CIRCA bedeutet 'Clandestine Insurgent Rebel Clown Army'. Es handelt sich also nicht um ein Lumpenbündel stümperhafter Kindergeburtstagsclowns, deren Aufgabe die Unterhaltung und Belustigung ist, sondern um eine tadellos trainierte, klandestine, aufrührerische Rebellenclownsarmee.
Die Rebel Clown Army bedient sich des alten Brauchs des Clowns für den gewaltfreien Widerstand. Gewaltlosigkeit ist ein ganz wichtiges Prinzip der Clownsarmee, denn nur so kann sie den spielerischen Raum gefahrlos betreten.
Dem Clown war es durch seine Außenseiterposition früher bei Hofe erlaubt, über die Obrigkeit zu schimpfen und zu spotten. Er durfte die Wahrheit sagen, durfte menschliche Schwächen, Laster und Verfehlungen anprangern, ohne dafür belangt zu werden.
Die CIRCA ist Teil der weltweiten antikapitalistischen Bewegung. Der Militarismus und die Armee werden von den CIRCA-Clowninnen durch die strenge Übernahme des Konzepts der Armee parodiert.
Die CIRCA reiht sich ebenso wie die Aktionsformen 'Reclaim the Streets', 'Pink&Silver' und andere in die Bewegung des 'Carnivals against Capitalism' ein, dessen bestimmende Elemente Kostüme, Masken, Tanz und Musik sind, und bei dem die bestehende Ordnung und die alltäglichen Gesetze aufgehoben werden.
Unsere Aufgaben beim NATO-Gipfel
Unser Hauptziel beim Anti-NAhTOd-Gipfel besteht in der Rekrutierung der Armeen der NAhTOd-Staaten für den gewaltfreien Widerstandskampf der Clownsarmee. Wir werden versuchen, direkt ins NAhTOd-Headquater zu spazieren, um die Armeen für unsere Seite zu gewinnen. Bei uns, auf der sicheren Seite, werden sie endlich befähigt, für Frieden, Sicherheit, Freiheit, Demokratie, Selbstbestimmung und Menschenrechte zu kämpfen.
"Mehr, mehr, mehr Militär!"
Die Überraschung und die Unterbrechung von Mustern und Gewohnheiten, um Wandel herbeizuführen, sind wohl die wichtigsten Prinzipien der ‚Clandestine Insurgent Rebel Clown Army’, weil sie zur Verwirrung und zur Störung des Alltags beitragen. Die Normalitätserwartungen sollen durch die Parodie durchbrochen und unterlaufen werden. „Mehr, mehr, mehr Militär!“ – Die gegenteilige Forderung ist das Ziel, doch die eingängige Formel hilft, Aufmerksamkeit zu erregen, „daran anknüpfend Verwirrung zu erzeugen und dadurch weiterführendes Denken und Handeln zu provozieren“.1
Verfremdung, Entwendung, Umdeutung
Die Subversivität, das Agieren aus dem Verborgenen, dem Untergrund, das ein weiteres Charakteristikum der Clownsarmee ist, soll die Legitimität kultureller Hegemonie und ihre gesellschaftliche Normalisierung problematisieren und Raum für Utopien einer anderen gesellschaftlichen Wirklichkeit schaffen. Die CIRCA baut dabei auch auf den Techniken der Verfremdung, der Entwendung und der Umdeutung auf: Die Clownin versucht, eigene eingefahrene Denkstrukturen abzubauen und nichts als gegeben, nichts als selbstverständlich hinzunehmen. Sie reißt Gegenstände (im Sinne des Detournement der SI) aus ihrem bestehenden Zusammenhang heraus, so „wie der Arlechino in den Szenen der Commedia dell’Arte seine Patsche zu verschiedenen anderen Gegenständen verwandelt hat, indem er sie einfach anders benutzte (…). Der Arlechino spielte auf seiner Patsche Gitarre oder benutzte sie als Fernrohr oder als Penis“2.
