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2008-12-05

5.12.2008 Maddalena -- Genua

- Berlusconi will eine internationale Regulierung des Internets

- Diaz-Urteil: warum wir von Staatsstraflosigkeit sprechen

- Die Polizei: Der Prozess wegen gezielter Irreführung der Ermittlungsbehörden soll raus aus Genua

- Schwamm über Bolzaneto: die Begründungen

- Bolzaneto: Es war Folter. Die Urteilsbegründung.

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Berlusconi will eine internationale Regulierung des Internets

Im Juli 2009 wird der G8-Gipfel turnusgemäß wieder in Italien stattfinden. Das letzte Mal hatte es in Genua 2001 massive Polizeiübergriffe gegen Demonstranten gegeben. Jetzt zieht Ministerpräsident Berlusconi auf die kleine, gut kontrollierbare Insel Magdalena bei Sardinien und hat einen Plan für das Internet in der Tasche. Nach seinen Vorstellungen sollte es eine internationale Regelung für das Internet geben. Das fehle, sagte Berlusconi während eines Besuchs des Technologieparks der italienischen Post in Rom.

Neben der Beschäftigung mit der Finanzkrise müsse die internationale Regulierung des Internets diskutiert werden. Das sei ein schwieriges Problem, sagte Berlusconi, da die nationale Rechtsprechung in Internetfragen manchmal nicht ausgeübt werden könne. Die G8 sei ein besseres Podium als die Vereinten Nationen, um hier eine Lösung zu finden, weil es bei der UN eine Vielzahl von Staaten gebe, die sich nicht einigen könnten.

Das erscheint für einen Demokraten eine recht bedenkliche Einstellung, mit der Berlusconi zudem die Bedeutung der Vereinten Nationen unterhöhlt. Berlusconi versuchte seine Ansicht mit Mehrheitszahlen zu rechtfertigen: Wenn er ab Januar den Vorsitz der G8 habe, dann sei es eigentlich die G20, die 80 Prozent der Wirtschaftsmacht und 72 Prozent der Bevölkerung der Welt darstelle.

Einzelheiten, wie er sich eine internationale Regulierung des Internets vorstellt, erläuterte Berlusconi allerdings nicht, fügte aber hinzu, dass es ein "Forum" sei, das für alle offen stehe. Bei der Regulierung des Internets sieht Berlusconi Italien als "Avantgarde".

Source: http://www.heise.de/newsticker/Berlusconi-will-eine-internationale-Regulierung-des-Internets--/meldung/119853

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Diaz-Urteil: warum wir von Staatsstraflosigkeit sprechen

von Dario Rossi*

29. November 2008

Mit dem Urteil über die Vorgänge in der Diaz-Schule ist die Chance auf die Schaffung von Gerechtigkeit für den schwerwiegendsten Bruch einer demokratischen Rechtsordnung von der Nachkriegszeit bis heute (Amnesty International) verloren gegangen.

Wenn das Bolzaneto-Urteil wegen der lediglich auf einige unter den in der Haftanstalt anwesenden Amtsträgern und Vollzugsdienstleistenden beschränkten Schuldfeststellung viele enttäuscht hatte, so hatte es wenigstens einen Verdienst, weil die Verurteilung des leitenden Polizeibeamten Antonio Gugliotta wegen Amstmissbrauchs (ein Straftatbestand, unter dem die unmenschlichen und herabwürdigenden Handlungen in Abwesenheit eines einschlägigen Folterparagrafen zusammengefasst worden waren) immerhin dazu beigetragen hat, die historische Wahrheit über Bolzaneto fest zu halten: es muss sich deswegen ein einziger verantworten, aber es war Folter.

