2. Genfeldbesetzung gescheitert: Polizeizone!
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Agro-Gentechnik-Protest in Groß Lüsewitz: Die zweite Feldbesetzung innerhalb von fünf Tagen ist gestern nacht gescheitert. Der Grund war eine massive Polizeiüberwachung der BesetzerInnen, die sich auch mit Tricks nicht ganz überwinden ließ. Nur ein Teil der Aktivistis kam am Ziel an. Danach errichtete die Polizei eine Straßensperre auf der Bundesstraße 110 im Ort Brodersdorf. Diese Polizeikontrollstelle hält auch am Tag danach an, da nun die Aussaat auf den Genversuchsfeldern begonnen hat. Diese läuft vor Ort nahe der B 110 unter massivem Polizeischutz.
Das sollte eine Überraschung in Groß Lüsewitz werden: Fünf Tage nach der spektakulär gescheiterten Besetzung eines Gentechnik-Versuchsfeldes und passgenau auf den internationalen Aktionstag zu Landwirtschaft und Gentechnik (“Via Campesina” ) haben Gentechnik-GegnerInnen in den frühen Morgenstunden des 17. April die umkämpften Felder erneut attackiert. Doch deutlicher als beim ersten Versuch zeigte sich, dass die Staatsmacht in Form von ziviler und Bereitschaftspolizei sowie die inzwischen vom Genversuchs-durchführenden AgroBioTechnikum eingesetzten privaten Sicherheitskräfte mit hohem Aufwand druckvolle Formen von Protest verhindern wollen. Der Abfahrtsort der AktivistInnen, die ihre Aktionstaktik stark verändert hatten, wurde scharf überwacht. Auf der B 110 errichte die Polizei eine Kontrollstelle, um den in Richtung Versuchsfelder fließenden Verkehr überprüfen zu können. Das dritte Fahrzeug geriet in diese Kontrolle, so dass nur die ersten Gruppen mit Teilen der Technik für Turmbau und Lock-ons zum Feld gelangte und dort schließlich die Vorbereitungsarbeiten abbrechen musste.
Die erneute Besetzung des Gentechnikfeldes sollte, so hofften die AktivistInnen, die Diskussion um die riskanten Versuche des 20km östlich der Hansestadt Rostock gelegenen AgroBioTechnikums weiter anfachen. Seit der gescheiterten ersten Besetzung waren jeden Tag Gentech-KritikerInnen nach Groß Lüsewitz und in die Umgebung gezogen, um mit vielen Menschen zu reden und bei kleineren Aktionen bis zur Besetzung des Turms vor dem AgroBioTechnikum den Konsens des Schweigens in dem Ort zu brechen, in dem 2004 das heikle Gründerzentrums für profitorientierte Gentechnik-Basteleien an Nutzpflanzen eröffnet wurde: “Wir wollten Inge Broer und ihrem ganzen Team im AgroBioTechnikum samt dubioser Firmen und Vereine im Umfeld eine Gegenstimme entgegensetzen und enthüllen, dass hinter der Propaganda von Sicherheitsforschung, wirtschaftlicher Entwicklung und Arbeitsplätzen eher knallharte Profitinteressen ganz weniger Firmen stehen”.
Einen Erfolg konnten die BesetzerInnen offensichtlich immerhin verbuchen: Das ausgewählte Feld der ersten Besetzung wurde sichtbar aufgegeben für die aktuellen Versuche und an anderer Stelle unter massivem Polizeischutz neu vorbereitet.
“Aber das ist zu wenig”, resümiert eine Teilnehmerin der Aktionen. “Ich hoffe, dass die folgenden Wochen und der Aktionstag am 3.6. den Versuchen ein wirkungsvolleres Ende bereiten. Schon wäre, wenn auch vor Ort der Widerstand wächst. Dann hätte sich vieles gelohnt.”
Aktuelle Lage an den Feldern
Die Kontrollstelle der Polizei an der B 110 besteht weiter, also auch tagsüber. Auf den Feldern wird unter Polizeischutz ausgesät (Stand: 17.4., 14 Uhr)
Achtung!
