“Soldaten haben keine Zwangsmittel zur Verfügung. Unbenommen davon bleiben das Recht der Abwehr von Straftaten gegen die Bundeswehr sowie das Recht auf Notwehr.
Feldjägerkräfte sind darüber hinaus grundsätzlich mit der Unterstützung militärischer Bedarfsträger/Kasernenkommandanten durch Wahnehmung militärischer Ordnungs und Sicherheitsaufgaben in den jeweiligen militärischen Liegenschaften beauftragt. Ergänzend sind Feldjägerkräfte darauf eingestellt, die zur technisch-logistischen Unterstützung eingesetzten Bundeswehrkräfte mit Maßnahmen des militärischen Verkehrsdienstes, militärischen Ordnungsdienstes und durch Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben zu unterstützen. Die Wahrnehmung des Auftrages erfolgt reaktiv".
Deutscher Bundestag Drucksache 16/5148
16. Wahlperiode 26. 04. 2007
Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Monika Knoche, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
- Drucksache 16/4983 -
Einsatz der Bundeswehr beim G8-Gipfel in Heiligendamm
Der G8-Gipfel in Heiligendamm findet unter höchster Sicherheitsstufe statt. Gegen das Treffen werden Proteste von mehreren Zehntausend Demonstrantinnen und Demonstranten erwartet, die sich gegen Krieg, Hunger und Ausbeutung wenden. Sämtliche acht Teilnehmerstaaten sind an Kriegen beteiligt, einige auch an völkerrechtswidrigen wie dem Irakkrieg. Tausende von Polizisten sollen das zur Festung ausgebaute Tagungshotel abschotten. Auch Bundeswehr und Bundespolizei wirken daran mit.
Die Tätigkeiten der Bundeswehr konzentrieren sich nach Presseberichten nicht nur auf die Bereitstellung von Unterkünften für Polizeikräfte. Das Militär stellt auch Sanitätskräfte und material zur Verfügung. Ein Vizeadmiral der Bundeswehr wird von der Presse mit den Worten zitiert: “Wenn ein Schadensfall eintritt und wir angefordert werden, wird die Bundeswehr mit jedem Soldaten, der zur Verfügung steht, helfen” (NDR, 12. März 2007). Darüber hinaus führt die Bundeswehr gemeinsam mit der örtlichen Polizei Sicherheitsübungen durch. “Dabei werde das Zusammenwirken von Sicherheits- und Hilfskräften etwa bei Demonstrationen mit militanten Globalisierungsgegnern trainiert”, so laut NDR Oberst Manfred Pape, der Chef des Landeskommandos Mecklenburg- Vorpommern.
Der “OSTSEE-ZEITUNG” vom 22. März 2007 zufolge wird im Bundesministerium der Verteidigung geprüft, “in welchen Bereichen die Truppe ihre Fähigkeiten einbringen könne” – über Sanitäts- und logistische Unterstützung hinaus. Gedacht sei an den Einsatz von Tauchern und anderen Spezialisten.
1. Wie viele Bundeswehrsoldaten werden nach bisherigem Planungsstand in Zusammenhang mit dem G8-Gipfel eingesetzt?
a) Welche Kosten entstehen dadurch?
b) Seit wann plant die Bundesregierung den Einsatz der Bundeswehr?
Nach derzeitigem Planungsstand werden insgesamt ca. 1 100 Soldaten und zivile Mitarbeiter zu unterschiedlichen Zeiten im Rahmen direkter Unterstützungsleistungen der Bundeswehr für das G8-Gipfeltreffen verwendet.
a) Nach derzeitigem Planungsstand belaufen sich die Kosten für die bislang beantragten Unterstützungsleistungen durch die Bundeswehr auf ca. 10 Mio. Euro nach Vollkosten und ca. 3 Mio. Euronach Amtshilfesatz.
b) Nach Eingang des Unterstützungsantrages des Innenministeriums des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 21. März 2006 ist die Bundeswehr seit Mai 2006 mit Maßnahmen zur Unterstützung befasst.
2. Werden darüber hinaus Soldaten in Bereitschaft gehalten, und wenn ja, wie viele und zu welchem Zweck?
Nein.
3. Wie viele dieser Bundeswehrangehörigen werden jeweils
a) innerhalb des umzäunten Areals,
b) außerhalb des Areals,
c) im gesperrten Seebereich,
d) außerhalb des gesperrten Seebereichs,
e) auf dem Gelände des Flughafens Rostock-Laage bereitgehalten?
Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen.
4. Wie viele dieser Soldaten sind bewaffnet, und um welche Bewaffnung handelt es sich dabei?
a) Haben einige der eingesetzten Soldaten (ggf. welche) das Recht, Zwangsmittel anzuwenden, und wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage?
b) In welchem Rahmen, wann und wo werden Feldjäger eingesetzt?
Eine Bewaffnung der in der Antwort zu Frage 1 genannten Soldaten ist nicht geplant. Grundsätzlich können jedoch Soldaten lageabhängig zum Eigenschutz mit Handwaffen ausgestattet werden.
a) Die in der Antwort zu Frage 1 genannten Soldaten haben keine Zwangsmittel zur Verfügung. Unbenommen davon bleiben das Recht der Abwehr von Straftaten gegen die Bundeswehr sowie das Recht auf Notwehr.
b) Feldjägerkräfte sind darüber hinaus grundsätzlich mit der Unterstützung militärischer Bedarfsträger/Kasernenkommandanten durchWahrnehmung militärischer Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben in den jeweiligen militärischen Liegenschaften beauftragt. Ergänzend sind Feldjägerkräfte darauf eingestellt, die zur technisch-logistischen Unterstützung eingesetzten Bundeswehrkräfte mit Maßnahmen des militärischen Verkehrsdienstes, militärischen Ordnungsdienstes und durch Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben zu unterstützen.
Die Wahrnehmung des Auftrages erfolgt reaktiv, so dass zurzeit diesbezüglich keine konkrete Terminierung erfolgen kann.
5. Ist geplant oder wird erwogen, bestimmte Bereiche zu militärischen Sicherheitsbereichen zu erklären, und wenn ja, welche (bitte präzise beschreiben) und mit welcher Begründung?
Es sind keine Militärischen Sicherheitsbereiche geplant.
6. Mit welchen Tätigkeiten werden die Soldaten während des Gipfels betraut (bitte nach Anzahl der Soldaten, deren Teilstreitkraft/Organisationsbereich, vorgesehen Einsatztagen, Einsatzort und Art der Tätigkeit differenzieren)?
Umfang und Intensität der Unterstützungsleistungen durch die Bundeswehr werden erst zeitnah zum G8-Gipfeltreffen endgültig absehbar sein. Daher können abschließende Aussagen zu Umfang und Intensität der Unterstützungsleistungen derzeit nicht getroffen werden.
7. Plant die Bundesregierung, der Bundeswehr Aufgaben zu übertragen, die in den Zuständigkeitsbereich der Küstenschutzpolizei fallen, und wenn ja, welche Aufgaben und warum?
Nein.
8. Welche weiteren Unterstützungsleistungen übernimmt die Bundeswehr, auf wessen Anforderung, und welche Kosten entstehen dadurch (bitte nach Art der Unterstützung, Einsatztagen und -ort differenzieren)?
Auf die Antwort zu den Fragen 1 und 6 wird verwiesen.
9. Welche weiteren Unterstützungsleistungen werden von der Bundeswehr bereitgehalten bzw. können noch zusätzlich abgefordert werden?
Es werden keine weiteren Unterstützungsleistungen bereitgehalten. Neue Unterstützungsanträge unterliegen einer Einzelfallprüfung und werden bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen im Rahmen freier Kapazitäten erfüllt.
10. Welche Unterstützungsanforderungen hat die Bundeswehr abgelehnt (bitte detailliert darlegen und begründen)?
Keine
11. Übernehmen ausländische Streitkräfte Unterstützungsleistungen oder beteiligen sich daran (ggf. bitte erläutern)?
Eine Einbindung ausländischer Streitkräfte in das nationale Sicherheitskonzept für den G8-Gipfel im Zusammenhang mit Unterstützungsleistungen ist nicht vorgesehen. Über die eventuelle Anforderung von NATO-AWACS Luftfahrzeugen zur Luftraumüberwachung ist noch zu entscheiden.
12. In welchen Kasernen werden Unterbringungsmöglichkeiten bereitgestellt und für wen und wie viele Personen?
Insgesamt können ca. 6 500 Unterkunftsplätze in Liegenschaften der Bundeswehr für Einsatzkräfte der Bundespolizei und der Polizeien der Länder bereitgestellt werden. Die Nutzung verfügbarer Kapazitäten wird erst zeitnah zum G8-Gipfeltreffen endgültig absehbar sein. Für die Belegung liegt die Federführung überwiegend beim Land Mecklenburg-Vorpommern.