Eheblich anders ist das Bild, das uns das Diaz-Urteil vermittelt. Das Gericht hat das Vorliegen des Tatbestands der Körperverletzung festgestellt, in dem es die Führungsoffiziere der von Vincenzo Canterini geleiteten Einheit VII Nucleo verurteilte. Es hat auch festgestellt, dass es sich bei den Molotovs um in die Schule durch einen Polizeibeamten zum ausschließlichen Zweck der Verleumdung der Schulinsassen eingeführte falsche Beweise handelte.

Canterini ist auch der Urkundenfälschung und Verleumdung für Schuldig befunden worden, weil er in seinem Dienstbericht angegeben hatte, dass er im Inneren der Schule auf starken Widerstand durch deren Insassen gestoßen sei.

Wenn dieses Urteil einerseits die Würde von 93 zu Unrecht der kriminellen Vereinigung zum Zweck der Verwüstung und Plünderung (ein über drei Jahre später im Dezember 2004 durch Verfahrenseinstellung fallen gelassener Vorwurf) beschuldigten Personen wiederherstellt, so ist andererseits offensichtlich, dass es nicht in der Lage gewesen ist, die Verantwortlichkeiten, in die Spitzenbeamte der italienischen Polizei (Gratteri, Luperi, Caldarozzi) verwickelt waren, restlos aufzuklären, die an der Seite Canterinis vor Ort waren und ahnungslose Opfer der Lügen gewesen sein sollen, die ihr Kollege erzählte.

Die Amtsträger, die nicht der Wahrheit entsprechende Aussagen enthaltende Verhaftungsprotokolle verfasst und unterschrieben haben, seien also durch den Dienstbericht Canterinis getäuscht worden, und sich deshalb zum Zeitpunkt der Anbringung der Unterschrift auf das Protokoll nicht der Tatsache bewusst gewesen, dass jene Aussagen unwahr seien.

Es handelt sich um eine offensichtlich forcierte Auslegung, weil jene Amtsträger vor Ort waren. Sie hielten sich weder zu Hause auf, noch in einer Kaserne, noch in einer anderen Stadt. Sie haben die Maßnahme vom Anfang bis zum Ende begleitet, sie haben sie programmiert, geleitet und begründet.

Ein sichtliches Zeichen der Forcierung der Auslegung durch das Gericht ist die Tatsache, dass es den Dienstbericht Canterinis nur jenen Abschnitt für falsch erklärt hat, der sich auf den Widerstand im Inneren der Schule bezieht, nicht aber den, der Würfe von Gegenständen auf die Ordnungskräfte, die sich außerhalb des Gebäudes befanden betrifft.

Das, weil der "extrem Dichte Wurf vvon Gegenständen aller Art" aus den Fenstern der Schule, von dem im Verhaftungsprotokoll die Rede ist, nicht umhin kam, Gegenstand der direkten Wahrnehmung auch durch die anderen Amtsträger zu sein, die sich außerhalb des Gebäudes aufhielten; es wäre sonst nicht möglich gewesen, auch für diese Falschaussage die Verantwortung auf den Erwerb von Informationen durch Dritte zu schieben, so dass auch für sie eine Verurteilung unumgänglich geworden wäre.

Es haben sich zudem auch zahlreiche weitere Umstände, die im Verhaftungsprotokoll Erwähnung finden, als falsch herausgestellt, die auf keinerlei Weise Canterini zugeordnet werden können, etwa die Tatsache, dass die Schule voll mit Waffen aller Art gewesen sei (die sich als Werkzeuge aus einer dort vorhandenen Baustelle bzw. als von den Polizisten selbst aus den Rucksäcken der Insassen herausgezogenen Gerüststäbe entpuppten) oder aber die Bekundung der Tatsache, dass die Schule... auch mittels des Gebrauchs von Kriegswaffen, den für die Umsetzung des gemeinsamen, durch den Vollzug von Verwüstungs- und Plünderungsdelikten konkretisierten, kriminellen Zusammenschlussprogramms unverzichtbaren logistischen Träger darstelle und den Ort der bestimmt war, die Spitzen "schwarzen overalls" aufzunehmen.