Muster durchbrechen
Menschen den Normalitätsschleier zu entreißen, sie mit anderen Formen der Weltsicht zu konfrontieren – dies vollzieht die CIRCA-Clownin bei sich selbst; sie beginnt mit der Veränderung bei sich selbst und versucht ständig, in dem Kontinuum ‘Clownin - Ich’ mehr „in der Clownin“ zu sein, was in diesem Fall bedeutet, zu versuchen, keine Denkstrukturen und vorgefertigte Muster mehr zu haben.
“Because we don't want to change 'the' world, but 'our' world. (...) Because rebels transform everything - the way they live, create, love, eat, laugh, play, learn, trade, listen, think and most of all the way they rebel.”3
Die eigene persönliche Verwandlung und emotionale Heilung ist der Clownin mindestens genauso wichtig oder sogar wichtiger, als auf ihre Umwelt einen positiven Einfluss auszuüben.
“We aim to develop a methodology that transforms and sustains the inner emotional life of the activists as well as being an effective technique for taking direct action. CIRCA sees both the soul and the street as sites of struggle, realising that a destructive tendency within many activist movements is forgetting the inner work of personal transformation and healing. And that innovative forms of creative street action are crucial for building and inspiring movements.”4
Subversive Heiterkeit
Außerdem bestimmen selbstverständlich die Freude und Heiterkeit den Clown. Der „Humor der Naivität“5 und die subversive Heiterkeit sind ihm verliehen, weil er versucht, Sand im Getriebe der Welt zu sein. „Das naive Nachfragen oder die Technik, komplizierte Zusammenhänge auf einer einfachen Ebene zu schildern, haben die meisten Clowns von Kindern übernommen (…).“6 Wahrhaftig gleicht das Spiel des Clowns nicht selten dem freien, sorglosen Spiel der Kinder, die noch fähig sind, zu staunen.
Carnivals against Capitalism
Die ‚Clandestine Insurgent Rebel Clown Army’ reiht sich ebenso wie die Aktionsformen Reclaim the Streets', 'Pink & Silver' oder 'Rhythms of resistance', (Sambaband und –tänze) in die Bewegung des ‚Carnivals against Capitalism’ ein, dessen bestimmende Elemente Spaß, Kostüme und Masken, Tanz und Musik sind, und bei dem die bestehende Ordnung und die alltäglichen Gesetze aufgehoben werden.
“The use of carnival as a form of joyful resisitance has become a key tactic of the global anticapitalist movement, with "Carnivals against Capitalism" taking place across the world. Clowning, like carnival suspends and mocks everyday law and order (...).”7
„Karneval ist zunächst inklusiv – seine Sogwirkung ist stark genug, um Grenzen zwischen Akteuren und Zuschauenden, oben und unten, gut und böse zu verwischen. Protest dagegen ist konfrontativ und exklusiv – er scheidet die Guten von den Bösen, die Ankläger von den Angeklagten.“8 So erklärt sich vielleicht auch die Zwischenposition der Clowninnen, die sich zum Beispiel nicht davor scheuen, sich unter die Polizistinnen einzureihen, die vom Rand der Demonstration aus die Demonstrierenden beobachten und bewachen, ihnen Hilfestellung beim Aufbau einer Absperrung zu leisten oder gar sie und deren „Mitbringsel“ abzustauben oder auf sonstige Art sauberzumachen. Die CIRCA platziert sich zwischen Polizei und Demonstrierende, zwischen Aktivisten und Staatsgewalt, und hebelt so die strengen Trennungen aus.
“(...) and like carnival the clown exists on the borderline between life and art, in a particular midzone. In all ecosystems, it is the spaces in between, the edges (such as where land meets water) where the most evolution and bio-diversity takes place. Clowns takes this magical no-man's land, wherever they go, spreading a spirit of creativity that dances on the edge of chaos and order.”9
Innerhalb der ‚Clandestine Insurgent Rebel Clown Army’ gehen Kunst und Aktivismus eine fruchtbare Symbiose ein – den Clowns sind also Ästhetik und Schönheit sehr wichtig, weshalb sie mit ernstem Eifer sehr viel Wert auf ihr Auftreten, auf ihre Kostüme, Schminke und Choreographie legen.
