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2007-10-20

20.10.2007 Hokkaido -- Heiligendamm

- Mobilization-Video for G8 2008 in Japan

- Solidarität mit Raul und Andres

- Neues zum 129a (mg) Verfahren

- Soli-Kundgebung in Berlin

- Erklärung des Landesvorstandes der Partei DIE LINKE. M-V

- Berlin: Bericht vom climat-camp in England 2007

- Wie weiter nach Heilgendamm: Klima- oder 'Mehrsäulen'-Camp?!?

- Gerade erschienen: Dokumentation zu Migration und G8

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Mobilization-Video for G8 2008 in Japan

Here you find a new video made by Indepent Media Activists for the mobilization for G8 2008 in Japan. The summit should take place at lake Toya, 2 hours away from Sapporo, located at the half-island Hokkaido: http://indymedia.nl/media/2007/10//47799.mp4 (0:02:45, mp4)

The German based anti-G8 infotour in Asia is just over half finished, but still going to Philippines and Hong Kong in the next week and a half. There will be a bigger report coming soon.

INFOTOUR EUROPE:

1. A Tokyo based team will come to Germany and the region in Nov/Dec to show a new documentary about the activist scene there.

2. The No G8! Action Japan infotour will come to Europe in Jan/Feb.

Both tours are looking for infotour hosts. If your nation or region can host a tour in their area, please see if it is possible and then contact them in Japan. However, please try not to make individual offers, but do try to organise national tours for them to save money and time. They also need funds for expensive airfare, so, sadly some priority will be given to those areas that can help pay the expenses. Also, language is a bit of a problem, so if you can find translators to translate from Japanese to your language, that is quite helpful. Write here to offer to host either tour: no-g8@sanpal.co.jp

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Solidarität mit Raul und Andres

Am 2. Juni 2007 fand in Rostock (Deutschland), unweit vom Ort des G8-Gipfeltreffens, eine Großdemonstration statt. Bis zu 80.000 Menschen aus vielen Ländern und den verschiedensten politischen und sozialen Zusammenhängen sind zusammen gekommen um ihrem Protest gegen die ungerechtfertigte Politik der mächtigsten Staatschefs der Welt Ausdruck zu verleihen.

Während der Demonstration gab es keine ernsthaften Zwischenfälle, außgenommen solche, die die Polizei mit ihrer eskalativen Politik selbst provoziert hat. Die Demonstration mündete zum Schluss in gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, bei denen eine Unzahl von Menschen festgenommen wurden. Den Medien zufolge wurden etwa zehn von den Festegenommenen nach vier Tagen Knastaufenthalt zu Haftstrafen (fast alle ohne Bewährung) verurteilt.
Police Violence

Unabhängige Rechtshilfe-Vereinigungen (wie die Rote Hilfe und der Republikanische AnwältInnen-Verein) bestätigen, dass es sich bei dieser Form von Schnellverfahren um einen rechtsbeugenden, politischen (Schau-)Prozess gehandelt habe, bei denen die Beschuldigten nicht die geringste Chance hatten, sich angemessen auf ihr Verfahren vorzubereiten.

Unter den Verurteilten sind auch zwei Spanier aus Zaragoza. Andres wurde zu 9 Monaten ohne Bewährung für die Beteiligigung an Schwerem Landfriedensbruch verurteilt. Raul wurde eine Haftstrafe von 10 Monaten für die angebliche Körperverletzung eines Polizistien auferlegt (ebenfalls ohne Bewährung). In beiden Fällen müssen die Haftstrafen in Deutschland abgesessen werden. Der einzige Anhaltspunkt, den der Staatsanwalt und das Gericht für dieses ungerechte Urteil hatten, war die Aussage eines Polizeibeamten, der vorgibt die beiden während der riots gesehen zu haben.

Hierzu wollen wir folgendes verdeutlichen:

- Die Beweislage, die zur Verurteilung unserer beiden Freunde geführt hat, ist sehr mangelhaft. Die Demonstration wurde von vielen dutzenden Polizeikameras aufgezeichnet. Wieso hat die Staatsanwaltschaft keine Aufnahmen von Andres und Raul als Beweise für ihre vermeintlichen Straftaten vorgelegt?

