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2007-11-11

11.11.2007 Heiligendamm

- OZ: 1449 Ermittlungsverfahren zu G8

- Rostock: Freispruch für G-8-Gegner

- Soligruppe-Berlin: Bundesanwaltschaft ließ Journalistengespräche abhören und auswerten

- Tagesschau: Recherchen unter Staatsaufsicht

- Berliner Zeitung: RESOLUTION

- Risk Control

- Out of Control - Demonstrationskultur in der Weite des Raumes

- Kommt die Bundesabhörzentrale?

- BKA: Bundeskriminalamt besetzt Schlüsselposition bei IKPO-Interpol

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OZ: 1449 Ermittlungsverfahren zu G8

Bis vorgestern wurden bei der Staatsanwaltschaft Rostock 1449 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel registriert. Davon sind 1232 Verfahren erledigt worden. Dabei wurden in 146 Verfahren Anklagen erhoben bzw. verfahrensabschließende Anträge gestellt. Bei den Tatvorwürfen geht es hauptsächlich um Landfriedensbruch, Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Bislang haben die Gerichte Strafen verhängt, die zwischen Geldbußen und Freiheitsstrafen von elf Monaten liegen. Häufig wurden Verurteilungen zur Bewährung ausgesetzt. Bis Ende 2007 wird mit etwa 500 weiteren Ermittlungsverfahren gerechnet.

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Rostock: Freispruch für G-8-Gegner

Vor dem Amtsgericht Rostock ist der 19jährige Alexander S. aus Niedersachsen am Freitag freigesprochen worden. Die Anklage hatte ihm »passive Bewaffnung« vorgeworfen, weil er während der Proteste gegen das G-8-Treffen der Regierungschefs im Juni in Heiligendamm einen Zahnschutz im Rucksack hatte. Dafür sollte er 160 Euro Strafe zahlen. »Nach 30 Minuten war alles vorbei. Selbst die Staatsanwaltschaft plädierte auf einmal für Freispruch«, berichtete der Student am Freitag gegenüber jW. Entsprechend gut sei die Stimmung im Gerichtssaal gewesen. Über 20 Globalisierungskritiker seien zur Unterstützung gekommen. Insgesamt sind etwa 1100 Strafverfahren gegen G-8-Gegner angekündigt.

[http://www.jungewelt.de/2007/11-10/051.php]

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Pressemitteilung der Soligruppe-Berlin: Bundesanwaltschaft ließ Journalistengespräche abhören und auswerten

Am heutigen Tage berichten die Zeitungen Der Tagesspiegel und Berliner Morgenpost über Überwachungsmaßnahmen gegen ihre Redakteure und Redaktionen.

In einem von der Bundesanwaltschaft geführten Verfahren gegen elf Personen aus Norddeutschland und Berlin wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gem. § 129a StgB wurden im Rahmen der Telefonüberwachung der Beschuldigten zahlreiche Telefonate mit Journalisten mitgehört, aufgezeichnet, ausgewertet und transskribiert. Hintergründe zu diesem Verfahren finden sich auf der Internetseite http://www.soligruppe.blogsport.de Insgesamt wurden neunzehn Gespräche mit Journalisten und Redaktionen abgehört, ausgewertet und schriftlich erfasst. Aus dem Büro des Bundesdatenschutzbeauftragten heißt es gegenüber dem Tagesspiegel, dass man erhebliche Bedenken bezüglich der mitgeschnittenen Telefonate zwischen den zwei verdächtigten Berlinern und Anwälten sowie Journalisten habe. Wünschenswert wäre, wenn die Überwachung bei solchen Gesprächen unterbrochen werde, sagten die Datenschützer. „Wer Journalisten belauscht und Redaktionspost mitliest, verstößt gegen das Grundgesetz“, kritisierte Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linke).

