Linksradikale, Globalisierungskritiker, Grüne und Umweltschützer wollen die Klimakonferenz der UN in Kopenhagen sabotieren und durch spektakuläre Aktionen auf ihre Kritik an der Umweltpolitik der Industrienationen aufmerksam machen. So richtig einig ist die Front des Protests in entscheidenden Fragen allerdings nicht.
Es ist das Großereignis des Jahres. Seit Anfang der Woche tummeln sich in der sonst eher gemütlichen Hauptstadt Dänemarks rund 15000 Delegierte und Vertreter der 193 Vertragsstaaten des United Nations Framework Convention of Climate Change (UNFCCC). Die 15. Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen, kurz COP15, findet hier bis zum 18. Dezember statt. Unter den Besuchern sind Tausende Industrie-Lobbyisten, Vertreter von NGO, Journalisten und, last but not least, einige Tausend linke Umweltschützer, die zu Protesten und Gegenveranstaltungen während der offiziellen Konferenz aufgerufen haben.
von Fabian Frenzel
Für die Unterkunft und die Aktivitäten der Teilnehmer an den Protestveranstaltungen gegen die offizielle Konferenz hat man in der ausgebuchten Stadt große Hallen zur Verfügung gestellt. Studenten der Universität Kopenhagen bieten außerdem ihre Wohnungen Protestierenden und sonstigen Interessierten an. »Man wohnt für ein paar Tage bei den Eltern und macht ein bisschen extra Geld«, erklärt einer der Organisatoren die Mischung aus umweltpolitischen Engagement und pragmatischem Handel.
Die Stadt bietet viel zur Unterhaltung der Gäste. Auf der Webseite des Fremdenverkehrsverbandes Kopenhagen »Wonderful Copenhagen« sind Hunderte Veranstaltungen aufgelistet, die am Rande des Klimaspektakels stattfinden.
Nicht im Programm sind die Angebote der »Freistadt« Christiania. Die ehemalige Besetzerhochburg, berühmt-berüchtigt für den offenen Verkauf von Marihuana und alle möglichen anderen legalen und illegalen Drogen, ist der konservativen Stadtverwaltung und der dänischen Regierung schon lange ein Dorn im Auge. Sie wollen die »Freistadt«, in bester Innenstadtlage, am liebsten räumen. Doch Christiania ist nicht nur eine wichtige Touristenattraktion Kopenhagens. In diesen Tagen könnte der Hype um die Klimakonferenz die um ökologische Lebenskonzepte bemühten Christianiter berühmt machen. Internationale Journalisten haben bereits angefangen, am Beispiel von Christianias Komposttoiletten und Häusern mit niedrigem Energieverbrauch den »Fortschritt der Dänen« zu beschreiben und zu loben.
Von den anreisenden Linksradikalen aus ganz Europa erhofft sich in diesen Tagen auch die jüngere Generation von dänischen Besetzern ein wenig Unterstützung in ihrem Kampf mit der rechtskonservativen Regierung. Dieser eskalierte 2006, als das besetzte Jugendzentrum Ungdomshuset geräumt und den neuen Besitzern, einer christlichen Sekte, übergeben wurde. Militante Proteste hielten über Wochen an und haben die Hausbesetzerszene radikalisiert. Die dänische Regierung verbindet eine fortschrittlichste Energie- und Klimaschutzpolitik mit repressiven Maßnahmen gegen Linke, Migranten und andere soziale Minderheiten, die sich der christlichen Wertepolitik widersetzen. Für die dänischen Linksradikalen geht es in diesen Tagen nicht zuletzt darum, den Versuch der Regierung, Dänemark als ökologisches Paradies darzustellen, zu sabotieren.
Die Verbindung von heimischen linksradikalen Gruppen mit einreisenden radikalen Demonstranten stellt für die Kopenhagener Polizei das größte sicherheitspolitische Problem dar. Vor allem bei der Großdemonstration am Samstag wird mit Ausschreitungen gerechnet. »Wir ziehen eine verschärfte Linie gegen die Aktivisten durch und rechnen damit, dass sie massenweise während der Klimakonferenz in Haft kommen«, hatte Justizminister Brian Mikkelsen bereits vor Beginn der Konferenz erklärt. Für die Auseinandersetzung mit »gewaltbereiten Demonstranten« hat sich die dänische Regierung gut vorbereitet. Sie hat eine Reihe von äußerst kontroversen Gesetzen verabschiedet, die das Versammlungsrecht während der Gipfelwochen einschränken sollen. Das so genannte Lømmelpakke (Lümmelpaket) soll präventiven Gewahrsam ermöglichen, kleinere Vergehen rund um die Demonstrationen unter strenge Strafen stellen und sogar passiven Widerstand sanktionieren. Für die »Behinderung von Polizeiarbeit«, beispielsweise durch Straßenblockaden, kann es demnach bis zu 40 Tage Gefängnis geben, und die Polizei darf Menschen bis zu 12 Stunden festhalten, selbst wenn nichts Konkretes gegen sie vorliegt. Geldstrafen bis zu 400 Euro können durch Polizisten gegen Demonstranten an Ort und Stelle verhängt werden.
