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2007-12-08

8.12.2007 Heiligendamm

- Buch: Gewaltbereite Politik und der G8-Gipfel

- Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein | Legal Team: Feindbild Demonstrant

- Mehrsäulencamp zum Zweiten...

- Linksfraktion strebt Untersuchungsausschuss zu G8 an

- Der G8-Gipfel und die Justiz - Bilanz ein halbes Jahr danach

- G8-Camp mit Nachwehen

- Polizeigewerkschaft: Impressionen zum G8 Gipfel 2007

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Buch: Gewaltbereite Politik und der G8-Gipfel

Demonstrationsbeobachtungen vom 2. – 8. Juni 2007 rund um Heiligendamm

In Heiligendamm an der Ostsee trafen sich im Juni 2007 acht Politiker und Politikerinnen in einer weiträumig abgesperrten und eingezäunten Hotelburg. Gegen die Politik dieser Repräsentanten der reichen und mächtigen Staaten protestierten zehntausende Bürger und Bürgerinnen vom 2. bis 8. Juni 2007. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie schildert seine Erfahrungen aus den Demonstrationsbeobachtungen auf der Grundlage der Vorgeschichte. Sicherheit galt ausschließlich dem Gipfel, „terroristische“ Gefahren wurden imaginiert und konstruiert. Die Bürger und Bürgerinnen wurden zu verdächtigen Personen. Sie wurden nur noch als Sicherheitsrisiko wahrgenommen. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, eines der zentralen Grundrechte im repräsentativen Absolutismus, wurde bis zur Unkenntlichkeit eingeschränkt. In einer Chronologie des demonstrativen Geschehens wird die Geschichte der Protesttage erzählt: Von den Auseinandersetzungen am Rande der Großdemonstration am Samstag in Rostock bis zu den Blockaden am Zaun rund um Heiligendamm während des G8-Gipfels.

ISBN 978-3-88906-125-6; 192 Seiten, 10 Euro

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Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein | Legal Team: Feindbild Demonstrant

Polizeigewalt, Militäreinsatz, Medienmanipulation. Der G8-Gipfel aus Sicht des Anwaltlichen Notdienstes

Zum Buch: G8-Gipfel 2007: Vom »größten Polizeieinsatz aller Zeiten in Deutschland« ist die Rede. Der Bau eines 13 Kilometer langen Zauns verwandelte den Tagungsort Heiligendamm in eine Hochsicherheitszone. Vor und während der Proteste gegen das Gipfeltreffen zeigte sich ein modernisierter präventiver Sicherheitsstaat: mit Razzien und Kriminalisierung der GipfelkritikerInnen, gezielter Desinformationspolitik, gravierenden Einschränkungen des Demonstrationsrechts, Entfesselung des Polizeiapparats, Beschneidung der Rechte von Inhaftierten sowie dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren.

Um die Rechte der Protestbewegung zu verteidigen, waren über hundert RechtsanwältInnen aus ganz Europa vor Ort aktiv. Gemeinsam mit den Ermittlungsausschüssen organisierten sie sich unter dem Dach des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) als Legal Team/Anwaltlicher Notdienst.

»Für seine herausragenden Verdienste um das Anwaltskonsultationsrecht und um die Durchführung eines anwaltlichen Notdienstes« erhielt das Legal Team im November den Preis »pro reo« der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltsvereins. Die Internationale Liga für Menschenrechte zeichnete seine Arbeit mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille aus und würdigte »damit eine Gruppe, deren Mitglieder im Kampf für die Verteidigung der Bürger- und Menschenrechte während der Proteste gegen den G8-Gipfel in und um Heiligendamm Vorbildliches geleistet haben«.

In diesem Buch zieht der Anwaltliche Notdienst nun eine erste Bilanz der Gipfeltage und ihrer rechtlichen Konsequenzen.

