- CAMP AG UNTERSTÜTZT KLAGEN GEGEN DIE POLIZEI
- Strafbefehl wegen Betretens von Kempinskigelände
- Anarchist Black Cross: Was passiert gerade in Deutschland?
- Bilanzversuch zu den Aktivitäten rund um Flucht und Migration in der Anti-G8-Mobilisierung
- Markus Euskirchen: Der Bundeswehreinsatz in und um Heiligendamm
- Solidaritätserklärung des Dissent-Netzwerkes mit den § 129a Beschuldigten
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CAMP AG UNTERSTÜTZT KLAGEN GEGEN DIE POLIZEI
FONDS FÜR ANTIREPRESSIONSARBEIT
Vor einiger Zeit haben wir über diverse Listen mitgeteilt, daß nach Abzug der offenen Rechnungen und Mitfinanzierungen defizitärer Module noch ein gewichtiger Geldbatzen da ist. Diesen Batzen haben wir aufgeteilt in einen Betrag ausschließlich für Antirepressionsarbeit und einen für die Anschubfinanzierung politischer Projekte. Hierfür haben wir bereits einen Kriterienkatalog angefügt, nachdem Gruppen und Einzelpersonen (vorzugsweise Darlehen) als Anschubfinanzierung für Projekte erhalten können. Hier der Link: www.camping-07.de/content/view/129/178/lang,de
Nun aber zum Geld für Antirepressionsarbeit. Zunächst ein paar Vorbemerkungen zur aktuellen (Anti)Repression
Die den G8-tragende Bewegung steht gerade vor einem schwierigen Problem: Sah es noch kurz nach dem G8 so aus, als befinde sich die Repressionsmaschine (im Vergleich zu andere G8-Treffen) in der Defensive (Starke öffentliche Kritik (zumindest in MV) am Polizeieinsatz, insbesondere: Spitzeleinsatz, Tornadoüberflüge, Käfighaltung und polizeiliche Lügen, über z.B. Giftspritzpistolen der Clowns), sieht die Situation seit einem Monat deutlich anders – nämlich schlechter aus.
Öffentlich wahrnehmbar wird nur noch über die Tornados kritisch diskutiert. Das Verfahren gegen den Lockspitzel wurde ohne nennenswerte Proteste eingestellt und zwar offensichtlich deshalb, weil sich keine Person getraut hat als Zeuge aufzutreten! Polizeiliche Lügen werden nur am Rande kritisiert und hier öffentlich wahrnehmbar ausschließlich über die Linkspartei auf entsprechenden Landtagsverhandlungen. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft, ohne auf öffentlichen Protest zu stoßen die meisten Anzeigen wegen Freiheitsberaubungen eingestellt
Dagegen traut sich die Polizei wieder aus ihren Löchern. 1100 Ermittlungsverfahren hat die Polizei eingeleitet. Davon sind einige Sachen Verfahren, die nur zur Durchsetzung von Polizeimaßnahmen eingeleitet wurden und die eventuell nicht weiter verfolgt wird. Man kann aber vermuten, daß die Staatsanwaltschaft bei einigen hundert davon Strafbefehle bei Gericht beantragen wird, was im Falle von Einsprüchen zu einer massiven Prozesswelle führen könnte. Bei angenommenmen 500 Euro pro Prozess für die Verteidigung sind wir da an Kosten sehr schnell im sechsselligen Bereich.
Das würde weder die CampAG alleine noch zusammen mit anderen Antirepstrukturen schultern können. Neben den finanziellen Belastungen ist das mit der beginnenden Repressionswelle verbundene politische Signal verheerend. Eher verwundert wird in der Presse vor Ort darüber berichtet, daß von den über 1100 Verfahren sich lediglich ca. 25 – 45 gegen die Polizei richten, davon allein 14 Mehrfachanzeigen wegen des Kaperns vom Greenpeaceboot. Das fatale ist: Läßt man Dunkelziffern von allein geführten Hinterzimmerklagen außer Acht sind diese Zahlen eher noch geschönt.
