahmung umgegangen werden kann, zentral. Vor allem weil über diesen Punkt keine Klärung stattfand, ist der Streit in Frankfurt an der Frage, welche Rolle NGOs und anderen Gruppen im Prozess und auf dem Camp spielen sollten, gescheitert. . Der eigentliche Punkt, an dem es dann in Frankfurt zur Trennung kam, ist wohl nicht zentral sondern Folge einer ungenügenden Klärung der angesprochenen Fragen innerhalb des Prozesses. Es soll hier nicht um die Frage der Schuld am Auseinanderbrechen gehen, nur so viel: In Frankfurt hat - auch aufgrund von persönlichen Enttäuschungen - das Verhindern bestimmter Konsensentscheidungen zum Auseinanderbrechen des Prozesses geführt.
Nach Frankfurt wurde in einigen eilig einberufenen Telefonkonferenzen der Prozess für Hamburg gestartet. Dies passierte in einem relativ exklusiven Verfahren in kleinem Kreis und war dadurch intransparent. Durch diese Entwicklung entstand bei einigen Menschen das Gefühl, dass ihnen der Prozess weggenommen wurde und die von ihnen bis dahin geleistete Arbeit ausgenutzt würde. Aus dem Ursprungsprozess wurde dann - aufgrund verschiedener Entwicklungen und dem Ausstieg und Abwandern vieler - der Prozess, der zum Öko Anarcho Barrio auf dem Camp führte.
Die Frage, ob ein gemeinsamer Prozess überhaupt möglich gewesen wäre und sich durch eine Klärung am Anfang viel Stress hätte erspart werden können, kann hier nicht beurteilt werden. Mit diesem Text ist aber die Hoffnung verbunden, dass eine Zusammenarbeit zukünftig in Anerkennung der unterschiedlichen Politikansätze in der einen oder anderen Form wieder möglich ist und nicht wegen indentitärer Zuordnung verunmöglicht wird.
Die Folgen der Trennung:
1. Unattraktiver Prozess
Seit der Trennung in Frankfurt hatten beide Prozesse - sowohl der Prozess, der dann zum Klimacamp in Hamburg führte, als auch der, der im Anarcho Barrio resultierte - einen großen Teil ihrer Attraktivität verloren. Unverständnis und Kopfschütteln über den Prozess wurden von Außenstehenden immer wieder deutlich gezeigt. Warum genau es zur Trennung gekommen war, war den wenigsten klar (oft selbst denen nicht, die Teil der Prozesse waren).
2. Die entstandenen Gräben
Die Trennung in Frankfurt führte zu einer klaren Frontenbildung innerhalb des Prozesses, mensch war nun entweder teil des Aarcho-Barrios oder des „NGO“ Kreises - die Bezeichnungen werden hier bewusst benutzt, da sie exemplarisch für die verkürzte Sicht auf die verschiedenen Hintergründe sind. Einher ging damit auch eine zu kritisierende Identitätsbildung, die auch auf dem Camp kaum aufgebrochen wurde. Dass diese Identitätsbildung auch mit unterschiedlichen Vorstellungen über den Politikansatz zusammenhing, ist klar - dies wurde aber selten deutlich. Viele Menschen wurden - vor allem im Prozess, aber auch auf dem Camp - mit der problematischen Frage konfrontiert, welcher Identität mensch sich zuordnen solle.
3. Schwächung von Bewegung
Die Frage, ob die soziale Bewegung durch die entstanden Gräben im Prozess insgesamt geschwächt wurde, ist schwer zu beurteilen. Allerdings wurde der Konflikt um die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Seite in verschiedenen lokalen Gruppen auch geführt, und führte bei einigen Gruppen zum Zusammenbrechen oder zu der Abkehr vom Thema. Zusätzlich wurden die Möglichkeiten zur Selbstermächtigung, zum Lernen von verschiedensten organisatorischen Dingen, die ein politischer Prozess meist ermöglicht, damit verpasst. Dies hing auch mit dem entstandenen Zeitdruck nach Frankfurt zusammen und führte zu einer Zentralisierung von Aufgaben auf einigen wenigen Schultern. Dass eine „Bewegung“ entstanden ist, stellt dieser Text in Frage.