Wer Kontakt zu den AktivistInnen sucht für Berichte, Interviews, Veranstaltungen u.ä., kann sich noch eine Weile unter der Presse-Kontaktnummer 0163-9233618 oder über kontakt@gentech-weg.de.vu melden.
Mehr Informationen
· Bericht der ersten Besetzung: Ein ausführlicher Bericht zum ersten Besetzungsversuch befindet sich im Internet unter http://de.indymedia.org/2007/04/173117.shtml.
· Ortsbeschreibung: Die Feldbesetzungen fanden in der Nähe von Groß Lüsewitz statt. Der Ort liegt östlich von Rostock an der B 110. Im Ort befindet sich in zentraler Lage das AgroBioTechnikum. Die meisten der Genvesuchsfelder, darunter auch die beiden versuchten Besetzungsflächen, liegen gegenüber des Ortes nördlich der B 110. Dort zweigt eine kleine Straße in Richtung Sagerheide ab. Gleich zu Beginn liegt linker Hand ein erstes Genversuchsfeld, in dessen Verlängerung bis zur Straße nach Klein Lüsewitz befindet sich das jetzt verlegte Feld. Wer Richtung Sagerheide weiterfährt, stößt wenige hundert Meter auf das links liegende Feld des ersten Besetzungsversuchs. Noch 2 Kilometer in dieser Richtung weiter beginnt Sagerheide. Der Ort muss geradeaus durchfahren werden, dann liegen rechter Hand weitere Genversuchsflächen, die in der zweiten Besetzungsnacht das Ziel waren.
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Interview mit einem/r BesetzerIn 1
Frage: Was wollt Ihr erreichen?
Wir sind sehr unterschiedliche Menschen, vertreten keine Verbände und sprechen immer nur für uns. Manche von uns kritisieren die Gentechnik vorrangig wegen ihrer Auswirkungen auf die Strukturen im Lebensmittelbereich, andere benennen die Stärkung von Herrschaftsstrukturen. Die meisten haben viele Gründe – und sagen das auch. Unsere konkrete Aktion soll eine Art Erregungskorridor schaffen, in dem die Debatte um Gefahren intensiv geführt werden kann. Nur mit Flugblättern oder Infotischen ist das nicht zu machen. Wir hängen da der Idee von ‚Direct Action’ an, nach der symbolstarke Aktionen eine Aufmerksamkeit erzeugen können, die dann genutzt wird für Diskussionen, Alternativen und Projekte.
Frage: Wie ist Euer Kontakt zu den Menschen, die in der Umgebung wohnen?
Schon in den zurückliegenden Tagen haben wir viele Gespräche geführt und immer neue, kleine Aktionen gemacht. Der direkte Kontakt war uns wichtig. Das alles hat viel Spaß gemacht, es waren viele intensive Gespräche dabei auch mit Menschen, die anders als wir denken über die Gentechnik. Nur ganz wenige haben gepöbelt, meistens mit ganz flachen Sprüchen, zum Beispiel dass wir arbeiten gehen sollen. Die Gentechnik hat bislang kaum jemand verteidigt, nur eine Person hat wortwörtlich gesagt: ‚Wes Brot ich ess, des Lied ich sing’ und sogar noch ein ‚100%ig’ hinzugefügt. Daher sei es ein Hohn, dass hier viel Geld der SteuerzahlerInnen verprasst werde, die Gemeinde das Ganze einseitig unterstütze und etwas politisch gefördert wird, was nur ganz Wenigen etwas nützt, aber viel riskiert.
Frage: Wie habt Ihr es geschafft, nach dem Scheitern eine zweite Besetzung
zu organisieren?
