Alle auf nach Turin, gegen den G8 der Universitäten!
Für eine freie und gesicherte Forschung mit sozialen Zielsetzungen!
Einige Repräsentanten der am stärksten ‘entwickelten’ Länder werden sich bei einem weiteren Vorbereitungstreffen im Vorfeld des kürzlich unter Schädigung der durch ein Erdbeben betroffenen Bevölkerungen nach L’ Aquila verlegten italienischen G8-Gipfels im Juli vom 17. bis zum 19. Mai in Turin treffen. Wie schon im vergangenen Jahr in Japan, haben die Mitglieder dieser selbsternannten “Weltregierung” auch die Rektoren der Universitäten und einge NGOs zu ihrem Festmahl eingeladen. Das erklärte Ziel ist die Konzeption und Umsetzung von “Nachhaltigkeit” über die Förderung einer umweltfreundlichen und auf die Entwicklung “alternativer” Energien ausgerichteten wissenschaftlichen Forschung.
Alles in Butter, also? Auf gar keinen Fall! Wenn die im Namen des Profits mit dem kapitalistischen Modell verfolgte, hemmungslose Ausbeutung natürlicher Ressourcen gezwungenermaßen die Unweltfrage ins Rampenlicht gestellt hat, so geht es dem G8 gar nicht darum, die Ursachen für die Klimaveränderungen, die Umweltverschmutzung und die Verwüstung an der Wurzel zu packen. Es geht vielmehr um das Aushecken von neuen Formen der Akkumulation und der Energie-versorgung – neue Methoden, um in Zeiten der Krise Profit zu schlagen.
Die ideologisch begründete Wahl eines “grünen Anstriches” ändert also nichts am Wesen dieser Treffen. Die internationalen Gipfel – die, ungeachtet ihrer erdrückenden militärischen Macht und der Rolle, die sie im Uno-Sicherheitsrat spielen, zu acht fast das gesamte Weltvermögen kontrollieren und entscheidende supranationale wirtschaftliche Institutionen wie die Weltbank oder das IWF – sind nichts anderes, als ein Instrument zur Ausfindigmachung und Aufzwingung von Antworten auf ein immer größeres Unvermögen, mit einer hochgradig integrierten, aber mittlerweile überall krisenbehafteten Produktionsweise umzugehen… Ein Mittel, um auf internationaler Ebene die Vorherrschaft zu bewahren, und die Interessen jener Herrenklassen und jener Spekulanten zu verteidigen, die, während diese in der gesamten übrigen Welt ausbeuten und Hunger erzeugen, Kriege promoten und in der westlichen Welt Druck machen, um öffentliche Ausgaben und Sozialleistungen zu kürzen, um Löhne zu senken, um kollektive Verhandlungen zu vernichten und um das Streikrecht zu unterdrücken.
Eine immer autoritärere Art und Weise, die sich auf die Kriminalisierung von Dissens stützt und auf gewaltsamste Repression, wie anlässlich des G 20 in London und des Nato_Treffens in Strasbourg, die mit einem Toten, hunderten Verhafteten und auch schwer Verletzten Menschen endeten…
Die acht Staatschefs, die sich das Recht anmaßen, für alle zu entscheiden, sind daher bloß der sichtbarste Teil des Problems. Hinter ihnen stehen die Interessenseilschften der internationale Bourgeoisien, die Druck machen, um immer mehr Räume des kollektiven Lebens zu privatisieren und zu kommerzialisieren, um neue Märkte zu erschließen, neue Bedürfnisse zu erzeugen, Bildungs- Produktions- und Wahrenverkehrskosten zu reduzieren. Damit ihr Plan gelingt, sind sie darauf angewiesen, unter einer Decke mit Institutionen, Regierungen und Staatsapparaten gemeinsame Sache zu machen, und auch mit den Rektoren unserer Universitäten. So hat der japanische G8 letztes Jahr auch dieses spezifische Treffen über die Universität aus der Taufe gehoben, bei dem die Richtlinien diktiert werden, die dann von den einzelnen Ländern implementiert werden sollen.
Diese Allianz mit der akademischen Welt ist also aus vielfältigen Gründen notwendig: sie dienzt dazu, dem Leben der übergroßen Mehrheit zuwiderlaufende Entscheidungen zu legitimieren, der ideologischen Unternauerung eines Systems, das elend und Tod provoziert, der Unterwerfung von Forschung und Kooperation an Hochschulen den Interessen der Multis zu unterwerfen. An dieser Stelle muss Universität als ein neutraler, allen zugänglicher Ort erscheinen, very friendly, an dem zum Wohle der Menschheit gearbeitet wird.
Dass sich in ihr sämtliche Klassenunterschiede niederschlagen, die sie für viele ‘unsustainable’ machen, zählt wenig. Dass keine Dienstleistungen, Wohnraum, Mensen und Stipendien zur Verfügung stehen, zählt wenig. Wenig zählt auch, dass die freie Entfaltung der eigenen Intelligenz durch immer einengendere Lehrpläne konditioniert wird, dass die Qualität des Wissenserwerbs nach Leistungskonten und Zeiteinheiten bemessen wird, dass die Forschung wissenschaftsfürstlichen Logiken unterworfen wird und dass die Prekarität von Veträgen den Normalzustand darstellt…
Es zählt wenig, dass Private so tief in die Universitäten eindringen (Pharmakonzerne, Rüstungsunternehmen, Multis der gentechnischen Nahrungsmittelindusrie), bis sie zu Stiftungen werden, bis den Fakultätsräten Vereinbarungen aufgezwungen werden, Workshops und Forschungsprogramme, die den Unternehmen die Nutzung öffentlicher Investitionen zur Verbesserungen ihrer Produkte zu ermöglichen und die Ausweitung ihres Reservoirs an im Wettbewerb zueinander stehenden, erpressbaren Arbeitslosen, die immer disziplinierter und zu allem bereit sind!