Es ist offensichtlich, dass diese, alles Andere als unerfahrene Offiziere, nicht von ihren Untergebenen getäuscht worden sein können; es ist offensichtlich, dass die Verfasser der Durchsuchungs- und Verhaftungsprotokolle sich einer derartigen Fälschung vollkommen bewusst waren.

Im Laufe der Gerichtsverhandlung sind darüber hinaus genügend Anhaltspunkte ans Licht getreten, um jene Polizeimaßnahme, ihrer Beschaffenheit und ihren Folgen nach als vollkommen vorsätzlich anzusehen, die ihren Ursprung in einem nicht existenten Vorwand hatte, wie es der Übergriff auf eine Polizeistreife wenige Stunden vor dem Einsatz gewesen ist.

Genau so unbefriedigend ist der Freispruch des Dr. Gava, Befehlshaber der Abteilung, die ohne jede Rechtfertigung (der Eintritt soll aus Versehen erfolgt sein) die Durchsuchung der gegenüber liegenden Schule leitete, die Pascoli, in der sich der operative Standort des Geboa Social Forum befand; Dr. Gava war beschuldigt, die dort anwesenden Menschen willkürlich durchsucht, mit Gewalt Videomaterial unterschlagen, Computer beschädigt und zerstört und die Anwesenden gezwungen zu haben, sich mit dem Gesicht zur Wand hinzusetzen, um zu verhindern, dass sie sehen, was in der Pertini-Schule geschah. All das stellt für das Gericht kein Vergehen dar oder es kann dem die Vorgänge leitenden Abteilungsbefehlshaber nicht angelastet werden.

Ein weiteres Mal hat der Staat bewiesen, dass er nicht über sich selbst zu richten weiß; ein weiteres Mal ist die Schwäche der Grundprinzipien des Rechtsstaates ans Licht getreten, auf deren Grundlage die judikative Gewalt Missbrauchshandlungen durch die Exekutive Greenze und Einhalt gebieten sollte. Ein Urteil, den Nachweis des Einschüchterungsklimas, das gegenüber den Gewährleistungsgewalten herrscht und auf signifikante Weise im Begriff ist, die Gewährleistung der Grundrechte zu komprimieren.

* Verteidiger für die Nebenklägerin Genoa Social Forum

Source: http://www.liberazione.it/giornale_articolo_ricerca.php?id_articolo=418469

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Die Polizei: Der Prozess wegen gezielter Irreführung der Ermittlungsbehörden soll raus aus Genua

von Alessandra Fava

Genua - Der Prozess hat nicht nur generell nicht stattzufinden: er soll schon gar nicht in Genua gemacht werden, wo es einen "fumus ambientalis"* gibt.Das ist die gestern bei der Verhandlung im Vorverfahren vom Anwalt des wegen im Mai 2007 vor Gericht gemachten Angaben der Falschaussage beschuldigten einstigen Polizeipräsidenten von Genua Francesco Colucci eingenommene Position.

Durch die Hinterlegung des Antrags auf Remission des Verfahrens bei der Gerichtskanzlei hat sich der Anwalt Maurizio Mascia de facto auf das Cirami-Gesetz** berufen, in dem er behauptete, dass die Richter nicht mit der nötigen Gelassenheit darüber entscheiden könnten, ob die Aussagen des laut Staatsanwaltschaft vom damaligen Polizeichef De Gennaro mit Hilfe des einstigen Chefs der genuesischen Digos Spartco Mortola, dem vorgeworfen wird, Colucci dazu überredet zu haben, dass die Männer der MEKs "aus Versehen" die Pascoli-Schule*** enterten, zum Zweck der Vernebelung im Verfahren "angestifteten" Colucci vor Gericht falsch seien oder nicht, weil in Genua das Diaz Verfahren stattfand und den Richtern (bei der Urteilsverkündung, A.d.Ü.) "Schämt euch!" zugerufen wurde.

