Am 16. Dezember verkündete das Amtsgericht Kopenhagen das Urteil im Prozess gegen die Massnahmen der Polizei während der Demo am 12.Dezember 2009. Laut Urteil verstiessen diese gegen die Menschenrechte und waren somit illegal.
Desweiteren muss nun eine Entschädigung von 5000 bis 9000 Dkr( entspricht ca. 671-1204 Euro) Schmerzensgeld an die Betroffenen gezahlt werden.Trotz des Urteils ist immer noch einiges faul im Staate Dänemark, denn statt Abschaffung plädiert der derzeitige Justizminister für eine Verschärfung des „Lømmelpakke“ (Anti-Chaoten-Gesetz-Paket)
( Freie Übersetzung und Zusammenfassung dreier Artikel von jeweils 16. und 20 Dezember 2010 von modkraft.dk, dänisches progressives Medienportal)
Am Donnerstag, den 16. Dezember verkündete das Amtsgericht der Stadt Kopenhagen das endgültige Urteil der Gerichtsverhandlungen
Die präventiven Gewahrsamnahmen der rund 900 Menschen auf der Amagerbrogade, während der Klimademonstration am 12. Dezember 2009 waren widerrechtlich und verstiessen gleichzeitig gegen die Menschenrechte. Mit 100.000 TeilnehmerInnen war die Demonstration die grösste Protestversammlung, die während des Klimagipfels stattfand.
Gut über 200 Personen hatten gegen die polizeilichen Massnahmen am 12 Dezember geklagt.Viele von ihnen waren gezwungen worden, mit Kabelbindern gefesselten und auf den Rücken gebundenen Händen stundenlang bei Frostwetter auf dem eiskalten Asphalt zu sitzen.Die Gewahrsamnahmen wurden zudem vorgenommen, ohne dass ein konkreter Verdacht gegen die Betroffenen vorlag.
Als Rechtsgrundlage berief sich die Polizei hierbei auf das sogenannte „Lømmelpakke“ („Anti-Chaoten-Gesetz-Paket“), welches der Polizei erlaubte auf Verdacht alle Personen mitzunehmen, die sich in der Nähe von Demonstrationen und anderen Veranstaltungen aufhielten.
Während des gesamten Klimagipfels wurden an die 2000 Personen „administrativ“ in Polizeigewahrsam genommen. In dem verkündeteten Urteil bestätigte das Amtgericht Kopenhagen, dass diese Gewahrsamnahmen ein Verstoss gegen die Menschenrechte darstellen.
Der Ausgang des Prozesses wird in der dänischen Öffentlichkeit als Anstoss gesehen, um erneut heftige Kritik am sogenannen „Lømmelpakke“ zu üben. Das „Lømmelpakke“ war schon bei seiner Verabschiedung im letzten Jahr einige Wochen vor dem Klimagipfel, heftig in den dänischen Medien umstritten gewesen, fand jedoch grossen Anklang bei den rechtskonservativen Parteien und deren WählerInnen, welche die momentane Mehrheit im dänischen Parlament ausmachen.(Anm.Ü)
Urteil als ein klares Signal an die derzeitige Rechtspolitik
Mit dem Urteil vom 16.12 sind die AnwältInnen der Betroffenen jedoch sehr zufrieden. Einer von ihnen, Knud Foldschack, Anwalt und Verteidiger von 60 Angeklagten im Prozess, sieht dieses als grossen Sieg für die demokratischen Rechte und für die Versammlungsfreiheit in Dänemark.
„Laut Gerichtsurteil handelte die Polizei nicht nur am 12.Dezember widerrechtlich, sondern auch an den anderen drei Tagen, wo ähnlich vorgegangen wurde.“
Für Foldschack ein weiterer Beweis dafür, dass das „Lømmelpakke“ seine Praxis verwirkt hat, da die Polizei deutlich darin überfordert sei, die im Paket enthaltenen Befugnisse dem Grundgesetz nach zu verwalten.
„Die Personen, die am 12 Dezember in Gewahrsam genommen worden sind, haben 9000 Dkr Schmerzensgeld zugesprochen bekommen, eine enorme Summe im Vergleich zu frühren Fällen. Ausserdem betonte das Gericht, dass die unwürdige Behandlung welcher die Betroffenen ausgesetzt worden waren, einen bedeutenden Einfluss auf die zukünftige Gesetzesgebung haben werden wird,“so Foldschack.
