Die Bundeswehr schickt über 1000 Soldaten zur Absicherung des G8-Gipfels und keiner protestiert, tieffliegende Tornados dagegen sorgen für Empörung, wundert sich Graf Nayhauß.
Die Aufregung um den nachträglich bekannt gewordenen Einsatz von Aufklärungs-Tornados der Bundeswehr im Rahmen des G8-Gipfels ist gekünstelt. Warum gab es keine Proteste gegen die anderen Formen des Bundeswehr-Einsatzes anlässlich des Treffens der acht Staats- und Regierungschefs in Heiligendamm?
Mich und andere Kollegen brachte zum Beispiel am ersten Tag der Konferenz ein Boot des «Marinestützpunktkommandos Warnemünde» aus Heiligendamm auf dem Seeweg raus, weil Demonstranten Land und Schienenwege blockierten. Die «Seelords» betätigten sich mithin als Blockadebrecher.
Im Internationalen Medienzentrum, außerhalb der Sperrzone, im benachbarten Kühlungsborn, hatte die Bundeswehr unmittelbar am Eingang einen Bereitschaftsdienst eingerichtet, wo man seine Transportwünsche anbringen konnte. Es standen unter anderem Großraum-Transporthubschrauber auf Abruf bereit. Luftwaffenpioniere hatten hierfür vier Hubschrauberlandeplätze errichtet.
Weiter: Neun stationäre, elektronische Aufklärungssysteme vom Typ Fennek - was immer darunter zu verstehen ist - wurden innerhalb des Sperrzauns beziehungsweise auf dem Flugplatz Rostock-Laage von der Bundeswehr installiert. Es wurden Spürpanzer bereitgehalten, Nachtsichtbrillen, Ferngläser der Polizei zur Verfügung gestellt und für den berüchtigten übermannshohen Sperrzaun 50 Wagenladungen Nato-Draht antransportiert. Kein Bundestagsabgeordneter erhob protestierend seine Stimme.
Vielleicht kam die Bundeskanzlerin in ihrer heutigen Regierungserklärung ja darauf zu sprechen. Kann aber auch gut sein, dass sich «Miss World» für solche Kinkerlitzchen nicht mehr interessiert. Denn sie spielt auch diese Woche wie schon zuvor in Heiligendamm «Die Auswärts-Kanzlerin» («Süddeutsche Zeitung»), empfängt am laufenden Band Staats- und Regierungschefs:
Am Montag waren es gleich drei: Italiens Ministerpräsident Prodi, der ungarischen Premier Gyurcsány und Litauens Staatschef Adamkus.
Morgen Gespräch und Mittagessen mit dem spanische Premierminister Zapatero. Bereits eine Stunde später fährt Ugandas Präsident Museveni vor - wiewohl sie den gerade erst in Heiligendamm traf. Und um 19 Uhr empfängt sie den niederländischen Premierminister mit dem schönen deutschen Namen Balkenende.
Sonntag fliegt sie nach Luxemburg, um den dortigen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker zu treffen (Helmut Kohl einst: «Das ist der, zu dem unsere Leute ihr Schwarzgeld rüberbringen.»). Vorher spricht Merkel mit dem tschechischen Premierminister Topolánek.
Am Montag empfängt sie die Nummer Eins Polens, Lech Kaczynski. Und am Ende der kommenden Woche jettet sie nach Brüssel zum Europäischen Rat.
Zwischendurch kann es durchaus passieren, dass zu Haus «die Hütte» brennt. Denn am Montag ist Koalitionsausschuss mit zwischen Union und SPD so strittigen Themen, wie Pflegeversicherung und Mindestlohn. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, dessen Partei Mindestlöhne strikt ablehnt: «Gibt die SPD nicht nach, muss sie sehen, wo sie bleibt.» Eine unverhohlene Drohung.
Schon kursieren in Berlin Planspiele für vorgezogene Bundestagswahlen «ohne Köhler». Angela Merkel bräuchte nur die SPD-Minister zu entlassen, hätte dann im Parlament keine Mehrheit mehr. Damit wären automatisch Neuwahlen fällig, ohne dass der Bundespräsident degegen Einspruch erheben könnte.
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