Michael Waldau von der Soligruppe Berlin erklärt hierzu:

“Die Bundesanwaltschaft hat mit diesem Vorgehen kaltschnäuzig gegen die Strafprozessordnung und sämtliche Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Telefonüberwachung von Journalisten und deren Informanten verstoßen. Die Emittlungen nach § 129a laufen immer weiter aus dem Ruder. Als einzige Konsequenz bleibt die Einstellung der Verfahren und die Abschaffung des § 129a !”

Thomas W., einer der Betroffenen des § 129a-Verfahren, erklärt hierzu:

“Dieses Verhalten der Bundesanwaltschaft stellt sich für mich als ein bewusster und gezielter Angriff auf den Informantenschutz für Presse und Journalisten dar.”

Soligruppe Berlin 8. November 2007

http://www.soligruppe.blogsport.de

Kontakt: soligruppeberlin@no-log.org

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Tagesschau: Recherchen unter Staatsaufsicht

Online-Durchsuchungen, Vorratsdatenspeicherung, Lauschangriff: Wie weit der Staat in die Privatsphäre, aber auch in das berufliche Umfeld, eingreifen darf, wird derzeit heftig diskutiert. Und im Zusammenhang mit Informanten- und Quellenschutz ist der Beruf des Journalisten besonders stark betroffen.

Im aktuellen Fall hat die Polizei im Zuge zweier Ermittlungen gegen mutmaßliche Linksextremisten Telefongespräche von Journalisten und Anwälten abgehört und diese Gespräche protokolliert. Unter den betroffenen Journalisten sind auch ein Mitarbeiter von tagesschau.de sowie ein Redakteur der Hörfunkwelle NDRInfo. Auch andere Journalisten, etwa vom Berliner "Tagesspiegel", wurden bei Recherchegesprächen überwacht.
Bild: Tagesschau

Die Bundesanwaltschaft führt die Ermittlungen auf Grundlage des Paragraphen 129a: Die abgehörten Beschuldigten werden der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verdächtigt - im konkreten Fall geht es offenbar um Ermittlungen im Vorfeld des G8-Gipfels in Schleswig-Holstein, Hamburg und Berlin.

Gespräche für Ermittlungen nicht relevant

Nach Einschätzung des betroffenen tagesschau.de-Mitarbeiters, der in die Protokolle Einsicht nehmen konnte, steht der Inhalt der abgehörten Recherchegespräche allerdings in keinerlei Zusammenhang mit den Ermittlungen. Die Protokolle selbst sind äußerst umfassend: Der Wortlaut ist in einigen Fällen ebenso penibel verzeichnet wie die Dauer der Gespräche. Der volle Name des Mitarbeiters wird genannt, weder die abgehörten Journalisten noch die Verlagshäuser wurden über die Maßnahme informiert. Die beiden betroffenen NDR-Mitarbeiter erfuhren zunächst nur durch Dritte von der Aktion. Schließlich finden sich in den Protokollen Hinweise auf Redaktionsinterna und redaktionelle Entscheidungsprozesse.

Der Paragraph 129a: Der Paragraph 129a stellt die Gründung einer Vereinigung, deren Zweck oder Tätigkeit darauf gerichtet ist, Straftaten (unter anderem Mord oder Völkermord) zu begehen, unter Strafe. Er greift vor allem dann, wenn die Behörden die Beschuldigten verdächtigen, eine terroristische Vereinigung zu bilden. In einem solchen Fall erhalten die Strafverfolgungsbehörden besondere Befugnisse - etwa die Postkontrolle und die Telefonüberwachung.

Massiver Angriff auf die Pressefreiheit

Solche Abhöraktionen erschweren Journalisten die Arbeit mit Informanten. Denn Informantenschutz und Vertrauen ist Grundlage jeder Recherche. NDR-Intendant Jobst Plog sprach in einer Stellungnahme von einem "massiven Angriff auf die Rundfunk- und Pressefreiheit", sollte sich der Verdacht gegen die Sicherheitsbehörden bestätigen. "Wenn Recherchen unter Aufsicht des Staates stattfinden, dann hat das mit der Freiheit der Berichterstattung nichts mehr zu tun, sondern beeinträchtigt die Arbeitsmöglichkeiten unserer Journalisten", so Plog.