Desweiteren wertete er das Urteil als ein klares Signal an die zuständigen PolitikerInnen, dass weitere Einschränkungen der bürgerlichen Rechte nicht weiter hingenommen werden würden.
„ Das heutige Urteil setzt ein wichtiges Zeichen sowohl für das Justizwesen als auch die Menschen, die zukünftig weiter ihr Versammlungsrecht nutzen werden, ohne riskieren zu müssen gefesselt und gedemütigt werden, sowie stundenlang bei eisigen Temperaturen Kälte sitzen zu müssen. Ein Gesetzespaket darf die Leute nicht verschrecken ihr Demonstrationsrecht zu nutzen und das wurde mit der heutigen Urteilsverkündung erfolgreich gezeigt.“
Auch bei der rot-grünen Partei „Enhedslisten“(Vereinte Liste) wurde das Urteil begrüsst.
Die Sprecherin der Partei, Line Barfod, bezeichnete den 16.Dezember gar als einen „positiven Tag für die Demokratie“ .
Weiterhin verwies sie darauf, dass Enhedslisten schon die ganze Zeit über kritisiert hatte, dass der „Lømmelpakke“ der Polizei zu grosse Befugnisse einräumte. Desweiteren verurteile sie die Massengewahrsamnahmen von friedlichen DemonstrantInnen als „inakzeptabel“.
Gleichzeitig sehe man das Urteil als willkommenen Anlass das sogenannte „Lømmelpakke“ ganz abzuschaffen, welches ursprünglich eigentlich lanciert worden war, um DemonstrantInnen während des Klimagipfels extra hart zu bestrafen.
„Nach der heutigen Urteilsverkündigung sollte die Abschaffung des Lømmelpakke ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Ganz gleich wie das Urteil der Revision ausgeht, werden wir alles dafür tun, dass das Gesetzespaket nach einem Regierungswechsel so schnell wie möglich abschafft wird“, so Line Barfod
CeRePo, eine justizpolitische Initiative und „Thinktank“, die den Prozess des gesamten Verfahrens eng begleitete veröffentlichte folgende Stellungnahme auf ihrer Webseite:
„Wir betrachten dieses Urteil als Sieg des demokratischen Rechtsstaates und nicht nur einen Sieg für die Betroffenen, welche 9000 Dkr Entschädigung zugesprochen bekamen.Durch dieses Urteil wird hoffentlich die Möglichkeit der Anwendung willkürlicher Befugnisse durch die Polizei zukünftig begrenzt. Eine Gewahrsamnahme von knapp 1000 Menschen vorzunehmen, ohne ernsthafte Absicht von Strafverfolgung, gehört sich einfach nicht für einen demokratischen Rechtstaat.(...)Das heutige Urteil könnte ein Präzedenzfall für zukünftige Verfahren sein, die Machtmissbrauch der Polizei vor Gericht verhandeln.“
Natürlich verkündete die Polizei ein paar Tage später in der Presse, dass sie das Urteil vom 16.Dezember vor dem Landesgericht anfechten werde. Das ist nicht Neues. Denn schon ein paar Tage zuvor wurde bekannt gegeben, dass die Staatsanwaltschaft auch das Urteil im Verfahren gegen die SprecherInnen von Climate Justice Action Widerspruch einlegen werde. Diese waren am 25. November wegen „Aufruf zu Gewalt gegen Einsatzbeamte“ zu vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft gibt sich mit diesem Urteil nicht zufrieden und möchte das Verfahren wiederaufnehmen, um die Strafe in vier Monate ohne Bewährung umzuwandeln.
An weiterer massiver öffentlicher Kritik am Vorgehen der Polizei im letzten Dezember wird trotzdem derzeit nicht gespart. So sorgt momentan eine Tonaufnahme für Furore, worauf der Einsatzleiter am 16. Dezember 2009, während der „Reclaim Power“Aktion seine Leute explizit gegen die DemonstrantInnen, aber auch gegen die Presse aufhetzte und sie anstachelte richtig zuzuschlagen,bis die Schlagstöcke „rot glühten“.