Soweit uns bekannt ist, sind in der vernetzten Antirepstruktur weniger als 15 Anzeigen gegen den Polizeieinsatz am Laufen.
es gibt zwei (gerüchteweise drei) Klagen gegen die Tornadoeinsätze
es gibt eine Klage gehen einen Platzverweis in Heiligendamm vor dem Gipfel
es gibt eine Klage gegen einen Platzverweis in Bad Doberan und eine Klage gegen einen Platzverweis in Rostock
Es gibt weitere wenige Willensbekundungen von Personen gegen den Platzverweis in Heiligendamm vorzugehen.
es gibt eine Beschwerde gegen Durchsuchungen/Beschlagnahmungen (Campschutz Rostock)
es gibt eine Klage wegen einer Augenverletzung durch einen Wasserwerfereinsatz
es gibt ein Vorgehen eines Inhaftierten gegen die Käfighaltung
es gibt eine Klage einer Rechtsanwältin, die durch die Polizei verletzt wurde (bezieht sich aber wohl auf Proteste gegen den ASEAN-Gipfel in HH)
es gibt eine Verfassungsbeschwerde wegen Freiheitsberaubung aufgrund Mitführens eines nicht genehmigten Transpis
vielleicht ein Dutzend Überlegungen gegen direkte Polizeiaktionen vorzugehen – aber noch ist nichts konkretes bekannt
es gibt einige noch laufende Widerspruchsverfahren wegen Freiheitsberaubungen
die angekündigte Sammelklage Wichmannsdorf wartet weiter auf MitmacherInnen und ist noch nicht eingereicht.
In der Tat ist das sehr dürftig. Die sehr gute Arbeit, die von den Antirepstrukturen EA`s, RAV usw gemacht wurden, um den Polizeieinsatz zu diskreditieren, z.B. bei dem Hearing in Berlin, wird verpuffen, wenn da nicht Butter bei die Fische kommt.
Es braucht KlägerInnen! Im Augenblick gibt es von der Camp AG das eindeutige Statement: Wir wollen, soweit das in unserer Hand liegt, politische Antirepressionsarbeit, wie z.B. das Hearing in Berlin oder auch lokale Veranstaltungen finanziell unterstützen. Wir wollen euch ermuntern, ernsthaft darüber nachzudenken, zu klagen gegen erlittene Polizeiübergriffe, Ingewahrsamnahmen, Durchsuchungen, Platzverweise etc. Wir werden dies finanziell unterstützen. Natürlich sollte hier zunächst ein klärendes Gespräch mit AnwältInnen gesucht werden, auch ein solches Gespräch, wenn es denn ernsthaft ist, sollte am Geld nicht scheitern. Natürlich geben wir keine Garantie für eine fnanzielle Unterstützung, irgendwann ist der Topf leer und daas wars, wir hoffen aber mit dem dann zur Verfügung gestellten Geld sinnvolle Antireparbeit unterstützt zu haben.
Wir können uns vorstellen, daß ein juristisch offensives Vorgehen gegenüber den Cops, daß die Polizeibrutalität mehr in die Öffentlichkeit bringt, die Staatsanwaltschaft zur Mäßigung bezüglich der Anzahl der beantragten Stafbefehle oder Widerspruchsbescheiden bringen kann. Die “Investition” in offensive Antireparbeit könnte evtl. helfen, spätere Verfahrenskosten einzugrenzen.
Zur Zeit ist ja auch eine Art Tribunal, der von einem Untersuchungsausschuß des Landtages begleitet wird in Vorbereitung. Dafür ist es allerdings sehr hilfreich, wenn tatsächlich Fakten in Form von beklagten Polizisten und in Klagen gegen Versammlungs und Ordnungsbehörden da sind. Tatsächlich können wir auch Pressemitteilungen der Polizei, 1100 Verfahren gegen uns und ein Duzend gegen die Polizei derzeit nichts Plakatives entgegensetzen, da man dann schon weit ausholen müßte, um zu erklären, warum trotz realer Polizeigewalt Anzeigen gegen Polizisten unterbleiben.