Die gestrige sollte eine Zwischenverhandlung sein, die Entscheidung über die Zulassung eines Gerichtsverfahrens hätte erst in einigen Monaten fallen sollen. Durch den "fumus ambientalis" aber, hat sie gerade so lange gadauert, wie nötig, um das Beitrittbegehren der Nebenkläger zu formalisieren: Das Komitee "Wahrheit und Gerechtigkeit für Genua", der Verband der Demokratischen Juristen und drei weitere Geschädigte Parteien, die bereits im Diaz-Verfahren Nebenkläger waren. Über deren Zulassung in dieser Eigenschaft wird die Untersuchungsrichterin Silvia Carpanini am 18. Dezember befinen. Dann wird Alles bis zur Entscheidung des Kassationshofes in der Schwebe bleiben. Mit dem Schachzug Mascias sind nicht einmal die Anwälte der anderen Beschuldigten einverstanden. Alessandro Gazzolo, der zusammen mit Pier Giovannu Iunca Spartaco Mortola vetritt, sagt: "Wir hätten das Verfahren vor dem natürlichen Richter fortgeführt". Seitens der Verteidiger De Gennaros Francesco Cppi und Alfredo Biondi kommt kein Kommentar.

Das, was die Staatsanwaltschaft unberührt geblieben war. Die Vorwürfe der Falschaussage, der Anstiftung und der Anstiftung stützen sich auf eine dichte Abfolge von Abhörmitschnitten, in denen zu hören ist, wie der einstige Polizeipräsident von Genua Francesco Colucci sagt, dass "der Boss" ihn gebeten hat, "in Sachen Presse**** ein bisschen den Rückwärtsgang einzulegen", also zur Frage nach demjenigen, der die Entscheidung fällte, den obersten Öffentlichkeitsarbeitsreferenten des Innenministeriums Roberto Sgalla zu entsenden. Als er im vergangen Mai bei der Gerichtsverhandlung im Diaz-Verfahren erschien, hatte Colucci widerrufen. In den darauf folgenden Stunden erhielt er die Gratulationen von zahlreichen Gestalten, darunter von Gratteri und einem Richter. Kurzum, die Staatsanwälte Enrico Zucca und Francesco Cardona Albini sind der Ansicht, dass es mit der Aussage Colucci gelungen ist, das Verfahren einzutrüben.

Was Mortola betrifft, der der Beihilfe beschuldigt ist, weil er Coluci überredet haben soll, die Argumentationslinie durchzusetzen, nach der in die Pascoli-Schule, die Standort des Medienzentrums war, "die gesamte Gruppe der MEK hinein gegangen ist", weil sie "Das Zieobjekt verfehlten". "Wir treten als Nebenkläger an, um daran zu erinnern, dass in der vom erstinstanzlichen Urteil im Diaz-Verfahren fast vollständig unbeachteten Pascoli-Schule das eine oder andere doch geschehen ist" sagt der anwaltliche Vertreter des Verbandes der Demokratischen Juristen emilio Robotti. So etwas, wie die Beschlagnahme aller Festplatten mit den Anzeigen gegen Polizeikräfte, die Demonstranten von den Anwälten (der Rechtshilfegruppe "Genoa Legal Forum", A.d.Ü. ) hatten aufnehmen lassen. Um zu verstehen, wieso dies keinen Straftatbestand darstellt, wartet man auf Einsicht der Begründung des Diaz-Urteils.

A.d.Ü. :

* ein vergiftetes Klima

** siehe: http://www.metatag.de/webs/fdp/sls/files/docs/cirami/Bericht_legitimer_Verdacht.pdf : "[...] Das Cirami-Gesetz führte in die Strafprozessordnung den Begriff des legitimen Verdachts als Grund für den Antrag ein, eine Rechtssache von einem Gericht auf ein anderes zu übertragen. Der legitime Verdacht beruht auf „schwer wiegenden örtlichen Gegebenheiten, die geeignet sind, den Verlauf des Verfahrens zu beeinträchtigen“. [...]"