Inhaltsverzeichnis: Wolfgang Kaleck: Vorwort

Peer Stolle: Legal Team at Work. Zur Geschichte des Anwaltlichen Notdienstes

Anne Maesschalk/Jean-Philippe de Wind: Die europäische Dimension. Erfahrungen des Legal Team Europa in Heiligendamm

Martin Beck: Aktion Wasserschlag. Razzien und Durchsuchungen im Vorfeld des Gipfels

Karen Ullmann: Das Ampelsystem. Polizeiliche Gefahrenprognosen während des G8-Gipfels

Ulrike Donat: Sondereinheit für das Spezielle. Zur Rolle der Besonderen Aufbauorganisation Kavala

Carsten Gericke: Von Brokdorf nach Heiligendamm. Das Bundesverfassungsgericht und die Versammlungsverbote und -beschränkungen beim G8-Gipfel 2007

Elke Steven: Demonstrationen trotz polizeilicher Eingriffe. Beobachtungen des Komitees für Grundrechte und Demokratie

Alain Mundt: »Gewaltsam, ziellos, einschüchternd«. Die polizeilichen Festnahmeeinheiten bei den G8-Protesten

Ronald Reimann: »… ist Ihnen das Betreten der Sicherheitszonen untersagt«. Polizeiliche Behinderung durch Platzverweise und Aufenthaltsverbote

Ulrike Donat: Die Verweigerung des Rechtsschutzes für protestierende BürgerInnen. Ein Angriff auf Freiheit, Rechtsstaat und Gewaltenteilung

Britta Eder: Die Käfige von Rostock. Menschenunwürdige Unterbringung mit System

Axel Hoffmann/Heike Kleffner: Mit allen Mitteln. Von verdeckten Ermittlern und V-Männern

Michael Backmund/Ulrike Donat/Karen Ullmann: Feindbild Demonstrant. Polizeiliche Desinformationspolitik in Heiligendamm

Silke Studzinsky: Vor allem ein mediales Ereignis. Schnellverfahren mitten im Gipfel

Markus Euskirchen: Bundeswehreinsatz im Inneren. Besichtigung im Hinterland des globalen zivilen Krieges

Gabriele Heinecke: Gegen Demokraten helfen nur Soldaten. Die Verpolizeilichung des Militärischen

Heiner Busch/Sönke Hilbrans: Endprodukt Eventsicherheit. Zero Tolerance als symbolische Machtinszenierung

Peer Stolle/Tobias Singelnstein: Heiligendammer Verdichtungen. Der präventive Sicherheitsstaat nimmt Gestalt an

Erfahrungen mit der Staatsmacht Sechs Gedächtnisprotokolle

Fels in der Brandung. Interview mit zwei Bewegungs-AktivistInnen über den Außenblick auf die Arbeit des Anwaltlichen Notdienstes

ISBN 978-3-935936-68-2 | 176 Seiten | erschienen Dezember 2007 | 10.00 € / 19.00 sF

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Mehrsäulencamp zum Zweiten...

Unter der etwas sperrigen Überschrift „Wie weiter nach Heiligendamm: Klima- oder ‚Mehrsäulen’-Camp?!?“ hatten wir bereits Ende Oktober ein Diskussionspapier über diverse (G8-)Mailinglisten verbreitet, in dem wir uns kritisch-solidarisch mit der inzwischen immer konkreter verhandelten Idee eines Klimacamps im Sommer 2008 auseinandersetzen (vgl. http://wiki.klimacamp.org/index.php/Strategiepapiere). Unsere Überlegungen kreisten im Kern um zweierlei: Zum einen machten wir uns dafür stark, dass aktuelle politische Projekte wie z.B. das Klimacamp stets auch im Hinblick auf die in der G8-Mobilisierung gesammelten (Bündnis-) Erfahrungen angegangen werden sollten – zumindest im Jahr I nach Heiligendamm. Zum anderen verknüpften wir das mit der Schlussfolgerung, dass es eine Art partikularistischer Rückfall wäre, würde im nächsten Sommer ein vorrangig auf die Klima- (oder irgendeine andere) Problematik beschränktes Camp über die Bühne gehen. Stattdessen brachten wir den Vorschlag eines so genannten Mehrsäulencamps ins Spiel. Darunter verstehen wir – im Anschluss an die viel zitierte „Gesamtchoreografie des Widerstands“ in Heiligendamm – ein Camp mit mehreren Themenschwerpunkten (d.h. Säulen), die zwar politisch und thematisch eng aufeinander bezogenen sind, ohne jedoch in einem wie auch immer gearteten Hierarchieverhältnis zu stehen. Unsere Anmerkungen haben – so scheint es – ein durchaus lebhaftes Echo hervorgerufen, was uns natürlich freut. Und doch: Die konkrete Zustimmung ist eher bescheiden ausgefallen. Das ist der Grund, weshalb wir uns einmal mehr zu Wort melden möchten – einfach deshalb, weil uns an der Sache sehr gelegen ist.