Antimilitarismus
Camouflage, also Tarnung, ist ein weiteres Charakteristikum der CIRCA, das besonders deutlich wird, wenn es in Bezug zum Konzept der Armee und der Subversivität gesetzt wird. Oft tragen Clowns Armee- oder andere Tarnjacken und Camouflagehosen bzw. gleichartige Kleidung (z.B. alle Kleidung in pink), um sich als Armee kenntlich zu machen. Das Konzept der Armee, das von den Clowns durch dessen strenge Übernahme parodiert wird, vereinigt Form, Ästhetik und (Gruppen-)Disziplin, essentielle Parameter, um auf eine Choreographie hinarbeiten zu können. Eine Schlüsseltaktik der CIRCA-Clowns ist das Marschieren, bei welchem Sätze wie „Links, links, hinterm Hauptmann stinkt’s!“ skandiert werden können.
“CIRCA is not another excuse to dress up and bring colour and laughter to the grey ranks of protests. It isn't just a ragged bunch of activists sporting false noses, a smudge of grease paint, camouflage pants and bad wigs, but a highly disciplined army of immaculately trained clowns, a militia of authentic fools, a battalion of natural buffoons10.”11
"We are everywhere!"
“We are clandestine because we refuse the spectacle of celebrity and we are everyone. (...) Because by hiding our identity we recover the power of our acts.”12 Zentral an diesem Satz ist die Aussage “we are everyone”, die in direkter Verwandtschaft steht mit dem Leitspruch der globalisierungskritischen Bewegung „We are everywhere!“. Und so wie die Ursprünge der globalisierungskritischen Bewegung mit „Peoples Global Action“ (PGA) bei den Zapatistas wurzeln, so hat auch die Parole „We are everyone!“ ihre Ursprünge bei den Zapatistas. Das ‘Ejército Zapatista de Liberación National’ (EZLN), die indigene Guerillaorganisation in Chiapas, Mexiko, kämpft für die Rechte der indigenen Bevölkerung Mexikos, gegen neoliberale Politik und für autonome Selbstverwaltung. Die schwarzen Masken der Zapatistas verstecken zum einen die Identität der Individuen, zum anderen schaffen sie auch ein Subjekt als Kollektiv, das anders funktioniert als das individuelle Subjekt. Im Unterschied zu den Uniformen, die ihre Macht erst durch die semiotische Anerkennung von außen bekommen, zeichnen die Masken als Symbole keine Individuen aus, sondern eine Gruppe bzw. ein Kollektiv. Masken benötigen keinen Code, um kollektive Identität zu stiften, und ermöglichen so die Aufhebung der Trennung von Individuum und Kollektiv. Dieses Konzept setzt auch die CIRCA in die Tat um, wenn sie schreibt: “Because without real names, faces or noses, we show that our words, dreams, and desires are more important than our biographies.” Mehr noch: „By hiding our identity we recover the power of our acts.”, heißt es bei CIRCA.13
Die Clownin als Widerstandskämpferin
Tradition lebt nur weiter, wenn sie der Zeit angepasst wird, ansonsten wird sie irgendwann nicht mehr angewandt und stirbt aus – Tradition lebt durch Innovation. Die Rebel Clown Army bedient sich des alten Brauchs des Clowns für den gewaltfreien Widerstand:
“Within CIRCA we are developing a form of political activism that brings together the ancient practice of clowning and the more recent practice of Non-violent direct action. (...) CIRCA's combatants don't pretend to be clowns, they are clowns, real clowns. Clowns that have run away from the anemic safety of the circus and escaped the banality of kids parties (...) CIRCA aims to make clowning dangerous again, to bring it back to the street, reclaim its disobedience and give it back the social function it once had: its ability to disrupt, critique and heal society.”14
Der Clown in der Geschichte
Es ist eine Methode der Herrschenden, das Hinterfragen der Macht und die Darstellung von unerfreulichen Tatsachen als Torheit abzutun und Kritiker so zu Narren zu degradieren, zu verharmlosen und lächerlich zu machen. Der Clown, der Joker, der Kasper oder Harlekin – ihm war es durch seine Außenseiterposition erlaubt, über die Obrigkeit zu schimpfen und zu spotten. Bei Hof durfte er in seiner sozialen Funktion als Narr und Tor die Wahrheit sagen, durfte menschliche Schwächen, Laster und Verfehlungen anprangern. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: „Er (der Clown) gibt sich den Anstrich von Dummheit. So kann er Kritik üben, ohne Gefahr zu laufen, in Schwierigkeiten zu kommen.“15
Narrenfiguren wie Till Eulenspiegel nehmen Regeln, Vorschriften, Gesetze und Definitionen völlig ernst und wortwörtlich. Übertriebene Zustimmung macht die eigentliche Position der Gegner auf groteske Weise überdeutlich und treibt die Ansprüche der Macht so weit auf die Spitze bis sie sich gegen die Macht selbst richtet: „Der Hofnarr benutzte die Idiotie als Werkzeug, um Verwirrung zu stiften, um gewaltige Spannungen freizusetzen“16 mit dem Ziel, die Lügen des Lebens zu entlarven und die Wahrheit zu sprechen.