Auch für Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), ist der Vorgang "absolut inakzeptabel". Journalisten dürften nicht Opfer von Abhöraktionen werden, "vor allem dann nicht, wenn der betreffende Journalist an dem Verfahren gar nicht beteiligt war", sagt er gegenüber tagesschau.de. Der DJV habe in der Vergangenheit bereits mehrfach auf Verstöße gegen die Pressefreiheit hingewiesen. Der aktuelle Fall reihe sich "nahtlos" in eine Kette ähnlicher Vorgänge ein.

Auch Rechtsanwälte abgehört

Die Ermittlungsakten, die der Bundesanwaltschaft vorliegen, belegen aber nicht nur eine Überwachung von Gesprächen zwischen Beschuldigten und Journalisten. Auch Rechtsanwälte wurden abgehört - in mindestens einem Fall sogar, nachdem dem betreffenden Anwalt ein Mandat erteilt worden war. Telefonate zwischen Beschuldigten und ihren Verteidigern aber sind streng vertraulich.

Die Vorsitzende des Republikanischen Anwaltsvereins, Britta Eder, kritisierte die Abhörmaßnahmen folglich als rechtswidrig. Sie beantragte bei den Ermittlungsrichtern des Bundesgerichtshofs, die aufgezeichneten Telefonate zu löschen und die Protokolle zu vernichten.

Axel Filges, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer, bestätigte gegenüber tagesschau.de, dass es nicht zulässig ist, Gespräche zwischen Anwalt und Mandant abzuhören, nachdem ein Mandat erteilt worden ist. Der Jurist befürchtet zudem eine "Zwei-Klassen-Gesellschaft": Auf der einen Seite stünden "normale" Anwälte, deren Gespräche abgehört werden dürfen, auf der anderen Seite agierten Strafverteidiger, bei denen dies verboten sei. Da die Grenzen in dieser Hinsicht fließend seien, sei eine derartige Unterscheidung nicht praktikabel, so Filges.

Protokolle Teil der Ermittlungsakten

Ob die Beweise der Bundesanwaltschaft überhaupt für eine Anklage ausreichen, wird von den Anwälten der Beschuldigten bezweifelt. Aber: Die Protokolle sind jetzt Teil der Ermittlungsakten, sie wurden den Verfahrensteilnehmern bereits zugestellt. Kommt es zum Prozess, dann würden die Namen der abgehörten Journalisten dort auftauchen - gleichgültig, in welchem Zusammenhang die Gespräche geführt worden sind.

[http://www.tagesschau.de/inland/abhoeraktion2.html]

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Berliner Zeitung: RESOLUTION

Protest der Redaktion

Die Redaktion der Berliner Zeitung wandte sich gestern mit folgendem Schreiben an die Justizministerin Brigitte Zypries:

Sehr geehrte Frau Ministerin,

die Redaktion der Berliner Zeitung protestiert entschieden gegen die Kontrolle ihrer Post durch Beamte der Bundesanwaltschaft. Wir sehen darin einen Angriff auf die Pressefreiheit, denn Informanten unserer Zeitung können nicht mehr sicher sein, dass ihre Briefe unkontrolliert die Redaktion erreichen; sie müssen sogar befürchten, dass sie von Ermittlungsbehörden abgefangen werden. Der Quellenschutz und das Redaktionsgeheimnis, unabdingbare Voraussetzungen für eine freie Presse, werden so unterlaufen. Wir fordern die Bundesanwaltschaft auf, Ermittlungsmethoden auf Kosten der Pressefreiheit zu unterlassen.

Mit freundlichem Gruß

Josef Depenbrock
Chefredakteur

Ewald B. Schulte
Sprecher Redaktionsausschuss

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Risk Control

“Sicherheitsarchitektur” bei “polizeilichen Großlagen” und Internationale Polizeikooperation

* “Die alte Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit ist von gestern” (Merkel)
* “Die Trennung von innerer und äußerer Sicherheit ist obsolet geworden” (BKA-Präsident Ziercke )
* “Die Unterscheidung zwischen Völkerrecht im Frieden und Völkerrecht im Krieg passt nicht mehr auf die neuen Bedrohungen” (Schäuble).