Die globalisierungskritische Bewegung hat in der Klimapolitik einen neuen Ansatzpunkt gefunden, um die alte Debatte über die Widersprüche des globalen Kapitalismus – die vor zehn Jahren mit dem »Battle of Seattle« begann – weiterzuführen. Insbesondere britische linke und linksradikale Gruppierungen haben sich in den vergangenen Jahren auf die Klima-Thematik konzentriert. Seit 2006 finden in Großbritannien jährlich »Climate Camps« statt. Das Netzwerk der Klima-Aktivisten ist derzeit die größte soziale Bewegung in Großbritannien. Diese »neue Umweltbewegung«, die sich international durch das Netzwerk Climate Justice Action koordiniert, spielte auch bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in London im April eine wichtige Rolle. Sie lehnt den Verhandlungsprozess der UN-Konferenz in Kopenhagen ab, weil dieser am kapitalistischen Status quo orientiert sei. Ihr erklärtes Ziel ist, die Verhandlungen für mindestes einen Tag zu unterbrechen und das Verhandlungszentrum zu stürmen. Dazu hat man sich in den vergangenen Wochen bereits zu Hause intensiv vorbereitet. Die Aktivisten des Laboratory of Insurrectionary Imagination, eines Netzwerks von britischen Polit-Künstlern, hat beispielsweise in Bristol geübt, alte Fahrräder zu Protestwerkzeugen umzubauen. In Kopenhagen will man das wiederholen und die durch den Umbau entstandenen »Skulpturen« nutzen, um den Weg ins Konferenzzentrum zu bahnen. Das Projekt wurde »Put the fun between your legs« genannt und wird sogar vom englischen Arts Council, also mit Geld vom britischen Staat gefördert.
Strategisch geht es den kapitalismuskritischen Gruppen um die »Delegitimierung« der von vielen westlichen Politikern inzwischen propagierten Lösungskonzepte wie des Green New Deal oder des Emissionshandels.
Die Positionen der Klima-Aktivisten sind dabei jedoch alles andere als klar. Denn der Green New Deal, der im Prinzip den Versuch darstellt, wirtschaftliches Wachstum mit der Reduktion von C02-Emissionen zu verbinden, wird nicht zuletzt von den moderaten Umweltschützern und NGO sowie von grünen Parteien befürwortet. Dass es den kapitalismuskritischen Protestierenden gelingen wird, Einfluss auf die Debatte um den Green New Deal zu nehmen, erscheint eher unwahrscheinlich.
Problematisch für die Protestbewegung ist auch, dass die COP15-Konferenz nicht wie der G8- oder G20-Gipfel operiert. Denn in Kopenhagen trifft sich nicht bloß ein »exklusiver Club« von Staatschefs. 193 Länder sind an der UNFCCC beteiligt, alle senden ihre Vertreter zu den Verhandlungen. Dieses Forum ist daher aus demokratischer Sicht um einiges legitimer als die meisten anderen Institutionen des globalen Regierens. Die populistische Parole »Wir da unten gegen die da oben« erscheint in dieser Hinsicht problematisch. Hinzu kommt, dass die Diskussionsprozesse der offiziellen Gipfelteilnehmer durchaus mit denen von autonomen Gruppen vergleichbar sind.
Gemeinsam haben die offizielle Konferenz und die Gegenveranstaltungen die unendlichen Debatten über die Formulierung von Erklärungen, die es kaum erlauben, klare politische Positionen oder Akteure zu erkennen. Für viele Delegierte sind die Treffen schlichte Routine. Nicht wenige von ihnen haben ein großes Eigeninteresse daran, dass die Verhandlungen kein Ende finden. Ihre Teilnahme wird durch die UN gesponsert und erlaubt ihnen, ein Leben zu führen, das für sie sonst undenkbar wäre.
Einzelne Delegierte haben sich bereits einen Namen gemacht, wie beispielsweise Bernaditas de Castro Muller von den Philippinen. Sie wird in Kopenhagen die G77 führen, eine Gruppe von 130 Entwicklungsländern, unter ihnen China, Indien und Saudi-Arabien. Das Hauptziel der Gruppe ist es, Entschädigungs- oder Reparationszahlungen von den Industrieländern zu bekommen, um die eigenen Volkswirtschaften klimafreundlicher zu machen. Muller spricht gerne, und sie spricht viel, insbesondere über die »Schuld der Industrieländer«. Sie gilt als undiplomatisch. Seit klar ist, dass Muller die G77 führen wird, haben sich in den Augen einiger Beobachter die Chancen für einen Deal in Kopenhagen um 50 Prozent reduziert. Und in der Tat haben die Länder der G77-Gruppe bereits damit gedroht, die Verhandlungen zu verlassen, möglicherweise genau an dem Tag, an dem die sozialen Bewegungen planen, das Verhandlungszentrum zu besetzen.
Wie es sich bei Großereignissen gehört, werden vermutlich auch in Kopenhagen dramatische Akte die diplomatische Sprache internationaler Verhandlungen übertönen.
Source: http://jungle-world.com/artikel/2009/50/39968.html