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2008-07-22

22.7.2008 Genua -- Maddalena

- Genova 2008: City of riots

- G8-Urteile in Genua: "Suspendierung des Rechtsstaates"

- Berlusconi plant G-8-Gipfel auf Luxusliner

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Genova 2008: City of riots

Heute fand in Genua die jährliche Gedenkdemonstration für die Ermordung von Carlo Giuliani statt. Die Demonstration war dieses Jahr eingebettet in zahlreiche Veranstaltungen rund um die Urteile im „Bolzaneto-Verfahren“. Letzte Woche wurden Urteile gegen 15 Cops wegen der Mißhandlungen in der Polizeikaserne Bolzaneto verhängt. 30 wurden mangels Beweisen freigesprochen.

An der Demo beteiligten sich schätzungsweise gut 500 Menschen aus unterschiedlichen Spektren. Zuvor hatte es eine Aktion vor dem Rathaus in der Via Garibaldi gegeben, um auf die Verfahren gegen 25 AktivistInnen aufmerksam zu machen die letzten November zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Die genueser Bürgermeisterin hat eine Einladung kurzerhand rückgängig gemacht.

Die Bürgermeisterin, Marta Vincenzi, hatte auf Initiative des Comitato Veritá e Giustizia alle Betroffene der Verfahren wegen der Polizeikaserne Bolzaneto sowie der Razzia in der Diaz-Schule zu einem „Versöhnungstreffen“ eingeladen. In der Zeitung “Repubblica” erläuterte sie, die Eingeladenen wären willkommen weil sie Opfer seien. Mit dieser Zuschreibung allerdings waren die „Opfer“ nicht einverstanden und haben eine Erklärung verfaßt, in der sie die Verantwortlichen für die Polizeigewalt durchaus auch in der Politik ausmachen. Mit einer symbolischen Aktion sollte zudem auf die hohen Urteile gegen die 25 italienischen AktivistInnen aufmerksam gemacht werden. Die meisten der Eingeladenen erschienen mit T-Shirts, auf denen die Zahl „25“ prangte. Daraufhin hatte die Bürgermeisterin die Lust an einem Treffen verloren und verweigerte den Eintritt ins Rathaus, was zu einem kurzen Gerangel führte.

Die Aktion endete mit einer einstündigen Kundgebung vorm Rathaus und einer Diskussion mit dem Vize-Bürgermeister, der nicht verstehen wollte wieso die „Opfer“ den ihnen zugewiesenen Platz nicht annehmen wollten. Genua bewirbt die Stadt seit einer Weile mit „Genoa – City of Rights“. Darauf angesprochen, dass jene Rechte schon beim Tragen eines T-Shirts als Meinungsäußerung zum Ausschluß führen hatte er nicht mehr viel zu sagen.

Die Urteilsverkündung zu Bolzaneto sollte am am 22. Juli stattfinden. Wegen Berlusconis neuem Gesetzespaket, das diese Woche vom Staatspräsident unterzeichnet werden soll und die Urteilsverkündung womöglich wegen einer Teil-Amnestie annulliert hätte, haben die AnwältInnen das Verfahren beschleunigt und auf ihr Schlußplädoyer verzichtet. Trotzdem sind viele AktivistInnen und NebenklägerInnen aus europäischen Ländern angereist, darunter aus Schweden, Frankreich, Spanien, Großbritannien und Deutschland.

Die Gedenkdemonstration für Carlo war kleiner als in den vorangegangenen Jahren, als Gruppen aus anderen italienischen Städten mit Bussen anreisten. Der Stimmung tat das keinen Abbruch. Auf der Piazza Alimonda wurden etliche Redebeiträge gehalten und auch auf die Kampagne gegen die Ankündigung Berlusconis, Roma-Kindern auf der Straße Fingerabdrücke abzunehmen, aufmerksam gemacht. Am Ende wurde von Valérie Vie der offene Brief der NebenklägerInnen an die Bürgermeisterin verlesen. Valérie Vie aus Frankreich war 2001 die einzige Aktivistin der es gelang, den Zaun zur „Roten Zone“ zu überklettern. Dafür wurde sie bereits 2004 zu einer fünfmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Sie legte Berufung ein, worauf das Urteil im Mai diesen Jahres bestätigt wurde, nun ohne Bewährung. Auch hiergegen prozessiert sie weiter in der letzten Instanz, dem italienischen Kassationsgericht.