Beginnen möchten wir mit Stimmen & Stimmungen, die uns bei Leuten begegnet sind, welche mit der Vorbereitung des Klimacamps nichts am Hut haben. Hierzu zählen unter anderem AktivistInnen aus der antirassistischen Ecke, wo ja ebenfalls über eine größere (Camp-)Zusammenkunft im kommenden Jahr nachgedacht wird – womöglich samt Flughafenblockade wie 2001 beim 4. Antirassistischen Grenzcamp in Frankfurt (da die Initiative im Kern von Hamburger Gruppen ausgeht, dürfte Hamburg + X auch Ort des Geschehens werden) . Insbesondere zwei Tendenzen sind uns bei unseren Erkundungen ins Auge gefallen: Einerseits hat niemand – was uns keinesfalls erstaunt – dem Vorschlag eines Mehrsäulencamps explizit widersprochen. Anderseits sind Vorbehalte gegenüber der ‚Ökologiefrage’ mehr als deutlich zu Tage getreten, so wie sich auch die (politische) Lust auf intensive Bündnis- und Koordinierungsprozesse als reichlich begrenzt entpuppt hat.

Was den politische Unwillen anbelangt, sich ernsthaft mit der Klimaproblematik auseinanderzusetzen, sind wir zwiegespalten: Auf der einen Seite behagt uns der apokalyptische Zungenschlag ebenfalls nicht, mit dem just diese Frage regelmäßig aufgemacht wird. Und zwar nicht nur, weil Endzeitstimmungen noch nie geeignete Wegweiser im politischen Alltag gewesen sind, sondern auch deshalb, weil dies von vielen Menschen als moralinsaure Zumutung, ja Erpressung empfunden wird. Und dennoch: Die Zerstörung ökologischer Ressourcen – nicht zuletzt durch fossilistische Energieproduktion – hat dramatische Ausmaße erreicht, das kann schlechterdings bestritten werden. Einer Linken auf der Höhe der Zeit bleibt insofern nichts anderes, als einen angemessenen Umgang mit den entsprechenden Herausforderungen zu finden, auch dort, wo die Ökologiefrage (erklärtermaßen) unbequem zu werden droht.

Ungleich problematischer erscheint uns jedoch die mehr oder weniger offen(siv) artikulierte Nicht-Bereitschaft zu bewegungs- und spektrenübergreifenden Bündnisprozessen. Denn so sehr themenspezifische Spezialisierungen (im Sinne von Arbeitsteilung) unumgänglich sind, so wenig sollte die schwerpunktmäßige Beschäftigung mit einem Themenfeld unter selbstgenügsamen, d.h. partikularistischen Vorzeichen erfolgen – das ist unseres Erachtens eine der zentralen Fortschritte in der gemeinsamen G8-Mobilisierung gewesen. Einerseits weil die Dinge in der ‚Wirklichkeit’ immer schon eng verzahnt sind, ein Sachverhalt, der sich auch auf der Seite des Protests bemerkbar machen sollte – unter anderem deshalb, um vermeintlichen oder tatsächlichen Widersprüchen frühzeitig das Wasser abgraben zu können: Zum Beispiel ist einem IG-Metall-Gewerkschafter in Deutschland die gedeihliche Entwicklung der Automobilindustrie fast zwangsläufig ein grundlegendes Anliegen (und zwar aus durchaus nachvollziehbaren Gründen), umgekehrt sollte der Individualverkehr aus klimapolitischer Sicht massiv eingeschränkt werden, zumal private PKW-Nutzung mittlerweile nicht mehr nur ein Privileg der reichen Industrieländer ist. Andererseits ist Partikularismus auch deshalb eine Sackgasse (und ist es immer schon gewesen), weil eine nur auf sich selbst beschränkte Teilbereichsbewegung schlicht und einfach nicht im Stande ist, gesamtgesellschaftliche Kräfteverhältnisse zu verschieben – noch nicht einmal auf ‚ihrem’ ureigensten Feld. Oder konkreter: Dass Heiligendamm derart beflügelnd gewesen ist – mit beträchtlichen Rückkoppelungseffekten mindestens unter den AktivistInnen selbst – dürfte nicht zuletzt damit zu tun gehabt haben (um nur zwei Beispiele zu nennen), dass wir am 3. Juni mit 5000 Menschen gegen den Wahnsinn in der globalen Landwirtschaft demonstriert haben und nicht mit 100 wie am 17. April in Berlin (anlässlich des weltweiten Aktionstags von via campesina) oder dass am 4. Juni 8.000 Menschen zur Demo „für globale Bewegungsfreiheit“ und „gleiche Rechte für alle“ gekommen sind und nicht wie sonst bei antirassistischen Aktionen 200-300.