13. Ist beabsichtigt, die Bundeswehr an der Sicherung der Strecke zwischen dem Flughafen Rostock-Laage und dem Tagungshotel zu beteiligen, und wenn ja, in welcher Form und auf welcher Rechtsgrundlage?
Nein.
14. Werden in Zusammenhang mit dem G8-Gipfel Reservisten eingesetzt oder in Bereitschaft gehalten, und wenn ja, in welchem Umfang und für welche Zwecke?
Für die Ebene der Landkreise/Kreisfreien Städte hat die Bundeswehr im Rahmen ihrer neuen Strukturen der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit nichtaktive Verbindungskommandos aufgestellt. Die Mitglieder dieser Verbindungskommandos setzen sich ausschließlich aus Reservisten zusammen. Für den G8-Gipfel sind in folgenden administrativ-organisatorischen Verwaltungsstäben Reservisten mit ihrem Verbindungskommando eingesetzt:
15. Wie viele und welche Boote der Deutschen Marine sollen mit welchen Aufgaben zum Einsatz kommen?
a) Wird der Einsatz von Marinetauchern erwogen oder fest eingeplant?
b) Wenn ja, über welche Bewaffnung verfügen diese?
c) Wird der Einsatz der Spezialisierten Einsatzkräfte der Marine erwogen?
Im Rahmen der Unterstützungsleistung ist die Bereitstellung von neun Booten der Marine vorgesehen:
a) Fest eingeplant.
b) Keine
c) Minentaucher sind Spezialisierte Einsatzkräfte der Marine.
16. Trifft die in der “OSTSEE-ZEITUNG” vom 10. Januar 2007 wiedergegebene Äußerung des Inspekteurs der Streitkräftebasis Wolfram Kühn zu, derzufolge keine Soldaten in Uniform auf den Straßen zu sehen sein werden?
Die Bundeswehr leistet im Rahmen der Amtshilfe Unterstützungsleistungen, die dazu führen, dass auch Soldaten und Soldatinnen in Uniform in Erscheinung treten werden. Der Stellvertreter des Generalinspekteurs und Inspekteur der Streitkräftebasis hatte im Zuge der Erläuterung des Subsidiaritätsprinzips gegenüber der Ostsee-Zeitung am 9. Januar 2007 lediglich darauf hingewiesen, dass – analog zur FIFA-Fußball-WM 2006 – keine Unterstützungskräfte “in erster Reihe im Straßenbild” in Erscheinung treten. Insofern ist die Berichterstattung der Ostsee-Zeitung vom 10. Januar 2007, wonach “keine Soldaten in Uniform im Einsatz seien”, nicht zutreffend.
17. Wie viele gemeinsame Übungen haben zwischen Bundeswehr und Polizeistellen in Zusammenhang mit dem G8-Gipfel stattgefunden, und wie viele Übungen sollen bis zum Gipfel noch stattfinden und wann?
a) Was war bzw. ist Gegenstand dieser Übungen?
b) Wie viele Soldaten und Polizisten waren/sind an diesen Übungen beteiligt, und welche Tätigkeiten wurden/werden dabei geübt (bitte detailliert darlegen)?
c) Waren/sind weitere Organisationen oder Institutionen daran beteiligt, und wenn ja, welche?
Keine. Es sind auch keine gemeinsamen Übungen von Bundeswehr und Polizeidienststellen im Zusammenhang mit dem G8-Gipfeltreffen geplant.
18. Welche Rolle soll die Bundeswehr im Zusammenwirken von Sicherheits und Hilfskräften bei Gewalttätigkeiten zwischen Polizei und Demonstrantinnen und Demonstranten spielen?
a) Inwiefern ist nach Ansicht der Bundesregierung die Bewältigung
nichtkriegerischer, gewalttätiger Zusammenstöße im Inland eine Aufgabe der Bundeswehr, und wie ist dies mit den einschlägigen grundgesetzlichen Regelungen zum Inlandseinsatz der Bundeswehr zu vereinbaren?
b) Welche Dienststellen und Einheiten der Bundeswehr sind an Planungen und Szenarien in Zusammenhang mit möglichen Gewalttaten rund um den Gipfel beteiligt?
c) Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, die Beteiligung der Bundeswehr an gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Demonstrantinnen und Demonstranten sei etwas qualitativ Neues und ein Schritt auf dem Weg dahin, der Bundeswehr zusätzliche Machtbefugnisse im Inland zu übertragen, und wenn nein, warum nicht?
