Der G8-Gipfel Anfang Juni in und um Heiligendamm bot Befürwortern eines Militäreinsatzes im Innern die einmalige Chance, die Tragfähigkeit ihrer Konzepte zu beweisen. Egal, was das Grundgesetz dazu sagt.
Vor einigen Tagen gab die Regierung einen Bericht zum G8-Gipfel, der in Mecklenburg-Vorpommern stattgefunden hat. Zitat: »In allen Schwerpunktthemen konnten aus Sicht der Bundesregierung weit reichende Beschlüsse gefasst werden. Daher bewertet die Bundesregierung den G8-Gipfel in Heiligendamm als substanziellen Erfolg.«
Ein gar nicht so kleiner Teil von diesem »Blick zur Sonne« muss gerechterweise dem Militär zuerkannt werden. Auch das legte einen G8-Bericht vor.
Allerdings nur auf Forderung der Linksfraktion im Bundestag. Die wollte sich nicht damit abfinden, dass die Bundeswehr quasi selbstverständlich herangezogen wurde, um eine Staatsaktion im Innern zu ermöglichen und abzusichern. Doch ganz offenbar haben Linke auf der einen Seite sowie Bundesregierung und Militär auf der anderen höchst unterschiedliche Vorstellungen davon, was dem Begriff »Amtshilfe« im Sinne der Grundgesetzartikel 35 Absatz 1 und 87a Absatz 2 zugemutet werden kann.
Laut Regierungsantwort auf die Kleine Anfrage der Linksfraktion waren 1100 Soldaten und zivile Mitarbeiter mit »direkten Unterstützungsleistungen beauftragt«. Dazu kommen 641 Feldjäger, 300 Objektschutzkräfte der Luftwaffe, 40 Soldaten der Marinesicherung. Plus 350 Soldaten zur Gewährleistung der Sicherheit in der Luft.
In Gerät gerechnet, waren unter anderem eine Fregatte, drei Minenjagdboote, Hafenschlepper und Verbindungsboote, vier mittlere und ein Großraumhubschrauber, Fuchs-Spür- und zehn Fennek-Aufklärungspanzer, diverse »Eurofighter«, »Tornados« und »Phantoms« unterwegs. Über LKW, Jeeps, Faltstraßen- und Radargeräte muss man nicht extra reden, die sind selbstverständlich. Dazu stellte man 218 Nachtsichtbrillen, 98 Ferngläser, Zelte, Decken und Unterkunft für über 6300 Polizisten zur Verfügung.
Man hat neben zivilen Krankenhäusern Lazarette errichtet, zwar keinen Militärischen Sicherheitsbereich ausgewiesen, wohl aber genug Stacheldraht verlegt. Zur Eigensicherung, wie es heißt. Feldjäger waren durchaus geeignet, Patienten wie Besuchern klar zu machen, wer das Hausrecht ausübt.
Das Verteidigungsministerium betont immer wieder, nicht in polizeiliche Maßnahmen eingebunden gewesen zu sein. Zwar hat die Marine am 6. Juni mit vier Fahrten 100 Polizeibeamte von Kühlungsborn nach Heiligendamm geschafft, doch: »Dieser Transport stand nicht im Zusammenhang mit einem unmittelbaren polizeilichen Einsatz.« Vermutlich wollten sich die urlaubsreifen Beamten ja nur über die Preise der Nachsaison im Tagungshotel Kempinski erkundigen. Dass das Lufttransportgeschwader 62 in Wunstorf C-130 auf Bitte des Polizeistabes »Kavala« Transportmaschinen zur Verlegung von »adhoc-Kräften der Polizei« bereit hielt, hat nach Ansicht der Bundesregierung offenbar auch nichts mit der aktuellen inneren Situation jener Tage zu tun.
Auch wenn die Fennek-Besatzungen ihre Aufklärungsergebnisse »unmittelbar vor Ort der Polizei zur weiteren Auswertung mündlich mitgeteilt oder über Funk gemeldet« haben, ist das offenbar auch keine Gesetzeswidrigkeit. »Es wurden Luftbilder der durch BAO Kavala zur Aufklärung beantragten Bereiche um Reddelich, Wichmannsdorf sowie dem Camp Rostock an die Polizei übergeben.« Klartext: Man wollte den G8-Gegnern in ihre Zelte gucken und setzte dazu Kriegsgerät ein, das man auch in Afghanistan fliegen lässt.
Bleibt die Frage der Kosten. Nach »ersten groben« Schätzungen liegen die bei zehn Millionen Euro. Die Bundeswehr schenkt sie dem gastgebenden Mecklenburg-Vorpommern. Nicht jedoch dem Steuerzahler, denn über den Einzelplan 14 holt man sich zurück, was man verauslagt hat.
Um nicht ungerecht zu sein. Das Militär hat sich zumindest in einem Fall als Retter in der Not erwiesen. Dank SanKdo I und der Bundeswehrapotheke Warnemünde sicherte man die »Versorgung der Einsatzkräfte mit 1000 Flaschen Mückenschutzmittel«. Wenn das nicht die Notwendigkeit von Militäreinsätzen im Innern belegt ...