Just an diese (symbolischen) Erfolge gilt es anzuknüpfen, jedenfalls wäre es aus unserer Sicht ausgesprochen enttäuschend, im Sommer 2008 mit 1000 Menschen vor der Baustelle eines Kohlekraftwerks zu sitzen oder mit 500 Leuten über einen riesigen Flughafen zu irren. Denn in beiden Fällen würden keine effektiven Blockaden a lá Heiligendamm zustandekommen, was allerdings Voraussetzung dafür ist, das Thema nicht nur in den überregionalen Medien, sondern auch in der linken Öffentlichkeit zu platzieren – letzteres auch mit wichtigen Impulsen für die häufig vergeblich anmutende Arbeit auf lokaler Ebene.

Wir möchten nunmehr zur Diskussion innerhalb der Klimacamp-Vorbereitung kommen, soweit wir sie live, in Einzelgesprächen und über die Mailingliste mitbekommen haben. Denn auch hier scheint unser Vorschlag eher auf gedämpfte Zustimmung gestoßen zu sein. Dies kommt nicht nur in zahlreichen Beiträgen auf der Mailingliste („Ich will ein Klimacamp, sonst nix“), sondern auch in der aktuellen Einladung zum zweiten Klimacamp-Vorbereitungstreffen unmissverständlich zum Ausdruck: Dort heißt es zwar, dass „kein single-issue-camp“ erwünscht sei, vielmehr solle es ein „gleichberechtigstes Miteinander der verschiedenen Bewegungen geben.“ Umgekehrt wird jedoch auch betont, und zwar gleich zu Beginn: „Klima ist die inhaltliche Klammer des Camps“, Ziel sei es, „durch Workshops und Aktionen zu verschiedenen Kämpfen deren Verbindung zum Thema Klima aufzuzeigen.“

In unseren Augen stellt dies eine bestenfalls halbherzige Offenheit dar, denn bei weitem nicht alle Kämpfe lassen sich gleichermaßen mit der ökologischen Frage kurzschließen. Keine Probleme dürfte es etwa mit Themenfeldern wie „globale Landwirtschaft“, „Atomwirtschaft“ oder „Ressourcen-Kriege“ geben, liegen doch hier die Verbindungslinien klar auf der Hand. Anders verhält es sich bereits mit der „sozialen Frage“: Es wäre zwar ohne große Mühe aufzeigbar, (um ein x-beliebiges Beispiel rauszupicken), inwieweit die so genannte Lissabon-Strategie der EU, wonach die EU bis 2010 zur wettbewerbsfähigsten Region der Welt ausgebaut werden soll, nicht nur ein Arbeitsplatzzerstörungsprogramm ist, sondern auch ökologische Standards massiv in Bedrängnis bringt. Allein: Das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn die Kämpfe von Erwerbslosen leiten sich in aller Regel nicht von allgemeinen Überlegungen ab, sie setzen vielmehr an konkreten Problemen an, etwa bei 1-Euro-Jobs oder Zwangsumzügen. Ähliches gilt auch für die Kämpfe von Flüchtlingen und MigrantInnen: So sehr der Klimawandel mit desaströsen Konsequenzen insbesondere in den armen Ländern des Globus einhergeht (und deswegen viel mit Landflucht und Migration zu tun hat), Flüchtlinge und MigrantInnen in Europa kämpfen dennoch in erster Linie gegen Abschiebungen und rassistische Entrechtungen. Mit anderen Worten: Es genügt keineswegs, einfach nur analytisch herauszuarbeiten, dass alles mit allem zusammenhängt, es gilt vielmehr auch, die Eigenlogiken sozialer Kämpfe zur Kenntnis zu nehmen! Letzteres trifft natürlich auch auf all jene Auseinandersetzungen zu, die nur mit argumentativer Akrobatik ökologisch ‚gerahmt’ werden können. Exemplarisch sei die zur Zeit allenthalben intensiv verhandelte Frage von „Sicherheit, Kontrolle & Überwachung“ erwähnt – samt „Luxussanierung innerstädtischer Bezirke“. Pikant ist letzteres im übrigen auch deshalb, weil das nächste Klimacampvorbereitungstreffen am gleichen Wochenende stattfinden wird wie die große „Out of control“-Demo in Hamburg (14.-16.12.)...