Keine. Die Unterstützung der Bundeswehr beschränkt sich auf das Erbringen technisch-logistischer Amtshilfe nach Artikel 35 Abs. 1 GG.
a) Die Bewältigung von nichtkriegerischen, gewalttätigen Zusammenstößen im Inland ist keine Aufgabe der Bundeswehr.
b) Eine planerische Beteiligung der Bundeswehr in einsatztaktischen Aspekten der Polizei ist durch den verantwortlichen Polizeiführer nicht vorgesehen.
c) Auf die Antwort zu 18a wird verwiesen.
19. Welche Szenarien liegen den verschiedenen Einsatzplanungen für den Bundeswehreinsatz zu Grunde?
Die Unterstützungsleistungen der Bundeswehr sind nicht einsatzbezogen. Die Unterstützung der Bundeswehr beschränkt sich auf das Erbringen technischlogistischer Amtshilfe nach Artikel 35 Abs. 1 GG.
20. In welchen Sicherheits-, Koordinations- oder Analysestäben werden konkrete Einsätze der Bundeswehr geplant, in welchen Stäben ist die Bundeswehr selbst beteiligt, und wer ist in diesen Gremien außerdem vertreten (bitte Anzahl der eingesetzten Soldaten und die Rolle der Bundeswehr in diesen Gremien darlegen)?
In folgende zivile Stäbe werden Verbindungskommandos der Bundeswehr entsandt:
- Besondere Aufbauorganisation (BAO) Kavala (Eigenname):
In den organisatorisch-administrativen Anteil des Stabes der Polizeiführung wird ein Verbindungskommando Wehrbereichskommando I “Küste” in Kiel und des Landeskommandos Mecklenburg-Vorpommern abgestellt. Es hat eine Stärke von fünf Soldaten. Aufgabe des Verbindungskommandos ist die Gewährleistung eines reibungslosen Informationsaustausches im Rahmen der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit.
- BAO Kavala: Einsatzabschnitt 12 “Seesicherheit”: Entsendung von zwei Verbindungsoffizieren der Marine zum gegenseitigen Informationsaustausch.
- Zivile Katastrophenschutzstäbe: Entsendung von fünf Verbindungskommandos in regionale Katastrophenschutzstäbe. Auf Frage 14 wird verwiesen.
- Interministerieller Krisenstab des Landes Mecklenburg-Vorpommern: Entsendung eines Verbindungskommandos durch das Landeskommando Mecklenburg-Vorpommern bei Aktivierung des Interministeriellen Stabes.
- Gemeinsame Flugeinsatzzentrale von Bundeswehr und Polizei: 25 Soldaten als Beitrag zu Sicherheit im Luftraum.
21. In welchem Zusammenhang steht das Manöver “Baltops” mit dem G8-Gipfel?
Sind am Manöver beteiligte Einheiten in der Lage, Sicherungsaufgaben für den G8-Gipfel wahrzunehmen, und wenn ja, welche?
Das NATO-Manöver BALTOPS steht in keinem Zusammenhang mit dem G8-Gipfeltreffen.
22. Wie viele Bundespolizisten sollen in Zusammenhang mit dem G8-Gipfel zum Einsatz kommen, und welche Kosten entstehen dabei?
Umfang und Intensität originärer Bundespolizeiaufgaben sowie der Unterstützung für das Bundeskriminalamt und das Land Mecklenburg-Vorpommern werden lageabhängig und daher erst zeitnah zum G8-Gipfeltreffen endgültig absehbar sein. Daher können abschließende Aussagen zum Einsatz von Bundespolizeibeamten sowie zu den entstehenden Kosten für die Bundespolizei derzeit nicht getroffen werden.
23. Welche Aufgaben sollen die Bundespolizisten übernehmen (bitte nach einzelnen Tagen, Aufgaben und Anzahl der eingesetzten Bundespolizisten aufgliedern)?
Auf die Antwort zu Frage 22 wird verwiesen.
24. Werden weitere Bundespolizisten in Bereitschaft gehalten, und wenn ja, wie viele und für welche Aufgaben?
Die Bundespolizei plant derzeit eine Reserve für die bundesweite Verstärkung eigener Aufgaben sowie die anlassbezogene Unterstützung Mecklenburg- Vorpommerns und des Bundeskriminalamtes bereit zu halten. Aus einsatztaktischen Gründen wird auf die Angabe der Größenordnung verzichtet.