Der offene Brief endet mit der Formulierung: „Für uns kann Genua keine „Stadt der Rechte“ sein, wenn der Wert von Schaufensterscheiben und Autos höher angesetzt wird als jener von Menschenleben“.

Bis Dienstag finden weitere Veranstaltungen und Treffen statt, darunter eine Ausstellung im Palazzo Ducale, Videoscreenings und eine Konferenz zur Entwicklung der Repression gegen Protestbewegungen in Europa seit dem G8 2001.

Hier der Text des Offenen Briefes an die Bürgermeisterin; Übersetzung und weitere Berichte folgen in Kürze:

Lettera alla sindaco di Genova: siamo tutti testimoni della violenza e non vittime

Siamo qui perché la Sindaco e il Comune ci hanno offerto un’opportunità per raccontare la nostra storia.
Nel luglio duemilauno eravamo tra le trecentomila persone venute a Genova per protestare contro il vertice G8 con ogni possibile mezzo. Siamo stat* in strada giovedì diciannove, venerdì venti e sabato ventuno per opporre resistenza alla globalizzazione neoliberale e al dominio del profitto sulle nostre vite.
Gran parte di noi si è confrontata direttamente con la brutalità delle Forze dell’ordine. Tutti coloro che erano a Genova in quei giorni sono stati l’oggetto privilegiato delle attenzioni di Polizia e Carabinieri. Siamo stati arrestat* e picchiat* per strada; siamo stat* accusat* di tentato omicidio, detenzione di armi (tra cui armi da guerra), associazione a delinquere. Siamo stat* espuls* dal paese e a lungo siamo stat* definit* pericolos* agitatori. L’azione repressiva delle Forze di polizia si è rivolta a tutto il movimento, non solo verso alcun* di noi. Oggi veniamo ricevuti come delle vittime, ma allo stesso tempo siamo trattati da terroristi come è accaduto ad esempio con la condanna lo scorso dicembre a 25 di noi.

Come i 25, siamo tutti testimoni della violenza e non vittime. Siamo venuti qui per ricordarvi che siamo semplicemente persone impegnate politicamente contro un sistema che quotidianamente devasta e saccheggia le nostre vite.
Lei ci chiede di riconciliarci con questa città e di voltare pagina, noi dal luglio 2001 non abbiamo mai voluto voltare pagina.
In questi 7 anni ci siamo incontrati, sostenuti, tenuti in contatto, informati, voluti bene, rivisti all’estero e a Genova. Niente della nostra storia comune merita di essere una pagina voltata. Lei, Signora Sindaco, ha forse qualche pagina che vorrebbe voltare, ma noi pensiamo che il nostro avvenire si costruisca onorando e assumendo il nostro passato comune, e non falsificandolo e occultandolo.

Dalle istituzioni non vogliamo scuse, vogliamo risposte politiche. Finora non ne abbiamo ricevute. L’intero sistema politico italiano ha una grande responsabilità per quanto è avvenuto in quei giorni e ha il dovere di trarne conclusioni politiche.
Per noi Genova non può essere una città dei diritti finché i responsabili delle violenze e delle torture del G8 continueranno ad occupare posizioni di comando ed ad essere promossi.

Per noi Genova non può essere una città dei diritti, fino a quando il valore delle vetrine e delle auto sarà superiore al valore delle vite umane.