Zu Guter Letzt: Wir sind uns der hohen Verantwortung bewußt, Gelder zu bewilligen für div. Verfahren. Wir werden kontinuierlich über bewilligte oder abgelehnte Zuschüsse auf den Listen informieren. Reguläre Vergabekriterien haben wir bzgl. der Juristerei noch nicht entwickelt, hoffen aber, daß ihr bei der Antragsstellung mitteilt und sehr knapp begründet, für welchen Zweck (Klage, Veranstaltung, Verteidigung) in welcher Höhe das Geld benötigt wird, ob ihr andere Finanzierungsquellen (z.B. langsam funktionierende Refinanzierungsquellen) habt. Bei Finanzzuschüssen zur regulären Verteidigung verweisen wir auch auf Mittel die von Rote Hilfen bereitgestellt werden.
Und auf ins Getümmel:
Wenn euch das motiviert hat und ihr noch Fragen zur Finanzierung von Klagen gegen Cops habt, schreibt an buero@camping-07.de. teilt dort bitte mit,
1.) gegen was ihr vorgehen wollt
2.) was für weitere Beweise es gibt, Zeugen, Video, Fotos, Akten
3.) mit welchen Antirepressionsstrukturen ihr in Kontakt steht
4.) ob ihr schon mit AnwältInnen gesprochen habt, oder ob ihr Kontakt zu AnwältInnen/ Antirepgruppen braucht
5.) Für was – soweit ihr das schon wißt – ihr finanzielle Unterstützung haben wollt (Vorgespräch mit Anwalt, Klageerzwingungsverfahren, 1. Gebühr für verwaltungsrechtl. Verfahren, Sicherheitsleistungen… und in welcher mutmaßlichen Höhe)
6.) eigene Bemühungen, die ihr ergriffen habt, ergreifen werdet aus anderen Strukturen Geld zu bekommen, (lokale Antirepgruppe, Gerichtskostenvorschuß für ALGII EmpfängerInnen)
7.) welche öffentlichkeitswirksdame Begleitkampane/Pressearbeit etc. ihr euch vorstellen könnt /ggflls selber machen wollt.
ACHTET BITTE DARAUF, DASS DIE MAILS VON DER STAATSANWALTSCHAFT MITGELESEN WERDEN, KEINE ANGABEN, DIE DICH ODER ANDERE BELASTEN KÖNNEN, KEINE DETAILIERTEN BESCHREIBUNGEN, DAS LÄSST SICH AUCH IM SPÄTEREn GESPRÄCH IMMER NOCH NACHFRAGEN
Beste Grüße von der Camp AG
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Strafbefehl wegen Betretens von Kempinskigelände
Pressemitteilung
G8-Repression: Strafbefehl wegen Betretens von Kempinskigelände entfacht Streit um illegale Privatisierung von Gemeindewegen durch Fundusgruppe neu. Sonntag Protesaktion in Heiligendamm
Seit 4 Jahren schon streitet die Bürgerinitiative Pro Heiligendamm gegen die Privatisierung von öffentlichen Wegen in Heiligendamm durch die Fundusgruppe. Ebensolange liegt deren Antrag beim VG Schwerin auf Eis, in dem festgestellt werden soll, daß die damals mit Zustimmung von BM Polzin errichtete Sperrung der Verbindng von Heiligendamm zur Strandpromenade und die Sperrung des Ostseewanderweges unter Berücksichtigung eines von der Fndusgruppe in Auftrag gegebenen fehlerhaften Rechtsgutachtens erfolgte.
In diesem wurde damals wahrheitswidrig festgestellt, daß die umstrittenen Wege niemals öffentlich gewidmet gewesen seien. Wie schon mehrfach in den vergangenen Jahren macht die Bürgerinitiative Pro Heiligendamm am kommenden Sonntag von 14 bis 18 Uhr eine öffentliche Begehung der umstrittenen Wege, mit der sie deutlich gegen die zunehmende Privatisierung einer kompletten Gemeinde protestiert. Pikant werden dürfte diese Veranstaltung, da sich auch Personen dort einfinden werden, die die Staatsanwaltschaft des Hausfriedensbruchs angeklagt hat, weil sie im März diesen Jahres auf diesen Flächen angetroffen wurden, die die Fundusgruppe als nichtöffentlich reklamiert. Ihnen soll am 16.10 ab 11 Uhr vor dem Amtsgericht Bad Doberan der Prozess gemacht werden. Dabei spart die ermittelnde Polizei nicht mit starkem Tobak: In den Akten wurde ein harmloser Waldspaziergang im kleinen Wohld (=örtlicher zur Fundusgruppe gehörender Wald) gleich zu einem Ausspionieren der Hotelanlagen umgedeutet.