Spätestens vor diesem Hintergrund dürfte nachvollziehbar werden, weshalb wir uns einmal mehr für ein wirkliches, d.h. ein unverkürztes Mehrsäulencamp aussprechen möchten. Ein solches Projekt würde nämlich – darauf sind wir bereits in unserem ersten Diskussionspapier eingegangen – sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht eine sehr viel größere Dynamik entfalten als jedes nur erdenkliche single-issue-Projekt. Und das mit nicht unerheblichen Konsequenzen: Denn selbst wenn sich mehrere Teilbereichsbewegungen 10 Tage lang die öffentliche und interne Bühne teilen müssten, dürfte unter’m Strich jede einzelne von ihnen (also auch die derzeit nicht nur in Deutschland aus dem Boden sprießende „Social change, not Climate Change“-Bewegung) ungleich stärker von einem Mehrsäulen- denn einem reinen Klimacamp profitieren.

Wie aber könnte es weitergehen? Bekanntlich finden vom 17.-20.01.2008 in Berlin die so genannten Perspektiven-Tage statt (www.perspektiventage.de). Im Mittelpunkt wird die Frage stehen, wie es mit dem Heiligendammprozess inhaltlich und organisatorisch weitergehen soll – dementsprechend sind alle an den G8-Protesten beteiligten Gruppen, Spektren und AktivistInnen eingeladen, sich aktiv in die Perspektiventage einzuklinken. Für das Klimacamp könnte dies also eine äußerst günstige Gelegenheit darstellen (so denn gewollt), seine politische und soziale Basis im Sinne der Mehrsäuligkeit auszubauen. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch, dass sich vom 04.-06.01. das „Aktionsnetzwerk globale Landwirtschaft“ und vom 12.01. bundesweite antirassistische Zusammenhänge treffen werden – insofern dürfte bis zu den Perspektiventagen auch in anderen Teilbereichsbewegungen eine Selbstverständigung in Sachen ‚Mehrsäulencamp’ erfolgt sein. Wichtig ist uns indessen, dass wir mit unserer Initiative niemandem Wind aus den Segeln nehmen möchten – nichts wäre bescheuerter als das! Das ist der Grund, weshalb wir uns sehr wohl (niedrigschwellige) Kompromisse vorstellen können, beispielsweise die Organisation von zwei oder drei themenbezogene Camps am gleichen Ort und zur gleichen Zeit, inklusive eines gemeinsamen Aktionsfahrplans – so wie es ja auch während des G8-Gipfels mehrere Camps gegeben hat, von denen aus AktivistInnen zu gemeinsamen Aktionen aufgebrochen sind (wie das praktisch aussehen könnte, dazu wird kein mensch ist illegal Hanau in den nächsten Tagen noch einiges aufschreiben und ebenfalls verschicken).

Es bleibt: Leider können wir am Dezember-Treffen nicht oder allenfalls vereinzelt teilnehmen – was im übrigen auch (aber nicht nur) mit der Out of Control-Demo in Hamburg zu tun hat. Uns ist bewusst, dass dies nicht sonderlich glücklich ist, es lässt sich aber nicht ändern.

kein mensch ist illegal Hanau, NoLager Bremen, six hills, Gipfelsoli sowie x-weitere AktivistInnen von hier & dort.

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Linksfraktion strebt Untersuchungsausschuss zu G8 an

Schwerin (ddp-nrd). Die Linksfraktion im Landtag will nun doch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum G8-Gipfel beantragen. Eine Sprecherin der Fraktion bestätigte am Donnerstag einen entsprechenden Bericht von NDR 1 Radio MV.

Demnach soll der Ausschuss ein halbes Jahr nach dem Treffen der Staats- und Regierungschefs in Heiligendamm offene Fragen zum Einsatz von Polizei und Bundeswehr klären. SPD und CDU lehnen einen solchen Ausschuss ab.

Die Linke kann derzeit auch nicht auf die notwendige Unterstützung der FDP-Fraktion hoffen, um auf die erforderliche Zustimmung eines Viertels der Landtagsabgeordneten für die Einsetzung eines Ausschusses zu kommen. Wer einen Ausschuss fordere, müsse genau sagen, auf Grundlage welcher neuen Erkenntnissen dieser eingesetzt werden sollte, sagte der Fraktionschef der Liberalen, Michael Roolf. Diese Antwort bleibe die Linke schuldig.