*** Es wurden in der Nacht zum 22. Juli 2001 zwei Schulen in der Via Cesare Battisti geentert, die beide dem Schulkomplex "Diaz" angehören. In der Pascoli-Schule waren das Medienzentrum, eine Sanitäterstelle und die Rechtshilfestelle des Genoa Social Forum untergbracht. Die andere Schule, die zum Schauplatz des blutigen Gemetzels von dort übernachtenden Protestteilnehmern wurde, heißt Pertini.

**** Es geht genau gesagt darum, dass der damalige Pressesprecher der Polizei Roberto Sgalla im Laufe der "Operation Diaz" vor Ort war und dass Colucci im Mai 2007 eine frühere Aussage darüber, dass dieser von De Gennaro persönlich dort hin abgestellt worden sei dahingehend revidierte, dass er (Colucci) vielmehr selbst Sgalla bestellt habe. Die Anwesenheit Sgallas, der permanent mit dem Innenministrium in Rom in Verbindung stand, ist ein starkes Indiz dafür, dass die Aktion in der Diaz mitnichten ohne Wissen von Rom durchgeführt wurde. Rom hatte am 21. Juli durch die faktische Entsendung eines neuen obersten Einsatleiters für die Öffentliche Ordnung ohnehin offenbar entscheidende Veränderungen im Organigramm der Leitngsstäbe vorgenommen. Der durch diese Entscheidung de facto "entmachtete" Einsatzleiter Ansoino Andreassi gab zu Protokoll, der Befehl für die Aktion sei direkt aus Rom gekommen, wobei er den damaligen Polizeichef nicht namentlich erwähnte. In diesem ZUsammenhang ist für De Gennaro seine namentliche Erwähnung als unmittelbarer "Entsender" Sgallas sehr unangenehm. Wie Sgalla sich in der Diaz-Nacht gegenüber Hournalisten, Parlamentariern und Social-Forum-sprechern verhielt, ist unvergessen. Mehrfach wurde bezeugt, dass er diese daran hinderte, das Gebäude zu betreten.

Source: http://www.ilmanifesto.it/Quotidiano-archivio/26-Novembre-2008/art25.html

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Schwamm über Bolzaneto: die Begründungen

von Alessandra Fava

Genua - Die Gewalttaten in der Kaserne Bolzaneto während der G8 Tage hat es gegeben, der Straftatbestand des vorsätzlichen Amtsmissbrauchs (der in unserem Strafrecht der Folter am nächste kommt) aber, lässt sich lediglich einem einzigen der Angeklagten anlasten, weil man den Anderen nicht nachweisen kann, dass Unrechtsbewusstsein und der Wille, Schaden zuzufügen vorgelegen hätten. Das besagt die gestern Nachmittag von den Richtern des Tribunals, das am vergangenen 14. Juli den über 76 von den Staatsanwälten Vittorio Ranieri Miniati und Patrizia Petruzzielli für 44 der 45 Angeklagten beantragten über 76 Jahren entgegen 15 Angeklagte zu 23 Jahren und 9 Monaten verurteilte und 30 freisprach eingereichte Urteilsbegründung.

Das vom Vorsitzenden Renato Delucchi geleitete Gericht räumt ein, dass es Beleidigungen und Schläge, schikanöse Stellungen in den Höfen und Zellen, Ohrfeigen, Tritte, Bespuckungen, Schläge gegen alle Körperteile einschließlich der Geschlechtsteile, Reizgasstöße, faschistische Sprüche, zwangsbeschneidung der Haare im Sanitätsraum, Markierungen der Wangen gab.