Es zählt wenig, dass – wie anlässlich des japanischen Gipfels im vergangenen Jahr gesagt wurde – der Campus als neues Metropolen-Organisationsmodell vorgeschlagen wird. Ein Modell, dass aus Rektoren zusammengesetzt ist, die von Allem etwas sind: ein wenig Manager und ein wenig Schließer – und aus Überwachungskameras, aus elektromagnetischen Ausweisen, aus Überwachung von Internetzugängen, aus obszessiver Präsenz von Territorialkontrolle, aus Ausdünnung kollektiver Freiräume, aus Aufforderung zur maximalen Produktivität bei winzigen Auditorien, die eigens zur Erzwingung von Pünktlichkerit erdacht sind, und aus Wettbewerb bis hin zur Verschandelung der Körper!
Die Unweltfrage stellt für das Kapital ein überaus fruchtbares Versuchsfeld dar. Es stellt zuallererst die Erschließung eines weiteren Marktes dar, der eine Antwort auf die “ökologischen Herausforderungen” geben will, selbst wenn das Remedium immer nur ein scheinbares sein wird, und zwar eins, das schlechter ist, als Unheil schlechthin. Im Namen der “sustainability” – eines alles in allem neuen und angenehm anmutenden Wortes – lassen sich Ausgaben kürzen und und Profite machen. Es ist zum Beispiel möglich, junge Forscher ans Werk zu schicken, um die Forschung über neue Energiequellen auszubauen – von der Solarzellenforschung, über die, sieh’ an, sieh’ an, Shell beinahe das Monopol hat, zur Forschung, die sich mit Biotreibstoffen beschäftigt, die der Landbewirtschaftung zur Erzeugung von Nahrungsmittel Boden entziehen, und zur Nuklearforschung. Auf diese Weise wird dem kategorischen Imperativ des Westens gehorcht, seine eigene Abhängigkeit vom Erdgas und Öl in den Gebieten des mittleren Osten, Russlands und Südamerikas – die alle, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, nur schwer kontrollierbar sind – zu reduzieren.
Die vielversprechenden Forscher aber, sie können auch ausgebeutet werden, um Forschungen über genetisch veränderte Organismen zu betreiben, über Kosmetika, plastische Chirurgie, Techniken der Internet-Überwachung und, schlussendlich – warum auch nicht? – über neue, für die industrielle Nutzung geeignete Bakterien, die sich anschließend selbstverständlich auch patentieren lassen, auf dass damit für Big Pharma die Unterwerfung mancher Lebensformen besiegelt wird…
Die Investitionen in von Privaten diktierten “ökologisch verträgliche” Forschungsprogrammen beinhaltet nicht nur die Nichtachtung der Umwelt und die Nichtgewährleistung freier und autonomer Entwicklung der wissenschaftlichen Forschung: sie beruft das Hochschulwesen wielmer dazu, die – in diesem Sinne tatsächlich “untragbare” – Ausbeutung zu decken und zu verfeinern, die der Kapitalismus seit jeher gegen Mensch und Natur fortführt. Dieser Gipfel hat, wie schon der vorherige in Sapporo, keine andere Zweckbestimmung, als die Reorganisation und Umstrukturierung der Hochschulbildung, um Kapital aus natürlichen Ressourcen zu schlagen.
Als Netzwerk der Doktoranden und Forscher der Universität von Neapel, das im Herzen der Bewegung gegen die Gelmini “Reform”, haben wir eine Reihe von Initiativen und Forderungen zum Recht auf Wissenserwerb, gegen die wachsende Prekarisierung der Arbeit im Hochschulwesen und die wohlbekannten Formen wissenschaftsfüstlicher Macht, die diese Institution prägen vorangebracht. Wir wissen aber, dass diese Art von Arbeit mit ständiger Aufmerksamkeit auch für das, was die Mechanismen ideologischer Reproduktion, die das Hochschulwesen dazu verleiten, das gesellschaftliche Bewusstsein und die eigenen Instrumente auf eine mit dem herrschenden status quo möglichst stark korrespondierende Weise zu formen einher gehen muss.
Aus diesem Grund rufen wir alle Doktoranden, alle Forscher, alle wissenschaftlichen Mitarbeiter auf Zeit, die Dozenten und jeden, der für eine andere Universität und eine Gesellschaft kämpfen will, sich beim Gegengipfel in Turin zu treffen und am Tag der landesweiten Demonstration am 19. Mai auf die Straße zu gehen. Es ist ein weiteres Mal Zeit, die Logiken, die uns knechten anzufechten, es ist ein weiteres Mal Zeit, dass wir verhindern, dass auf unserer Haut entschieden wird, und es ist ein weiteres Mal Zeit, dass wir uns mit den Arbeitern, den Arbeitslosen und allen Subjekten zusammentun, die sie gerade diese Krise bezahlen lassen!
ALLE AUF NACH TURIN, AM 17., 18. UND 19. MAI!
Netzwerk der Doktoranden der Universität Neapel
infos: rete.univ.napoli@gmail.com
Source: http://rete-dottorandi-ricercatori.noblogs.org/post/2009/05/13/appello-dei-ricercatori-contro-il-g8-torinese