In letzter Zeit regt sich in Deutschland Protest gegen mehr Überwachung und Kontrolle. Dass es sich bei den Plänen der Bundesregierung um eine globale Neustrukturierung Innerer Sicherheit handelt wird wenig thematisiert. Der deutsche EU- und G8-Vorsitz 2007 mit Innenminister Schäuble hat eine Schlüsselrolle gespielt.

Ein Fact Sheet als pdf, das für die Kampagne gegen den “11. Europäischen Polizeikongreß” erstellt wurde.

Inhalt:

* Heimatschutz
* Aktuell in Deutschland
* “Sicherheitsarchitektur” der Bundesregierung
* Bundeswehr im Innern
* Bestehende Regelungen
* Zusammenarbeit der Polizeibehörden
* Deutsche EU- und G8- Präsidentschaft 2007
* Noch mehr Heimatschutz…
* Institute, Institutionen
* Europäische Gendarmerietruppe (EGF)
* Konferenzen und Messen

Mobilisierungs-Veranstaltungen zur Kampagne gegen den “11. Europäischen Polizeikongreß”
“Sicherheitsarchitektur” bei “polizeilichen Großlagen”- “Risk Control”, Internationale Polizeikooperation, “Handhabung von Menschenmassen”, neue Sicherheitstechnologie

* 15.11. Rostock, Median, 20.00 Uhr
* 27.11. Berlin, KATO, 20.00 Uhr
* 13.12. Hamburg, Flora, 20.00 Uhr

Vorbereitungstreffen Kampagne:

* 14.11. 19.00 Uhr, Berlin, Bethanien Südflügel
* 23.11., 18.00 Uhr, Berlin, Bethanien Südflügel

Kampagnenwebseite:

* http://euro-police.noblogs.org

‘Risk Control’ – Fact Sheet zur Internationalen Polizeikooperation: http://media.de.indymedia.org/media/2007/11//199018.pdf (1.8M)

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Out of Control - Demonstrationskultur in der Weite des Raumes

»Out of Control« ist Kunst, Kultur und autonome Praxis im Elchtest mit dem Sicherheitsstaat. Eine neue Aktionsform die zur bundesweiten Demonstration am 15.12.07 in Hamburg zum ersten Mal in einem größerem Rahmen stattfindet. Der folgende Text versteht sich als Diskussionspapier und beleuchtet Hintergründe, Ziele und Ausrichtung.

Polizeispaliere und Wanderkessel sind bundesweit eine gängige Begleiterscheinung von Protesten. Doch vor allem in Hamburg besitzt diese Praxis, seit der Räumung des Bauwagenplatzes Bambule eine übersteigerte Form, durch ihre schiere Gigantomanie von aberwitzig großen Polizeiaufgeboten. Die Hamburger Linie versucht durch symbolisch überhöhte Polizeipräsenz, sowohl visuell als auch ganz handfest, eine autoritäre Botschaft zu vermitteln. Protest ist nur als zugestandene Spielwiese des behördlich Genehmigungsfähigen machbar und Widerstand selbstredend zwecklos. Tatsächlich kontrollieren die Spaliere und einschließenden Maßnahmen der Polizei zunehmend den Ort, das Tempo, die Dynamik, und Außendarstellung von Demonstrationen. Der Kern der Polizeistrategie liegt dabei in einer präventiven Kontrolle des Raumes. Überwachung mit Kameras spielt dabei ebenso eine Rolle, wie das Gefühl des eingeschlossen Seins und letztlich die allgegenwärtige und konkrete Bedrohung mit polizeilicher Gewalt. Mit verschiedenen Konzepten wurde in den letzten Jahren versucht diese Strategie zu durchbrechen. Selbstkritisch müssen wir aber eingestehen, es ist uns bisher nicht wirklich gelungen.