- Wir können nicht dem Wort eines Polizisten trauen, der es - angesichts der offensichtlich eskalativen Polizeitaktik – in Kauf genommen hat, dass zahlreiche DemonstrationInnen verletzt wurden?

- Diejenigen, die nach der Demonstration über das Polizeigewahrsam hinaus zur Untersuchungshaft in die JVA Waldeck gesteckt wurden, mussten Erniedrigung und Demütigung über sich ergehen lassen. In Einzelhaft isoliert, konnten sie nicht mal Kontakt mit ihren Angehörigen aufnehmen.

Somit rufen wir euch auf, Raul und Andres zu unterstützen, ebenso wie die anderen, die sich wegen ihres Protests gegen den G8-Gipfel mit der Justiz konfrontiert sehen.

[http://www.nodo50.org/rostockg8/secciones/aleman.htm]

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Neues zum 129a (mg) Verfahren

ZeugInnenvorladungen durch die BAW (Bundesanwaltschaft) am 23., 24. und 25.10.2007 in Berlin

Am 31.07.2007 wurden Oliver, Florian und Axel festgenommen. Die Polizei wirft ihnen einen versuchten Brandanschlag auf Bundeswehr-LKWs vor. Zudem wurde Andrej in seiner Wohnung verhaftet. Ihm wird ein angeblich konspiratives Treffen mit einem der drei zuvor Festgenommenen vorgeworfen. Im Weiteren wurden Wohnungen und Arbeitsplätze im Umfeld der vier Verhafteten und dreier weiterer Personen durchsucht. Wie im Zuge der Durchsuchungen bekannt wurde, läuft das Ermittlungsverfahren gegen vier Beschuldigte bereits seit September 2006. Allen Sieben wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung mg (militante gruppe) nach § 129a StPO vorgeworfen.

Seit den Verhaftungen und Beschuldigungen wurden umfassende Ermittlungen auch auf das familiäre, private und politische Umfeld sowie auf die Arbeitsbereiche der vier Beschuldigten ausgeweitet. Der größte Teil der Ermittlungen läuft verdeckt, die Einschüchterungen und Ermittlungen gegen vermeintliche ZeugInnen aber durchaus direkt und offen. Es ist davon auszugehen, dass bei allen ZeugInnen Telefone, Emails und Internet-Traffic zuhause und auf Arbeit sowie Treffen mit FreundInnen überwacht wurden und werden. Von der Ausweitung von Observationen auf das weitere Umfeld ist auszugehen. Diese umfassenden Ausforschungen und der massive Eingriff werden mit abenteuerlichen Konstruktionen gerechtfertigt.

