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2007-10-10

10.10.2007 Heiligendamm -- Hokkaido

- Trends auf dem "Europäischen Polizeikongreß"

- Film: Der Zaun

- Abschlussbericht des Innenministers zum Polizeieinsatz beim G8-Gipfel

- Balkan Anarchists of Northern Europe: "Sooner or later you will all be in trouble."

- Mustafa, Yilmaz & Ibrahim: G8 und die Diskussionen nach dem 2.6.2007

- Aufruf Antiterroristisches Wochenende 12.-14. Oktober 2007

- Die Regierung rät: Handy zu Hause lassen schützt vor Lauschangriff

- Gipfel-Kritiker besuchen Protestbewegung in Asien

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Trends auf dem "Europäischen Polizeikongreß"

“Polizeiliche Großlagen”, “Border Control”, internationale Polizei-Kooperation, neue Polizei-Technologie und Ideen der Sicherheitsindustrie

Anfang jeden Jahres treffen sich Innenpolitiker, Nachrichtendienste, Polizei und Bundeswehr mit Vertretern der Sicherheitsindustrie, um auf dem “Europäischen Polizeikongress” über die Umsetzung neuer “Sicherheitsmaßnamen” zu beraten [1]. Die Konferenz im Berliner Congress Center am Alexanderplatz wird von der “Behörden Spiegel-Gruppe” im Besitz der Bonner ProPress GmbH veranstaltet. Andere regelmäßge Konferenzen des “Вehörden-Spiegel” sind die “Еuropäsche Sicherheits- und Verteidigungskonferenz” [2] und die “Dresdner Sicherheitskonferenz” [3]. Laut Eigenwerbung ist der “Еuropäische Polizeikongress” die “größte internationale Fachkonferenz für Innere Sicherheit” in Europa.
Der Kongreß ist eine Schnittstelle zwischen Sicherheitsindustrie und Innen- bzw. Außenpolitik. “Gold Sponsors” sind die Rüstungsfirma EADS (“450 Million European citizens have the rightful requirement for security”) und der Software-Konzern SAP. Verschiedene Branchen bewerben ihre Produkte an Messeständen. Dort bleibt “genügend Zeit und Gelegenheit für intensive Kontakte zwischen Besuchern und den Ausstellern”.
2007 waren 1.627 Teilnehmer registriert, davon 14 Innenminister, 5 Landesinnenminister, 4 Justizminister, 56 Abgeordnete aus dem In- und Ausland, 31 Botschafter, 41 Attachés. Für Mitarbeiter von Behörden, Polizei, Militär, Botschaften und Presse ist die Teilnahme kostenfrei. Andere zahlen 1.000 €.
Innenpolitiker referieren über die “Sicherheitslage” und präsentieren Bedrohungsszenarien. In Fachforen wird die “aktuelle polizeilichen Situation” erörtert. Schwerpunkte sind die Weiterentwicklung des Schengen Informationssystems (SIS) und Phänomene von “Border Control” und Migration, die Antwort auf den “Internationalen Terrorismus” und seiner Finanzierung sowie “polizeiliche Großlagen” wie die Fußball-Weltmeisterschaft oder die G8-Gipfel. Im “Hauptprogramm” trifft sich die “internationale Prominenz aus den Führungsebenen”. Dort beklagt etwa Gerhard Schmid, Vizepräsident des Europäischen Parlaments a.D., die fehlende Zusammenarbeit europäischer Nachrichtendienste: “Die Geheimdienste gehören zum “Eingemachten” des Nationalstaats; entsprechend schwachbrüstig ist derzeit die europäische Zusammenarbeit ausgeprägt. Die Auslandsnachrichtendienste arbeiten meistens nur bilateral und punktuell zusammen. Die Chefs der Inlandsgeheimdienste treffen sich zwar im Club von Bern regelmäßiger, die Abteilungsleiter für Terrorabwehr sogar mindestens monatlich. Aber auch hier gibt es erhebliche Defizite, zumindest wenn man den Klagen von Vertretern der Dienste kleinerer Länder Glauben schenkt” [4]. BKA-Präsident Ziercke fordert neben eine Intensivierung der Zusammenarbeit von BKA und Geheimdiensten im “Gemeinsamen Terrorismus-Abwehr-Zentrum” (GTAZ) in Berlin Treptow mehr “Kooperation mit der Wirtschaft” und eine “Sensibilisierung der Wirtschaft für polizeiliche Belange” [5].
Vertreter der Sicherheitsindustrie präsentieren Technologie, um die polizeiliche Überwachung zu perfektionieren. Einen Schwerpunkt bildet Biometrie mit Soft- und Hardware zur Gesichtserkennung, die Speicherung elektronischer Fingerabdrücke auf ID-Cards und Iris-Scanning. Anbieter konkurrieren bei der Einführung von Kennzeichen-Lesesystemen, der Umsetzung von verschlüsseltem Digitalfunk, mobiler Telekommunikation oder der Implementierung von RF-ID-Chips. Die größte Herausforderung für die “Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben” (BOS) scheint die Datensammlung zu sein. Mehrere Referate von Behördenleitern und Herstellern beschäftigen sich mit Software zur Erhebung und Verwaltung von Daten, Schnittstellen zu europäischen Datenbanken und Informationsaustausch unter Behörden.

“Markt für Sicherheitsprodukte”

Ein Mitarbeiter der “ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH” faßt in einem Referat auf dem Kongreß 2007 den “Markt für Sicherheitsprodukte” zusammen [6]: Bundesweit 1 Million Feuerwehr-Angehörige (30.000 “professionelle”, 280.000 Polizisten, 170.000 private Wachdienste wollen mit neuen Systemlösungen versorgt werden. Stolz berichtet er aus Berlin-Brandenburg, wo inzwischen 265 Firmen und Institute aus dem Bereich Sicherheits- und Verteidigungstechnik ansässig sind. Im Rahmen der “We make IT” – Initiative des Landes wurden neue Arbeitsgruppen initiiert. Seit 2003 beschäftigt sich “Security with IT” unter anderem mit Verschlüsselung und sicherer Produktion sowie “Security management around big events”, also Gipfeltreffen oder Sportereignisse. Das Projekt NE-SIS (“Network Systems for Integrated Safety Monitoring”) will IT-Technologien zur Personenerkennung, etwa bei Grenzübertritt miteinander kombinieren [7]. Neben Siemens, Robowatch Technologies GmbH, Fraunhofer Institut, DussmannAG & Co KG ist auch die Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft IABG mit einer Niederlassung in Brandenburg vertreten und hat selbstredend einen Stand auf dem “Еuropäischen Polizeikongreß” [8]: “Мit Konzepten und Lösungen zum Thema ‘Homeland Security’ unterstützen wir Bundeswehr und BOS [Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben] bei der Sicherung von Stabilität und Frieden. Unsere international anerkannten Planspielzentren, Simulationssysteme und Experimentallabors sowie technischen Testeinrichtungen liefern hierzu wertvolle Beiträge. Wir decken von der politisch-strategischen über die militärisch-operative bis zur technischen alle Entscheidungs- und Ausführungsebenen ab”.

“Die Truppe wie ein Unternehmen führen”

Die Bundeswehr kämpft mit veralteter Software im Kriegsmanagement und ist eine “strategische Partnerschaft” mit dem Software-Konzern SAP eingegangen. Unter dem Motto “Effizienter werden” implementiert die Armee nun die SAP-Produktlinie “Standard-Anwendungs-Software-Produkt-Familien” (SASPF). SASPF gehört zur “Business Information Warehouse” – Software von SAP. Mit SASPF soll “die Truppe wie ein Unternehmen geführt werden, die Bundeswehr betriebswirtschaftlich optimiert” werden. Informationstechnik in den Bereichen Personal, Material, Logistik und Haushalt wird komplett neugestaltet: Geolokationsdaten und Visualisierung, Materialbewirtschaftung, Bedarfspriorisierung, Vorratsführung an Bord von Booten, Stationierungsplanung, Wach- und Diensteinteilung etc. Hans-Herbert Schulz, Brigadegeneral a.D., erklärt die Zusammenarbeit “Eine strategische Partnerschaft zwischen der Bundeswehr und dem Unternehmen SAP zur Entwicklung neuer Funktionen für Streitkräfte und deren Integration in marktverfügbare SAP-Standardsoftware unter partnerschaftlicher Aufteilung der Entwicklungskosten” [9]. Er bedauert die fehlende Rückendeckung bei der Umsetzung des neuen Informationsmanagements: “Еine politische Initiative wäre hilfreich”

Allerdings gibt es eine Weisung von der Bundesregierung, dass zunächst die Organisation Bundeswehr umstrukturiert werden muß, erst dann folgt die Software. Aber auch das ist in Arbeit: Generalmajor Heinz-Georg Keerl, “Befehlshaber im Wehrbereich I Küste” berichtet von der Umsetzung der “Zivil-Militärischen Zusammenarbeit – Das neue Konzept der Bundeswehr” [10]. Im In- und Ausland übernimmt die Bundeswehr Sicherheitsaufgaben von Katastrophenschutz und Polizei. Erste Testregionen waren z.B. Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, Einsatzgebiete die Oder-Flut, Fußball-Weltmeisterschaft und G8-Gipfel.

Unter dem Titel “ARMIES in HOMELAND SECURITY” referiert John L. Clarke vom “Europäischen Zentrum für Sicherheitsstudien” [11]. Er gilt als “Еxperte für Krisen- und Konfliktmanagement und zukünftige Konflikte” Nach Erfahrungen des Homeland Security-Programms in den USA könnten Armeen Aufgaben im Innern übernehmen: Sicherheit von Regierung, Infrastruktur, Transport, Grenzen und Großereignissen. Zu Missionen einer Armee als “Unterstützung für Verteidigung gegen zivile Unruhen” gehören auch “Кrawalle und Aufstände” sowie “Imposition of Martial Law”, zu deutsch: Kriegsrecht.

Bereits jetzt unterhalten laut Clarke manche Länder “Para-Military Police Forces”, die in nationale “Homeland Security missions” integriert sind: In Frankreich Gendarmerie und CRS, in Italien Carabinieri und Guardia di Finanza, in Spanien Guardia Civil. Die Armee kann auch “Special Operations Forces” wie “Chemical, Biological, Radiological, Nuclear and Explosive” (CBRNE) stellen. Das Kommando für einen Einsatz soll weiter bei zivilen Behörden liegen (“Civil authority in command – Military forces in support”), allerdings dürfen Soldaten limitierte Polizeiautorität und -gewalt ausüben.

“Globale Sicherheitsarchitektur – Anforderungen aus Sicht der IT”

Die “größte Herausforderung in Zeiten des Information Overkill”, erklärt Markus Hellenthal, Senior Vice President bei EADS, “liegt nicht mehr in der Informationsgewinnung, sondern vielmehr in der Informationsauswertung, sowie der Bereitstellung, dem Austausch und der Weitergabe von Erkenntnissen in Echtzeit. Sie muß nahtlos und umfassend genug sein, um diejenigen, die mit Vorbeugung, Bewältigung und Abschreckung betraut sind, in die Lage zu versetzen, notwendige und angemessene Maßnahmen anhand eines umfassenden und vernetzten Lagebildes, eines sogenannten ‘Common Relevant Operational Picture’, zu ergreifen. Barrierelose Kommunikationsvernetzungen sowie integrierte grenzüberschreitende Lage- und Einsatzzentralen sind die Basis für jedes Zusammenwirken von inneren und äußeren Sicherheitskräften und damit für eine effektive, umfassende Sicherheit. Die zukunftsgerichtete Sicherheitsarchitektur bedarf der nahtlosen Kommunikation über bestehende geographische und organisatorische Grenzen hinweg. Hierzu müssen sowohl die rechtlichen als auch die operativen Voraussetzungen häufig erst noch geschaffen werden” [12].