Wir waren nach der gescheiterten Nacht völlig erledigt, aber trotzdem motiviert, uns nicht so schnell klein kriegen zu lassen. Wir hatten fast ein Jahr vorbereitet und das meiste hatte auch geklappt. Zunächst haben wir mit kleineren Aktionen und vielen direkten Gesprächen in den Orten der Umgebung unsere Idee verfolgt, Gegenwind zur Gentech-Lobby zu machen. Das war zum Teil sehr motivierend. Es dauerte eigentlich nur kurz, dann kam in der abendlichen Diskussionsrunde die Idee auf: Wir geben auch die Hauptaktion nicht auf. Seitdem hatten wir das Gelände neu erkundet, neue Zugangswege herausgefunden und einen neuen Aktionsplan aufgestellt. Schließlich haben wir bei der gescheiterten Besetzung all unser Material verloren und mussten nun auf Schrottplätzen und bei befreundeten Personen suchen, sägen, schweißen und mehr. Gegenüber der Polizei wollten wir den Eindruck erwecken, dass wir nun nur noch einige Aktionen am Tag machen. Dieser Plan ging auf. Wir haben bei unseren öffentlichen Aktionen in Groß Lüsewitz zwar deutlich unsere Meinung gesagt, aber den Anschein erweckt, ganz harmlos zu sein und jedes Mal weniger zu werden. Wir hofften, dass die Polizei langsam ihre Überwachung verringert. Das hat offenbar nicht geklappt. Es ist beeindruckend, wie viel Geld und Macht der Staat in die Förderung profitorientierter Wirtschaftsforschung steckt. Das ist nichts Neues, aber jede offensichtliche Dokumentation kann der Demaskierung dienen.
Frage: Wie ist überhaupt Euer Verhältnis zur Streitmacht des Staates?
Es gibt da keine einheitliche Meinung außer der einen: Die Polizei handelt im Interesse der Mächtigen. Sie hat in diesem Fall die Gentechniklobby zu unterstützen. Es gibt etliche Menschen unter uns, die ständig in sehr intensiven Kontakt mit den eingesetzten BeamtInnen kommen, um sie als Personen mit eigener Meinung anzusprechen und das konkrete Tun als BefehlsempfängerInnen mächtigerer Interessen zu hinterfragen. Dabei wurde deutlich, dass die meisten Uniformierten auch GegnerInnen der Gentechnik sind, aber hier die Gentechnik mit allen Mitteln durchzusetzen haben. Wir wollen die Rolle der Polizei bei der Durchsetzung der Interessen weniger Konzerne und gesellschaftlicher Eliten deutlich benennen, das ist Teil der Aktion.
Frage: Und andere Gruppen?
Nicht so erfreulich. Erwartungsgemäß gegen die NGOs und bürgerlichen Gruppen auf Distanz, wenn es etwas widerständiger wird. Schließlich sind sie sehr auf ihr Image im gehobenen BürgerInnentum bedacht, wo Mitglieder und Spenden herkommen. Das führt vor allem in Deutschland zu einem ungeheuer langweiligen Politikstil der Appelle, Unterschriftensammlungen, Postkarten- und Luftballonaktionen, ebenso zu einer totalen Labelisierung des Protestes, wo die inhaltlichen Ziele in einem Konkurrenzkampf der Marken untergehen – wie zwischen Konzernen. Der Unterschied ist, dass hier Verbandslogos im Vordergrund stehen. Ganz ähnliches Denken herrscht auch in radikalen Kreisen vor, was angesichts der Abhängigkeit auch solcher Gruppen von Staatsknete und der Orientierung auf bildungsbürgerliche Karrieren wenig verwundert. Schön war, dass wir nach der missglückten ersten Besetzung in der Ehm-Welk-Schule aufgenommen und so unterstützt wurden. Da sind Räume entstanden, die sehr offen wirken und sich der einengenden Kontrolle von BewegungsführerInnen entziehen. Ich hoffe, dass das nicht nur so bleibt, sondern diese Räume auch endlich von mehr konkreten Aktionen gefüllt werden. Weniger Bündnis, mehr Widerstand – davon würde ich träumen.
1 Wie alle der BesetzerInnen spricht die Person nur für sich. Der Name ist ohne Bedeutung.