4. Leute sind verloren gegangen
Eine der traurigsten Folgen der Trennung ist sicher der Verlust der vielen Einzelpersonen, die im Laufe des Prozesses hinzu gestoßen waren. Viele dieser Menschen, die fasziniert von der Idee eines Klimacamps in Deutschland waren, sind nach der Trennung weder auf Orga-Treffen der einen noch auf denen der anderen Seite wieder aufgetaucht. Wieso diese Menschen weg blieben, ist schwer zu beurteilen - es hängt jedoch sicherlich mit der Zerrissenheit des Prozesses zusammen. Vielleicht auch damit, dass sich eben nicht jede Einzelperson einer der beiden Gruppen zuordnen konnte. Der Konflikt wurde überall gespürt, selten jedoch verstanden. Durch das Wegbrechen dieser Menschen verlor der Prozess an Farbe und Pluralität. Dazu kommt, dass es dadurch auf beiden Seiten zu wenig Kraft und Menschen für bestimmte Projekte gab und diese deshalb nicht umgesetzt werden konnten.
5. Verlust an Motivation / Burn Outs
Auch auf persönlicher Ebene demotivierte der Prozess einige. Vor allem jene Menschen, die plötzlich nicht mehr an der Organisation des Camps beteiligt waren, waren frustriert und haben teilweise Lust an politischer Arbeit verloren. Auf beiden Seiten sind einige Menschen auf Grund von Überarbeitung immer noch schlecht auf das Camp und den Prozess zu sprechen und haben sich teilweise aus der politischen Arbeit zurückgezogen. Dies ist sicher auch eine Folge der wenigen Menschen innerhalb der Prozesse und des Zeitdrucks, der seit Frankfurt herrschte.
6. Verlust an Debatte
Der Konflikt innerhalb der Vorbereitungsgruppe ging auf Kosten der Auseinandersetzung mit den herrschenden Verhältnissen und wie dort der Klimawandel verwaltet wird. Auch wichtige Debatten darüber, wie mensch sich organisieren will und sich gesellschaftliche Veränderung vorstellt, wurden nicht geführt. In der öffentlichen Wahrnehmung wurde auch deshalb kaum sichtbar, dass es durchaus verschiedene Ansichten darüber gibt, wie mensch sich mit der Klima-Problematik auseinandersetzen will.
7. Offenheit
Zusätzlich zum oft nicht als sehr offen empfundenen Charakter von „linken“ Polit-Events führte die Spaltung zu einer Atmosphäre, in der für außen Stehende der Konflikt um die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Seite zur weiteren Verschlossenheit der Veranstaltung beitrug. Vor allem die identitären Barrios verstärkten dies sehr stark und führten zu Unverständnis. Auch der Prozess war aufgrund seiner Gestaltung nicht mehr besonders offen für Initiativen und Ideen über die Gestaltung des Camps.
8. Verschiedene Politikansätze wurden sichtbar
Durch die Trennung wurden auch die verschiedenen Politikansätze sichtbar. Das Lernen darüber, wie die anderen Politik machen wollen und was ihnen wichtig in politischen Prozessen ist, war aber vor allem vom Gefühl der Enttäuschung geprägt. Beispielsweise fühlten sich, durch die Art und Weise wie Pressearbeit gemacht wurde, ein Teil der Campenden vereinnahmt, während diese Art von Pressearbeit für die andere Seite zentral war. Es herrschte auf beiden Seiten Unverständnis über die Art der anderen Politik zu machen vor. Grundsätzlich ist wohl auf beiden Seiten das Gefühl entstanden, dass Zusammenarbeit aufgrund der verschiedenen Ansätze schwierig war bzw. ist.
Und wie weiter?
Viele reden von „tiefen Gräben“. Teilweise gibt es tatsächlich inhaltliche Differenzen, teilweise hat der Klimacampprozess emotionale Spuren hinterlassen. Auf keinen Fall soll hier der Versuch unternommen werden die Differenzen weg zureden und so zu tun als ob wir alle das gleiche wollten. Ob wir das wollen, müsste sich erst in Diskussionen über unsere Ziele herausstellen. Zunächst geht es jedoch erst einmal darum destruktives gegeneinander Arbeiten zu vermeiden. Das bedeutet nicht, dass unterschiedliche Inhalte und Strategien nicht betont werden sollten. Wichtig ist jedoch, dass wir uns nicht aufgrund identitärer Zuordnungen Wissen vorenthalten oder Projekte der anderen in der eigenen Szene zu verschweigen.