Nachdem in den letzten Wochen einige Leute vom BKA Vorladungen erhalten hatten und/oder auch durch eine direkte Ansprache aufgefordert wurden, etwas zu den Verhafteten zu sagen, sind am 10. Oktober 2007 schriftliche Ladungen von der BAW versandt worden. Bisher sind der ZeugInnengruppe und dem EA an die 20 Personen (FreundInnen, Bekannte, sowie Personen, die sich einen Zusammenhang zu den Beschuldigten nicht erklären können) bekannt.
Diese Entwicklung ist für den Alltag der Betroffenen in den letzten Wochen sehr bestimmend und setzt sie massiv unter Druck. Besonders schlimm ist die Situation für Leute mit Kindern. Wir gehen davon aus, dass die BAW diese besondere Lage systematisch als Druckmittel benutzt.
Allen zur BAW Vorgeladenen droht bei einer Aussageverweigerung die Verhängung von Ordnungsgeld (bis zu 1.000,00 €) und bei weiterer Verweigerung der Aussage kann Beugehaft (juristisch korrekt „Erzwingungshaft“) durch den Ermittlungsrichter von bis zu sechs Monaten angeordnet werden.
Mit dem Druckmittel von Ordnungsgeld und Beugehaft sollen die ZeugInnen gezwungen werden gegen ihre Freunde und Bekannte auszusagen. Dabei steht den Betroffenen ein Aussageverweigerungsrecht nur zu, wenn sie entweder mit den Beschuldigen verlobt, verwandt oder sonst in einem familiären Verhältnis stehen (§ 52 StPO) oder wenn sie sich durch ihre Aussagen selbst belasten (§ 55 StPO) könnten.
Ordnungsgeld oder Beugehaft kann auch nur wegen einer einzigen, nicht beantworteten Frage verhängt werden, wenn die BAW bzw. der Ermittlungsrichter der Auffassung sind, dass diese von besonderer Wichtigkeit für das Verfahren ist.
Es ist im Rahmen eines 129 a Verfahrens den ermittelnden Behörden nicht nur wichtig etwas über die vorgeworfene Tat zu erfahren, sondern sie stellen konkret Fragen über die persönlichen Zusammenhänge der Beschuldigten. In welchem Verhältnis steht oder stand die/der ZeugIn zu den Beschuldigten? Wie und wo haben die Beschuldigten sich früher engagiert? Mit wem standen und stehen sie in engem Kontakt? Und sogar welche Hobbys usw. haben die Beschuldigten? Eben auch Fragen die nicht unbedingt zu einer vermeintlichen Tataufklärung beitragen. Sie wollen Ansatzpunkte zu einer weiteren Durchleuchtung der beschuldigten Personen und Informationen, die ihnen in ihrem bisherigen Ermittlungsstand noch fehlen und zu denen sie sonst keinen Zugang bekommen. Hier sollen nun Freunde gezwungen werden, die persönlichen Verhältnisse der Beschuldigten preis zu geben. Dies geht aber niemanden - und besonders die BAW - etwas an!
Wer sich entscheidet, zu schweigen und keine Fragen der BAW zu beantworten, muss sich möglicherweise nicht nur mit der kommenden Haftsituation auseinandersetzen sondern auch damit, was mit dem Arbeitsplatz ist, wie das Kind versorgt werden soll und muss, wie die Miete zusammen kommt und, und, und…..
Aber auch auf denjenigen, die evtl. die Situation nicht aushalten, die wegen ihres Arbeitsplatzes oder anderen Gründen nicht mehrere Monate in den Knast gehen können, liegt ein immenser Druck. KeineR will den Beschuldigten schaden und niemand weiß, was die staatlichen Repressionsorgane eigentlich wollen. Die Gefahr durch Beantworten vermeintlich belangloser Fragen jemand anderen oder sich selbst zu belasten besteht bei jeder Frage. So ist es schon oft geschehen, dass aus einem Zeugen ein Beschuldigter geworden ist.
Wir können niemandem die Entscheidung wie er/sie sich verhält, abnehmen. Aber wenigstens den finanziellen Ruin werden wir gemeinsam verhindern. Neben Ordnungsgelde, Haftkosten und Anwaltshonoraren müssen laufende Kosten für Miete, Krankenversicherung etc. bezahlt werden. Dafür brauchen wir dringend finanzielle Unterstützung von Euch! Deshalb sammelt Geld, macht Party`s und/oder überlegt euch Patenschaften.

Spendenkonto:
Klaus Schmidt, Konto-Nr.: 20610-106, BLZ: 10010010 Stichwort „Keine ZeugInnen“

Solidarität statt Paranoia!
Wir lassen niemanden allein!
Aussageverweigerungsrecht für ALLE!!!
Schafft Öffentlichkeit, sammelt Spenden!
Solidarität mit allen Verhafteten und Beschuldigten!

Kontakt zur ZeugInnengruppe:
keine-zeuginnen [at] so36.net

[http://de.indymedia.org/2007/10/197357.shtml]

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Soli-Kundgebung in Berlin

am Mittwoch, den 24.10.07 um 15:30

vor dem Einkaufszentrum gegenüber des BKA`s (Am Treptower Park 5-8 12435-Berlin). Zur Unterstützung der von der Bundesanwaltschaft im 129a (mg) Verfahren als ZeugInnen vorgeladenen Personen. Die BAW versucht mittels Androhung von bis zu 1000 Euro Bußgeld und bis zu 6 Monaten Erzwingungshaft / Beugehaft Aussagen von diesen Personen zu erpressen.