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G8-Urteile in Genua: "Suspendierung des Rechtsstaates"

Drei Jahre dauerte der Prozess gegen 45 Polizisten, Vollzugsbeamte und Mediziner, die mehr als 90 Demonstranten beim G8-Gipfel im Juli 2001 in Genua misshandelt haben sollen. Diese Woche wurden die Urteile gefällt - und sorgen am Jahrestag des Gipfels für Enttäuschung und Proteste.
Drei Jahre lang hat Jens H. darauf gewartet. In dieser Woche war es endlich soweit. In Genua wurden die Urteile gegen 45 Angehörige der Polizei sowie Vollzugsbeamte und medizinisches Personal des Bolzaneto-Gefängnisses gesprochen. Während des G8-Gipfels in der norditalienischen Hafenstadt im Jahr 2001 haben sie verhaftete Demonstranten brutal verprügelt, mit dem Tod bedroht, sexuell gedemütigt und teilweise verlangt, dass sie bis zu 18 Stunden unter Mussolini-Bildern stehen und faschistische Parolen aufsagen.

Eine körperliche und psychische Grenzerfahrung, sagt Jens H., der fast 30 Stunden in der umfunktionierten Polizeikaserne zubrachte. Zusammen mit anderen Betroffenen und Nebenklägern im Prozess hat er geglaubt, dass irgendwann Recht gesprochen wird. Ein Irrtum, wie der 34-jährige Berliner Politikwissenschaftler inzwischen meint. 30 Angeklagte wurden "aus Mangel an Beweisen" freigesprochen. Nur 15, darunter fünf Mediziner, wurden verurteilt. Die höchste Strafe erhielt mit fünf Jahren und acht Monaten der Sicherheitschef des Gefängnisses, Antonio Biagio Gugliotta. Der für seine Brutalität heftig kritisierte Gefängnisarzt Giacomo Toccafondi erhielt ein Jahr und zwei Monate Haft.

Urteil hat bestenfalls Symbolcharakter
Doch die Verurteilten müssen sich keine Sorgen machen. Einer 2006 ausgesprochenen Amnestie haben sie es zu verdanken, dass Haftstrafen unter drei Jahren nicht verbüßt werden müssen. Alle anderen Delikte, von der Körperverletzung bis zum Amtsmissbrauch, verjähren im Januar 2009. Da alle Angeklagten Berufung eingelegt haben und im italienischen Recht die Verjährungsfrist dadurch nicht aufgehoben wird, hat das jetzt gesprochene Urteil im Bolzaneto-Verfahren bestenfalls symbolischen Charakter.
"Das Gericht hat zwar anerkannt, dass unsere Vorwürfe berechtigt sind und uns deshalb Entschädigungszahlungen bis zu 15.000 Euro zugesprochen", sagt Jens H. Doch politisch sei der Prozess mit einem eindeutigen Signal beendet worden: "Die italienische Polizei kann sich darauf verlassen, dass die Regierung sie im Ernstfall nicht hängen lässt." Alle Angeklagten seien nach wie vor in Amt und Würden. Filippo Guiglia von der Anwaltsvereinigung Genova Legal Forum (GLF) meint dazu: "Das Gericht hat eine Menge Vorwürfe unter den Tisch fallen lassen. In einem Strafprozess unter weniger politischen Vorzeichen wären die Strafen höher gewesen." Nebenklage-Anwältin Laura Tartarini erklärt: Eine Gesellschaft, in der Repräsentanten des Staates weniger Verantwortung tragen als Demonstranten, ist eine hässliche Gesellschaft."

"Vorgehen im Stil von Militärdiktaturen"
Ein demokratischer Albtraum, der für Jens H. auf den Tag genau vor sieben Jahren beginnt. Nach anfangs friedlichen Protesten gegen den G8-Gipfel eskaliert die Situation in der Stadt. Schaufensterscheiben werden von Angehörigen des sogenannten Schwarzen Blocks eingeworfen, 83 Autos in Brand gesetzt, 41 Geschäfte geplündert. Zunächst schaut die Polizei tatenlos zu. Dann setzt sie Wasserwerfer, Schlagstöcke und Gummigeschosse ein. Es gibt 219 Festnahmen und 516 Verletzte auf beiden Seiten. Während einer Demonstration am 20. Juli auf der Piazza Alimonda wird der 23-jährige Italiener Carlo Giuliani von einem Polizisten erschossen. In Notwehr, wie es später beim Urteil zum Freispruch heißt.