“Bei soviel Sicherheitshysteie der Strafverfolgungsbehörden im Vorfeld des G8 ist ihnen wohl der Überblick abhanden gekommen”, vermutet Dieter Rahmann, einer der Angeklagten und bei den G8 Protesten mit der Organisation der Camps befasst.
“Entweder hat die Staatsanwaltschaft so schlampig ermittelt, daß sie noch nicht mal gemerkt haben, das bei dem VG Schwerin eben über diese streitbefindlichen “Hausfriedensbruch-Flächen” noch verhandelt wird, die Strafbarkeit der Betretung also gar nicht gegeben ist, oder es ist einfach der Beginn der jetzt anrollenden Repressionswelle wegen allem und jedem, mit der mutmaßliche Anhänger der G8 Proteste jetzt drangsaliert werden sollen,” erläutert er weiter.
“Immerhin hat dieser Prozess trotz des Stresses für die Angeklagten auch etwas Gutes”, so bleibt zu hoffen, das aufgrund dieses Strafverfahrens jetzt ein wenig Bewegung in das auf Eis gelegte Verfahren beim VG SChwerin kommt”, erklärt Hannes Meyer von der Bürgerinitiative Pro Heiligendamm auf Nachfrage. “Damit hätte die Staatsanwaltschaft der Fundusgruppe einen Bärendienst erwiesen”, so Stefan Neumeier, ein weiterer Angeklagter des Quintetts - Mit weiteren strafrechtlichen Konsequenzen rechnen die fünf Angeklagten nicht, wenn einige von Ihnen am Protestsonntag zuammen mit zig Heiligendammern beim Waldspaziergang noch mal dasselbe machen, das Ihnen am 16. März zur Last gelegt wurde. “Die politischen Kosten der Repression für die Privatisierung wären einfach zu hoch, wenn sie deswegen die halbe Einwohnerschaft Heiligendamms vor den Bad Doberaner Amtsrichter zerren würden”, geht Rahmann von einer politischen Niederlage der Fundusgruppe und der Staatsanwaltschaft aus.
Prozessvorbereitungsgruppe “Kempinski deprivatisieren”
Friedrichstr. 10 18057 Rostock
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Anarchist Black Cross: Was passiert gerade in Deutschland?
Ein kurzer Überblick über die letzten Aktionen mit denen bezweckt werden sollte den militanten Widerstand einzudämmen. Vom Anarchist Black Cross (ABC) Berlin
Wiedereinmal innerhalb von wenigen Monaten werden wir gezwungen Zeugen der schmutzigen Bewegungen der Bundesanwaltschaft zu sein: am 31. Juli wurden drei unserer Freunde in der Nähe von Berlin festgenommen, nachdem sie angeblich Brandsätze unter Fahrzeuge der Bundeswehr gelegt haben sollen. Eine vierte Person wurde in seiner Wohnung festgenommen, beschuldigt wird er die Erklärungen der Gruppe geschrieben zu haben. Drei weitere Personen befinden sich im Moment auf freiem Fuß, aber es laufen Ermittlungen gegen sie. Wofür genau? Paragraf 129a, terroristische Vereinigung: sie alle sollen der Militanten Gruppe, eine seit 2001 aktive klandestine Gruppe, angehören.
Wir haben ein paar Sätze dazu von der Antirepressionswebsite Gipfelsoli übernommen, um über die Ereignisse der letzten drei Monate aufzuklären.