Um sich gegen Angriffe zu schützen und um eine offensive Ausrichtung der Demonstration möglich zu machen, wurde Ende der siebziger Jahre das Konzept des „schwarzen Blocks“ entwickelt. In Zeiten wachsender Militanz bot diese Form die notwendige Geschlossenheit für Aktionen nach außen und die selbstbewußte Vermittlung linksradikaler Inhalte. Er entwickelte dabei eine Anziehungskraft und Stärke die wiederum mobilisierend wirkte. Das Vermummungsverbot, die Aufrüstung der Polizei und die zunehmende Praxis der Einkesselung ganzer Demonstrationen waren die Antwort des Staates. Aus dem offensiven Charakter des schwarzen Blocks wurde zunehmen eine passive Veranstaltung und heute sind wir oftmals schon froh, wenn wir innerhalb des wandernden Polizeikessels, kleine Erfolge wie Seitentransparente oder Vermummung durchsetzen konnten. Doch die Transparente können nicht mehr gelesen werden, weil Bullen vor ihnen stehen und wir verstecken uns mehr dahinter, als wir sie als Ausgangspunkt für Bewegung benutzen.

Manche vermeintlich erfolgreiche Demo, weil eingeseilt und mit Transparenten wie von Gartenzäunen umgeben, hat durch ihre introvertierte Form wohl mehr an einen mobilen Schrebergarten voller wütender aber hilfloser Zwerge, als an radikalen Protest erinnert. Die Form ist ein wenig zum Selbstzweck geworden und das erhalten der Form scheint oft schon als erfolgreicher Widerstandsakt wahrgenommen zu werden, während zunehmend unbeantworteter bleibt welche politischen und praktischen Ziele wir mit Demonstrationen über diese hinaus erreichen wollen.

Wir wollen sicher nicht die Praxis des schwarzen Blockes schlecht reden. Wir verstehen uns selbst als Teil dieses Konzeptes und auch heute bietet er Ausgangspunkte die wir für richtig und wichtig halten. Trotz aller notwendigen Selbstkritik halten wir diese Form der Demonstration auch in Zukunft für notwendig um die potentielle Option auf offensivere Aktionen und Strategien zu erhalten. Gleichzeitig dürfen wir die Augen jedoch auch nicht vor der Realität verschließen, dass offensive Ausrichtungen unter den derzeitigen Bedingungen, meist mehr Lippenbekenntnis als Praxis und mehr Showeffekt als kollektiver Widerstand bleiben. Die internationale Demo in Rostock zum G8 mag unter besonderen Bedingungen die unerwartete Ausnahme der Regel bedeutet haben. Doch der Krawall fiel wie so oft in der linksradikalen Geschichte eher vom Himmel als das er wirklich kollektiv bestimmt war, begünstigt durch ein provozierendes und eskalierendes Verhalten der Polizei, das jedoch gleichzeitig aufgrund der zu erwartenden Größe der Demo schon von vorneherein auf eine absolute Kontrolle des Raumes verzichtetet hatte. In Rostock wurde von Seiten der Polizei so ziemlich alles falsch gemacht was falsch gemacht werden konnte. Dies sollte nicht in selbstüberschätzender Weise über den mühsamen, bitteren und oft entwaffnenden Demoalltag hinweg täuschen. Unsere Demonstrationskultur bewegt sich trotz gelegentlicher Highlights nicht unbedingt im Vorwärtsgang.

Wir bewegen uns häufig in der paradoxen Situation, dass die Praxis eines geschlossenen Blocks als Selbstschutz, für die von den Bullen angestrebte Kontrolle des umgebenden Raumes arbeitet. Je dichter wir stehen, je weniger Chaos auf unserer Seite umso kontrollierbarer das Ereignis für die Polizei. Die Polizei arbeitet beweglich von Außen während wir uns nach Innen zurückziehen und mit Geschlossenheit antworten. Um die Stärke der äußeren Position wirklich auszunutzen bedarf es aber zum einen große Polizeiaufgebote, zum anderen die absolute Hoheit über den Ort des Geschehens. Denn die Polizei arbeitet dabei mit einem vergleichsweise schwerfälligen und hierarchischen Apparat der zwar gut funktioniert solange er kompakt ist, der aber die Tendenz hat uneffektiv zu werden und wie ein gestrandeter Wal zu wirken, wenn er die Initiative erst mal verliert. Darin liegt möglicherweise eine Schwäche die wir ausnutzen wollen und die unsere Stärke werden könnte.