Thomas Gies, Mitarbeiter des Bereichs “Innere Sicherheit” des Software-Konzerns SAP, beschreibt das Engagement des Konzerns als einen “unternehmerischen Beitrag zur Sicherstellung der Sicherheit und Schutz der Bürger durch Übernahme von Verantwortung als strategischer Partner und Stärkung der nationalen Interessen auf dem internationalen Markt” [13]. Tom Shirk, Präsident des Global Public Services bei SAP war es vergönnt, die Rahmenbedingungen einer “globalen Sicherheitsarchitektur” zu umreißen [14]. Handlungsbedarf bestehe durch “globale, asymmetrische Bedrohungen, zunehmende Vernetzung von Sicherheitsbehörden, Verwaltungsmodernisierung, sinkende bzw. stagnierende Haushalte”. Die Lösung besteht in der “Vernetzung der Informationsflüsse zur Gewährleistung bzw. Erhöhung der Inneren Sicherheit in Europa: Informations- und Datengewinnung, Orientierung, Lagebilderstellung, Entschluss, Gefahrenabwehr, Schadenbeseitigung, Befehl, Handeln”. Aufgabenwahrnehmung müsse optimiert werden: “Signifikante Entlastung der Kräfte von administrativen Aufgaben, konsistente und gesicherte Datenbasis für die Fahndung/Ermittlung, mehr Polizisten auf die Straße, sinkende Implementierungs- und Betriebskosten”.

SAP bietet mit NetWeaver eine technologische Grundlage für sogenannte “Composite Applications” mit Auswerte- und Analysefunktionen. Die Einbindung von Nicht-SAP-Systemen in den Behörden stellt einen Wettbewerbsvorteil dar. Ein NetWeaver-basiertes System war z.B. beim World Economic Forum 2004 und 2005 in Davos im Einsatz. Auch die Firma Dräger ist auf dem Markt der Einsatzführungssysteme präsent und referiert auf der Konferenz über Erfahrungen der “Realisierung einer vernetzten Zusammenarbeit und eines umfangreichen Informationsaustausches” zwischen Sicherheitsbehörden [15].

“Technologien zur Unterstützung eines modernen Polizeieinsatzes”

Polizeieinsätze bei polizeilichen Großlagen erfordern eine komplexe Organisation der Leitstellen, IT-Infrastruktur, Kommunikation zwischen den Kommandoebenen. Beim G8-Gipfel in Heiligendamm waren 18.000 Polizeikräfte im Einsatz, bei der Fußball-Weltmeisterschaft 22.000. Dazu kommen Tausende Beamte des BKA und der Nachrichtendienste. Wie soll ein Einsatzleiter oder Polizeiführer schnell einen Überblick über die Gesamt-Einsatzlage bekommen? Ein Vertreter von Motorola berichtet über die Belastung des digitalen TETRA-Netzes (TErrestrial Trunked Radio, europäischer Standard für professionellen digitalen Mobilfunk, wie GSM-Netz Funkzellen-basiert) für die “kritische Infrastruktur” beim G8-Gipfel in Gleneagles. Für die Sicherheitsbehörden mußten zusätzliche Funk-Kanäle eingerichtet werden. An den insgesamt 7 Einsatztagen wurden mehr als 1,5 Millionen Rufe registriert [16].

Marcus Lang von der Firma Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft (IABG) illustriert sogenannte “Ad-hoc-Netze” mittels eines Szenarios am Beispiel des Zauns um Heiligendamm [17]. Akkustiksensoren, Videobilder, Sprachmeldungen und steuerbare Überwachungskameras liefern Informationen, die an jedem beliebigen Ort des Einsatzes verfügbar gemacht werden sollen. Ziel ist die selbständige Koordinierung der Polizeikräfte unter den Aspekten Effizienz und Kostenoptimierung. An die Kommunikation über Funk werden hohe Anforderungen gestellt: “Hohe Datenübertragungsrate, robuste, gesicherte Verbindung, Interoperabilität mit den vorhandenen und in Planung befindlichen Kommunikationssystemen, Autarkie von kritischen Infrastrukturen”. Die Funk-Frequenzen sind nicht mehr nach Kanälen aufgeteilt. Jede Einheit, die im Einsatzraum einer anderen operiert, landet automatisch auf der gleichen Frequenz. Dort erheben sie Information: “Wie viele Angreifer? Welche Gegenstände/ Waffen sind im Einsatz? Gibt es weitere Angriffe?”. Unterfüttert wird die Lageeinschätzung durch Überwachungsroboter, Kameras, Hubschrauber und Polizeifahrzeuge. Höhere Befehlshierarchien verfügen über Software, die zur “Handlungs- und Entscheidungsunterstützung” Datenbanken abfragt oder sogar Simulationen anbietet.

Für die Beschäftigung mit “Crowd Managment” und Massenpanik wurde für den 9. Polizeikongreß Dirk Helbing, Direktor des Instituts für Wirtschaft und Verkehr an der TU Dresden eingeladen [18]. Helbing ist Experte für Verhaltensforschung von Gruppen, Forschungsgebiete Simulation sozio-ökonomischer Systeme, Disaster Management, Optimierung von Produktionsprozessen. Er berichtet neben den Anforderungen an Architektur auch über polizeiliche Maßnahmen bei Großereignissen zur Reduzierung von Risiken. Gruppen können mittels verschiedener Maßnahmen gelenkt, gebremst oder beschleunigt werden, um keine Unzufriedenheit oder Panik aufkommen zu lassen (“sometimes obstacles can improve the flow”). In Fußballstadien hat der Einsatz von Tränengas bereits mehrmals zu einer Massenpanik geführt. “It must be remembered that in a dense crowd, individual perception is limited to interpretation of the behaviour of surrounding persons”.

“Security at Large Events”

Für die Planung polizeilicher Zusammenarbeit bei Großereignissen ist ein Netz von Instituten, Forschungsprogrammen und Akademien entstanden. Selbstredend sind alle auf den Polizeikongressen präsent. Die Sicherheitsarchitektur für die Fußball-Weltmeisterschaft und den G8-Gipfel wurde hier 2005, 2006 und 2007 verhandelt und ausgewertet. Der Leiter der Abteilung Polizei im Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern, Frank Niehörster, stellte auf dem 10. Kongreß im Februar 2007 erstmals Teile des Sicherheitskonzepts für den G8-Gipfel in Heiligendamm einer kleinen Öffentlichkeit vor [19].
Auf europäischer Ebene wurden bei den Justizbehörden “Gemeinsame Ermittlungsgruppen” (JITs) ins Leben gerufen. Auswertungen “Nationaler Expertentreffen” bemängeln die fehlende Erfahrung, das zögerlichen Gebrauchmachen der JIT, unterschiedliche europäische polizeiliche Standards und bürokratische Hürden [20]. Eine wichtige Rolle im internationalen Sicherheitsgebilde spielen die sogenannten “Liaison Officers” (Verbindungsbeamte), die von nationalen Polizeibehörden z.B. in Führungsstäbe bei Großereignissen entsendet werden. Auch supranationale Behörden wie etwa EUROPOL haben Beamte dafür abgestellt. Offiziell haben sie eine beratende Funktion und geben z.B. bei Demonstrationen Auskunft über die erwarteten Teilnehmer, ihren politischen Hintergrund, Aktionsformen etc. Gleichzeitig sind sie eine Schnittstelle zur Rückkopplung in das Entsenderland sowie dort gespeicherte Daten. Über die Verbindungsbeamten beim Einsatz in Heiligendamm hatte die Rostocker Polizei Zugriff auf Datenbestände, die üblicherweise für Länderpolizeien gesperrt sind.

In zahlreichen europäischen Polizei-Akademien und Instituten werden Einsatztaktiken für “Crowd Managment” entworfen und diskutiert. Eine zentrale Rolle spielt die Europäische Polizeiakademie [21] (EPA) bzw. CEPOL (“College Europeen de Police”) mit Sitz in Hampshire, Großbritannien. In der EPA arbeiten nationale Ausbildungseinrichtungen der Mitgliedstaaten zusammen. Für Deutschland ist dies bisher die “Polizei-Führungsakademie” in Münster [22]. Die EPA wurde 2005 gegründet: “CEPOL’s mission is to bring together senior police officers from police forces in Europe – essentially to support the development of a network – and encourage cross-border cooperation in the fight against crime, public security and law and order by organising training activities and research findings”. Ein weiterer Zusammenschluß von Polizeihochschulen in Deutschland, Österreich und einigen osteuropäischen Ländern ist die “Mitteleuropäische Polizeiakademie” (MEPA) [23]. Zu ihren Aufgaben gehören die Förderung internationaler polizeilicher Zusammenarbeit, Schaffung von Standards im operativen Bereich, Vermittlung von Fachkenntnissen zur internationalen/ grenzüberschreitenden Polizeiarbeit. In einer ehemaligen US-Kaserne in Garmisch-Partenkirchen ist das “George C. Marshall European Center for Security Studies” angesiedelt [24]. Das US-Institut veranstaltet jährlich drei internationale Lehrgänge für “höhere Führungskräfte” des Militärs und “zivile Regierungsvertreter”, z.B. zu nationaler Sicherheitspolitik, “hochaktuellen Themen” oder “Terrorismus und Sicherheit”. Ein besonderes Thema des Institutes ist die Implementierung von Ansätzen des “Homeland Security”-Ministeriums in den USA. Neben den Akademien haben verschiedene Regierungen Forschungsprojekte ins Leben gerufen. Eines dieser Programme ist das ” Coordinating National Research Programms on Security during Major Events in Europe” (EU-SEC) der Europäischen Kommission [25]. EU-SEC entwickelt sogenannte “Work Packages” zur Sicherheit bei “polizeilichen Großlagen”. Nach dem ersten systematischen Austausch der Erfahrungen in den Mitgliedsstaaten entwirft EU-SEC eine “Strategische Analyse” von Ergänzungen und Hindernissen einer internationalen Kooperation. “Work Package 3” erarbeitet neue Strategien und Methoden der Polizei bei “Large Events”. EU-SEC wird koordiniert und gesteuert vom United Nations Interregional Crime and Justice Research Institute (UNICRI) [26]. Unter dem Motto “Advancing security, serving justice, building peace” unterhält das UN-Institut mehrere Arbeitsgruppen zu Themen rund um Sicherheit. UNICRI gibt das “Counter-Terrorism Online Handbook” heraus.