Der sicherheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Norbert Nieszery, sieht keinen weiteren Aufklärungsbedarf. CDU-Innenexperte Wolf-Dieter Ringguth hält seinen Worten zufolge einen Ausschuss für überflüssig. Er verwies darauf, dass sich der Innenausschuss ausführlich mit dem Weltwirtschaftsgipfel befasst und einen umfangreichen Abschlussbericht vorgelegt habe. Ein Untersuchungsausschuss des Landtages könne keine rechtliche Bewertung des Bundeswehreinsatzes vornehmen, sagte er.

Ringguth warnte die Linksfraktion vor einem «dreisten Griff in die Taschen der Steuerzahler». Der Ausschuss würde keine neuen Erkenntnisse bringen, aber pro Jahr etwa eine Million Euro kosten.

Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Peter Ritter, warf seinerseits der CDU vor, Angst vor weiterer Aufklärung zu haben. Ritter wies zugleich Ringguths Vorwürfe scharf zurück. Der CDU-Abgeordnete hatte die Linksfraktion unter anderem davor gewarnt, gemeinsam mit der rechtsextremen NPD einen solchen Ausschuss durchzusetzen. Diese Unterstellung sei eine «bodenlose Frechheit». Er erwarte, dass sie von Ringguth sofort und in aller Öffentlichkeit zurückgenommen werde, sagte Ritter.

In der Kritik der Linksfraktion steht unter anderem die Zahl der Strafverfahren gegen G8-Gegner. Fragen gibt es weiter zum Einsatz der Bundeswehr-«Tornados», die über Camps der Gipfel-Kritiker flogen.

[ddp]

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Der G8-Gipfel und die Justiz - Bilanz ein halbes Jahr danach

Waserwerfer gegen Demonstranten

Ein halbes Jahr nach dem G8-Gipfel beschäftigt dieser weiter die Justiz: Ob Razzien vor dem Gipfel, Krawalle in Rostock oder Klagen gegen Polizei-Käfige – verurteilt wurden in den rund 1500 Verfahren bisher nur wenige Beschuldigte. Kritiker sehen das als Beweis für polizeiliche Willkür.

Von Fiete Stegers, tagesschau.de

Landfriedensbruch, Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Nötigung, Sachbeschädigung, Beleidigung, Brandstiftung oder Verstöße gegen das Versammlungsgesetz – die Liste der Anschuldigungen gegen G8-Gegner war lang. Aber nur in rund einem Zehntel der Verfahren, die die zuständige Staatsanwaltschaft Rostock bisher im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel einleitete, wurden die Beschuldigten am Ende verurteilt oder gegen sie ein Strafbefehl ausgesprochen. ’’Einen justiziellen Offenbarungseid erster Ordnung’’, nennen es Rostocker Globalisierungskritiker.

1474 Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft Rostock bis Mitte November gegen Demonstranten eingeleitet und die meisten davon auch bereits abgeschlossen. Gegen rund 1000 Beschuldigte wurden die Verfahren eingestellt, bevor es zu einer Anklage vor Gericht kam – in rund der Hälfte dieser Fälle deshalb, weil den Beschuldigten nichts nachgewiesen werden konnte. In den übrigen Fällen handelte es lediglich um Ordnungswidrigkeiten, oder die Staatsanwaltschaft ging nur von geringer Schuld aus.

Freigesprochen wurde beispielsweise ein 19-jähriger aus Göttingen: Der Freizeit-Rugbyspieler hatte einen Gummi-Zahnschutz bei sich getragen, weshalb er von der Polizei als potenzieller Gewalttäter mit ’’Schutzbewaffnung’’ eingestuft wurde. Ähnlich habe die Polizei in vielen Fällen gehandelt, so der Vorwurf der Hamburger Rechtsanwältin Britta Eder, die mehrere G8-Gegner vertritt und im Vorstand des Republikanischen Anwaltsvereins aktiv ist. Anklage oder Strafbefehl nur in 147 Fällen

Anklage erhoben oder ein Strafbefehl ausgesprochen wurde in 147 Fällen. Rechtskräftig verurteilt wurden bis Mitte November 44 Personen, fast alle davon zu Geldstrafen. Mehrere Angeklagte wurden wegen Steinwürfen zu mehrmonatigen Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt.