Am 21. Juli 2001 ist das Weltwirtschaftstreffen vorbei, der Schock über die Ereignisse sitzt auch bei Jens H., der als freier Journalist über den Gipfel berichtet, tief. Er will am Abend noch einmal im unabhängigen Medienzentrum vorbeischauen, es ist die Gelegenheit, ins Internet zu kommen, Mails zu checken und Texte zu verschicken. Doch er bleibt nicht lange. Er ist müde und legt sich zu den Demonstranten, die gegenüber in der Diaz-Schule ihre Schlafplätze haben. Es ist kurz nach 22 Uhr. Die meisten schlafen schon, als plötzlich beginnt, was der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele als ein "Vorgehen im Stil von Militärdiktaturen" und "vorsätzlichen Verstoß gegen Menschenrechte" bezeichnet.

Hitlergruß und Schläge
Ein Polizeikontingent, das von Beamten der politischen Polizei DIGOS angeführt wird, stürmt das Gebäude. Die Männer schlagen auf alles und jeden ein. Am Ende werden 93 Menschen festgenommen. 62 von ihnen sind so schwer verletzt, dass sie in der Notaufnahme des städtischen Krankenhauses behandelt werden müssen. Drei Verletzte schweben in Lebensgefahr. 28 Demonstranten müssen stationär aufgenommen werden. Einer 20-jährigen Deutschen sind alle oberen Zähne ausgeschlagen worden, ein britischer Journalist fällt nach schweren Lungenverletzungen ins Koma, einer 62-jährigen Deutschen hat ein Polizeiknüppel den Arm zerschlagen. Einem Spanier wurde ein Bein gebrochen. Jens hat eine stark blutende Kopfwunde, mit der er zunächst in ein Krankenhaus und am frühen Sonntagmorgen ins Bolzaneto-Gefängnis kommt.
"Dort mussten wir gebückt durch ein Spalier von Polizisten laufen, die uns bespuckten und mit ihren Schlagstöcken auf uns eindroschen. Dabei zeigten die Beamten den Hitlergruß. Es war einfach irre", sagt Jens. "Und es war erst der Anfang." Mehr als 30 Stunden seien er und alle anderen immer wieder verprügelt worden. "Es gab nichts zu trinken, wir waren völlig übermüdet, viele hatten Angst, manche haben geweint." Jens ist wegen der unzähligen Schläge und Tritte am ganzen Körper geschwollen. Als er zu einem Arzt gebracht wird, hofft er auf Hilfe. "Ich war mit meiner frisch genähten Kopfverletzung in das Gefängnis gekommen. Doch statt sich bei der Untersuchung um die Wunde zu kümmern, hat Giacomo Toccafondi mich exakt auf diese Stelle geschlagen. Dann hat er verlangt, dass ich mich nackt ausziehe und mich vor dem medizinischen Personal in perverser Weise sexuell erniedrigt."

Jens H. muss danach zurück zu den anderen und wie sie stundenlang geduckt an einer Wand stehen. "Wer hinfiel, wurde wieder verprügelt. Der Wunsch, einen Anwalt sprechen zu wollen oder mit Angehörigen zu telefonieren, wurde ebenso mit Schlägen quittiert, wie die Weigerung irgendwelche Papiere zu unterschreiben, die in italienischer Sprache abgefasst waren. Irgendwann war ich so fertig, dass ich schon Halluzinationen hatte. Ich hab immer nur gedacht, ich muss durchhalten. Es muss doch mal Hilfe kommen."