Diese Aktion ist die dritte dieser Art innerhalb der letzten drei Monaten in Deutschland gewesen. Seit Mai 2007 gab mehrere Hausdurchsuchungen aufgrund des Paragraf 129a in Hamburg, Berlin, Bremen, Strausberg und Bad Oldesloe:
* Am 09. Mai: Beschuldigungen zur „Bildung einer terroristischen Vereinigung mit dem Ziel der Verhinderung des G8-Gipfels“ (18 Personen sind betroffen und sollen unter verschiedenen Gruppennamen agiert haben), außerdem „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ (gemeint ist die militante Gruppe, betroffen sind drei Personen).
* Am 13. und 19. Juni: Beschuldigungen zur „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ (mit verschiedenen Gruppennamen u.a. AK Origami). Die Anschuldigungen beziehen sich auf Brandanschläge auf Fahrzeuge der Bundeswehr und eines Unternehmens, welches Kriegswaffen herstellt, in Glinde (2002), Bad Oldesloe und Berlin (2004 und 2006).
* Am 31. Juli: Beschuldigungen zur „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ (militante Gruppe, vier Personen wurden verhaftet, drei weitere sind beschuldigt).
Das BKA hat mehrere Male vor der Presse erklärt, dass die letzten Hausdurchsuchungen weder etwas mit den Razzien vom 09. Mai noch mit der Anti-G8-Bewegung zu tun hätten. Jedoch, wie die Erfahrungen aus ähnlichen 129a Verfahren und Prozessen zeigen, beruhen Durchsuchungsbeschlüsse meist auf vorher gewonnenen Durchsuchungsergebnissen. Diese Befugnisse erlauben den Behörden weitere Informationen über die radikale Linke zu sammeln. Auf diese Weise werden später folgende Verfahren konstruiert, vermutlich mit Anti-G8 Relevanz. Insgesamt führen nur 2% aller 129a-Verfahren zu Verurteilungen.
Die Untersuchungsakten allein für den 09. Mai umfassen ca. 80.000 Seiten. Getrennt von den Durchsuchungen gab es duzende Verfügungen zur Telefonüberwachung, das Verwanzen von Autos und Versammlungen. Ein Zeuge, welcher angeblich eine verdächtige Person nach dem Brandanschlag auf das Auto von Thomas Straubhaar identifizierte, brachte alleine 80 Fotos zum BKA.
Einige der Betroffenen werden beschuldigt eine “militante Gruppe” gegen den G8 initiiert zu haben. Die Anschuldigungen beruhen auf Telefongesprächen, bei denen Mitglieder der „Globale Landwirtschaft“-Arbeitsgruppe darüber sprachen die Kampagne zu intensivieren. Verdächtig wurden sie, als sie die Webseiten der Firmen, die sie kritisieren besuchten oder am Telefon über die Standorte der Firmenniederlassungen sprachen.
Ein Großteil der Daten besteht aus Analysen von „selbstbelastenden Schriften”. Dies bedeutet, das Vergleichen von Texten auf Formulierung von Sätzen, Zeichensetzung, grammatikalische Fehler, wie „Schwäche beim Genitiv“, Groß- und Kleinschreibung. Weitere Faktoren sind die Position des Datums, dessen Schreibweise, der Gebrauch von Wörtern wie „Imperialismus“ oder „Prekarisierung“, Verweise auf andere Kampagnen und linke Gruppen, die Schreibweise: „dissent“, „dissent“ oder „Dissent“, sowie G8 oder G-8, usw. Verglichen wird auch auf die Benutzung einzelner Wörter wie „das Scheffeln von Geld“, „IWF“, usw. Nach jeder Analyse wird ein Profil von der/m potenziellen AutorIn erstellt: Herkunftsort, politische Orientierung, schulische Bildung und Position des Autors im jeweiligen politischen Spektrum. Einige der Texte werden nachher spezifischen Personen zugeschrieben.
