Matthias Monroy, Hanne Jobst
Deutsche Polizeien und Geheimdienste helfen bei der Handhabung der angekündigten Proteste in Kopenhagen
Im Vorfeld der Klimakonferenz COP15 in Kopenhagen hat die dänische Polizei umfangreiche Vorbereitungen zur Handhabung der erwarteten Proteste (1) getroffen. Die eingeleiteten Maßnahmen entsprechen in dem Vorgehen, wie es unter europäischen Polizeien seit dem G8-Gipfel in Genua/ Italien 2001 üblich (2) geworden ist und in einem Handbuch (3) standardisiert wurde.
Neben der von der EU-Kommission genehmigten teilweisen Aussetzung des Schengen-Abkommens zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen (4) hat die dänische Polizei Amtshilfe in Nachbarländern, darunter in Deutschland, beantragt. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linkspartei gibt Aufschluss über die deutsche Beteiligung.
Nach gegenwärtigem Stand veranschlagt die dänische Regierung rund 122 Millionen Dollar (5) (82 Millionen Euro) für die Sicherung des “Bella Center”, wo der Gipfel mit 15.000 Teilnehmern abgehalten werden soll. Das Gelände ist mit einem Zaun gesichert (6), auf dessen Fußelementen aus Beton Bauzaunelemente aus Metall aufgesteckt und punktuell angeschweißt sind.
Dänemark verfügt nur über rund 6.500 Polizisten, von denen ein großer Teil in die Hauptstadt verlegt wird. Angehörige des Militärs sollen “Bewachungsaufgaben” übernehmen, die NATO schickt Flugzeuge des “AWACS-Verbandes” zur Überwachung des Luftraums, möglicherweise mit deutschem Personal.
Letzten Donnerstag hatte die Polizei in einer Übung an einem brennenden Auto mit einem jüngst angeschafften Wasserwerfer die Vertreibung von Demonstranten geübt. Am Sonntag sorgte ein “verdächtiges Objekt” für Wirbel, das zunächst für eine Bombe gehalten wurde, sich aber als harmloser Koffer mit Kleidungsstücken herausstellte. Menschen- und Bürgerrechtsgruppen warnen, dass die Maßnahmen und ihre Darstellung in den Medien potentielle Demonstranten einschüchtern sollen.
Anders als etwa in Italien oder Schweden ist das Verdecken von Teilen des Gesichts in Dänemark verboten. Die Polizei kündigt eine niedrige Toleranzschwelle an und will auf das kürzlich eilig beschlossene Lümmelpaket (7) zurückgreifen, das es erlaubt Aktivisten für bis zu 40 Tage einzusperren, wenn sie “die Arbeit der Polizei behindern”. Hierunter fallen auch Sitzblockaden. Demonstranten, die ein Risiko für die Polizei darstellen, dürfen bis zu 12 Stunden festgehalten werden. 37 Drahtkäfige mit je elf Quadratmetern Fläche und einer Holzbank dienen wie beim G8-Gipfel in Heiligendamm zur übersichtlichen Haltung der Gefangenen. Bis zu zehn Personen würden nach dem Willen der Polizei darin eingepfercht, was laut der dänischen Sektion von Amnesty International den Mindeststandards der Vereinten Nationen zur Unterbringung von Gefangenen zuwiderläuft.
Die dänische Polizei hat in europäischen Nachbarländern um Amtshilfe gebeten. Schweden liefert (8) Helikopter, Hundestaffeln zum Aufspüren von Sprengstoff und Beamte “für die Verkehrsregelung”. Schleswig- Holstein hilft mit Sprengstoff- Spürhunden aus, die Niederlande schicken gepanzerte Mannschaftswagen. In Deutschland ist die Bundespolizei Nord im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt in die Sicherheitsarchitektur eingebunden und will verstärkte Kontrollen durchführen und, wie bei früheren Gipfeln, “Zurückweisungen und Ausreiseverbote” aussprechen. Laut der Bundespolizei sollen die Reisesperren gemäß den Erfahrungen beim Nato-Gipfel in Straßburg (9) im April dieses Jahres gehandhabt werden. Hier waren etliche willkürliche Bescheide ausgestellt worden, die zum größten Teil von den Gerichten gekippt (10) wurden – allerdings für viele Betroffene zu spät.
Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei lässt nun konkretere Rückschlüsse auf die deutschen Beihilfen zur “Crowd Control” zu. Deutschland stellt demnach “30 Einsatzfahrzeuge (8 Sitzplätze) – ohne Personal”, die bereits übergeben wurden. Die Fahrzeuge werden mit Aufklebern gekennzeichnet. Weitere Unterstützungsersuchen würden “gegenwärtig geprüft”.
Das Bundeskriminalamt hat 240 Datensätze aus der umstrittenen Datei “IgaST” (“International agierende gewaltbereite Störer”) übermittelt. Auf Grundlage ähnlicher Daten-Deals (11) wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Reiseverbote ausgesprochen. Um in die Datei aufgenommen zu werden, genügt oft eine schlichte Kontrolle am Rande von Protesten, die dann als “ist schon einmal im Zusammenhang mit Gipfelprotesten auffällig geworden” kategorisiert wird.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz sendet wie das BKA eigene “Mitarbeiter” nach Kopenhagen und hat den dänischen Behörden zuvor “Lageberichte” übersandt, an “koordinierenden Besprechungen” teilgenommen sowie “weitergehende Auskunftsersuchen” beantwortet. Ähnliche Kooperationen (12) hatte es auch zum G8 in Heiligendamm gegeben.
Die Antwort der Bundesregierung dürfte allerdings nur die Spitze des Eisbergs europäischer Polizeizusammenarbeit aufzeigen. Im Vorfeld des G8 2007 hatte es allein zwischen Geheimdienst- und Polizeibehörden der Niederlande und Deutschlands Dutzende Treffen (13) gegeben, auf deren Grundlage etwa eine ganze Fahrradkarawane einen Tag lang festgesetzt wurde und die Mitfahrenden in Datenbanken wie “IgaSt” landeten (14). Diese Praxis wurde erst öffentlich, als holländische Bürgerrechtsaktivisten nach dem “Freedom of Information Act” Einsicht in bis zu 300seitige Unterlagen (15) nehmen konnten, in denen allerdings die meisten Stellen geschwärzt waren.
Links
(1) http://www.nevertrustacop.org
(2) http://euro-police.noblogs.org/post/2009/11/11/managing-crowds
(3) http://euro-police.noblogs.org/gallery/3874/eu-sec-handbook-draft-1-07.pdf
(4) http://www.kopenhagen.diplo.de/Vertretung/kopenhagen/da/05/Energie__Klima/seite__cop15__einreisekontrollen.html
(5) http://www.nytimes.com/2009/12/07/science/earth/07security.html
(6) http://de.indymedia.org/2009/12/268229.shtml
(7) http://www.taz.de/1/zukunft/klimagipfel09/artikel/1/ein-kaefig-voller-luemmel/
(8) http://www.tagesspiegel.de/politik/art771,2964736
(9) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30064/1.html
(10) http://www.gipfelsoli.org/Home/Strasbourg_Baden-Baden_2009/6652.html
(11) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29880/1.html
(12) http://www.burojansen.nl/pdf/g8wobminbiza.pdf
(13) http://www.burojansen.nl/pdf/sitraps234middenwestbrabant.pdf
(14) http://www.burojansen.nl/pdf/lijstutrecht.pdf
(15) http://www.burojansen.nl/pdf/g8dossiervandeklpdzonderocr.pdf