Kurzum, die "Liste der gegen die verhafteten oder vorläufig festgenommenen Personen, die zwischen dem 20. und dem 22. Juli Bolzaneto passierten verübten kriminellen Vorgehensweisen erlaubt es ohne jeden Zweifel zu dem Schluss zu kommen, dass man sich im Angesicht von Verhaltensweisen befindet, die in vollem Umfang die Merkmale unmenschlicher und herabwürdiger Behandlungen aufweisen". Auf ungefähr 100 Seiten von einer Gesamtseitenzahl von 450 erinnern sie aber auch daran, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit individueller Art ist, dass der Tatbestand des Amtsmissbrauchs nicht mit dem Tatbestand des Machtmissbrauchs gegenüber Verhaftete Personen in Zusammenhang gebracht kann und dass fü zahlreiche Angeklagte es an der Gewissheit fehlt, dass sie gewusst oder gewollt hätten, dass man Mutwillig gegen den Festgenommenen vorgehe. Das ist der Grund, weshalb der Vorwurf des Amtsmissbrauchs auch für den höchsten Verantwortlichen in Bolzaneto Alessandro Perugini (zu zwei Jahren und vier Monaten verurteilt) fallen gelassen wurde. Das Gericht demontiert auch einen der die Vorgänge am stärksten in die Nähe der Folter rückenden Aspekte, in dem es besagt, dass der Entzug von Wasser und Nahrung nicht gewollt waren. Was den Freispruch des rangmäßig höchstgestellten Anwesenden in Bolzaneto Oberleutnant Oronzo D' Oria betrifft, ein Aspekt des Urteils, das seinerzeit am meisten für Aufsehen sorgte, schreint das Gericht, dass die Offiziere des Vollzugspolizeikorps "hierarchisch keine Vorgesetzten der Gefängnispolizei waren (und sind) sondern in einer lediglich 'funktionellen' Leitungsbeziehung standen". Bestätigt wurden die Strafen für die Hitlergrüße, das Köpfe-gege-die-Wände-schlagen und weitere Gewalttaten für den Gefängnispolizeiinspektor Biagio Gugliotta ( 5 Jahre und zwei Monate ), der Einzige, für den auch der Vorwurf des Amtsmissbrauchs aufrechterhalten blieb; einmal die Carabinieri, wegen ihrem "menschlischeren Verhaltens" am Samstagbelobigt, erklärt man, dass der Polizeidirektionsassistent Massimo Pigozzi drei Jahre und zwei Monate abbekommt, weil er eine Hand entzwei gerissen hat, aber tsterschwerende Umstände entfallen. Das Dicke Ende kommt - mit der Begründung der Strafen für die Anstaltsäzte - aber jetzt erst: Das Gericht erläutert wie die Verurteilung von Giacomo Toccafondi zu einem Jahr und zwei Monaten und die Aldo Amentas zu 10 Monaten der Tatsache geschuldet sind, dass im Sanitätsraum "das Gesamtklima nicht immer der Besten war". Auch hier gab es keine vorsätzliche Mutwilligkeit und einige Vorfälle werden bagatellisiert, wie der, bei dem eine Frau sich zehn Mal nackt umdrehen musste, weil man sie weit weniger oft hätte umdrehen lassen. Wenige Stunden, bevor die Urteilsbegründung eingereicht wurde, hat der Staatsanwalt Vittorio Ranieri Miniati auf Freispruch für einen französischen Demonstranten Plädiert, der Des Werfens einer Molotov angeklagt war. Für ihn geht das Verfahren weiter. Er war einer derjenigen, die Bolzaneto passierten und dort von Gugliotta persönlich geschlagen worden waren.

Source: http://www.ilmanifesto.it/Quotidiano-archivio/28-Novembre-2008/art22.html

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Bolzaneto: Es war Folter. Die Urteilsbegründung.

von Checchino Antonini

Da steht es, schwarz auf weiß: In Bolzaneto wurde gefoltert. Die Lektüre der Begründung des Urteils, das am vergangenen 14. Juli gesprochen wurde, erlaubt es besser als die Urteilsverkündung - lediglich 15 von 45 Angeklagten sollen verurteilt worden sein - die Vörgänge zu fokussieren, die im Juli 2001 in Bolzaneto vollzogen wurden.