Ein Großteil der Daten ist nicht dafür beabsichtigt sie nur in dem jeweiligen speziellen Fall zu nutzen, sondern im Gegenteil die Recherchen sind für Informationssammlungen des Verfassungsschutzes bestimmt. Dies zeigt sich daran, dass die Behörden seit den Anfängen der Anti-G8-Bewegung Informationen über diese sammeln. Für die letzten beiden Treffen des „dissent!“-Netzwerkes gab es Befugnisse, mit welchen es möglich war die Handyzelle um den Mehringhof (autonomes linkes Zentrum in Berlin) und um die Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik zu überwachen. Es wurden alle Handys, welche sich im lokalen Netz eingeloggt hatten registriert, betroffen waren davon jeweils über 250 Personen. Die Anwesenheit von InformantInnen ist dabei auch keine Überraschung.
Alles in allem, nach der langen Zeit im Dunkeln und in Unwissenheit während der „militanten Kampagne gegen die G8“ (eine zwei Jahre lange militante Kampagne in allen Teilen von Deutschland, getragen von verschiedenen autonomen Gruppen, mit über hundert Brandanschlägen und Zerstörungen von Eigentum) schlugen die Behörden besonders hart zu, um dies alles zu stoppen.
Dies war ihr Versuch den militanten und sich selbst treu gebliebenen Widerstand einzuschüchtern, aber dies gelang nicht so wie erhofft., weder die Untergrabung der Solidarität innerhalb der autonomen Bewegung noch die Beendigung der militanten Angriffe.
Dies war erst mal eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse. Etwas was uns gleichermaßen interessiert, ist es ein paar Worte über die Solidarität zu äußern. Positiv hervorzuheben ist die gute Solidarität, welche sehr schnell gezeigt wurde nach den Razzien im Mai. Am selben Abend fanden unzählige Demonstrationen, nicht nur in Deutschland, statt. Die größten Versammlungen gab es in Hamburg, mit 2000 Personen und einigen Ausschreitungen, und Berlin, mit 5000 Personen unter dem Motto „Wir sind alle 129a!“ und „Wir sind alle die militante Gruppe!“. Außerdem kam es zu vielen direkten Aktionen in den nächsten Tagen, eine davon von der militanten Gruppe selber, wobei zwei Polizeitransporter abbrannten. Das Ziel der Repressionsorgane den radikalen Widerstand gegen G8 und Kapitalismus einzuschüchtern gelang nicht in der Art wie es erhofft war. Darüber hinaus gab es nur sehr wenige distanzierende Stimmen (hauptsächlich der Führung bei Attac usw., aber nicht deren Basis) gegenüber den beschuldigten Personen oder dem militanten Widerstand. Die geringe Anzahl an Distanzierungen ist sehr positiv zu bewerten.
Bereits jetzt wurde einige Personen in Norddeutschland von der Bundesanwaltschaft eingeladen, um Aussagen gegenüber ihren beschuldigten Genossen der 13./19. Juni – Operation zu machen.
Die erste Person mit solch einer „Einladung” erschien zusammen mit 40 solidarischen Menschen bei der Polizei und erklärte, dass sie keine Aussagen machen werde und bereit sei die Konsequenzen zu tragen. Wenn jemand in Deutschland als ZeugIn vorgeladen wird und die Aussage verweigert, ist es möglich dafür bis zu sechs Monate inhaftiert zu werden. Dies passierte im Magdeburger 129a-Verfahren, wo mehrere Personen gegenüber ihren FreundInnen aussagen sollten und einer der Zeugen fast sechs Monate im Gefängnis saß, um trotzdem Aussagen von ihm zu erpressen.
Zurück zum letzten Schlag der Repressionsbehörden gegen die mutmaßliche Militante Gruppe. Es ist die Tatsache, dass drei Genossen momentan in Knast sitzen unter den üblichen schweren Konditionen. Seit dem Beginn des ganzen, wurde viel Solidarität gezeigt, speziell für einen der Gefangenen. Er wurde nicht während eines angeblich versuchten Brandanschlags verhaftet und er arbeitet an der Universität, weshalb er für viele Menschen einen besonderen Status hat. So wie es aussieht scheint es keine schwere Sache für viele Menschen zu sein, Solidarität mit einem kriminalisiertem Lehrer und Opfer eines zwielichten und abgekarteten Spiels der Polizei zu zeigen. Und wir, selbstverständlich, geben ihm natürlich auch unsere ganze Solidarität! Währenddessen wir diesen Text schreiben, ist es sehr erfreulich, dass dieser Genosse aus dem Knast entlassen wird. Er kam frei nach der Zahlung einer Kaution, aber es ist unklar, ob er bis zum Prozessbeginn nicht vielleicht doch noch einmal in den Knast muss. Die Bundesanwaltschaft ließ verlauten, dass sie gegen die Entscheidung der Freilassung vorgehen wolle.