»Out of Control« zielt in die Weite des Raumes und ist subversive Zerstreung als wirkungsvolles Mittel gegen einschließende Begleitung der Polizei. Es versteht sich als ein offenes und niedrigschwelliges Konzept des zivilen Ungehorsams. Alle sollen nach ihren Vorstellungen daran teilnehmen können. Es ist vielseitig bietet Raum für Kunst, Kultur, politische Intervention oder autonome Praxis. Es setzt auf unsere Beweglichkeit und Spontanität, lebt von Gewusel und unwiderstehlichem Chaos. Es ist keine feste Gruppe und kein fertiges Konzept, sondern eine Art offenes Label. Eine Einladung an alle, die sich der polizeilichen Sicherheitsarchitektur entziehen wollen.

»Out of Control« ist ein solidarischer Teil der eigentlichen Demonstration und umgibt diese wie ein wuseliger Mantel. Die Demo ist geschlossen, im Block und offensiv. »Out of Control« so nah wie möglich an der Demonstration, aber immer im Rücken der begleitenden Polizeikräfte. Im besten Fall entsteht durch Parolen, Transparente, Aktionen oder Musik eine gemeinsame Interaktion. Die Demo nutzt die Räume die entstehen, wenn das begleitende Spalier auf »Out of Control« reagiert und umgekehrt. Wird Spalier gegangen, gehen wir am Rand neben dem Spalier, wird das verhindert ziehen wir durch die Seitenstraßen und suchen die Lücken, wird die Demo gestoppt, sammeln wir uns hinter der Sperre und unterstützen somit die ersten Ketten. Ziel ist die Demo zu stärken, eigene Interventionsformen zu entwickeln und vor allem der Polizei die absolute Kontrolle über das Geschehen zu entziehen.

Wenn hunderte Polizist_innen mit Panzern und Wasserwerfern in den Straßen aufmarschieren dann demonstriert der Staat sein Gewaltmonopol. Im Stil einer militärischen Parade wird Potenz und Macht dargestellt, die die herrschenden Verhältnisse schon präventiv absichern soll. Wenn wir diese Inszenierung mit einem eigenen Bühnenbild in direkter Art und Weise angreifen, dann geht es nicht nur darum, wieder die Initiative auf unseren Demonstrationen zu erlangen, sondern auch darum einen visuellen Bruch herzustellen, der normierte Wahrnehmungen und Sehgewohnheiten aufbricht. Der uns allen im Erfolgsfall möglicherweise eine bemerkenswerte Erkenntnis verleiht. Widerstand ist möglich! Das starre Aufgebot der Repression besitzt letztlich eine zu begrenzte Kapazität und viel zu viele Lücken um einen Widerspruch zu bändigen, der die gewohnten Pfade der Ordnung verlässt. Probieren wir es doch einfach aus...

Laßt euch nicht erwischen!
Weg mit dem §129a – Einstellung aller Verfahren!
Move »Out of Control« - Beteiligt euch an der Demo in Hamburg!

AK Out of Control,
Hamburg 7. 11.07

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Kommt die Bundesabhörzentrale?

Geht es nach Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), sollen in Zukunft alle staatlichen Lauschangriffe zentral vom Bundesverwaltungsamt in Köln aus gesteuert werden. Dies berichtet das Magazin Focus in seiner Online-Ausgabe unter Berufung auf "Berliner Sicherheitskreise". Nach Angaben der Financial Times Deutschland (FTD) hat ein Sprecher des Innenministeriums die Pläne mittlerweile bestätigt.

