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2008-06-24

Italien: Neues Gesetz amnestiert Polizeigewalt beim G8-Gipfel 2001

[Gipfelsoli Infogruppe]

Pressemitteilung 24. Juni 2008

  • “Wettlauf gegen die Zeit”: Richterspruch gegen Polizei im Juli fraglich
  • Proteste in Italien und Berlin

[Rom | Genua | Berlin] Am gestrigen Dienstag hat die neue Regierungskoalition im italienischen Senat ein umfangreiches repressives Gesetzespaket verabschiedet. Migrationsabwehr und Abschiebungen werden erleichtert, eine DNA-Datenbank errichtet. Polizei und Militär sollen gemeinsam in den Straßen patroullieren, hierfür sind 2.500 Soldaten vorgesehen. Im Juni kam es zu Übergriffen auf Roma, an denen die Polizei beteiligt war. “Bettlergesetze” sollen nun den Druck auf die Betroffenen erhöhen.

Das neue Gesetz sieht außerdem vor, alle Prozesse die sich auf die Zeit vor Mitte 2002 beziehen ein Jahr lang auszusetzen.

Damit rettet sich Berlusconi vor einem Verfahren wegen Bestechung des britischen Anwalts David Mills.
Die Aussetzung der Verfahren begünstigt ihre Verjährung, so dass in vielen Fällen auch später keine Urteile mehr zu erwarten sind.

Am 21. Juli soll in Genua ein Urteil im langjährigen “Bolzaneto-Verfahren” gefällt werden. In der Polizeikaserne Bolzaneto kam es im Juli 2001 zu massiven Übergriffen und Mißhandlungen von GipfelgegnerInnen. 45 Beamte und Leiter der Staatspolizei, Carabinieri, Gefängnispolizisten, Ärzte und Krankenpfleger sind angeklagt.

300 Betroffene treten als NebenklägerInnen auf, darunter die Hälfte aus dem Ausland. Vom Ausgang des Verfahrens sind Klagen auf Schadensersatz abhängig.

“Nach der Rekonstruktion der Staatsanwaltschaft wurde in Bolzaneto gegen den dritten Artikel der europäischen Menschenrechtskonvention verstossen” schreibt die Segretaria Legale, eine Rechtshilfegruppe aus Genua die mit den AnwältInnen zusammenarbeitet.

Der neue Gesetzentwurf Berlusconis soll am 25. Juli, 4 Tage nach dem angestrebten Urteil im “Bolzaneto-Verfahren”, endgültig verabschiedet werden. AnwältInnen der mißhandelten DemonstrantInnen vermuten nun eine Verzögerungstaktik der Regierung, um den angeklagten Polizeikräften einen Schuldspruch mit allen Mitteln zu ersparen.
Die genuesische Anwältin Laura Tartarini spricht von einem “Wettlauf gegen die Zeit”: “Wir haben in den Verfahrensjahren schon sehr viel durchgemacht. Von den Falschaussagen bis zur unterbliebenen Mitwirkung der Angeklagten und Zeugen. Wir dachten, wir wären durch, nun bleibt durch diese Regelung nur Hohn”.

In Genua werden vom 18. bis zum 22. Juli Aktionen und Veranstaltungen zum 7. Jahrestag der G8-Proteste und des Todes von Carlo Giuliani organisiert.
Um gegen die drohende Suspendierung des Bolzaneto-Verfahrens zu demonstrieren haben NebenklägerInnen und G8-KritikerInnen für den 4. Juli in Berlin eine Kundgebung vor der italienischen Botschaft angemeldet.

Hintergrund

Andrea Brigante, Matthias Monroy, Hanne Jobst