Die wohl wichtigste Rolle allerdings spielt die Arbeitsgruppe “International Permanent Observatory on Security during Major Events” (IPO), formell dem UNICRI angegliedert [27]. Das IPO berät Regierungen bei der Planung der Sicherheitsarchitektur für Großereignisse. Die gewonnen Erfahrungen werden in regelmäßigen “Closed Door-Meetings” weitergegeben. Die Inanspruchnahme von IPO ist für die anfragenden Behörden kostenlos. Das IPO veranstaltet Workshops und regionale Konferenzen. Zur Zeit wird an einem “Handbuch für G8-Staaten” gearbeitet. Offizielle Einsatzgebiete seit der Gründung 2006 waren bisher die G8-Gipfel in St. Petersburg und Heiligendamm, der Weltbank-/ IWF-Gipfel in Singapur und das APEC-Treffen in Vietnam. Auch die Olympiade 2008 in Peking sowie der G8-Gipfel in Japan 2008 werden vom IPO “betreut”. Zur Unterstützung stellt das IPO eigene Beamte. Ein stark gekürzter Auszug des Unterstützungsangebots:
* “Aufklärung: Geheimdienstdatenbanken, Verbreitung von Informationen zur Aufklärung, Behördenübergreifende Ziel- und Problemidentifizierung, Beobachtung, Erhalt und Auswertung von Informationen, Internet- und Telekommunikationsangelegenheiten, Menschenrechte und andere Rechtsangelegenheiten
* Notfallplanung und Krisenmanagement: Strafverfolgungsplanung, Festnahmen und Gerichtsmassnahmen, Beschwerden gegen Polizei und Sicherheitskräfte, Testen und Ausführen von Maßnahmen
* Verkehrsmanagement: Automatische Kennzeichenerkennung
* Kommandogewalt und Kontrolle: Kommando- und Kontrollsysteme, IT Infrastruktur und Netzwerke, Videoüberwachungsanlagen, Kommandozentralen, Gegenangriffe für Cyber-Attacken
* Planausarbeitung und Projektmanagement: Rekrutierung von Planungspersonal, Finanzmanagement, Tagungsorganisation und Protokolle, Zeitpläne, Rechtsrecherche
* Sicherheit am Veranstaltungsort und darüber hinaus: Zäune, Absperrungen, Schranken und Tore, Gegenangriffe, Elektronische Gegenmaßnahmen, Reaktionen auf öffentliche Unordnung, Pferde und Hunde, Handhabung von Menschenmassen, Strategien für “schwache Ziele” wie z.B. Sponsoren und Medienzentren, sowie Hotels
* Medien- und PR Strategien: Pressebeziehungen, Medienbeziehungen, Einbezug und Konsultation der lokalen Gemeinden, Management von Geschäftsinteressenten, Fotografie- und Video-Produktion, interne Kommunikation
* Schutz von wichtigen Personen: Strategien, geheimer Schutz, Management von Roten Zonen, Konvoi-Management, Herausnahme von VIPs und Evakuierungsplanung, Ankunft- und Abfahrtsprotokolle sowie Gatten/Partnerprogramme und Schutz
* Luftraumunterstützung: Hubschrauberoperationen, Luftraumobservation und Logistik für den Schutz des Luftraums
* Logistik und personelle Ressourcen: Fahrzeuge, Unterkunft und Ausrüstung, Transportzeitplanung, Erholung und Essensversorgung
* Führung und Kommando: Und natürlich wäre der Erfolg einer Operation ohne effektive und robuste Führung und Befehlstrukturen beträchtlich in Frage gestellt. In diesem kritischen Bereich kann die IPO signifikante Unterstützung leisten, indem sie Führungs- und Befehlspersonen mit Eventerfahrung zur Verfügung stellt” [28].

“Border Control”

Mehrere Foren des Kongresses widmen sich dem Komplex Migration und “Border Control”. Wieder stellt John Clarke vom “Europäischen Zentrum für Sicherheitsstudien” die Bedrohung dar: “Illegal Immigration requires extraordinary measures in Southern and Eastern EU countries. Schengen means extended border security. German border security begins in Italy, Spain, Hungary, Slovenia, Romania”. Auch im Grenz-Regime stellen unterschiedliche Standards von Software, Formaten und Recht ein Hindernis im Informationsmanagment dar. Allein das Schengen Information System (SIS) ist in mehrere Datenbanken unterteilt: Die Datei für Fingerabdrücke EURODAC für Asylbewerber und “illegale Einwanderer”, das Visa Information System (VIS) und das Biometric Matching System (BMS).

Ein Anbieter von “Human Capital Management Solutions” ist die Steria Mummert Consulting AG (“Herausforderung Schengen-Erweiterung – Konkrete Antworten aus der Industrie”) [29]. Über die “Steria Interconnection Box” kann das SIS mit nationalen Datenbanken verknüpft werden. Ziel ist die Entwicklung des SIS II zur Verbesserung der grenzüberschreitenden polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit, grenzüberschreitende Vernetzung von strafrechtlichen Daten, mehr Einsatz von biometrischen Systemen und Einsatzleitsysteme für Polizeien. Systemlösungen für Border Control liefert auch EADS. Als Beitrag zu “Secure Borders Through Cross-linking of Safety Infrastructures” präsentiert Verkaufschef Ludwig Eberle Design, Entwicklung, Integration und Wartung des mehrsprachigen “EUROPOL Information System” [30]. Größte Herausforderungen für EADS: Interoperabilität der Hard- und Software in die Systeme der 15 Mitgliedsstaaten sowie der Anlagen von EUROPOL in Den Haag. Das System muß 12 Sprachen einbinden. EADS erklärt sich 2004 als weltweit führender Anbieter für schlüsselfertige, ausfall- und abhörsichere Telekommunikationslösungen für die Bereiche öffentliche Sicherheit, Verteidigung, Wirtschaft und Industrie, Flughäfen, öffentlicher Nahverkehr und Verwaltung” [31].

Jedes Themenfeld hat Subsysteme, die ebenfalls vernetzt werden müssen. Für das Beispiel “Border Security Rumänien” sind Subsysteme z.B. Grenzüberwachung und -kontrolle, Informationstechnologie, Festnetz, Datenkommunikation, Mobilität, Infrastruktur, Kundenbetrieb. Der Trend geht zur “automatischen Einreise”, verrät Frank Paul, Leiter der “Sektion IT-Großsysteme der Direktion Zuwanderung, Asyl und Grenzen in der Europäischen Kommission” [32]. Durch “biometrische Prozesse” könnten registrierte Reisende, Inhaber von biometrischen Pässen, Visa oder Aufenthaltserlaubnissen sowie “Reisende mit niedrigem Risikoprofil” schneller die Grenzen passieren.

“Ermittlungssoftware mit dem Schlüssel zum Inhalt”

Ermittlungsbehörden und Nachrichtendienste betreiben in großem Umfang “Data mining”, das Erheben und Sammeln von Daten (“Web mining”, “Text mining” etc.). Diese Texte bilden die Grundlage für polizeiliche Ermittlungsarbeit.

Mehrere Hersteller präsentieren auf der Konferenz Software-Lösungen zur automatisierten Texterschließung. Die Programme basieren auf unterschiedlichen Suchsystemen und versuchen das Problem unterschiedlicher Dateitypen in den Griff zu bekommen: Texte, Webseiten, Verhör-Protokolle, Zeugenvernehmungen, Observationsberichte, Audio-Mitschnitte von Telefonüberwachung und deren Verschriftlichung, Fax, Videos, E-mails, Bewegungsprofile, Handy-Ortungsdaten, Satelliten-Bilder etc. Eine weitere Schwierigkeit ist die Verteilung der Zugriffsberechtigungen für Administration und Anwendung sowie die Anbindung an Datenbanken anderer europäischer Verfolgungsbehörden. Gunther Guzielski, früher freier Berater, jetzt IT-Direktor beim BKA, fordert auf dem Kongreß 2007 die Vereinheitlichung von Standards und die beschleunigte Umsetzung “ohne Zeitverlust durch in die Länge gezogene Verhandlungen” [33]. Guzielskis’ Ambitionen beim BKA: IT-Strategie der Polizei entwickeln, das Fahndungssystem Inpol-neu erweitern sowie die IT-Abteilung des BKA zu einer Serviceorganisation umorganisieren.

Ein Anbieter von “Organisationsübergreifender Ermittlungskooperation” ist rola Security Solutions aus Oberhausen. Ihre Software bietet die Auswertung von Erkenntnissen der Dienste bis hin zur Lagebilderstellung. Geschäftsführer Jörg Kattein stellt auf der Konferenz die Hauptproduktlinie “rsCASE” vor, ein Ermittlungs- und Auswertesystem für Polizei, Staatsschutz, Nachrichtendienste, Steuerfahndung sowie Privatunternehmen [34]. Inzwischen hat rola eine Schnittstelle zur Antiterrordatei (ATD) entwickelt, “pünktlich zur WM” auch eine Schnittstelle zu INPOL. Nach einem Kooperationsvertrag mit Inxight Software Sunnyvale (USA) kann rola-Software vor einer Übersetzung und Detail-Analyse die Sprache von Dokumenten erkennen und Inhalte automatisiert zu Themenkreisen oder Kategorien zuzuordnen. “Entitäten” wie Personen, Organisationen, Fahrzeuge oder Orte werden herausgefiltert und grafisch in ihren Beziehungen dargestellt. rola-Software wird bei 6 Landespolizeien, dem BKA, der Bundespolizei, Steuerbehörden sowie Polizeien anderer Länder eingesetzt. Ein Konkurrent von rola ist die Firma empolis arvato, die zum Bertelsmann-Konzern gehört und “Semantische Technologien” vertreibt: “Fuzzy Search – Identification of anything, anytime, anywhere” [35]. Dr. Mario Lenz, Chief Technology Officer präentiert auf der Konferenz die “intelligente Ähnlichkeitssuche” in unterschiedlichen Dokumenten. Die Software sucht nach Personen-Daten, bestimmten Ausdrücken, analysiert Schlüsselwörter und Häufungen, findet semantische Formulierungen, fragt andere Datenbanken ab und findet Ähnlichkeiten. Eine “assoziative Suche” nach dem Klang eines Wortes ist möglich – hilfreich bei unterschiedlichen Sprachen. Die Firma Zylab bietet eine Software, die es ermöglichen soll, mit lateinischem Schriftsatz z.B. innerhalb arabischer Sprachen zu suchen [36]. 200 Sprachen werden unterstützt. Personen werden mit Vorgängen oder Objekten verknüpft und wie bei anderen Anbietern in Soziogrammen grafisch dargestellt. In der Präentation von Zylab auf dem Kongreß hat damit sogar die IRA mit dem Anschlag auf das Kriegsschiff USS Cole zu tun.

Einen deutlicheren Kurs schlägt Ralf Notz von der Münchner Niederlassung der Firma SPSS ein [37]. SPSS wird beworben als “Мarket Leader in Predictive Analytics”. Standard-Anwendungen ihrer Software sind eigentlich Prognosen zu Organisation und Logistik großer Unternehmen oder Behörden. Mittels behaviouristischer Analayse können nun Verfolgungsbehörden auf die Suche nach zukünftigen Delinquenten gehen: “The Evolution of Crime Fighting. From reactive… to proactive… to predictive…” Durch Abgleich von “Attitudinal data” (Überzeugung, Vorlieben, Bedürfnisse, Bedürfnisbefriedigung), “Вehavioral data” (Ereignisse, Transaktionen, User-Verhalten) können Ermittler ein Personenprofil entwerfen, aus dem zukünftige Ereignisse vorausgesehen werden sollen. Alle bereits von anderen Behörden ergriffenen Maßnahmen und Prozesse werden im Interface der Software angezeigt, Interventionen nach dem Prinzip “best outcome” vorgeschlagen. Die Software ist u.a. konzipiert für Geldwäsche, Identitätsfeststellung, Drogenhandel, Terrorismus, Voraussage von Sicherheitsbedrohung. Zu den Kunden von SPSS zählen (nicht differenziert nach Einsatzgebiet der Software) “every US cabinet-level department & Defense military branch, over 1600 public agencies in the UK, and all 50 US state governments, hundreds of provincial, state, county, city and borough government entities; dozens of federal or national agencies and ministries around the world” sowie in Deutschland das BKA, 7 LKAs und andere Polizeistellen.

“Wo sind die Herolds, Stümpers und Zacherts?”