* JEDE_R HAT DAS RECHT AUF AUSSAGEVERWEIGERUNG!!!
* SOLIDARITÄT STATT PARANOIA!!!
* KEIN KLATSCH KEIN TRATSCH!!!

desweiteren gibt es die möglichkeit material für die kundgebung abzuholen: im Haus der Demokratie, greifwalderstr.4 10405-berlin, (1 O.G.), tel:030 20 16 55 21

mit solidarischen grüßen

EA-Berlin / ZeugInnengruppe

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Erklärung des Landesvorstandes der Partei DIE LINKE. M-V

Der Landesvorstand der Partei DIE LINKE. Mecklenburg-Vorpommern kritisiert den Beschluss über den neuen Grundlagenvertrag zwischen der Stadt Bad Doberan und dem Betreiber der Hotelanlage in Heiligendamm, ECH, als gegen die Interessen der Allgemeinheit gerichtet. Öffentliche Räume zu privatisieren, sie Bürgerinnen und Bürgern und vielen Gästen des Seebades zu entziehen, bedeutet die große Mehrheit der Bevölkerung auszugrenzen, zu Gunsten einiger weniger Personen. Tourismuskonzepte, die auf Ausgrenzung basieren, bringen unser Land nicht voran. Das Agieren und das Abstimmungsverhalten der Stadtvorsteherin Anke Bitter, die Mitglied unserer Partei ist, und weiterer Mitglieder unserer Stadtfraktion in Bad Doberan, bleibt uns unverständlich.
MV

Wir stellen nicht die freie Mandatsausübung kommunaler Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in Frage. Wir können jedoch nicht erkennen, dass die Entscheidungen, die in Bad Doberan getroffen wurden, mit linker Politik vereinbar sind.

Schwerin, 07.10.2007

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Berlin: Bericht vom climat-camp in England 2007 und warum einige so ein Camp auch in der BRD organisieren wollen!

climat-action-camp 2008 ?!

Mittwoch 31.Oktober 20:00 Uhr im F54, Friedelstr.54, Neukölln, Berlin

Der G8 ist vorbei und es werden verschiedene Ideen ins Feld geworfen, ob wo und wie 2008 aktionistisch gezeltet wird. Das climat-action-camp (Arbeitstitel)ist hier eine von mehreren Ideen. Warum das Thema Klima? Klima ist ein Bereich, der große Teile der Bevölkerung interessiert und wo akuter Handlungsbedarf besteht. Die radikale Linke ist schon seit Jahren im Bereich Anti-Atom aktiv und speziell im Wendland immer wieder aktionistisch unterwegs. Andere Bereiche werden eher den NGOs überlassen. Beim G8 schaffte es die Bundeskanzlerin ihre Politik als klimafreundlich zu verkaufen. Von Linksradikal gibt es hier keine Politik, die dem was entgegensetzt, dabei gäbe es große Anschlussmöglichkeiten speziell bei jungen Leuten (Jugendumwelttage). Aber auch Schnittpunkte zu anderen Bewegungen wären denkbar, die Möglichkeit neue Kristallisationspunkte zu schaffen wäre gegeben. Migration(Klimaflüchtlinge), Internationalismus (gerechte Verteilung der Energie/Ressourcen), globale Landwirtschaft (die industrielle Landwirtschaft (Kühe, Rinder) ist der größte CO² Produzent), Entprivatisierung (der Energiekonzerne, die neue attac-Kampagne), Antimilitarismus und Krieg (zur Ressourcenbeschaffung, Stichwort Energiesicherheit).

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Wie weiter nach Heilgendamm: Klima- oder 'Mehrsäulen'-Camp?!?

Im Rahmen des (allmählich ausklingenden) G8-Nachbereitungsmarathons sind Anfang Oktober einige jener Gruppen zusammengekommen, deren Basis zwar das dissent-Netzwerk war, die aber auch den so genannten ‘breiten’ G8-Bündnisprozess von Anfang an mitgetragen haben – unter anderem die Aktionskonferenzen in Rostock, den Hannoveraner Koordinierungskreis und etliche der lokalen Infoveranstaltungen in Mecklenburg-Vorpommern. Ziel des Treffens war zum einen, die unterschiedlichen Erfahrungen in der Bündnisarbeit auszuwerten, zum anderen zukünftige Projekte zu diskutieren, auch im Hinblick auf die Frage, ob und wie es möglich ist, die bündnispolitischen G8-Experimente fortzusetzen bzw. weiterzuentwickeln. Zumindest an einem Punkt ist unsere Diskussion konkreter geworden – nämlich was die von unterschiedlicher Seite propagierte Idee eines ‘Klimcamps’ im kommenden Jahr betrifft. Da das erste Klimacamp-Treffen bereits Anfang November in Kassel über die Bühne gehen soll, möchten wir wir unseren diesbezüglichen Diskussionsprozess in aller Kürze zusammenfassen – einschließlich eines praktischen Erweiterungsvorschlages.
Bild: Plakat

