Communiqué vom 02.04.2009
Vor dem NATO-Gipfel in Strasbourg, Kehl und Baden-Baden wurden an der deutsch-französischen Grenze wieder Kontrollen eingeführt. Das Schengener Abkommen wurde außer Kraft gesetzt, was nach Artikel 23 der Verordnung Nr. 562/2006 nur „im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit“ möglich ist. Dutzenden aus Deutschland anreisenden DemonstrantInnen wurde am 1. April der Grenzübertritt nach Frankreich, Luxemburg und in die Schweiz verwehrt. Die deutschen Ausreiseverbote gelten bis zum 5. April um 24 Uhr und sind nach §10 Abs. 1 S. 2 PassG strafbewehrt mit bis zu einem Jahr Haft, die französischen Behörden verhängen Einreiseverbote.
Begründet wurden die Ausreiseverbote von der Bundespolizeidirektion Stuttgart mit „sonstigen erheblichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland“: „Aufgrund dieser gesicherten Gesamtumstände liegen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass Sie bei Ihrem geplanten Aufenthalt in Frankreich, insbesondere bei der Teilnahme an den Demonstrationen in Straßburg am 03/04.04.2009, zu gewalttätigen Ausschreitungen aufrufen und sich aktiv beteiligen werden. Die von Ihnen geplanten gewalttätigen Handlungen in Frankreich sind geeignet, dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik Deutschland in der Staatengemeinschaft erheblich zu schaden. Denn über solche Handlungen, die massive Gewalttätigkeiten gegen Personen und Sachen darstellen, wird auch in den ausländischen Medien berichtet.“ Am deutsch-französischen Grenzübergang Breisach hieß es wörtlich: „Wir halten das für erforderlich, weil sie in unseren Augen eine tatsächliche Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland darstellen, für das Ansehen dort.“
Konkret wurden die Verbote meist mit Einträgen in internationalen polizeilichen Datenbanken begründet, obwohl ein Großteil der betroffenen Personen bisher nicht von einem Gericht verurteilt wurde. Eine Vorstrafe wegen Diebstahls eine Fahrrades im Alter von 14 Jahren oder das Mitführen eines schwarzen Kapuzenpullovers reichten als Begründung ebenso aus wie das Reisen mit „linken Militanten“ oder ein Eintrag als „linker Anarchist“. Die Politik der deutschen Polizei erinnert fatal an das Vorgehen gegen die „ultra-gauche anarcho-autonome“ in Frankreich. Mit haltlosen Unterstellungen versuchen die Behörden diesseits wie jenseits des Rheins politisches Engagement zu kriminalisieren.
Nach den Grenzverboten kamen am 1. April etliche Linke in die KTS Freiburg. Das Autonome Zentrum stand vom 25. bis zum 31. März als Convergence Center gegen den NATO-Gipfel zur Verfügung. Die antimilitaristische Demonstration am 30. März mit über 2.000 TeilnehmerInnen wurde nach einer beispiellosen Hetze von Polizei und BILD-Zeitung mit dem größte Polizeieinsatz in Freiburg seit 30 Jahren konfrontiert und war als Höhepunkt der Anti-NATO-Aktivitäten in Freiburg geplant. Nun kann die KTS kaum noch weitere abgewiesene DemonstrantInnen beherbergen, so dass sich bei einer Fortsetzung der momentanen Politik die Frage einer Besetzung im Freiburger Stadtgebiet stellt. Noch mobilisieren wir nach Strasbourg, denn wir wollen den Verantwortlichen der NATO dort begegnen, wo sie ihre Kriegspolitik feiern.
Wir betreten feuertrunken, jetzt erst recht, dein Heiligtum!
Autonome Antifa Freiburg
Dieses Communiqué online:
http://www.autonome-antifa.org/spip.php?page=antifa&id_rubrique=1&design=2
http://linksunten.indymedia.org/de/node/2385
Bericht Legal Team Freiburg
Mittwoch, 01.04.09
Den ganzen Mittwoch über verweigerten deutsche und französische Polizeibeamt_innen an den Grenzübergängen Aktivist_innen die Ausreise aus Deutschland bzw. die Einreise nach Frankreich, einige Personen wurden in Gewahrsam genommen. Zur Begründung der “Ausreiseuntersagung gegenüber deutschen Staatsangehörigen” wurde mündlich oder schriftlich auf eine “Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland” verwiesen – die Demonstrant_innen würden das Ansehen der BRD im Ausland gefährden. Diese Gefahr erkannten die Beamt_innen beispielsweise in dunkler Kleidung, Flugblättern oder angeblichen Vorstrafen. Dem Legal Team wurden im Verlauf des 1. April 23 Ausreiseverbote durch deutsche und neun Einreiseverbote durch französische Polizeibeamt_innen gemeldet. Das Anwält_innenteam geht demgegenüber von mindestens 35 bis 40 Ausreiseverboten aus. Allerdings betonen beide Stellen, dass die Dunkelziffer wohl bedeutend höher liege. Die Jurist_innen haben am Mittwoch Abend bei der Polizeidirektion Stuttgart einen Widerspruch eingelegt, sowie beim Verwaltungsgericht Stuttgart einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Die Entscheidungen über die Ausreiseverbote, die sich auf die Grenzen zu Frankreich, Luxemburg und der Schweiz erstrecken, werden für Donnerstag Morgen erwartet.
Die insgesamt zehn in Unterbindungs- bzw. Dauergewahrsam genommenen Aktivist_innen wurden nach einer Intervention des Anwält_innenteams am späten Abend aus der Gefangenensammelstelle Kehl entlassen.
Legal Team Freiburg
Tägliche Berichte online unter:
http://linksunten.indymedia.org/de/node/1800