Uwe Kranz, früher Ministerialrat und Projektmanager bei EUROPOL, nun “Terrorismus-Consultant” für Regierungen, entwirft Szenarien gegen “Transnationale Organisierte Kriminalität und Terrorismus”, z.B. mehr Überwachung im Internet (der “Universität des Terrors”) [38]. Er fordert, dass bis 2015 neue politische Rahmenbedingungen geschaffen werden: “Nationales/ internationales Denken in Systemen, langfristige & umfassende Gesamtstrategien und Visionen, keine tagespolitischen, nachbessernden, schadensbegrenzenden Reaktionsmuster, Reform der Institutionen umfassend/ schonungslos!, Nationaler/EU-Sicherheitsrat, Harmonisierung bzw. Angleichung des Rechts auf EU-Ebene, Umformung der GTAZ in eigenständige Bundesbehörde, Sprachtraining. Wo sind die Herolds, Stümpers und Zacherts? [ehemalige Präsidenten des BKA und Polizei]”.

Im Januar 2007 hat die Bundesregierung das Programm “Forschung für die zivile Sicherheit” ausgelobt [39]. Gefördert werden Projekte im Bereich Security-Management-Systeme, bauliche Maßnahmen und sicherheitsbegünstigende Architektur, Simulationssoftware für Krisenübungen, automatische Zugangskontrollen mit integrierten biometrischen Systemen und “automatische Erkennung sicherheitskritischen Verhaltens, system- und personenbezogen”.

[Gipfelsoli Infogruppe]

Quellen

[1] www.euro-police.com
[2] www.european-defence.com/
[3] www.sicherheitstage-dresden.de
[4] www.euro-police.com/pdf/schmid_2006.pdf
[5] www.euro-police.com/pdf/ziercke_2006.pdf
[6] www.euro-police.com/pdf/senger_2007.pdf
[7] www.ne-sis.org
[8] www.iabg.de/verteidigung/index_de.php
[9] www.euro-police.com/pdf/schulz_2007.pdf
[10] www.euro-police.com/pdf/keerl_2006.pdf
[11] www.euro-police.com/pdf/clarke_2007.pdf
[12] www.euro-police.com/pdf/hellenthal_2007.pdf
[13] www.euro-police.com/pdf/gies_2006.pdf
[14] www.euro-police.com/pdf/shirk_2007.pdf
[15] www.euro-police.com/pdf/luedemann_2007.pdf
[16] www.euro-police.com/pdf/damerau_2006.pdf
[17] www.euro-police.com/pdf/lang_2007.pdf
[18] www.euro-police.com/pdf/helbing_2006.pdf
[19] www.euro-police.com/pdf/niehoerster_2007.pdf
[20] www.euro-police.com/pdf/welfens_2007.pdf
[21] www.cepol.europa.eu
[22] www.pfa.nrw.de
[23] www.mepa.net
[24] www.marshallcenter.org
[25] www.eu-sec.org
[26] www.unicri.it
[27] www.unicri-ipo.org
[28] www.unicri-ipo.org/index.php?module=CMpro&func=viewpage&pageid=33
[29] www.euro-police.com/pdf/goebel_2007.pdf
[30] www.euro-police.com/pdf/eberle_2007.pdf
[31] www.euro-police.com/pdf/schoenbohm.pdf
[32] www.euro-police.com/pdf/paul_2007.pdf
[33] www.euro-police.com/pdf/guzielski_2007.pdf
[34] www.euro-police.com/pdf/kattein_2007.pdf
[35] www.euro-police.com/pdf/lenz_2007.pdf
[36] www.euro-police.com/pdf/koehler_2006.pdf
[37] www.euro-police.com/pdf/notz_2007.pdf
[38] www.euro-police.com/pdf/kranz_2007.pdf
[39] www.sicherheitsforschungsprogramm.de

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Film: Der Zaun
Dokumentarfilm von Andreas Horn und Armin Marewski

Deutschland 2007, 70 Minuten
Redaktion: Udo Bremer

"Ein 13 Kilometer langer Zaun soll den G8 Gipfel schützen!" - Diese Meldung ließ die Filmemacher Andreas Horn und Armin Marewski aufhorchen: Ein 13 Kilometer langer und 12,5 Millionen Euro teurer Zaun für ein dreitägiges Treffen? Wer soll hier von wem getrennt werden? Geht es um Sicherheit oder ist dieser Zaun vor allem ein Symbol? - Diesen Fragen sind sie in ihrem aktuell produzierten Dokumentarfilm nachgegangen.
Bereits mehrere Wochen vor Beginn des Gipfels (6.- 8.Juni 2007) reisen sie nach Heiligendamm. Sie beobachten die Veränderung des alltäglichen Lebens, die Bauarbeiten am Zaun, die zunehmende Präsenz der Polizei und dokumentieren so die Verwandlung des kleinen Küstenortes und der ihn umgebenden Landschaft in Sicherheitszonen. Dabei kommen sie auch mit Bewohnern, Touristen, Kneipiers, den Monteuren des Zauns, Polizisten, Gipfelgegnern und Pressevertretern ins Gespräch und erhalten ihre ganz unterschiedlichen Perspektiven auf den Zaun. Von Normalität kann kurz vor dem Gipfel keine Rede mehr sein. Immer häufiger wird von Eingriffen in die Bürgerrechte durch Polizeimaßnahmen berichtet, selbst in den Reihen der Polizei. Dann beginnt das Großereignis, und alle Welt schaut auf den Zaun ...
"Hauptdarsteller" des Films ist der Zaun in Heiligendamm. Eindrucksvolle Aufnahmen zeigen, wie das stählerne und stacheldrahtbewehrte Bauwerk die Landschaft durchzieht und sich noch unterhalb der Wasseroberfläche entlang eines Sperrgebiets vor der Küste fortsetzt. Der Zaun ist ein Beispiel für eine neue Interpretation von Begriffen wie Freiheit, Sicherheit und Demokratie. Während im Verborgenen der "blauen Zone" ein informeller Club der acht mächtigsten Politiker dieser Welt den Anschein erweckt, im Namen aller Menschen Antworten auf die drängendsten Fragen des Planeten finden zu können, praktizieren jenseits des Zauns wie in einer Parallelwelt Bürger ihr Recht auf freie Meinungsäußerung, ohne den Fortgang der Beratungen beeinflussen zu können. Welche Wirkung hat der Zaun im Bewusstsein der Bürger, das heißt der Betroffenen, die sich ausgeschlossen sahen? Der Film zeigt den Zaun vor allem aus ihrem Blickwinkel. Es kommen aber auch die "Eingeschlossenen", die Menschen der "blauen Zone", und die Befürworter des Zauns zu Wort. Zusätzlich führen die Autoren nach den Ereignissen in Heiligendamm Gespräche über das Phänomen "Zaun" aus juristischer und politischer Perspektive. Denn was bleibt, nachdem die Politiker weggeflogen sind? Nur eine breite Schneise auf einem Kornfeld? Ist der Zaun mit seiner Demontage tatsächlich verschwunden?

Armin Marewski, einer der beiden Regisseure von "Der Zaun", wurde 1964 in Frankfurt am Main geboren und lebt heute Berlin. Nach seinem Studium - zunächst Architektur in Frankfurt, dann Schauspiel an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart - trat er als Schauspieler an verschiedenen Bühnen in ganz Deutschland auf. Seit Beginn der 90er Jahre ist er vornehmlich in deutschen und internationalen Film- und Fernsehproduktionen zu sehen. Inzwischen schreibt und entwickelt er auch Drehbücher und arbeitet als dramaturgischer Berater.
Andreas Horn, 1965 in Mannheim geboren, lebt und arbeitet in Ludwigshafen. Er studierte in Würzburg Kommunikations-Design mit dem Schwerpunkt Film. Es schlossen sich Tätigkeiten in unterschiedlichen Sendern an, unter anderem beim Fernsehspiel des Südwestfunks, beim Schnitt des Süddeutschen Rundfunks und als langjähriger freier Mitarbeiter in den Kameraabteilungen des Bayerischen Rundfunks und des ZDF. Seit 2000 arbeitet Horn als freischaffender Künstler und Produzent in den Bereichen Film, Medien und Aktionskunst. Zu seinen wichtigsten Arbeiten gehören der Dokumentarfilm "Mein Freund, der Tumor" (ZDF/3sat, 2001), die Dokumentation "Im Kernschatten des Mondes" sowie die Konzeption und Gestaltung der multimedialen Ausstellung "Als Feuer vom Himmel fiel" über den Bombenangriff 1943 auf Ludwigshafen.

[http://www.3sat.de/film/woche/111372/index.html]

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Abschlussbericht des Innenministers zum Polizeieinsatz beim G8-Gipfel

Minister Caffier: Keine gravierenden Versäumnisse und Defizite beim G8-Gipfel
Innenminister Lorenz Caffier hat heute die Abgeordneten im Innenausschuss des Landtages Mecklenburg-Vorpommern abschließend über das polizeiliche Einsatzgeschehen im Zusammenhang mit dem zurückliegenden G8-Gipfel in Heiligendamm unterrichtet. Im Ergebnis konnte er keine gravierenden Versäumnisse und Defizite bei der Vorbereitung und Durchführung des deutschlandweit bisher größten Polizeieinsatzes der jüngsten Geschichte feststellen.
"Der Weltwirtschaftsgipfel liegt nun fast vier Monate zurück. Dass dieser Einsatz nicht nach Drehbuch verlaufen würde, war uns allen bewusst. Leider erfolgte die Erörterung kritischer Punkte in den zurückliegenden Wochen nicht immer sachlich konstruktiv und emotionsfrei. Vielmehr haben sich einige so genannte Sicherheitsexperten und Verbandsfunktionäre aus sicherer Entfernung zu Wort gemeldet und auf der Grundlage von Vermutungen und Halbwissen Meinungen und Auffassungen als Tatsachen verkauft. Damit wurde der im Ergebnis erfolgreiche Polizeieinsatz und die hervorragenden Leistungen unserer Landespolizei ganz bewusst diffamiert," sagte Innenminister Caffier zu Beginn seiner Ausführungen.
Er nahm noch einmal Bezug auf die vom Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP) geäußerten Kritiken. Die Darstellungen des Bundesvorstandes der GdP sollten nach den Worten des Ministers einzig und allein dazu dienen, die teilweise seit Jahren gegenüber dem Bund und den Ländern erhobenen personellen und materiellen Forderungen durchzusetzen. Dabei sei das sogenannte Strategiepapier "Einsatz" der Gewerkschaft der Polizei nicht neu. Bereits im Jahr 2003 aufgelegt, formuliert es aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei Unzulänglichkeiten bundesdeutscher Polizeieinsätze der vorangegangenen Jahre und setzt diese in Forderungen um.
Zur geäußerten Kritik an der Unterbringung der Polizeikräfte erinnerte der Minister noch einmal daran, dass von insgesamt 17.494 Einsatzkräften in der Spitze des Einsatzes 11.178 Beamte in Hotels und Pensionen des Landes und 902 Kräfte in hervorragend hergerichteten Unterkünften der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege in Güstrow untergebracht wurden.
Der Innenminister stellte dar, dass mit der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) KAVALA keine Organisation geschaffen wurde, die jenseits staatlicher Kontrolle und außerhalb der demokratischen Prinzipien des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz agierte, sondern sie war Bestandteil landespolizeilicher Strukturen.
Eine Besondere Aufbauorganisation wird immer dann eingerichtet, wenn die Grenze der Leistungsfähigkeit der Alltagsorganisation überschritten werden. Die Einrichtung einer BAO ist kein Einzelfall, sondern findet sich in der bundesweiten polizeilichen Praxis viele Male in unterschiedlichster Ausprägung im schutzpolizeilichen und kriminalpolizeilichen Bereich wieder.