Doch der Reihe nach: Einig waren wir uns in zweierlei:

a) So sehr die G8-Proteste für viele eine beeindruckende Erfahrung gewesen sein mögen, es sollte nicht aus dem Blick geraten, dass die G8-Mobilisierung bis zum Schluss auf tönernen, d.h. wenigen Füßen stand. Insofern ist es nur die halbe Wahrheit, im Nachhinein von „Erfolg“ zu sprechen. Angemessener scheint es vielmehr, die enorme Potentialität in den Mittelpunkt zu rücken, die in Rostock und Heiligendamm sichtbar geworden ist. Konkret ist hiermit erstens die große Zahl junger, wenn auch (überwiegend) schwach organisierter AktivistInnen gemeint, zweitens der Umstand, dass es immer wieder – nicht nur bei BlockG8 – zu äußerst lustvollen Erfahrungen kollektiver Stärke, ja Schlagkraft gekommen ist und drittens die nicht wegzuredende Tatsache, dass die G8-Proteste trotz erheblicher Differenzen und Misstöne von einem breiten Bündnis auf die Beine gestellt wurden.

b) Weniger Einigkeit bestand hingegen darüber, wie mit besagter Potentialität umzugehen sei: Während sich die einen für die Intensivierung lokaler Aktivitäten aussprachen (‘dort, wo die Masse der G8-AktivistInnen zu Hause ist’), betonten andere die Notwendigkeit, direkt an der politischen Dynamik von Heiligendamm anzusetzen. Nicht nur, weil im Lichte eines (neoliberal) normierten Alltags Großmobilisierungen unerlässlich seien (in diesem Zusammenhang ist auch viel von ‘Event-Kultur’ die Rede gewesen), sondern auch deshalb, weil es derzeit einen positiven (und obendrein) spektrenübergreifenden Referenzpunkt gäbe, den es nicht zuletzt im Interesse des Aufbaus längerfristiger Strukturen auszunutzen gelte.

Bei aller Unterschiedlichkeit in der Prioritätensetzung, unter uns war unstrittig, dass die beiden Vorgehensweisen allenfalls auf der Ebene der personellen Ressourcen bzw. Kapazitäten einen Widerspruch darstellten, nicht aber prinzipiell. Insofern lag es aus unserer Sicht absolut nah, den Vorschlag eines Klimacamps ausführlich unter die Lupe zu nehmen. Denn unter den derzeit zirkulierenden Vorschlägen scheint einzig das Klimacamp das Zeug zu einem spektrenübergreifenden Post-Heiligendamm-Projekt zu haben. Das hat erstens mit objektiven Gründen zu tun – die Klimafrage ist in der Tat ausgesprochen drängend, zweitens mit dem Umstand, dass in der Klimafrage eine Vielzahl unterschiedlicher Problemstellungen zum Tragen kommt (Energieverschwendung & Kapitalismus, industrialisierte Landwirtschaft, Energieversorgung als globales soziales Recht etc.) und drittens mit dem zweifelsohne fragwürdigen Hype, welcher derzeit um die Klimafrage gemacht wird. Und doch: So sehr sich die Klimafrage als politisches Kampfterrain aufdrängt („social change – not climate change!“), aus unserer Sicht wäre es eine verschenkte Chance, würde es nächstes Jahr lediglich bei einem thematisch beschränkten Großevent bleiben (und realistisch betrachtet, wird es kaum möglich sein, mehrerer solcher Camps ‘hochzuziehen’)). Denn dass der G8-Protest zu dem geworden ist, was er war, hatte ja gerade mit der Masse und der Unterschiedlichkeit der Beteiligten samt ihrer jeweiligen Schwerpunkte (Stichwort: Thematische Aktionstage) zu tun. In diesem Sinne wäre ein Klimacamp noch nicht einmal ansatzweise in der Lage, quantitativ und qualitativ an den Heiligendamm-Protest anzuschließen – eine Feststellung, die wir sehr wohl im Wissen darum treffen, dass die InitatorInnen des Klimacamps (bislang) überhaupt nicht den Anspruch erhoben haben, in die Fußstapfen des G8-Protests treten zu wollen.