Der 451-seitigen Rekonstruktion der Geschichte entnimmt man, dass sich die Untersuchungen wegen der Omertá* extrem schwer gestalteten. Ein merkmal, das ebenfalls von den Staatsanwälten hervor gehoben wurde, die den Strafantrag im Diaz-Verfahren stellten. Es mit einem Bürger in Uniform zu tun haben, ist für die Staatsanwaltschaft genau so beschwerlich, wie die Auseinandersetzung mit einem Vergewaltiger und/oder einem Mafioso. Eine "Grenze", die den Richtern zufolge, auf "missverstandenen Korpsgeist" zurückzuführen ist, und in der die Ursache für die Umöglichkeit liegt, die für die vor Gericht nachgewiesenen Misshandlungen Verantwortlichen zu identifizieren. Es soll weder möglich gewesen sein, "Er Tigre" - eine Gefängniswache, die sich beim Schikanieren besonders hervortat - zu identifizieren, noch den Spezialisten für Beschimpfungen deutschsprachiger Gefangener aus Südtirol.

Und es kam, in jenen Tagen und Nächten in der zur Haftanstalt umfunktionierten Kaserne Bolzaneto im Norden von Genua, zu "politisch gearteten Äußerungen, die im Munde von Angehörigen der Polizeikräfte eines demokratischen Staates, der den Wert der Ächtung des Nazifaschismus unter den Grundwerten der eigenen Verfassung anführt schon per se nicht tolerierbar sind", das bestätigte das Urteil. In jenem Zusammenhang, mit jungen Menschen, die gezwungen waren, mit gespreizten Beinen, Händen über den Kopf und Gesicht zur Wand waren jene Äußerungen "um so abstoßender und schikanöser". "Beschimpfungen aller Art, die von besonders an Frauen gerichteten Beschimpfungen mit sexuellem Hintergrund bis hin zu solchen mit politischem Inhalt reichten. Drohungen, die zwischen solchen variierten, die Schläge und sogar den Tod in Aussicht stellten und solchen, bei denen Vergewaltigung das Leitmotiv war, und die Nötigung zum Aufsagen von die eigene Würde verletzenden Sprüchen, und von Sprüchen und Hymnen auf Mussolini und Hitler, bis hin zur Nötigung, im so genannten Stechschritt den Gang hinabzumarschieren und dabei den Hitlergruß zu machen, dem vielleicht als Handyklingelton abgespielten Motiv "Faccetta nera"** und antisemitischen, dem faschistischen Regime und der Diktatur des Generals Pinochet huldigenden Sätzen zu lauschen".

Und Perugini wusste es. Der einstige Vizequästor, der zu 2 Jahren und vier Monaten verurteilt wurde - der Polizist, der in einer Straße von Genua dabei verweigt wurde, wie er sich anschickte, einen von anderen Beamten festgehalrenen Minderjährigen zu treten, "hatte von dem, was in der Anstalt geschah, sichere Gewissheit". Einen Vorgang nicht zu unterbinden, den man zu unterbinden rechtlich verpflichtet ist, kommt dem Veranlassen jenen Vorgangs gleich. Paragraph 40 des Strafgestzbuches. Die höchste Strafe - 5 Jahre - hat ein ehemaliger Inspektor der Gefängnispolizei bekommen: Biagio Gugliotta. Ihm wurden anhaltender Amts- und Machtmissbrauch anhaltende Gewaltanwendung, Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung, Nötigung und einzelne, spezifische Vorfälle angelastet. Er war die Person, die zur Gewährleistung der Ordnung und der Wahrung der körperlichen Unversertheit und der Würde der in jenem Kontext festgehgaltenen PÜersonen abgestellt. Also hat "Gugliotta von der ihm übertragenen Macht schlechten Gebrauch gemacht, in dem er es den Untergebenen erlaubte, missbräuchliche Handlungen und Gewaltanwendungen jeder Art zu vollziehen. in dem er ebensolche gelegentlich auch persönlich vollzog und in dem er das quälerische und unterdrückende Klima förderte, in dem die Opfer ohne Schutz und der Anmaßung und Gewalt derer ausgesetzt waren, die hingegen deren persönliche Sicherheit hätten gewährleisten müssen". "In einem demokratischen System unvorstellbare" Straftaten, wobei "das Fehlen eines einschlägigen Tatbestands der 'Folter' in unserem Strafrecht" (Italien ist der internationalen Verpflichtungen säumig, red.) die Staatsanwaltschaft gezwungen hat, die unmenschlischen und abwertenden Vorgehensweisen einzugrenzen". Vorgehensweisen. merken die Richter an, die "man ohne jeden Zweifel in dem in internationale Konventionen aufgenommenen Begriff von Folter hätte wiederfinden können und die dieses Kollegium für vollkommen erwiesen befunden hat".