Polizeieinsatz am 2.06.2007 in Rostock
Verwundert zeigte sich der Minister über die Aussage von Verbänden im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am 13.07.2007, dass die Vermummung von Versammlungsteilnehmern nur dem Schutz vor der Polizei diente.
Er empfahl dem Vertreter dringend, sich eingehender mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und den Regelungen des § 17 a Abs. 2 und § 27 Versammlungsgesetz zu beschäftigen. "Die Menschen in unserem Land werden weder durch den Staat noch durch seine Repräsentanten bedroht! Art. 8 GG schützt eines unserer höchsten Rechtsgüter. Wer friedlich und ohne Waffen seinem Recht nachgeht sich zu versammeln, um seine Meinung öffentlich zu äußern, genießt den Schutz unserer Polizei", betonte Innenminister Caffier.
Als Steine und Flaschen flogen sowie Polizeibeamte im Rostocker Stadthafen massiv angegriffen wurden, schritt die Polizei ein, um erkannte Straftäter entweder beweissicher festzunehmen oder diese an der weiteren Begehung von Straftaten zu hindern.
Die Kritiker sollten hier nicht Ursache und Wirkung verwechseln, wenn sie behaupten, die Dynamik am 02.06.2007 in Rostock sei von der Polizei ausgegangen. "Eines wird die Polizei nie zulassen: rechtsfreie Räume!", sagte der Minister.
Die Rostocker Gewerbetreibenden haben sich bei den Polizeibeamten öffentlich bedankt, dass die Innenstadt durch den Schutz der Polizei von Ausschreitungen verschont blieb. Diesen Dank und diese Anerkennung vermisse der Minister in der öffentlichen Diskussion gelegentlich.

Ingewahrsamnahmen, Festnahmen
Im Verlaufe des gesamten Polizeieinsatzes kam es zu 459 Festnahmen und 646 Ingewahrsamnahmen, zuzüglich 7 Identitätsfeststellungen mit kurzzeitiger Freiheitsbeschränkung. Von diesen Freiheitsentziehungen waren 852 deutsche und 260 ausländische Staatsangehörige betroffen. Von den 1.112 Freiheitsentziehungen richteten sich 164 Freiheitsentziehungen gegen Personen der rechten Szene zum Schutz friedlicher Gipfelkritiker.
Mit Stand vom 24.09.2007 wurden bzw. werden bei der Polizeidirektion Rostock 1.121 Strafanzeigen sowie 298 Ordnungswidrigkeitenverfahren aus dem Gesamteinsatz der Polizei bearbeitet. 1.063 Verfahren wurden an die Staatsanwaltschaft Rostock abgegeben.
Gegen Polizeivollzugsbeamte wird nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Rostock in 56 Fällen ermittelt. 33 Verfahren gegen Polizeibeamte wurden zwischenzeitlich nach §170 (2) StPO eingestellt, weil ein Straftatverdacht sich nicht bestätigt hat. In 23 Fällen sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.
Der Minister würde es sehr begrüßen, wenn jeder, der sich in seinen Rechten verletzt sieht, die in unserem Rechtsstaat möglichen Wege beschreitet und ggf. auch entsprechende Klagen führt. "Nur so habe ich die Gelegenheit, unberechtigte Vorwürfe zu entkräften und bei berechtigten Verfehlungen die notwendigen Konsequenzen zu ziehen."

Technische Amtshilfe der Bundeswehr
"Ich habe zunehmend den Eindruck, dass die Politik die Debatte darüber, was die Bundeswehr im Inneren der Bundesrepublik Deutschlands darf und was sie nicht darf, auf Kosten unseres Einsatzes führt", stellte Innenminister Lorenz Caffier zu Beginn seiner Ausführungen fest. "Wir haben in einem geordneten Verfahren einen Antrag auf Amtshilfe bei der Bundeswehr gestellt. Dieser ist vom Bundesministerium für Verteidigung in eigener Zuständigkeit und Verantwortung verfassungsrechtlich geprüft und anschließend bewilligt worden."
Für Aufklärungsmaßnahmen wurde um den Einsatz von Flugzeugen des Aufklärungsgeschwaders zu Aufklärungszwecken mit entsprechender Auswertetechnik und Personal für die Auswertung gebeten. Dabei sollten zur Erkennung möglicher Erddepots sowie zur Erfassung von Manipulationen an wichtigen Straßenzügen im Einsatzraum Aufklärungsflüge durchgeführt werden. Beabsichtigt war zunächst eine Aufklärungsflugeinheit etwa 14 Tage vor und eine Aufklärungsflugeinheit mit Beginn der Einsatzphase.
"Polizeiliche Lagen entwickeln sich jedoch nicht nach einem vorher festgelegten Drehbuch. Auf polizeiliche Lageveränderungen muss die Polizei flexibel reagieren und Handlungsalternativen entwickeln, um die Lage zu bewältigen und die Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten oder aber wiederherzustellen", führte der Minister weiter aus. Flüge der Aufklärungstornados im Rahmen der angeforderten Aufklärungsflugeinheiten erfolgten, und das habe er ebenfalls bereits dargestellt, am 15.05., 22.05., 30.05., 31.05., 04.06. sowie am 05.06.2007. Die am 30.05. und 04.06. durchgeführten Flüge konnten aufgrund von technischen Fehlfunktionen bzw. wegen schlechten Wetters nicht in Gänze durchgeführt werden und wurden deshalb am jeweiligen Folgetag vervollständigt.
Somit wurden im Auftrag der BAO KAVALA insgesamt vier Flüge und zwei Wiederholungsflüge durchgeführt.
Der Minister verwahrte sich gegen Darstellungen, die den Eindruck erwecken, als habe der Polizeiführer der BAO KAVALA eigenmächtig Entscheidungen getroffen, die über seine Kompetenzen hinausgingen. "Ich wiederhole gern noch einmal, dass die politische Grundsatzentscheidung zur Anforderung technischer Amtshilfe bei der Bundeswehr, dies schließt auch die Anforderung von Luftaufklärung ein, durch mich als zuständigen Minister getroffen worden ist. Innerhalb dieser Grundsatzentscheidung waren der Polizeiführer der BAO KAVALA und die von ihm beauftragten Mitarbeiter autorisiert, weitere Absprachen zur Umsetzung dieses Auftrages mit der Bundeswehr zu treffen."
Die BAO KAVALA und das Aufklärungsgeschwader 51 beurteilten, dass nur mit Durchführung zusätzlicher Flüge der Gesamtauftrag erfüllt werden konnte und gingen richtigerweise davon aus, dass diese Flüge in dem vom Bundesministerium der Verteidigung und vom Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern gebilligten Rahmen lagen. Die BAO KAVALA und das Aufklärungsgeschwader handelten selbständig im Sinne der jeweils übergeordneten Führung in strikter Umsetzung der Auftragstaktik.
"Ich habe", so der Minister, "in diesem Zusammenhang keinen Ministervorbehalt formuliert. Bei der Beantragung und der Gewährung von technischer Amtshilfe gem. Art. 35 Grundgesetz bedarf es weder eines Ministerantrages noch der Genehmigung eines Ministers. Dies sieht weder die Verfassung noch ein Gesetz oder eine Verordnung vor. Technische Amtshilfe, gerade in hoch dynamischen und flexiblen Lagen, kann von jeder autorisierten Stelle und von jedem autorisierten Polizeibeamten angefordert werden."
Innerhalb der BAO KAVALA war für Maßnahmen des Bodenabgleiches der Einsatzabschnitt 1 Aufklärung vom Polizeiführer der BAO KAVALA als zuständige Organisationseinheit bestimmt. In dieser waren der Vertreter des Einsatzabschnittsführers Aufklärung, ein Beamter des höheren Polizeivollzugsdienstes (ein Kriminalrat), sowie eine seiner Sachbearbeiterinnen (eine Kriminalkommissarin) für die direkte Zusammenarbeit und die Kommunikation mit dem Aufklärungsgeschwader verantwortlich. Die Kommunikation mit dem Aufklärungsgeschwader 51 erfolgte also über diese Schnittstelle. Dies bedeutet nicht, dass, wie häufig dargestellt, eine Kommissarin eigenständig darüber entschied, ob Tornados fliegen oder nicht und dass sie aus eigenem Ermessen per Handy Tornados orderte. Der Entscheidung zur Anforderung der Aufklärungsflugzeuge ging in jedem Einzelfall eine Analyse und Bewertung der Lage im zuständigen Einsatzabschnitt sowie im Lagezentrum der BAO KAVALA voraus. Die Mitteilung über die Notwendigkeit weiterer Flüge erfolgte dann über die oben genannte Schnittstelle durch die besagte Kriminalkommissarin.
Insgesamt wurden der BAO KAVALA 97 prüfungsrelevante Luftaufnahmen übergeben.
Mit Hilfe der durch die Bundeswehr gelieferten Bilder wurden unter anderem mögliche Blockadestellen erkannt und in das Aufklärungskonzept übernommen. Bei den Überflügen der Fahrtstrecken wurde festgestellt, dass keine Aushöhlungen, Unterspülungen oder andere relevante Veränderungen vorhanden waren. Dies, so betonte der Minister, sei eine für den Polizeieinsatz notwendige und wichtige Feststellung gewesen.

Gefangenensammelstellen
Zum Zugang von Rechtsanwälten zur Gefangensammelstelle sagte Innenminister Caffier: "Selbstverständlich hatten Anwälte keinen Zugang zum Bereich der Sammelzellen. Ich habe noch nie einen Anwalt neben einer Zelle in einer Justizvollzugsanstalt sitzen sehen. Das genau aber war Anliegen und Wunsch der Anwälte des Republikanischen Anwaltsvereins. Wörtlich wurde ein Aufenthalt bei den Sammelzellen gefordert. Die Anwälte wollten sich direkt an den Gewahrsamszellen innerhalb der GESA aufhalten können, um dort durch die Gitter ihre Mandanten zu betreuen oder Anbahnungsgespräche führen zu können. Dieser Wunsch konnte aus Sicherheitsgründen nicht erfüllt werden."
In der Folge stellte der Minister die konkreten Bedingungen in den beiden Gefangensammelstellen dar und betonte, dass insbesondere die Vorgaben aus der jüngsten Rechtsprechung, u. a. des Bundesverfassungsgerichts und des VG Lüneburg, bei der Einrichtung und dem Betrieb der Gefangenensammelstellen ausreichend Berücksichtigung fanden.
Er erinnert nochmals daran, dass die Menschenrechtsorganisation amnesty international am 01.06.2007 die Gelegenheit wahrgenommen hatte, sich über die Bedingungen in der Gefangensammelstelle zu informieren. "Ich habe mir berichten lassen, dass das Besuchsprogramm in einer offenen und konstruktiven Atmosphäre verlief und dass die Vertreter von amnesty international erklärten, umfassend und besser als erwartet informiert worden zu sein", so der Minister.
Die in der Gefangenensammelstelle Industriestraße eingesetzten Sammelzellen wurden von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen angefordert. Dort werden diese seit vielen Jahren in besonderen Einsatzlagen verwendet.

Nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr
Besonders hob der Minister die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr hervor. Insgesamt habe sich bestätigt, dass das Führungs- und Einsatzkonzept richtig angelegt war. Es war gemeinsam durch die drei kommunalen Gebietskörperschaften Bad Doberan, Güstrow und Rostock sowie das Innenministerium, das Sozialministerium und das Landesamt für zentrale Aufgaben und Technik der Polizei, Brand- und Katastrophenschutz erstellt worden.
Durch die Konzentration von Entscheidungskompetenz an einem Ort (Rostock) konnten personelle Engpässe auf der Führungsebene minimiert werden. Mit den somit über 2.300 vor Ort stationierten Einsatzkräften und weiteren 400 Einsatzkräften als Landesreserve konnten insgesamt beim G8-Gipfel 746 nichtpolizeiliche Einsätze erfolgreich bewältigt werden.
Grundsätzlich gilt es jetzt, die gewonnenen Erfahrungen zu nutzen, um die vorhandenen Konzepte zur nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr, insbesondere für Rettungseinsätze bei einem Massenanfall von Verletzten, weiterzuentwickeln. Die Erkenntnisse aller Beteiligten werden deshalb weiter analysiert, ausgewertet und bei der weiteren Planung berücksichtigt.

Kosten
Mit Stand 24.09.2007 sind von den vom Land bereitgestellten Haushaltsmitteln bisher insgesamt 14.149,2 TEUR ausgegeben worden. Von den vom Bund bereit stehenden finanziellen Mitteln wurden bisher 16.762,4 TEUR abgerufen.
Für eine Reihe von Ausgaben, insbesondere Personalausgaben wie Mehrarbeitsvergütung und Trennungsgeld für die zum Einsatz gekommenen eigenen Kräfte des Landes Mecklenburg-Vorpommern und einsatzbedingte Mehrausgaben für Polizeikräfte anderer Länder liegen noch keine bzw. keine vollständigen Abrechnungen oder Rechnungen vor. Zu den einsatzbedingten Mehrausgaben für die Polizeikräfte anderer Länder befinden sich momentan Abrechnungen in Höhe von 14.386,0 TEUR in der Prüfung. Es handelt sich hier weit überwiegend um Teilabrechnungen von bisher 10 Ländern.
Abschließend betonte Innenminister Lorenz Caffier, dass allen Kritikern und Besserwissern zum Trotz Mecklenburg-Vorpommern bewiesen habe, dass es sehr wohl in der Lage ist, ein Weltereignis wie den G8-Gipfel erfolgreich zu schultern. "Auch wenn die einsatztaktische Nachbereitung noch nicht abgeschlossen ist, sollte heute alle Fragen, die für die politische Nachbereitung des G8-Gipfels von Bedeutung sind, umfassend beantwortet sein."

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Balkan Anarchists of Northern Europe: "Sooner or later you will all be in trouble."

As it turns out, the words of an undercover cop in Berlin's Kreuzberg district during the street fights of the Walpurgis night some weeks before the G8 summed up the German police's reasoning in repressing our counter-summit. We saw how tactfully they treated Saturday's 2nd June mass demo and the blockades that followed. And yet the violent raids of housing collective projects and old haunts of Berlin and Hamburg outlined that they had decided to attack, and did so successfully, in two levels. First, they targeted those who got in trouble later, comrades known to them from the past: Anarchists, leftists and other activists were given the hint by house raids days before the summit. Then there were those who got in trouble sooner, that is, as they joined the movement. All it took was making the mistake of finding oneself at the front line: Water cannons, tear gas and rubber bullets proved the undercover cop of Kreuzberg right.
For those who have been in trouble some time now and for those who confronted the police for the first time the counter-summit of Rostock was surely some key point. You could see this in the eyes and words of people who, even before starting off their journey to Germany, spoke out clearly: If mistakes of recent summits were to be repeated, Heiligendamm could easily, without any sense of exaggeration, mark the end of this movement - what we like to loosely describe as the movement against the globalisation of sovereignty.
So what happened? The next few paragraphs comprise a first attempt of writing down and analysing our experiences from the counter-summit of Heiligendamm. The text might, at some points, seem aggressive; yet this is only because we have an agony and lust to see all of the energy concentrated in Northern Germany in early June finally get channelled through more effective directions. We therefore ask that the stark style of the text is not misunderstood: This is nothing but a cry for thinking more before we act. Yes, mistakes were made; yet the fact that we all found ourselves there, that we are still standing, talking of our experiences, is a statement in itself: Not only are we not finished, but we are arising again and sooner or later we'll be stronger than ever!

The Limits of Activism
Imagine: A young demonstrator arrives at one of the three camps that hosted us, all in the perimeter of the red zone. In which of the three they ended up was probably decided by random yet it largely mediated their experience of the counter-summit. For example, the atmosphere in the camp of Rostock (largely dominated by people of the organised/reformist Left) was entirely different to that of Reddelich (with a mass presence of individuals from the anarchist/anti-authoritarian scene) and that, in turn, must have been entirely different to the Wichmannsdorf camp, for which we have no personal opinion since we did not make it there. All in all, we did not find each other; this was the precise problem in an otherwise perfectly organised plan of actions. True: since our aim was set as being the complete blockade of the red zone our scattering in three camps, one convergence centre and tens of small affinity groups was necessary and largely effective. Yet in the name of a largely symbolic success (the temporary blockading of the red zone) we sacrificed a much more important process of communication and networking. Surgery-like-repression that followed now appears almost like a direct outcome of our very own scattering and self-exile. By denying ourselves the mass element in our protests we break up in small groups and individuals that are highly vulnerable to the attacks of the police. By fetishising activism we act under the handicap of being unable to select the terrain of the clash. Worse even, whatever attempted clash then takes place under near-military terms - at which we are (thankfully!) incompetent.

On Counter-violence, Once Again
So in what 'are' we "competent"? This is a good time to look back to our experiences from previous counter-summits and see where they were successful. A common point of all counter-summits (Rostock included) was that the black block acted largely as a people's defence against the police. This is something recognised by most: During the 2nd of June demonstration in Rostock, the vast majority of the demonstration's participants stayed and mixed with the black block once the clashes started, making any serious attack from the police impossible. This is a fact the police were quick to realise and act upon, hence Rostock did quite likely signal an end to the old distinction between peaceful and violent protesters. From now on, cops attack both.
This change in the attitude of the police contributed to the most important change in this summit compared to the counter-summit of Scotland: The big blocks (e.g. those of the Block G8 coalition) were significantly more diverse than in 2005 - bringing together anyone from NGOs to activist groups dealing with specific issues, giving a less reformist touch to the mobilisation as a whole. Should these blocks have been entirely reformist, they would have avoided clashing with the police - which is not what happened. In this regard the Campinski agreement worked: Each group acted in the manner it chose to, respecting the choices made by other groups, giving a notable diversity to the actions that occurred. It is needless to say that it comes as no surprise that ATTAC "condemned and apologised" for the actions of other groups on their behalf: We could expect no different from an organisation with so strong pro-systemic characteristics and attitude.

Precarity and Internalised Repression
The vast majority of people who found themselves at Rostock transcended the limits set in previous counter-summits. They were successful in acting in a subversive and a unifying manner - at least avoiding clashing with other elements of our movement. In this sense, the conditions were ideal for Rostock to become a high point in the long journey of counter-summits. This never happened. Why not? We tried to answer this question: Why wasn't the German police not trounced, even if their 'tough' reputation collapsed? During this process the words of Kreuzberg's undercover cop came to mind. People get in trouble sooner. The police's strike is one step before pre-emptive repression. Starting by crushing the Autonomen's movement in the late eighties the German State was careful to secure that whatever new generation of Autonomen would not easily arise. Beyond the typical direct attack against known persons and groups repression was much more effective when targeting basic infrastructure of our movement in Germany. The treacherous and highly effective "legalisation" of squats in the late eighties means that in 2007 many such spaces are under the immanent threat of normalisation. Even when that does not happen individuals and groups might resort to their self-policing in order to avoid outside threats. In this way the excessive defence of our private spaces deprives our public actions from their necessary dynamism. Signatures put on legalised squats' contracts in the eighties were at the same time signing the agreement for the self-policing of our movements two decades later.

Smash the cities, not the crops!
The return to the city creates expectations. For more than half a year, the word on plan B had circulated around anarchist/autonomous circles. Constantly, throughout all "preparations" the voices of this alternative suggestion were heard loudly, sneaking their way into nightly circles and arousing fantasy and creativity! Our targets are not the pre-set meetings of the sovereign, where the entire repressive mechanism awaits us. Our targets can only be the structures challenging and limiting us daily. The bank's local branch, that MacDonalds outlet poisoning young kids, those forces gentrifying the town's historical centre. Those who design the New Berlin, which in order to exist, will have to be sold, bit by bit, to the hungry eyes of clueless global elite tourists. Our targets are many and so are the brilliant ideas (many comrades travelled all the way to Berlin only for these ideas). They returned to Berlin bidding to strengthen the cry for help from locals dreaming of a sudden break of light in-between the increasing darkness of the statist plans to exterminate all subversive action.
The trains from Rostock are heading towards Berlin in full capacity - group tickets instead of carriage occupation, perhaps an indication of low spirits? Departures already start from Thursday afternoon, second day of the blockades, and then there's another split, we are leaving despite tens of comrades still being piled up in the detention units. Back in Berlin, we're finally playing at home, we can finally breathe freely, the kind of air only available in the camp after June 2nd. At night the first fliers calling for a reclaim the streets party at Berlin's Hackescher Markt appear, figuring masked up people running with their fists in the air, the tension rises, how could we sleep, we wonder around Oranienstrasse, meetings with groups of comrades from all corners of the world, what kind of plans are there, what plan are you going for... On Friday the whole of Kreuzberg is full of fliers, everyone's waiting for the party, the affinity groups are reaching the apogee of co-ordination, everyone has decided where they stand, more or less convinced of the validity of their decision. Last meetings before the action and ... void. Local groups pull out of the plan, why, because of insufficient planning? Excessive risk? Overridden capacities? Some void. But we keep going. The rest of us are at guard. The reclaim the streets party breaks out and asks for the city's attention, of the police, the air force... The night passes tortuously slow, you keep looking at your watch, much-promising meetings, we are blockading the centre of town until the promises are fulfilled. Yet one after the other disheartening news arrive. The tune of a violin in Rosentaler Platz, the only musical background to our party! People we did not invite ask to join the feast, they come to support what we left without any support. Why didn't we invite the whole of the city to our party? Our Reclaim the Streets never turned into the demonstration we wanted to see, it never turned into a party, there were too few of us and we were on our own. A social movement's confinement. Plan B had ended before it even started, it died inside us because we never believed in it. Once again, self-policing.
We painlessly return to our homes, our squats, our neighbourhoods. We dive deep into each others' gaze to see if we can feel what we had felt... Some leave the country to report back to others, many remain to organise anti-repression. There is no need. The punishment is instant: wasserwerfer, pepper spray, baton hits, broken noses, arrests, detention units. Passive presence is punished at equal with active resistance. The unprecedented stance of the cops, "there are no peaceful protesters" brought about a new concept in the insofar "peaceful" demonstrators' circles: "There are no peaceful protests!" In the night of June 8th and after the last few delegates had retreated from the zone, our last comrades were also released from the dungeons of democracy, only to face the paranoia of neo-Nazism waiting for them outside the detention centres. Once again our lawyers came to our rescue, the law now standing as the sole escape route from a paranoid reality, holding us by the hand and leading us to the path of legality... And so the week to follow has nothing to ask from us, from the convergence space, the occupations; after the withdrawal of the powerful, it is all over.
Lights out, the spectacle is over but the stage is not yet empty, it stays full of our daily local struggles. The summits of resistance give us the chance to communicate, exchange and organise our next actions. We don?t see them as the milestone of our fight but as an opportunity to enrich the form of our local struggles and maybe as a reminder that we don?t need the spectacle at all in order to unite our resistance globally.

