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2009-05-19

Verfassungsschutzbericht 2008: „Die europäische Sicherheitsstruktur einstürzen!“

Zu Beginn des Jahres 2008 versuchten Linksextremisten die im Zuge der Proteste gegen das G8-Treffen im Juni 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) vermeintlich neu entstandene „Dynamik und Kraft“ der globalisierungskritischen Bewegung in Deutschland zu stabilisieren und für künftige Mobilisierungen nutzbar zu machen. Erste Ansätze zeigten sich in der zweiten Jahreshälfte 2008, als sich – in Teilbereichen kooperierende – Mobilisierungsströmungen formierten, um Protestaktionen gegen das NATO-Treffen im April 2009 in Baden-Baden (Baden-Württemberg) und Straßburg (Frankreich) zu koordinieren.

Bild: Europabrücke

Traditionelle Aktionsfelder von Linksextremisten wie „Antifaschismus“, „Antirepression“, „Antimilitarismus“ oder „Antirassismus“ rückten – nachdem sie im Jahr 2007 von der Mobilisierung gegen das G8-Treffen in Heiligendamm überlagert wurden – wieder in den Vordergrund.

[…]

Während das G8-Treffen im Juli 2008 in Japan von deutschen linksextremistischen Globalisierungsgegnern nicht als Zielpunkt eigener Aktivitäten verstanden wurde, gab es 2008 erste Mobilisierungshinweise mit Blick auf das G8-Treffen 2009 in Italien. Linksextremistische Zusammenhänge initiierten eine internationale Kampagne unter dem Motto „Die europäische Sicherheitsstruktur einstürzen!“.

[…]

Zugleich bereiteten sich einige Zusammenhänge bereits intensiv auf Gegenaktivitäten zum NATO-Treffen aus Anlass des 60-jährigen Bestehens der Verteidigungsgemeinschaft (vgl. Kap. IV, Nr. 3) Anfang April 2009 in Straßburg und Baden-Baden sowie zum G8-Gipfel im italienischen La Maddalena im Juli 2009 vor.
Im August 2008 beteiligten sich Autonome am ersten gemeinsamen „Antirassistischen Sommercamp“ und „Klimacamp“ in Hamburg.

[…]

Auch einzelne – im Verborgenen operierende – militante Zusammenhänge greifen das Aktionsfeld „Antirepression“ für ihre Ziele auf. Unter der Überschrift „G8-Gipfel und Militanz, Repression und Solidarität“ heißt es im Hinblick auf die „militante Kampagne“ anlässlich des G8-Treffens 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) und die Verfahren nach § 129a StGB gegen drei mutmaßliche Mitglieder der „militanten gruppe (mg)“:

[…]

Das Aktionsfeld „Antimilitarismus“, das in den vergangenen Jahren durch die Mobilisierung gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) und durch die Betonung des „Antifaschismus“ etwas in den Hintergrund gerückt war, hat für die linksextremistische Szene wieder an Bedeutung gewonnen.

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Nachdem erste – zunächst noch unstrukturierte – Mobilisierungsbemühungen gegen das NATO-Treffen in Straßburg und Baden-Baden bereits seit dem vorausgegangenen Treffen in Bukarest vom 2. bis 4. April 2008 zu verzeichnen waren, formierten sich in der zweiten Jahreshälfte 2008 mehrere, in Teilbereichen kooperierende Mobilisierungsströmungen:

„No-NATOKampagne“

Die von Gruppen aus dem Umfeld der „Friedensbewegung“ und aus dem linksextremistisch beeinflussten „Bundesausschuss Friedensratschlag“ (BAF) initiierte „No-NATO-Kampagne“ führte am 7. September 2008 in Frankfurt am Main ein bundesweites Arbeitstreffen und am 4./5. Oktober 2008 eine „Internationale Vorbereitungskonferenz für die Anti-NATO Aktivitäten“ durch. Dort verständigte man sich auf eine internationale Großdemonstration, einen Alternativgipfel und Aktionen des „Zivilen Ungehorsams“ (z.B. Blockaden) sowie ein Protestcamp.144