Praktisch heißt das für uns, dass wir statt eines Klimacamps ein ‘mehrsäuliges’ Camp vorschlagen möchten. Konkreter: Wir fänden es politisch sinnvoll, würden auf dem Camp neben ‘Klima’ (als sicherlich prominentester Säule) auch noch weitere Schwerpunkte wie ‘Migration’, ‘Krieg & Frieden’ oder ‘Prekarisierung & Aneignung’ verhandelt werden – was im übrigen auch dazu passt, dass es im antirassistischen Spektrum zumindest vorsichtige Überlegungen gibt, im nächsten Sommer an einem der großen Abschiebeflughäfen ein NoBorder-Camp zu organisieren). Hierdurch würde zwar ‘Klima’ sein Alleinstellungsmerkmal verlieren, dennoch ginge dies mit mindestens vier Vorteilen einher: Erstens dürften zu einem solchen mehrsäuligen Camp deutlich mehr AktivistInnen als zu einem Single-Issue-Event kommen, mit der Konsequenz, dass jedem der einzelnen Schwerpunkte ungleich größere Aufmerksamkeit zuteil würde (konkret halten wir 3.000-4000 AktivistInnen durchaus für möglich – immerhin befinden wir uns im Jahr I nach Heiligendamm). Zweitens würde hierin die Chance liegen, die Verknüpfungen zwischen den einzelnen Themenkomplexen theoretisch und praktisch sichtbar zu machen und somit jenen Crossover-Faden fortzuspinnen, der in der G8-Mobilisierung zwar oft proklamiert, aber nur selten umgesetzt wurde. Drittens würde erst eine Masse von mehreren tausend AktivistInnen zwei oder drei ernsthafte (an BlockG8 anschließende) Blockade-, Stilllegungs-, Aneignungs etc. -aktionen möglich machen, ob an einem Flughafen, einer Kraftwerk-Baustelle, einem Rüstungsbetrieb oder einer gigantischen Shoppingmal. Viertens würde einem ausdrücklich auf den Geist bzw. das Potential von Heiligendamm bezogenen Camp von Anfang an ein überproportional hoher Aufmerksamkeitslevel garantiert sein.

Sorge, dass ein derartiges Camp zu einem unüberschaubaren Gemischtwaren-Laden würde, hätten wir nicht – in diesem Zusammenhang möchten wir ausdrücklich an die viel zitierte G8-Choregrafie des Widerstandes erinnern. Zentraler Unterschied zu Heiligendamm wäre vielmehr, dass es nicht mehr einen lokalen G8-Gipfel als ‘natürliche’ Klammer gäbe. Dies könnte auf zweierlei Weise kompensiert werden: Entweder darüber, dass ein solches Camp parallel zum nächsten G8-Gipfel in Japan stattfände, wo Klima ebenfalls eine größere Rolle spielen soll (7.-9. Juli 2008), oder darüber, dass wir die Kämpfe durch eine eigene Klammer verbinden – etwa die (als Kristallisationspunkt fungierende) Forderung nach globalen sozialen Rechten.

Es dürfte sich von selbst verstehen, dass ein solches Camp – ansonsten wäre es nicht realisierbar – von vielen tatsächlich gewollt sein müsste – nicht nur von denen, die die Initiative zu einem Klimacamp lanciert haben, sondern auch von etlichen weiteren Einzelpersonen, Gruppen und Netzwerken. In diesem Sinne möchten wir unsere Initiative lediglich als Diskussionsorschlag verstanden wissen – ggf. würden wir uns natürlich an der Verwirklichung eines entsprechenden Projektes beteiligen.

To be continued…

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Gerade erschienen: Dokumentation zu Migration und G8

Liebe Leute,

rechtzeitig zum Beginn des Sozialforums jetzt am Wochenende in Cottbus haben wir eine 44-seitige Dokumentation zu Migration und G8 fertiggestellt. Im folgenden das Intro sowie das Inhaltsverzeichnis, aber die Broschüre ist auch bereits im Netz auf der nolager.de-Seite anzusehen: http://nolager.de

Sie wird ab Freitag in Cottbus zu erwerben sein, kann aber auch bestellt werden über das G8-Büro im Hessischen Flüchtlingsrat, Leipziger Str. 17, 60487 Frankfurt / Main Tel (069) 976 987 10 Fax –11; E-Mail: g8-buero@fr-hessen.de