Der Rostocker Oberstaatsanwalt Peter Lückemann deutet die Zahlen anders: ’’Insgesamt übersteigt die Sanktionsquote von mehr als 30 Prozent sogar den bundesweiten Durchschnitt, so dass die verbleibende Einstellungsquote gerade nicht auf besonders viele von vornherein nicht haltbare Vorwürfe der Polizei schließen lässt.’’ In seine Quote rechnet der Jurist allerdings auch Verfahrenseinstellungen gegen Geldauflagen und -bußen mit ein. Kritiker: Polizei handelte nach Gutdünken

Während des Gipfels kam es Kritikern wie Anwältin Eder zufolge zu haltlosen Beschuldigungen und massenhaftem rechtswidrigen Verhalten der Polizei gegenüber Demonstranten: ’’Die Beamten machen erst einmal, was sie wollen, und sagen den Demonstranten: ‘Sie können ja dagegen Beschwerde einlegen.’’’ Das haben etwa 14 Globalisierungskritiker mit Unterstützung durch Eder und den Republikanischen Anwaltsverein getan. Sie werfen der Polizei willkürliche und menschenunwürdige Inhaftierung in durchgehend beleuchteten und videoüberwachten Großkäfigen vor. Die Kläger gehören zu einer Gruppe von 193 Personen, die in einem Waldstück von der Polizei festgenommen wurden, nachdem in der Nähe eine brennende Barrikade errichtet worden war.

Die Rostocker Staatsanwaltschaft hat nach eigenen Angaben 64 Verfahren gegen Polizeibeamte eingeleitet, meistens wegen Körperverletzung im Amt und Freiheitsberaubung. Angeklagt wurde bisher ein Polizist aus Bayern. In allen anderen Fällen seien ’’die Strafanzeigen unbegründet oder die Straftaten nicht nachzuweisen’’ gewesen, so die Staatsanwaltschaft. Abhörmaßnahmen gegen G8-Gegner

Rechtsanwältin Eder vertritt auch einen der Betroffenen, die bereits vor dem G8-Gipfel mit der Polizei in Kontakt kamen: Der Mann zählte zu den Verdächtigen bei der großen Razzia in der linken Szene im Mai. Bei der Durchsuchungsaktion im Auftrag der Generalbundesanwältin (GBA) wurde bei Eders Mandant offenbar auch eine Wanze installiert: Ein Behördenschreiben informierte ihn gut sechs Monate später über die Abhörmaßnahmen.

Wurden noch weitere verdächtige G8-Gegner belauscht? ’’Dazu können wir nichts mitteilen’’, sagt Frank Wallenta, Sprecher der GBA. ’’Aber es gibt ja Fristen.’’ Ohne Ausnahmegenehmigung müssen die Ermittler die Belauschten spätestens sechs Monate nach Ende der Aktion darüber benachrichtigen.

Für Aufsehen hatte bei den Razzien auch die Entnahme von Geruchsproben von Verdächtigen gesorgt. Diese seien inzwischen längst vernichtet, versichert GBA-Sprecher Wallenta. Das sei ’’ein bis zwei Woche’’ nach der Entnahme so üblich, wenn sich keine weiteren Hinweise durch die Proben ergäben.

Nichts sagen kann Wallenta dazu, ob sich denn inzwischen durch Durchsuchungen und Abhöraktionen der Verdacht gegen die 18 Gipfelgegner erhärtet hat, gegen die wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§129a Strafgesetzbuch) ermittelt wird. Es seien bei der Razzia ’’in großem Umfang’’ Speichermedien sichergestellt und die Daten kopiert worden. Diese müssten noch ausgewertet werden.

’’Wir haben inzwischen Teilakteneinsicht von der Anklage bekommen – 33 Aktenordner’’, sagt Rechtsanwältin Eder. Aber die Grundlage, aufgrund der die Durchsuchungen vom Ermittlungsrichter erlaubt wurden, sei für sie daraus immer noch nicht ersichtlich. Sie hält nicht nur deshalb den Vorwurf der Bildung einer terroristischen Vereinigung für fragwürdig. Was sagt der Bundesgerichtshof?

Zusätzliche Brisanz erhält diese Einstufung deshalb, weil der Bundesgerichtshof sie jüngst in einem anderen Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft – gegen die linksextremistische ’’Militante Gruppe’’ – auch für nicht gerechtfertigt sah. Sollte der BGH im Fall der Razzien womöglich ähnlich entscheiden, handele es sich ’’immer noch um Staatsschutzvergehen’’, betont GBA-Sprecher Wallenta. Für das Ermittlungsverfahren mache dies aber keinen Unterschied, sondern nur bei einer späteren Verurteilung. Rechtsanwältin Eder bezweifelt hingegen, dass ohne Terror-Einstufung der Verdacht ausgereicht hätte, um die Generalbundesanwältin einzuschalten und den Lauschangriff zu rechtfertigen.