Das Spiel der Clowns mit den Ambivalenzen richtet sich gegen die „Ordnung der Eindeutigkeiten und Sicherheiten mit ihren Ausschließlichkeitsprozessen“ und schafft so „Ausgangspunkte für emanzipatorische Veränderung des Bestehenden.“17 Die Legitimation und Normalität der bestehenden Ordnung wird so problematisiert und ab absurdum geführt, die Strukturen der Macht überschritten und verschoben, und vor allem gestört. Die ‚Clandestine Insurgent Rebel Clown Army’ ist mit dem Leben in unserer bestehenden Welt noch verbunden, erhascht aber „im Spiel der karnevalesken Verkehrung“18 schon einen Eindruck einer anderen Welt – und ermöglicht so schon eine Vorahnung antihierarchischer, anarchistischer und undogmatischer Strukturen.
1 Amann, Marc (2005) (Hrsg.): go.stop.act!: die Kunst des kreativen Straßenprotests.
Geschichte – Aktionen – Ideen. Grafenau: Trotzdem., S. 17
2 Kramer, Michael (1986): Pantomime und Clownerie. Anleitung und Vorschläge.
Offenbach/M.: Burckhardthaus-Leatare Verlag GmbH., S. 99
3 www.clownarmy.org
4 www.clownarmy.org
5 Kleiner, Marcus S. (2005): „Semiotischer Widerstand. Zur Gesellschafts- und Medienkritik
der Kommunikationsguerilla.“ In: Gerd Hallenberger/Jörg-Uwe Nieland (Hrsg.): Neue
Kritik der Medienkritik. Werkanalyse, Nutzerservice. Sales Promotion der Kulturkritik.
Köln: Von Halem, S. 321
6 Kramer, S. 105
7 www.clownarmy.org
8 Off Limits, antirassistische Zeitschrift, Sonderausgabe „Karneval“, 2003. in Amann, Marc
(2005) (Hrsg.): go.stop.act!: die Kunst des kreativen Straßenprotests. Geschichte –
Aktionen - Ideen. Grafenau: Trotzdem., S.23
9 www.clownarmy.org
10 ‚Bouffoon’ ist eine Bezeichnung für die „Hässlichen“ (Aussätzige, Prostituierte,
Verrückte, ...) im Frankreich der Renaissance, die einmal im Jahr zum „Festival“ in die
Stadt kamen und die Herrschenden mit Satire verulkten. Prominentes Beispiel ist wohl
Victor Hugos Quasimodo.
11 www.clownsarmy.org
12 Ebd.
13 Ebd.
14 Ebd.
15 Kramer, S. 106
16 Ebd., S. 109
17 autonome a.f.r.i.k.a gruppe / Blissettt, Luther; Brünzels, Sonja (2001): Handbuch der
Kommunikationsguerilla. 4. Auflage. Berlin: Assoziation A., S. 201
18 Ebd., S. 203
Source: http://linksunten.indymedia.org/de/node/2114