Polizeiexzess in Mitteleuropa
Tatsächlich ist die Öffentlichkeit nach den nächtlichen Ereignissen in der Diaz-Schule aufgeschreckt. In allen Zeitungen und Fernsehsendern wird darüber berichtet. Christian Ströbele fährt nach Genua und handelt sich dafür harsche Kritik vom bayerischen Innenminister Kurt Beckstein (CSU) ein. Schließlich hat die Polizei gegen alle Festgenommenen aus der Diaz-Schule Anzeige wegen "Waffenbesitz, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung 'Schwarzer Block' " erhoben.
"Ich erinnere mich, dass ich zwei Tage nach dem Überfall auf die Diaz-Schule bei den Leuten im Krankenhaus und in den verschiedenen Gefängnissen war. Es war einfach unvorstellbar für mich, was ich dort erfuhr. Ich habe nicht für möglich gehalten, dass es solche Polizeiexzesse in Mitteleuropa gibt." Der zuständige italienische Innenminister Claudio Scajola muss sich Fragen nach der Berechtigung des Einsatzes und dem Umgang mit den Demonstranten gefallen lassen.
Im Fernsehen tauchen die ersten schockierenden Bilder des Infernos in der Diaz-Schule auf. Die Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigen, dass die Polizisten auf eine Gruppe einprügelte, die völlig überrumpelt und wehrlos war. Im offiziellen Untersuchungsbericht der Ermittlungsrichterin Anna Ivaldi werden später auch Polizisten selbst dies Tatsache bestätigen. Jens H. wird 2007, wie auch die anderen Festgenommenen aus der Diaz-Schule, durch ein italienisches Gericht von allen Vorwürfen freigesprochen.

"Suspendierung des Rechtsstaates"
Bilder vom Bolzaneto-Gefängnis gibt es am Montag nach dem Überfall noch nicht. Kaum einer ahnt, was sich hinter den Mauern der Polizeikaserne und den beiden anderen Gefängnissen abspielt, in denen Demonstranten inhaftiert sind. Die deutsche Botschaft schickt am Mittwoch einen Konsulatsbeamten, der jedoch wenig ausrichten kann. Als ab Mittwoch, den 25. Juli, die ersten Berichte über die Zustände im Bolzaneto-Gefängnis bekannt werden, spricht Amnesty International von einer "Suspendierung des Rechtsstaates".
In Berlin äußert Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) Besorgnis über die rüde Praxis der Polizei. Auch Großbritannien, Österreich und Spanien bitten um Aufklärung über die Vorfälle in Genua. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hingegen betont, dass er volles Vertrauen in die italienische Justiz habe. "Für uns ist Italien eine stabile Demokratie, die alleine im Stande ist, die Probleme zu lösen."

Auch Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi erklärt schließlich sechs Tage später zu den Vorwürfen gegen die Polizei: "Sollte bei den Ermittlungen Missbrauch und Gewalt festgestellt werden, dann wird kein Gesetzesbrecher gedeckt werden. In einer hitzigen Parlamentsdebatte verkündet er: "Was die Regierung betrifft, so werden wir nichts vertuschen."

"Wir sind keine Opfer"
Am 26. Juli werden 32 freigelassene Deutsche mit einem Bus über den österreichischen Grenzübergang Brenner aus Italien abgeschoben. Jens H. ist dabei. Er braucht Monate, ehe er das Erlebte verarbeiten kann und meint rückblickend: "Wahrscheinlich habe ich das alles nur überstanden, weil ich mich, wie die anderen auch, nicht als Opfer gesehen habe. Ich habe immer wieder versucht, Erklärungen für das Ganze zu finden und ich bin sicher, dass die Polizisten nur deshalb so ausgerastet sind, weil sie uns 300.000 Demonstranten, auch die, die völlig friedlich protestiert haben, als Bedrohung ihrer Macht sahen. Die haben einfach gemerkt, dass wir uns von ihnen nicht einschüchtern lassen." Der Überfall auf die Diaz-Schule und die Ausschreitungen in den Gefängnissen seien schließlich eine Art Rache dafür gewesen, glauben auch die Anwälte im Bolzaneto-Prozess.

Im Oktober soll voraussichtlich das Urteil im zweiten, sogenannten Diaz-Prozess gefällt werden. Angeklagt sind 29 meist hochrangige Angehörige der Polizei und Carabinieri, die für die Prügelorgie in der Diaz-Schule verantwortlich sein sollen. Ihnen wird unter anderem Misshandlung und Fälschung von Beweismitteln vorgeworfen. Noch ist unklar, wie das Verfahren ausgeht und ob das neue Sicherheitsgesetz Berlusconis, das in Italien als "Gesetz zum Schutze des Ministerpräsidenten" betitelt wird, die Urteilsverkündung möglicherweise verhindern kann. Weil gegen ihn wegen Korruption ermittelt wird, fordert der Regierungschef nun die Aussetzung aller Verfahren mit einem erwarteten Strafmaß unter drei Jahren, die vor Mitte 2002 begangen wurden.
Jens H. glaubt nach dem Bolzaneto-Urteil nicht daran, dass es im Diaz-Verfahren eine gerechtere Entscheidung in Italien geben wird. Er hofft stattdessen auf einen Prozess am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die Genueser Staatsanwältin Patrizia Petruziello hatte vor wenigen Tagen erklärt, dass vier von fünf in der Diaz-Schule Festgenommenen nach den Kriterien des Europäischen Gerichtshofes eine "unmenschliche und unwürdige Behandlung" erlitten hätten. Jetzt prüfen die Anwälte eine mögliche Klage gegen die Polizei bei den Richtern in Straßburg.