Balkan Anarchists of Northern Europe, balkan[at]occupiedlondon.org

[http://www.occupiedlondon.org/soonerorlater]

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Mustafa, Yilmaz & Ibrahim: G8 und die Diskussionen nach dem 2.6.2007
Beitrag zu den Diskussion der G8-Broschuerengruppe zum 2. Juni in Rostock

Offener Brief an die Broschürengruppe protest.widerstand.perpektive
Oktober 2007

Liebe Genosinnen und Genossen, die ihr die Broschüre protest.widerstand.perspektive herausgegeben habt,

wir haben vor einiger Zeit Eure Broschüre in die Hände bekommen und sie hat uns in großen Teilen begeistert. Wir haben die einzelnen Texte hier zusammen diskutiert und sind zu dem Schluß gekommen, daß zwar die einzelnen Texte der Broschüre von unterschiedlicher Qualität sind, aber dass wir in den letzten Jahren selten eine so fundierte Stellungnahme etwa zur Gewalt der Herrschenden und zur Gewalt der Unterdrückten gelesen haben wie in Eurer Broschüre.

Wir haben uns auch darüber gefreut, dass Ihr mit der Broschüre nicht nur ein Statement abgeben wollt, sondern Eure Positionierung als Beitrag zu einer weitergehenden Diskussion versteht und deshalb schreiben wir Euch, um Euch unseren Diskussionsstand mitzuteilen und um Euch um Antwort zu bitten.

Wir haben in unserer Gruppe beschlossen, dass wir vor allem drei Punkte genauer mit Euch diskutieren möchten.
I. Ist eine Spaltung entlang der Gewaltfrage immer ein Sieg der Herrschenden?
Im Text "Geschichte und Perspektiven des Widerstands" geht, es im Abschnitt "Gemeinsam Kämpfen" um Militanz und wir könnten; ,uns vorstellen, dass Ihr diesen Text nach dem pro-polizeistaatlichen Auftreten des "linken Establishments" von Linkspartei über Attac bis hin zu Teilen der IL anlässlich der Kämpfe vom 2. Juni in Rostock inzwischen erneut selbstkritisch unter die Lupe genommen habt. Es heißt dort nämlich auf S. 11, dass es innerhalb der Bewegung zwar nicht um Einheit um jeden Preis gehen könne, aber eine Spaltung entlang der Gewaltfrage doch immer ein Sieg der Bourgeoisie sei und meistens die Schwächung des Widerstands zur Folge habe. Gerade die Hetze bis hin zu Angriffen und Denunziation dieser Figuren des "linken Establishments" nach dem 2.6. zeigen doch eigentlich, dass es die wirklich revolutionäre linke Bewegung stärkt und nicht schwächt, wenn sie klarmacht, dass so etwas wie Hetze gegen den Schwarzen Block bis hin zur Polizei-Kollaboration, direkte Angriffe und angedrohte Rausschmisse und Denunziation nicht geduldet werden. Ja, es ist richtig, dass wir dann ein paar weniger sind; aber wäre das denn wirklich ein Verlust? Es ist schon richtig, wir sollten uns nicht über jeden Pipifax streiten und spalten lassen. Das nützt am Ende tatsächlich den Herrschenden. Aber in grundlegenden Fragen ist es unserer Meinung nach richtiger und wichtiger, klar Position zu beziehen und das in Kauf zu nehmen.
Warum "hacken" wir so auf diesem Punkt herum? Weil es uns nicht nur um diesen Punkt isoliert betrachtet geht, sondern weil wir darüber hinaus - und das wollen wir auch an den weiteren Punkten, die wir mit Euch diskutieren möchten, erklären -, das Gefühl haben, dass Euch "die Einheit" doch schon ein sehr großes Anliegen ist. Und wir haben den Eindruck nicht in einem positiven Sinne von einem gemeinsamen Kampf mit Klarheit über die gemeinsamen Ziele, sondern - na ja, vielleicht ist das jetzt eine Übertreibung - im Sinne einer möglichst breiten Einheit, die man erhalten möchte und deshalb nicht klar ausspricht, was man eigentlich denkt.

II. Die Rolle des deutschen Imperialismus für uns
Wir möchten dies anhand des Textes "Zu den aktuellen Verhältnissen im globalen Kapitalismus" näher erklären. In diesem Artikel gibt es einige unserer Meinung nach richtige Darstellungen zum deutschen Imperialismus. Es wird erklärt, dass Deutschland die entscheidende Kraft innerhalb der EU ist und die aggressiv imperialistische Rede Steinmeiers von München 2006 wird zitiert (S. 18). Andererseits ist dann von einem "EU-Block" die Rede und die eigenständigen imperialistischen Interessen Deutschlands u.a. gegen die USA, aber auch gegen andere EU-Länder (etwa Frankreich) sind kein Thema.
Hier ist also "für jede/n etwas dabei", hier kann sich jede/r seine "Lesart" heraussuchen: Von denjenigen, die innerhalb der linken Bewegung den Kampf gegen den Weltimperialismus vorrangig gegen den US-Imperialismus führen wollen und das dann soweit treiben, den deutschen Imperialisten Ratschläge mit auf den Weg zu geben, wie sie sich als "Werbemaßnahme" gegenüber den Völkern der Welt als die "bessere" Alternative darstellen können, bis hin zu den Kräften, die wirklich den deutschen Imperialismus bekämpfen wollen.
Und da sind wir wieder beim Thema "Einheit", beim Thema, ja niemandem auf die Füße treten zu wollen. Niemandem ist geholfen, wenn Stellungnahmen so formuliert sind, dass jede/r sich seine Interpretation herauslesen kann. Aus dem einfachen Grund, weil dann keine Diskussion darüber entsteht, nichts wirklich geklärt wird und jede/r sich "seinen Teil denkt".
Aber wäre es nicht gerade wichtig, sich an diesem Punkt zu positionieren und zu sagen: Wir kämpfen gegen den Weltimperialismus, gegen alle imperialistischen Länder, aber als revolutionäre Linke in Deutschland müssen wir diesen Kampf auf den deutschen Imperialismus zuspitzen und werden deshalb Positionen zurückweisen und deren Schlussfolgerungen aufzeigen, die - in ihrer reaktionären Variante - unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den US-Imperialismus den deutschen Imperialismus als "völkerfreundliche Alternative" anpreisen und den Widerstand im Grunde in pro-deutsch-imperialistische Bahnen lenken wollen oder - in ihrer abgemilderten Variante - den deutschen Imperialismus unterschätzen?

III. "Zusammenbruch des sozialistischen Lagers" und "Stalinismus"?
Ihr seid für den Kommunismus, für die Perspektive einer klassenlosen Gesellschaft (S. 24 f.) und auch für eine Phase hin zu dieser klassenlosen Gesellschaft, in der als Vorstufe noch die alten Konterrevolutionäre und Ausbeuter unterdrückt werden müssen. Soweit sind wir bei Euch.
Aber wir fragen uns, welche genauere Vorstellung Ihr dazu entwickelt habt, wie Ihr Euch das vorstellt, woran Ihr Euch da orientiert, auf welche geschichtlichen Beispiele Ihr Euch dabei beruft. Und hierzu finden wir im Grunde wieder "für jeden etwas" in Euren Texten mit Formulierungen wie "Zusammenbruch des sozialistischen Lagers" (S. 6) oder "Zusammenbruch des Staatssozialismus" (S. 9), ohne dass genauer darauf eingegangen wird, warum und wann dieser Zusammenbruch stattgefunden hat.
"Für jeden etwas": für diejenigen, die sagen, in der Sowjetunion sei schon seit der Oktoberrevolution alles den Bach herunter gegangen, für diejenigen, die heute polizeistaatliche Regimes mit restauriertem Kapitalismus wie in China, Kuba, Nordkorea usw. propagieren und für "verteidigungswert halten" oder diejenigen, die behaupten ja Gorbatschow habe den Ausverkauf der Sowjetunion abgewickelt, aber vorher, mit Breschnew, sei alles besser gewesen. Und auch wir können uns ein stückweit in dieser Formulierung wiederfinden, obwohl wir eine vollkommen andere Auffassung haben im Widerspruch zu den gerade genannten Positionen, aber vielleicht auch im Gegensatz zu Euch?
Wir denken, um jetzt mal unsere Meinung darzulegen und damit eine Debatte auszulösen, dass noch nie vorher in der Geschichte Arbeiterinnen und Arbeiter im Kampf für die Beseitigung des Kapitalismus und die Abschaffung der Klassen so weit gekommen sind, wie in der Sowjetunion bis Anfang der 50er Jahre. Dass es gelungen ist, dort den Kapitalismus zu restaurieren, wie, wodurch und wann es dazu kam, daß dort eine neue Ausbeuterklasse entstehen konnte, sind für uns auch Grundfragen, die man untersuchen muss.
Um unser bisheriges Diskussionsergebnis nur anzureißen: Wir denken, dass die allgemeine Linie der Kommunistinnen und Kommunisten in der Sowjetunion bis zu Stalins Tod 1953 richtig war. Sein Tod gab den Startschuß, daß konterrevolutionäre revisionistische Figuren innerhalb der KPdSU Morgenluft witterten und denen es gelang, auf dem 20. Parteitag 1956 die Führung der KPdSU zu übernehmen und dabei alle Eckpunkte wirklich kommunistischer Politik revidierten (etwa mit der Behauptung vom "friedlich-parlamentarischen Weg). Nicht nur in der Innenpolitik, sondern zunehmend sichtbar auch in einer konterrevolutionären auf die wirtschaftlichen Vorteile der neu entstandenen Bourgeoisie abgerichteten Außenpolitik, die nichts mehr mit proletarischem Internationalismus zu tun hatte, reaktionäre Regimes unterstützte und selbst nicht davor zurückschreckte, revolutionäre Kräfte innerhalb von antiimperialistischen Bewegungen niederzuschlagen (wir erinnern nur an Afghanistan in den 1970er/80er Jahren).
Wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte? Gab es darin Einschnitte oder war dies ein schleichender Prozess? Welche Rolle etwa die Tatsache spielte, daß im Kampf gegen die Nazi-Faschisten Tausende und Abertausende sowjetische Kommunistinnen und Kommunisten ermordet wurden? Wurden die aufkommenden revisionistischen Element nicht genügend bekämpft? Wurde
nicht umfassend gegen Bürokratismus, Verspießerung und falsch verstandene Parteidisziplin gekämpft und nicht genügend Kritik und Selbstkritik als Motor der revolutionären Entwicklung betont? War die allgemeine Linie richtig, aber gab es Mängel in der Umsetzung? Wir haben diese Fragen im Zusammenhang mit der Analyse der Ursachen für die konterrevolutionäre Restauration in der Sowjetunion diskutiert und würden unser bisheriges Diskussionsergebnis gerne mit Euch teilen, aber dies soll erst einmal genügen.
In diesem Zusammenhang ist es uns ein Anliegen, einen weiteren damit zusammenhängenden Punkt zu kritisieren. Ihr bzw. Laura im Interview "Politische Militanz gestern und heute" sprecht auf S. 42 "von der Entartung in Form des Stalinismus", wo "jegliche Gewalt, selbst gegen Kommunistinnen und Kommunisten, die eine andere Linie verfolgten, als notwendig betrachtet" worden sei.
Reden wir mal gar nicht davon, daß Ihr in diesem Zusammenhang überhaupt von "Entartung" sprecht. Aus diesem Seitenhieb gegen den "Stalinismus" ist für uns klar, daß da viel Diskussionsbedarf angelegt ist. Wir wollen Euch zunächst einmal folgendes zu bedenken geben: Macht es Euch nicht stutzig, dass sich beim "Thema Stalin" in Deutschland auf einmal alle - bürgerliche Antikommunisten, Revisionisten, Trotzkisten, Anarchisten, Autonome - einig sind und die Bourgeoisie mit dem ganzen zur Verfügung stehenden Apparat der bürgerlichen Medien, in Schulen und Unis Lügengeschichten in Umlauf bringen? Macht es Euch nicht stutzig, daß Stalin besonders in Deutschland so gehaßt wird? Unsere Meinung hierzu in aller Kürze: Die sozialistische Sowjetmacht hat unter Anleitung Stalins den entscheidenden Anteil daran gehabt, daß Nazi-Deutschland besiegt werden konnte. Schon das sollte Anlass genug sein, sich tiefgehend, ehrlich und solidarisch damit auseinanderzusetzen, warum Stalin insbesondere in Deutschland mit solchem geifernden Hass begegnet wird. Eine solche Auseinandersetzung wäre unserer Meinung nach die Voraussetzung, um sich kritisch - so kritisch wie mit dem Werk von Marx oder Lenin - mit dem Werk Stalins, mit seinen Schriften und auch seiner Praxis auseinanderzusetzen.
Soweit erst mal die Themen, bei denen wir mit Euch weiteren Diskussionsbedarf sehen und warten gespannt auf Eure Antwort.