„bye-bye-NATO“- Bündnis

Im „bye-bye-NATO“-Bündnis, das sich am Rande des „31. Bundeskongresses Internationalismus“ (BUKO) vom 9. bis 12. Mai 2008 in Dortmund gründete, wirken – eigenen Angaben im Internet zufolge – in erster Linie „linke bis linksradikale“ Gruppen mit. Neben Organisationen aus dem autonomen Spektrum wie der antiimperialistischen Initiative „Libertad!“ und der in der „Interventionistischen Linken“ (IL) organisierten „Rote Aktion Kornstrasse“ (RAK-Hannover) sind im Bündnis auch das nichtextremistische globalisierungskritische Netzwerk ATTAC, diverse „Anti-AKW-Gruppen“ sowie Gruppen aus der „Friedensbewegung“ vertreten.145
Die IL – ein Zusammenschluss einiger Gruppierungen des militanten autonomen Lagers, mehrerer revolutionär-marxistischer Organisationen sowie z.T. langjährig aktiver, nicht ausschließlich linksextremistischer Einzelpersonen – beschloss anlässlich eines bundesweiten Treffens am 5./6. Juli 2008 in Hannover, sich in die Mobilisierung gegen den NATO-Gipfel einzubringen.

[…]

Die von einem anarchistisch geprägten „ESF 2008 Action Network“ parallel zum eigentlichen ESF ausgerichteten „autonomous spaces“, die ein „antikapitalistisches, radikales und autonomes Pendant zum ESF“ bilden sollten, dürften von mehreren hundert Personen – überwiegend aus autonomen Spektren – besucht worden sein.155

[…]

Linksextremisten unterschiedlicher ideologischer Ausrichtungen beteiligten sich zum Jahresbeginn 2008 an dem auch von Nichtextremisten initiierten Versuch, die im Zuge der Proteste gegen das G8-Treffen im Juni 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) vermeintlich neu entstandene „Dynamik und Kraft“ der globalisierungskritischen Bewegung in Deutschland zu stabilisieren und für künftige Mobilisierungen nutzbar zu machen.147 Bis zu 600 Globalisierungskritiker, darunter zahlreiche Linksextremisten, diskutierten vom 17. bis 20. Januar 2008 in Berlin im Rahmen „Spektrenübergreifender Perspektiventage“ unter dem Motto „In Bewegung bleiben! Wie weiter nach Heiligendamm?“ die Möglichkeit, „langfristig einen wirksamen Widerstand (zu) formen“.148 Sie verabredeten einen – später allerdings nur in Ansätzen realisierten – „Blueprint für einen Aktionsfahrplan 2008/2009“.149

[…]

Im Hinblick auf das G8-Treffen 2009 in Italien veröffentlichten mehrere – u.a. im linksextremistischen Aktionsfeld „Antirepression“ engagierte – Gruppen bereits im März 2008 einen gemeinsamen Vorschlag zu einer internationalen Kampagne unter dem Motto „Die europäische Sicherheitsarchitektur einstürzen!“. Der im linksextremistischen Spektrum zunächst nicht breiter diskutierte Aufruf wurde im Juli 2008 aktualisiert. Danach soll sich die Kampagne neben dem G8-Treffen 2009 in Italien auch gegen den NATO-Gipfel im April 2009 in Baden-Baden und Straßburg sowie gegen die EU-Ratspräsidentschaft Schwedens im 2. Kalenderhalbjahr 2009 richten. Ziel sei eine „über die bloße Kritik und Skandalisierung von Polizeigewalt“ hinausgehende „europäische Antirepressionsarbeit“, die „neue Formen sozialer Kontrolle als integralen Bezugspunkt von radikalen Bewegungen“ ernst nehmen müsse. Insoweit biete das G8-Treffen in Italien eine exponierte „Möglichkeit, die internationale polizeiliche Koordinierung gegen Gipfelproteste öffentlich zu machen und zu kritisieren“.156 Die Erörterung von Möglichkeiten, „die Bewegung in Italien gegen das G8-Treffen dort (zu) unterstützen“, war u.a. ein Tagesordnungspunkt der „2. Spektrenübergreifenden Perspektiventage“ vom 2. bis 5. Oktober 2008 in Hamburg, die jedoch mit bis zu 150 Personen sehr schwach besucht waren.157

Source: http://www.bmi.bund.de/cae/servlet/contentblob/463552/publicationFile/23343/vsb_2008.pdf