Was die Ereignisse in der Diaz-Schule betrifft, so hat 'Famiglia Cristiana' *** aufs Neue die Untersuchungsausschussfrage aufgeworfen. In einem Editorial von Adriano Sansa, Staatsanwalt und vormals Bürgermeister von Genua, der sich in den Auszügen, die wir veröffentlichen fragt: "warum hat man nicht die durch das Gesetz selbst vorgesehenen und im Sinne der politischen und moralischen Verantwortung zwingenden Mittel umgesetzt? Wenn so viel Vollzugsbeamte und leitende Beamte Straftaten begangen haben, muss sich doch irgendwer verantworten, und sei es außerhalb des Gerichtsverfahrens". Stattdessen, "hat unter denen, die in den höchsten Rängen führten, niemand gebüßt: unfähig, abwesend, würdelos. Im Gegenteil: sie alle wurden befördert - einige in Ämter mit höchstem Verantwortungsgrad". Und weiter: "Niemand entschuldigt sich". "Vielleicht meint die Regierung, so als 'polizeifreundlich" in Erscheinung zu treten. Vielmehr vernichtet sie dabei deren Bild bei den Bürgern und beleidigt deren loyalen Anteile. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss stellt die letzte Möglichkeit dar, um den Verrat von Genua endlich aufzuhalten". Der bekannte Staatsamann Gasparri, Fraktionschef des Pdl****, machte dem Staatsanwalt klar: "Finden Sie sich damit ab, dazu wird es nie kommen".

Wenige Stunden zuvor, weiterhin am Mittwoch, hatte der stellvertretende Generalstaatsanwalt beim Kassationshof Alfredo Montagna bei der Verhandlung wegen den Auseinandersetzungen vom 11. März 2006 auf dem Corso Buenos Aires in Mailand bekundet, dass "die Polizei eine abweichlerische Ermittlungskultur hat, weil sie meint, dass die Identifikation einer Person, die an einer Demonstration Teil nimmt es gestatte, dieser anschließend sämtliche im Rahmen der selben Demonstration begangenen Straftaten anzulasten" Nichtdestotrotz hat der oberste Gerichtshof die Berufung der Antifaschisten abgewiesen

A.d.Ü. :

* Das "Gesetz des Schweigens" der Mafia, siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Omert%C3%A0

** Faschistisches Kampflied, siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Faccetta_Nera

*** Katholische Wochenzeitschrift, siehe auch: http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/und_sie_bewegt_sich_doch_1.975646.html

**** Popolo della Libertà = "Volk der Freiheit" siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Popolo_della_Libert%C3%A0 , http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ressorts/reisen/europa/index,page=1131278,chunk=6.html http://de.indymedia.org/2008/11/233305.shtml und http://de.indymedia.org/2008/11/233325.shtml

Source: http://www.liberazione.it/giornale_articolo_ricerca.php?id_articolo=418444