Mit internationalistischen Grüßen

Mustafa, Yilmaz & Ibrahim

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Aufruf Antiterroristisches Wochenende 12.-14. Oktober 2007

Vom 12. – 14. Oktober ist es soweit. Auch Sie können dann aktiv an der Seite unseres Bundesinnenministers Dr. Wolfgang Schäuble die Bemühungen für die Innere Sicherheit unterstützen. Nehmen Sie mit aller Entschlossenheit den Kampf gegen den internationalen Terrorismus auf.

Vorbei mit Duckmäusertum und halbherzigem Rumgezeter! In ganz Deutschland werden die drei Tage von Freitag bis Sonntag zu einer Demonstration des Schulterschlusses mit dem Anti-Terror-Kampf! Unterstützen Sie selbst die Sicherheitskräfte dabei, sämtliche terrorverdächtigen Gegenstände und Utensilien für immer in den Asservatenkammern zu verschließen. Dezentral – in jeder deutschen Kleinstadt, auf dem Land und in den Metropolen sind alle Menschen dazu aufgerufen, Terrorverdächtiges bei den nächsten Polizeidienststellen abzuliefern:

* Bringen Sie Wecker, Uhren und Drähte, die Ihnen in Ihrer Umgebung bedenklich erscheinen zum nächsten Polizeirevier. Diese Dinge könnten zum Bau von Zeitzündern dienen. Solch gefährliches Zubehör wurde im Mai 2007 während Hausdurchsuchungen mit dem Hinweis auf Terrorgefahr beschlagnahmt.
* Mobiltelefone, SIM-Karten, Benzinkanister, Gaskartuschen und Nägel sollen in London und Glasgow Ende Juni 2007 zum Bau gefährlicher Splitterbomben verwendet worden sein. Achten Sie darauf, derartiges nicht länger in Ihrem Haushalt aufzubewahren. Weisen Sie auch in Ihrer Nachbarschaft auf diese Gefahr hin. Überantworten Sie diese Waffenbestandteile der Polizei.
* Leere Weinflaschen wurden in der Vergangenheit immer wieder zum Bau sogenannter Molotowcocktails genutzt. Liefern Sie deshalb sämtliches Leergut bei den Polizeidienststellen ab. Außerdem sollten brennbare Flüssigkeiten in Sicherheitsbehältnissen zuhause eingeschlossen werden. Schützen Sie selbst den Staat, dulden sie keine Bombenwerkstatt in Ihrem Keller!
* Bringen Sie auf jeden Fall auch sämtliche Zitronen in die Sammelstellen der Polizei. Diese gefährlichen Südfrüchte wurden schon 1976 bei den Anti-Atom-Demonstrationen in Kalkar von der Polizei zu »Defensivwaffen« erklärt, weil sie gegen Tränengas schützen. Sie stehen seitdem auf der Liste der geächteten Früchte.
* Gerne nimmt Ihre Polizeidienststelle auch eine Geruchsprobe von Ihnen entgegen. Bei der Gelegenheit können Sie dort auch ein Formular unterschreiben, mit dem Sie die Bundesluftwaffe ermächtigen, Sie als Passagier einer entführten Maschine abzuschießen.

Schließen Sie sich den Gruppen in Ihrer Nachbarschaft an oder gründen Sie selber eine und werden Sie Anti- Terrorismus-Beauftragter. Finden Sie sich pünktlich am regionalen Treffpunkt ein.

Ort:
Straße:
Datum:
Uhrzeit:

(Ihr örtlicher Anti-Terrorismus-Beauftragter)

Nach der Aktion ist vor der Aktion – Verhaltensregeln für die Zukunft Seit der Verhaftung des Sozialwissenschaftlers Dr. Andrej H. aus Berlin am 1. August 2007 ist durch die Bundesanwaltschaft festgestellt worden, dass schon der Besuch von Bibliotheken, ein höherer Bildungsabschluss sowie das Verfassen sozialkritischer Texte einen Terrorismusverdacht begründet.

* Deshalb sollten Sie als antiterroristisch eingestellter Staatsbürger keine Sätze mit mehr als zehn Wörtern sprechen, keine Fremdwörter benutzen sowie Bücher und Bibliotheken meiden.
* Verfassen Sie keine schriftliche Aufzeichnungen, die über die Notizen eines Einkaufszettels hinausgehen.
* Achten Sie auch bei Ihren Kindern auf eine antiterroristische Erziehung. Beispiele für terrorunverdächtigen Satzbau und staatstragendes Vokabular finden Sie in der Bildzeitung. Auch von ausgewählten Sendern werden sie per TV ausgestrahlt. Verbreiten Sie diesen Aufruf als Plakat (Vergrößerung evtl. in DIN A3 ist empfohlen) und als Flugblatt.

Lassen Sie zuvor von Ihrem örtlichen Anti-Terrorismus-Beauftragten den Treffpunkt eintragen. Er wird die Sammelaktion und den gemeinsamen Gang zu den Polizeidienststellen koordinieren. Kontakt: helftschaeuble@gmx.de ViSdP: Markus Kirch, Monschau Bitte beachten Sie, dass ausschließlich Terroristen wild plakatieren. Die Aktion selbst soll friedlich, freundlich und mit dem nötigen Respekt durchgeführt werden. Behindern Sie die Polizei nicht bei ihrer sonst anfallenden Arbeit und führen Sie sämtliche Aktionen im Rahmen der bestehenden Gesetze durch. Falls Sie trotzdem im Zuge antiterroristischer Ermittlungen ein Schreiben der Staatsanwaltschaft erhalten, wenden Sie sich bitte an die Rote oder Bunte Hilfe und sprechen Sie auf jeden Fall mit einem Anwalt, ehe Sie antworten. Die Fotos oder die Links zu den Videos sowie die Berichte von Ihrer Aktion schicken Sie bitte an den oben angegebenen e-Mail-Kontakt. Eine Galerie und die Berichterstattung des Antiterror-Wochenendes wird dann auf Politblog.net veröffentlicht.

Dieses Flugblatt ist als download unter http://politblog.net/upload/aufruf.pdf zu finden

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Die Regierung rät: Handy zu Hause lassen schützt vor Lauschangriff

Berlin (LiZ). Wie der Spiegel bereits am 14. Juli berichtete, nutzt die Polizei ferngesteuerte Handys als Wanzen. Zu Umfang, Dauer, verwendeter Technik und rechtlichen Grundlagen dieser Maßnahmen liegt jetzt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vor. Jan Korte, Mitglied im Innenausschuss, findet die Ausführungen der Bundesregierung bemerkenswert: “Wer nicht abgehört werden will, sollte wohl besser die Nähe von Mobiltelefonen meiden. Das legt zumindest die Antwort der Bundesregierung nahe. Darin versucht die Bundesregierung einerseits nichts zu verraten, andererseits aber auch nichts zu dementieren – und stiftet vor allem Verwirrung.”
Bild: Grafik

Während dem Berliner Soziologen Andrej H., gegen den Bundesanwaltschaft und BKA seit September 2006 unter Einsatz sämtlicher technischer Möglichkeiten ermitteln, jeder Versuch, ein wenig Privatsphäre zu wahren, als “konspiratives Verhalten” ausgelegt wird, rät die Bundesregierung offenbar zu genau solchen Vorsichtsmaßnahmen.

So sei “die effektivste Schutzmaßnahme ein Vermeiden des Mitführens von Handys bei Gesprächen mit sensitivem Inhalt”. Ferner wird empfohlen, Mobilfunkaktivität im Raum durch einen Mobilfunkdetektor aufzuspüren sowie sämtliche drahtlose Schnittstellen von Mobilfunkgeräten zu deaktivieren. “Das klingt schon sehr konspirativ. Ist das “Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik” gar ein Fall fürs BKA?”, fragte Korte.

[http://linkszeitung.de/content/view/149014/1/]

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Gipfel-Kritiker besuchen Protestbewegung in Asien

Pressemitteilung 5. Oktober 2007

* Internationale Vorbereitung für G8 in Japan
* Infotour in Japan, Korea, Singapur, Phillipinen, Taiwan und Hong Kong

Eine Gruppe der "AG Infotour" ist diese Woche nach Asien aufgebrochen. Auf zahlreichen Treffen und Veranstaltungen soll der Kontakt zwischen der G8-Protestbewegung in Asien und Europa intensiviert werden. Anfang Juli 2008 soll der G8-Gipfel auf der japanischen Halbinsel Hokkaido stattfinden. In Japan bereitet ein Bündnis von globalisierungskritischen, anarchistischen und umweltpolitischen Gruppen Proteste und Aktionen vor. Auch in Europa wird zu Widerstand aufgerufen.
Die "AG Infotour" des linksradikalen "Dissent-Netzwerk" führte im Vorfeld des G8 2007 mehrere Hundert Informationsveranstaltungen in ganz Europa durch. Diese Form der Mobilisierung hatte zur breiten Protestbewegung in Heiligendamm beigetragen.
"Wir freuen uns über das große Interesse in Japan und umliegenden Ländern an den Erfahrungen vergangener Gipfelproteste", kommentiert eine Teilnehmerin der Infotour. "Nach unserer Rückkehr werden wir mit japanischen AktivistInnen in Europa über die Vorbereitungen gegen den G8 in Japan berichten".
Die japanischen G8-KritikerInnen haben besonderes Interesse an Kontakten zu Gruppen in Italien. Dort soll der G8-Gipfel 2009 stattfinden. Nach massiven Protesten der letzten Jahre muß das G8-Treffen nun in einer Militärbasis auf einer kleinen Insel bei Sardinien abgehalten werden.
Wie beim G8 in Japan wird auch in Italien Antimilitarismus eine große Rolle in der Protestvorbereitung spielen. In beiden Ländern gab es in letzter Zeit große Proteste gegen Militäreinrichtungen der USA bzw. NATO.

Hintergrund
http://gipfelsoli.org/Home/Hokkaido_2008

[AG Infotour | Gipfelsoli Infogruppe]