O-TON (frei übersetzt) „Ich will verdammt noch mal die Stöcke rot glühen sehen, wenn wir die Karre (Lautsprecherwagen, Anm.Ü) zu fassen kriegen. Volle Kanne rein in die Scheisse!(...) Und scheisst auf die Presse zwischen den Autos, die da im Weg stehen-die sollen verdammt noch mal genauso platt gemacht werden!“ (»Så vil jeg fandem rendeme se den stav der så den bliver rødglødende, når vi skal op og have fat i den bil. Fuld skrue igennem det lort. (...)Der står presse mellem bilerne, de skal fandeme have samme tur.<<)
Diese kontroversielle, aber wortgerechte Order wurde über Funk gegeben, kurz bevor die Einsatzkräfte in Kampfmontur und mit gezückten Schlagstöcken losstürmten, um den Lautsprecherwagen vor dem Bella Center beschlagnahmten, sowie die zwei SprecherInnen von „Climate Justice Action“ verhafteten.
Die Tonaufnahme stammt aus dem Dokumentarfilm „En klima-krimi“(Ein Klima-Krimi), welcher am 16.Dezember in Nørrebro Premiere hatte.
In einem Interview mit dem dänischen TV-Sender TV2 News verteidigte der Kopenhagener Polizeidirektor Johan Reimann diesen Befehl mit der Begründung, dass im Eifer des Gefechts des Einsatzes für die Einsatzkräft nicht möglich sei, auf die Presse Rücksicht zu nehmen.
Weiterhin verharmloste Reimann den Wortlaut des Befehls in DR Nyheder mit der Begründung:
„Wenn man seine Leute dazu anstacheln muss seine Macht direkt anzuwenden, was ja für uns alle ungewohnt ist, erfordert dieses einen anderen Sprachgebrauch als denjenigen, den man sonst im Alltag verwendet.“
Diese Stellungnahme ruft vor allem die Menschenrechtsorganisation Amnesty International auf die Barrikaden.
„ Wortwörtlich genommen verstösst der Befehl des Einsatzleiters gegen jedes Gesetz von Machtanwendung. Er befiehlt unter anderen, dass JournalistInnen, die am Geschehen nah dran sind,Teil der Aktion sind und dafür eins übergebraten bekommen sollen.Und das kann einfach nicht sein“, so Claus Juul, Anwalt von Amnesty International zur Internetplattform politiken.dk.
Kritik hagelte es auch vom linken Flügel des dänischen Parlament und vom dänischen Journalistenverband.
Die rechtspolitische Sprecherin von SF, Karina Lorentzen äusserte sich, dass es bedenklich sei, dass hier befohlen wurde auch auf JournalistInnen einzuprügeln, ohne dass diese vorher aufgefordert werden zu gehen. Dieses bedarf einer genauerern Untersuchung des Sachverhalts. Desweiteren sei dieses ein weiterer Beweis für die Schikanen der Polizei der Presse gegenüber, die während des Klimagipfels 2009 JournalistInnen erdulden mussten und dass zwischen AktivistInnen und professionellen JournalistInnen keinen Unterschied gemacht worden sei.
Auch von Enhedslisten wurden diese Aufnahmen scharf kritisiert und eine Stellungnahme der Justizministerin zu diesem Vorfall gefordert. Die rechtspolitische Sprecherin und Parteisprecherin Line Barfod meinte dazu:
„Wenn diese Einstellung gegenüber JournalistInnen ein ausgebreitetes Phänomen innerhalb der Polizei darstellt, haben wir ein gewaltiges Problem. Es kann nicht sein, dass in einem Rechtstaat, ein Vorgesetzter der Polizeikräfte zu Gewalt gegen die Presse auffordert, deren Arbeit es ja ist die Ereignisse zu dokumentieren. Deswegen fordere ich den Justizminister auf, diesen Fall zu untersuchen und die Regeln für den Umgang mit Pressefreiheit zu verschärfen.“
Der dänische Journalistenverband bezeichnete die Äusserungen des Einsatzleiters als „sehr problematisch“ und möchte sich nun zwecks Auseinandersetzung mit der Leitung der Kopenhagner Polizei zusammensetzen.
Das dänische Justizministerium zeigt sich von aller Kritik jedoch völlig unbeeindruckt und überlegt stattdessen weitere Verschärfungen des umstrittenen "Lømmelpakke" vorzunehmen.
http://modkraft.dk