[www.tagesschau.de]

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G8-Camp mit Nachwehen

29. November 2007 | von Frank Pubantz

BÜTZOW - Der Organisator des Camps, das "Büro VIP" aus Schwerin, hat Rechnungen offen. "Eine ganze Summe steht noch aus", sagt Poppe Gerken. Der Landwirt hatte für das Camp Flächen der Stadt unterverpachtet. 30 Prozent der vertraglich vereinbarten Summe würden noch fehlen. "Es ist fast ein ganzes Jahr um, aber das letzte Geld ist immer noch nicht da", beklagt der Landwirt. Über die schlechte Zahlungsmoral hatte sich Poppe Gerken bereits vor dem Juni geäußert. Dafür habe ihm der Camp-Organisator anwaltlich etwaige Forderungen ankündigen lassen. "Ich soll dem Camp geschadet haben", so Gerken. Das sehe er gelassen, sei aber selbst traurig, dass aus dem Camp nichts wurde: "Ein Mann, ein Wort - sowas gibt es heute noch, aber nicht in diesem Fall."
Forderungen hat auch der Verkehrsverbund Warnow (VVW) in Rostock. Er vereinbarte mit dem Büro VIP, dass Besucher kostenlos mit den Eintrittskarten fürs Camp auch Busse und Bahnen im Öffentlichen Personennahverkehr im Großraum Rostock nutzen können. Dazu sei per Vertrag der zu zahlende Anteil des Camp-Organisators festgelegt worden, erklärt Dr. Burghard Voigt. Zudem, dass der VVW Einsicht in die Besucherzahlen haben darf. Beides sei bis heute nicht erfüllt. Mehrfach habe der Verband das Büro VIP angemahnt. "Herr Harder reagiert einfach nicht. Wir kommen nicht an ihn ran", so Voigt. Nun werde der VVW juristisch gegen den Organisator vorgehen.

"Camp noch nicht verdaut"

Das "Büro VIP" mit Sitz in Schwerin, Wismarsche Straße 170, existiert weiterhin. Das Camp sei ein herber Schlag gewesen, erklärt Geschäftsführer André Harder. Der Ausfall werde "einige Jahre lang" Folgen haben. "So schnell verdaut man so etwas nicht." Mit bis zu 15 000 Besuchern hatte er gerechnet. Zu den Vorwürfen erklärt Harder: "Der Verkehrsverbund ist noch bei uns in der Abrechnung." Da werde es bald Bewegung geben.

Anders im Fall des Landwirts. Das Büro VIP habe Geld einbehalten, "weil Herr Gerken den Vertrag nicht erfüllt hat", so Harder. Der Landwirt hatte zugesichert, die Flächen vorher zu mähen, tat es aber nicht. "Mit dem Geld haben wir andere Landwirte bezahlt, die es machten", erklärt Harder.

Ihr Geld erhalten hat dafür die Stadt Bützow - für den Segen zur Unterverpachtung der 23 Hektar großen Fläche im Gewerbegebiet. Laut Vertrag je nach Besucherzahl - ein paar Tausender. "Das, was wir zu bekommen hatten, ist da", erklärt Bürgermeister Lothar Stroppe. Aber erst nach Mahnung. Auch beim Landkreis Güstrow seien alle Rechnungen beglichen, erklärt Beigeordneter Dr. Rainer Boldt. Nicht erfüllt seien einige Auflagen fürs Camp worden, aber: "Für uns ist das Thema faktisch erledigt."

[http://www.svz.de/dpa-meldung/article/216/g8-camp-mit.html]

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Polizeigewerkschaft: Impressionen zum G8 Gipfel 2007

„Wer niemals in solch einer Polizeikette gekämpft hat, sollte keine geschlossenen Einheiten führen dürfen!“ (ein Einsatzleiter)

Fotoserie zum Einsatz der Polizei beim G8 in Rostock und Heiligendamm. Danach zur G8-Afterparty: http://dpolg-lsa.de/2007/0706/070614_Plakat_AfterG8.PDF

Download auf der Seite der Polizeigewerkschaft DPolG: http://dpolg-lsa.de/2007/0706/Impressionen%20vom%20G8%20Gipfel%202007.PDF