[Gipfelsoli]
Pressemitteilung 2.4.2009 | 11:30 Uhr
Verschiedene Direktionen der Bundespolizei hatten gestern Dutzende Ausreisesperren verhängt. Kritierien für Anhalten und stundenlanges Durchsuchen waren Aussehen und Kleidung der Betroffenen.
Am Abend wurde eine interne Arbeitsanweisung für alle Bundespolizei-Dienststellen öffentlich und liegt auch dem Anwaltsnotdienst vor.
In dem Papier werden den beteiligten BeamtInnen “Textbausteine zur individuellen Sachverhaltsdarstellung” angewiesen.
Die “Textbausteine” wurden in zahlreichen Fällen wortgleich zur Verweigerung der Ausreise herangezogen. Das hat die Prüfung von rund 20 Bescheiden, die gestern tagsüber erlassen wurden, ergeben.
Fünf Frauen wurde, wie in den “Textbausteinen” angeregt, unterstellt, “als Mitglied einer Gruppe gegenüber eingesetzten Beamten provozierend und unkooperativ” aufgetreten zu sein (die Betroffenen hatten auf eine Rechtshilfebelehrung bestanden und gegen die schikanöse Behandlung protestiert). “Dies äußerte sich durch verbale als auch nonverbale Kommunikation”, führt der abgeschriebene Bescheid weiter aus. Schwarze Kleidung wird als “szenetypisch” ausgelegt, mitgeführte Schals als “Vermummungsgegenstände” ausgelegt. “Nach polizeilicher Lagebewertung sind sie der gewaltbereiten Szene zuzuordnen”.
Tatsächlich wird die endgültige Entscheidung über eine Ausreisesperre nicht von der jeweiligen Direktion getroffen, sondern “ferngesteuert” aus der Führungszentrale “BAO Kavala” in Freiburg.
Zur “Lagebeurteilung” benutzt die Polizei unter anderem die Datenbank “Inpol-neu”. Dort sind Haftdaten, Strafanzeigen, erkennungsdienstliche Behandlungen oder so genannte “Leibesbeschreibungen” gespeichert. Daten einstellen können BKA, LKAs und Geheimdienste.
Jedoch hat es gegen die meisten Betroffenen in der Vergangenheit weder Ermittlungsverfahren oder Verurteilungen gegeben, noch wurden sie zuvor in Gewahrsam genommen. Die Polizei nutzt also andere Datenbanken zur “Gefahrenprognose”.
Ein anderer Betroffener hatte das BKA vor wenigen Monaten erfolgreich auf die Löschung aller seiner Daten in “Inpol-neu” beklagt. Dennoch wurde gegen ihn gestern in Kehl ein Ausreiseverbot ausgesprochen.
Auf Nachfrage wurde erklärt, dass für die Begründung “mit Berlin telefoniert” wurde.
Ihm wurde zudem nicht sein “unkooperatives Verhalten” negativ ausgelegt, sondern im Gegenteil seine “Kooperationsbereitschaft als Verschleierung geplanter gewalttätiger Handlungen” ausgelegt.
Kontakt zu Betroffenen können wir vermitteln.
Matthias Monroy, Hanne Jobst
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