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2007-08-25

Das war der Gipfel - erstes Buch über Heiligendamm erschienen

Das war der Gipfel

Knapp drei Monate nach dem G8-Gipfel erscheint im Kückenshäger
SCHEUNEN-VERLAG ein erstes Buch über die Tage um Rostock und
Heiligendamm. Der Titel “Das war der Gipfel” läßt eine voluminöse
Fülle des behandelten Stoffes vermuten. Dem ist nicht so. In diesem
Buch wird weder analysiert noch kommentiert: Augenzeugen der bewegten
Tage kommen zu Wort, die aus ihrem individuellen Erleben, aus ihrem
Blickwinkel also, schreiben und beschreiben, was sie gesehen,
beobachtet und erfahren haben. Zahlreiche Fotografen aus dem gesamten
Bundesgebiet hatten dem Verlag insgesamt über 4000 Fotos übergeben,
aus denen er an die 200 vorwiegend farbige auswählen konnte.

Bild: Titel

Der Verleger Andreas Ciesielski, der bei diesem Buch gleichzeitig als
Herausgeber fungiert, hat das umfangreiche G8-Tagebuch der Rostocker
Studentin Catharina Trost an den Beginn der Beiträge der
versammelten Autoren gestellt.

Catharina Trost beschreibt ihre G8-
Woche, die sie in der Uni und auf der Straße verbrachte. Sehr
informativ, und obwohl sie nicht emotionslos ihre Erlebnisse
beschreibt, spürt der Leser eine Distanz, die ihren Aussagen wohl tut
und eine unbedingte Glaubwürdigkeit vermittelt.

Wilfried Freier gehörte zur Leitung des Rostocker Camps und
beschreibt den Sturm der Polizeikräfte auf das Lager, in dem auch
Kinder untergebracht waren. Aus diesem Beitrag erfährt der Leser, was
ihm in den offiziellen Medien vorenthalten wurde. Freier beschreibt
schonungslos die Strategie von KAVALA, jener für den G8-Gipfel
eingerichtete Polizeiführungsstab, der bis heute im Mittelpunkt der
Kritik steht.

Hedda Leuchert ist Einwohnerin von Heiligendamm. Sie schreibt über
die Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten im eingezäunten Areal
und gewährt den Lesern somit einen Einblick in den inneren Kreis.

Rasmus Hoffmann vom Rostocker Max-Planck-Institut, ein junger
Wissenschaftler, beteiligte sich an der Blockade der Zufahrtswege von
Heiligendamm. Sehr nüchtern, aber dennoch atemberaubend ist seine
Schilderung des friedlichen und fantasievollen Widerstandes, der
Blockade, die Gipfelgeschichte geschrieben hat.
Cornelia Dhanju-Wilborn, eine Mutter von drei Kindern, war Häftling
Nummer 499 in der Gefangenensammelstelle in der Industriestraße in
Rostock-Schmarl. Sie beteiligte sich an der Blockade und wurde am 7.
Juni gegen 8:00 Uhr im Wichmannsdorfer Wald nahe der Funktürme bei
Dietrichshagen von der Polizei festgenommen. Mit 21 anderen Frauen
verbrachte sie mehrere Stunden in einem an Guantanamo erinnernden
Gitterkäfig in der Gefangenensammelstelle in Rostock-Schmarl, bis sie
durch Intervention von Rechtsanwälten freigelassen wurde.

Verina Speckin, Rostocker Anwältin, 1. Vorsitzende des
Strafverteidigerinnen- und Strafverteidigervereins MV, wählte als
Unterzeile ihres Erlebnisberichtes “Neue Erkenntnisse über den
Rechtsstaat”. Sie schildert in ihrem Tagebuch die Behinderungen, die
sie und ihre Anwaltskolleginnen und -kollegen während der Betreuung
der Festgesetzten durch die Polizei erfuhren.

Viviana Uriona, Diplom-Politologin, schildert die Arbeit am “MovinG8
RadioForum”, einem alternativen Sender, der rund um die Uhr in
mehreren Sprachen die Gipfelkritiker informierte. Eine andere
Kommunikation ist möglich, ist ihre Schlußfolgerung am Ende ihres
durchaus informativen Berichtes, der eine für die breite Masse der
Medienkonsumenten nahezu unbekannt gebliebene Facette des
Widerstandes zeigt.

Der Herausgeber des Buches ist schließlich auch Autor eines Porträts
eines Tankstellenbesitzers in Bargeshagen bei Bad Doberan. Eduardo
Catalan-Bermudez stellte unmittelbar an der Tankstelle eine
großflächige Wiese den Gipfelkritikern zur Verfügung, die dort -
direkt an der B 105 – einen Infopunkt errichteten, der die ganzen
Tage hindurch von der Polizei argwöhnisch beäugt und auch behindert
wurde.

Am Schluß des Buches finden sich Erlebnisberichte Betroffener, die in
irgend einer Weise von der Polizei in ihren Bürgerrechten
eingeschränkt wurden. Diese Beispiele machen in seiner Gesamtheit
Angst, dass die bewährte Demokratie durch polizeistaatliche
Strukturen ersetzt werden könnte. Zumindest ist diese Gefahr real,
wenn – wie Verina Speckin schreibt – der Anschein besteht, dass
Polizeioffiziere Richter unter Druck setzen können.

Aus diesem Grunde heisst der Oder-Titel des Buches auch “Angriff der
Regierung auf die Demokratie.” Zu weit hergeholt, diese These?
Wer das Buch aufmerksam gelesen hat, wird sie bestätigt finden.

Am 1. September findet um 20.00 Uhr in der Scheune Kückenshagen die
Erstpräsentation des Buches statt. Catharina Trost, Verina Speckin,
Rasmus Hoffmann, und Wilfried Freier geben an diesem Abend mündlich
zu Protokoll, was sie bereits dem Buch anvertraut haben. Neue
Erkenntnisse, die seit Drucklegung des Buches gewonnen wurden, werden
dem Publikum in der Kulturscheune gewiss nicht vorenthalten.

Andreas Ciesielski (Hrsg.) “Das war der Gipfel oder Angriff der
Regierung auf die Demokratie”.

Broschur, 228 Seiten mit etwa 200 vorwiegend farbigen Illustrationen,
19,90 Seiten,
ISBN: 978- 3-938398-47-0

Karleberhard von Rendsburg