Nach Frankfurt konnte kaum noch eine Debatte über emanzipatorischen Klimaschutz mehr zustande kommen. Das ist schade, denn Gegenstandpunkte, die dem herrschenden Diskurs über Emissionshandel, Sparlampen und Effizienzsteigerung entgegengesetzt werden könnten, wären sehr wichtig. Gerade bei konträren Standpunkten könnten inhaltliche Diskussionen gut funktionieren. Es gilt also Berührungsängste abzubauen, persönliche Wut umzuwandeln in inhaltliche Konflikte und eine Streitkultur aufzubauen.
Neben inhaltlichen Debatten sollten auch konstruktive Debatten über Organisationsformen geführt werden. Es geht dabei nicht um die korrekteste politische Praxis, sondern darum wie Menschen sich möglichst effektiv organisieren können. Gerade der Prozess des Austausches hätte ein enormes Potential für eine neue Klimabewegung. Es ist nicht vorhersehbar, ob am Ende gemeinsame Positionen, gemeinsame Projekte oder nur inhaltliche Zerstrittenheit heraus kämen. Aber zu emanzipatorischer Politik gehört eben auch offen über die eigenen Ziele und Strategien zu reden und diese zur Diskussion zu stellen.
Folgende Punkte wären wünschenswert, um zu verhindern dass gegeneinander gearbeitet wird:
Wissensaustausch: z.B. könnten Leute aus Organisationen ihr Wissen über bestimmte Arbeitstechniken zur Verfügung stellen, während auch andersherum in der „Öko-Anarcho-Szene“ vorhandenes Know-How geteilt werden kann.
Bekanntmachen von Projekten „der anderen“ in der eigenen Szene oder Organisation. So könnten alle von der Vielfalt der Aktionen und Kampagnen profitieren. Die Bewegung könnte insgesamt gestärkt werden und viele Menschen bekämen die Möglichkeit bei Veranstaltungen mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung zum selben Thema aktiv zu werden. Verschweigen von Projekte „der anderen“, beispielsweise mit dem Ziel Leute in der „eigenen“ Szene zu halten, widerspricht nicht nur einem emanzipatorischen Politkverständnis, sondern schwächt letztendlich auch die gesamte „Bewegung“.
Keine öffentlichen Distanzierungen gegen Aktionen der anderen (was bisher auch nicht vorkam)
Folgende Punkte wären eine nötige Voraussetzung gewesen, um das Camp gemeinsam zu organisieren:
Transparenz!: Sowohl Welche politischen Ziele verfolgen Einzelpersonen oder Gruppen. Als auch die Art und Weisen wie Dinge organisiert werden
Klares Offenlegen der Funktionen, mit denen die Leute am Prozess teilnehmen
Ein Auftreten aller Akteure mit Fokus auf die thematische Auseinandersetzung anstatt auf unterschiedliche Identitäten, Labels und Arbeitsweisen
Gleiche Möglichkeiten für alle Menschen – ermöglicht durch Wissensaustausch und Geduld von erfahreneren Akteuren
Akzeptanz unterschiedlicher Schwerpunkte statt Einschränkungen oder Vereinnahmung
Keine Vereinheitlichung von Organisationsmethoden, sondern versuchen die Arbeitsweisen anderer zu akzeptieren und ein Nebeneinander dieser zu ermöglichen
Offene Pressearbeit, mit dem Bestreben Vereinnahmungen zu vermeiden.
Auch wenn das aus unserem Kreis so schnell eher nicht noch einmal geschehen wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass es ähnliche Camps und Projekte mit ähnlichen Konflikten geben wird. Deshalb halten wir diese Punkte hier gesammelt, damit die nachfolgenden Akteure nicht die selben Fehler wiederholen müssen.
Mit besten Wünschen für zukünftige Bündnisarbeit und andere Projekte
Floh, Till, Björn, Jan-Hendrik und Franziska
Source: http://austria.indymedia.org/node/16638