Bestellkosten inclusive Versand: Einzelexemplar: 3,- Euro 5 Stück: 10,- Euro 10 Stück: 15,- Euro 20 Stück: 25,- Euro

Intro

Es war ein Montag und zwischen Auftakt-Grossdemonstration und erfolgreichen Massenblockaden ein eher ungünstig gelegener Brückentag in der Gesamt-Choreographie des Protestes gegen den G8-Gipfel. Dennoch haben am 4. Juni 2007 nach offiziellen Angaben bis zu 10.000 Menschen bei der Demonstration „Für Globale Bewegungsfreiheit und Gleiche Rechte für Alle“ in Rostock teilgenommen. Selbst wenn es nach eigenen Schätzungen einige weniger waren und der gesamte Ablauf von einem polizeilichen Belagerungszustand geprägt war, diese Mobilisierung bleibt in mehrfacher Hinsicht ein großartiger Erfolg. Allenfalls vor 14 Jahren, anlässlich der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl im Jahre 1993, kamen in Deutschland ähnlich viele TeilnehmerInnen zu einer Demonstration zum Thema Flucht und Migration zusammen. Vor dem Hintergrund, dass sich die Bewegungen und Kämpfe der Migration in den letzten Jahren weltweit enorm verstärkt haben, scheint es gelungen, diesen Schwerpunkt im Gesamtspektrum der globalisierungskritischen Bewegung sehr viel breiter als bislang zu verankern. Dass Flucht- und Migrationsprozesse die Realitäten im globalen Süden und Norden in besonderer Weise verknüpfen, wird offensichtlich zunehmend anerkannt. Und in diesem Kontext war es kein Zufall, dass ein Mittelpodium des Alternativgipfels mit AktivistInnen aus Afrika und Osteuropa besetzt war, die diese Zusammenhänge an konkreten Beispielen ausführten. Ganz in dieser Orientierung stand auch die Entscheidung für die vorliegende Broschüre. Wir dokumentieren im folgenden verschiedene Beiträge zu Flucht und Migration aus den Anti-G8-Aktionstagen, eben um die vielfältigen thematischen Querverbindungen zu vertiefen und damit gleichzeitig die Forderung nach globaler Bewegungsfreiheit als zentralem Bestandteil eines Kampfes für weltweite soziale Rechte zu betonen.

Inhalt

Im Gesamtprotest breit angekommen in der Antirassistischen Bewegung wenig angenommen … 4

Redebeitrag der Flüchtlinge aus Mecklenburg-Vorpommern auf der Grossdemonstration am 2. Juni 7

Universelle Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte für alle! Beitrag von Lucile Daumas auf dem Eröff nungsforum der G8-Proteste, Rostock 2007 8

Globale Bewegungsfreiheit gegen globale Apartheid Transnationaler Talk mit AktivistInnen aus 4 Kontinenten 11

„Es herrscht Chaos auf allen Ebenen“ Flüchtlingspolitik an der Südgrenze am Beispiel Italien 17

Arbeitsmigration, Landwirtschaft und die Rolle der Supermarktketten Zwischenbilanz und Ausblick einer Kampagne 20

Leben und Überleben in Oujda Situation der Migrantinnen vor der EU-Südgrenze 23

Wie ein zweiter Sklavenexport Amadou M’Bow über die Situation von MigrantInnen in Mauretanien 25

Neoliberale Zurichtung in Afrika und die Selbstorganissierung von Frauen im Senegal 28

Ressourcenkriege und Migration Menschenrechte in der DR Kongo 30

Stop EPA – auch bei den Anti-G8-Aktionen! Zu den Hintergründen der sogenannten Wirtschafts- Partnerschaftsabkommen 32

Ukraine – „Marokko des Ostens“ Eindrücke und Hintergründe zum Noborder-Camp in Transkarpatien 34

Globale Bewegungsfreiheit und der Kampf um globale soziale Rechte Eine elementare Forderung mit Spannungsfeld 38

Dokumentation: Plattform der Initiative für Globale Soziale Rechte 41

Zum Weiterlesen: Ausgewählte Weblinks 43

Download Broschüre im pdf-Format: http://gipfelsoli.org/static/Media/flucht-und-migration-200710.pdf