Source: http://www.stern.de/politik/panorama/:G8-Urteile-Genua-Suspendierung-Rechtsstaates/631695.html

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Berlusconi plant G-8-Gipfel auf Luxusliner

Als Student spielte er Klavier an Bord von Luxuslinern – die Vorliebe für Schiffe hat Berlusconi immer noch: Er will den G-8-Gipfel auf einem Schiff.
Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi, der den nächsten Gipfel der Gruppe der Acht als künftiger G-8-Vorsitzender ausrichtet, sorgt für Aufsehen. Der Ministerpräsident will das jährliche Treffen der führenden Industrieländer zwischen Ende Juni und Anfang Juli 2009 an Bord eines Kreuzfahrtschiffes organisieren, berichtete die römische Tageszeitung “Il Messaggero” am Montag. Das Schiff soll von der Insel La Maddalena vor Sardinien ablegen – hier war ursprünglich das Treffen geplant – und nach Neapel fahren.
“Wir werden den Großen der Welt ein neues Bild von Neapel und Italien zeigen. Wir werden Italien eine tolle Werbung machen”, sagte Berlusconi, der vergangene Woche das Ende der akuten Müllkrise in der Vesuv-Stadt angekündigt hat.

Vorliebe für Kreuzfahrten
Berlusconi hatte bereits den G-8-Gipfel in Genua im Juli 2001 an Bord eines Schiffes organisiert. Damals hatte das Schiff jedoch den Hafen der ligurischen Stadt nicht verlassen. Der italienische Premierminister hat eine Vorliebe für Kreuzfahrten. Seine erfolgreiche Karriere als Unternehmer begann er als Student, als er an Bord von Kreuzfahrtschiffen Klavier spielte.
Vertrauensabstimmung gewonnen
Zum zweiten Mal binnen einer Woche hat die italienische Regierung eine Vertrauensabstimmung gewonnen. Die Regierungskoalition gewann am Montagabend in der Abgeordnetenkammer die Vertrauensabstimmung mit 323 zu 253 Stimmen. Die Vertrauensfrage wurde gestellt, um die zahlreichen Abänderungsanträge zu umgehen, die die Opposition gegen das Maßnahmenpaket eingereicht hat.
Besonders umstritten waren die von der Regierung geplanten Einsparungen im Wert von 400 Millionen Euro in der öffentlichen Verwaltung in den nächsten drei Jahren. Die Gewerkschaften drohten mit einer Streikwelle im September, sollte die Regierung die Einsparungen durchbringen. Bis 2011 will die Einsparungen in Höhe von insgesamt 34,8 Milliarden Euro durchsetzen. Allein das Haushaltsgesetz 2009 wird Maßnahmen und Einsparungen in Höhe von 13 Milliarden Euro enthalten. Milliarde Euro betragen.

Erst am vergangenen Dienstag hatte Berlusconi in der Abgeordnetenkammer die Vertrauensabstimmung über das sogenannte “Sicherheitspaket” zur Bekämpfung der Kriminalität und der illegalen Immigration gewonnen. Mit dem “Sicherheitspaket” soll illegales Einreisen nach Italien künftig mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden können. Das Paket erleichtert außerdem die Abschiebung straffällig gewordener Ausländer und führt eine Datenbank mit DNA-Informationen von Verbrechern ein.

Source: http://www.oe24.at/zeitung/welt/weltpolitik/article335025.ece