Neue Befugnisse sollten dabei nicht geschaffen werden, es gehe lediglich um Kostenersparnis, schreibt die FTD weiter. Bisher hören Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz und Bundespolizei unabhängig voneinander die Telefone mutmaßlicher Schwerkrimineller ab oder lesen E-Mails und Faxe von Personen mit, die des Terrorismus oder der Spionage verdächtig sind. Nach Schäubles Plänen sollen die Sicherheitsbehörden künftig ihre Zuständigkeit für solche Überwachungsaktionen komplett an das Bundesverwaltungsamt abtreten. Dieses soll die Operationen offenbar leiten und nach deren Ende die Ergebnisse den Behörden zur Auswertung übergeben.

"Ein gewisses Unbehagen" bei Schäubles Plänen äußerte Max Stadler gegenüber dem Focus. Der FDP-Innenpolitiker sieht durch Schäubles Sparplan die Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten gefährdet, weshalb das Projekt sehr kritisch geprüft werden müsse. Bei einem Symposium des Bundesnachrichtendienstes Anfang November soll Schäuble laut Focus betont haben, ein solches "Trennungsgebot" von Polizei und Geheimdiensten habe keinen Verfassungsrang.

[http://www.heise.de/newsticker/meldung/98772]

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BKA: Bundeskriminalamt besetzt Schlüsselposition bei IKPO-Interpol

BKA-Vizepräsident Prof. Dr. Jürgen Stock zum Vizepräsidenten von Interpol gewählt

Wiesbaden (ots) – Die Delegierten von 145 Mitgliedstaaten der derzeit in Marrakesch/Marokko tagenden 76. Generalversammlung der internationalen Polizeiorganisation IKPO-Interpol haben heute BKA-Vizepräsident Prof. Dr. Jürgen Stock zum Vizepräsidenten für Europa im Exekutivkomitee gewählt. Interpol hat derzeit insgesamt 186 Mitgliedstaaten und ist damit die weltweit größte internationale Polizeiorganisation.

Mit dieser Wahl ist ein hochrangiger BKA-Repräsentant für die Amtszeit von drei Jahren in dem IKPO-Interpol-Gremium vertreten, das die von der Generalversammlung getroffenen Entscheidungen überwacht und die Geschäftsführung des Interpol-Generalsekretariats in Lyon/Frankreich beaufsichtigt. BKA-Vizepräsident Prof. Dr. Stock: “Meine Wahl zeigt die verstärkte Ausrichtung des Bundeskriminalamts auf die internationale Zusammenarbeit und unterstreicht, dass das BKA ein geschätzter Partner in der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit ist.”

Außerdem wurde Fernand Koekelberg aus Belgien als Delegierter für Europa in das Interpol-Exekutivkomitee gewählt.

Zuletzt stellte die IKPO-Interpol ihre Schlagkraft im Oktober mit der Identifizierung und späteren Festnahme eines mutmaßlichen Kinderschänders in Thailand unter Beweis. Den Grundstein dazu legten Experten des Bundeskriminalamts, die ein technisch verfremdetes Foto soweit bearbeiteten, dass der abgebildete Täter wieder sichtbar wurde. Die mit diesem Foto von Interpol erstmals veranlasste weltweite Öffentlichkeitsfahndung im Internet führte innerhalb kürzester Zeit zur Identifizierung und Festnahme des Gesuchten, eines 32-jährigen Kanadiers, in Thailand. or dem Hintergrund dieses Präzedenzfalles erhielt IKPO-Interpol jetzt von der Generalversammlung mit großer Mehrheit das Mandat, zukünftig in gleichgelagerten Fällen auf Ersuchen betroffener Mitgliedstaaten als ultima ratio mit Hilfe der Weltöffentlichkeit nach mutmaßlichen Kinderschändern per Internet zu fahnden.

Rückfragen bitte an:

Bundeskriminalamt Pressestelle
Telefon: 0611-551 3083 Fax: 0611-551 2323