Für eine Vielzahl von Leuten, wie etwa normale BürgerInnen, UniversitätslehrerInnen und Möchtegern-PolitikerInnen innerhalb unserer Bewegung, scheint es eine Unmöglichkeit zu sein, Unterstützung für diejenigen zu zeigen, welche möglicherweise einen Brandanschlag gegen die Todesmaschinerie der deutschen Armee unternommen haben.
Viele Menschen fürchten sich davor vom Staat als MG-UnterstützerInnen oder einfach als „gewaltbereit“ eingestuft zu werden. Andere verurteilen absolut jede Form der Gewalt, sogar diejenige gegen Sachen.
Allgemein nehmen es einige in Kauf nicht zu viel über die drei „anderen“ zu sprechen, weil daraus resultieren würde, dass es schwierig wäre alle oben erwähnten verschiedenen UnterstützerInnen in dasselbe Boot zu holen.
Wir wollen uns den Stimmen aus dem Chor anschließen und das Bedürfnis zurückfordern, offene Unterstützung auch für diejenigen zu zeigen, welche für „schuldig“ erklärt werden etwas Ungesetzliches getan zu haben.
Für uns gibt es keine Unterscheidung zwischen „Unschuldig“ und „Schuldig“: diese Kategorisierungen gehört nicht in unseren anarchistischen Background, ferner sollten diese bei keinem aufrichtigen linken Radikalen und dergleichen zu hören sein.
Wir müssen fähig dazu sein unsere volle Unterstützung für diejenigen auszudrücken, die mit ihren favoritisierenden Mitteln gegen die gegenwärtige Gesellschaft kämpfen. Sie müssen fühlen, dass sie nicht alleine sind und dass wir für sie und für ihre möglichen Handlungen eintreten. Natürlich darf diese Solidarität eine dauerhafte und kritische Debatte mit unseren Freunden nicht ausschließen.
Deshalb ist es äußerst wichtig, dass wir uns nicht aufspalten lassen zwischen „gut“ und „böse“, dies ist das normale Spiel des Staates und des Kapitals. Es ist wichtig, eine entschlossene Unterstützung für all unsere eingesperrten Weggefährten ohne jedwige Unterscheidungen zu zeigen.
Und wir sind glücklich darüber zu sehen, dass es eine Vielzahl an Stimmen gibt, die auch unserer Meinung sind, wie viele Solidaritätsbekundungen innerhalb der letzten Tage zeigen.
Mittlerweile gab es drei Kundgebungen vor dem Knast, in dem unsere Genossen festgehalten werden, die erste kurz nachdem diese dorthin gebracht wurden. Zwischen 200 und 300 Personen nahmen an den Kundgebungen jeweils teil. In der Nacht nach den Verhaftungen wurde in Berlin ein Fahrzeug des Bundesverfassungsgerichtes in Brand gesteckt. Einige Tage später gab es einen versuchten Brandanschlag auf ein Justizgebäude in Berlin, welcher die Polizei und die Presse in Panik versetzte. Am darauffolgenden Wochenende brannten mehrere Fahrzeuge von Unternehmen, welche in Atomtransporten involviert sind, außerdem ein Fahrzeug der Bundeswehr.
Währenddessen gab es mehrere Solidaritätstreffen, unzählige Unterstützungserklärungen und Flugblätter wurden verteilt, Transparent aufgehangen und Geld organisiert.
Um es noch einmal zu verdeutlichen, wir lassen uns nicht einschüchtern, viel lieber werden wir weiter kämpfen, als zu Hause zu sitzen und Postkarten an die Gefangenen zu schreiben (auch wenn dies ein sehr wichtiger Teil unseres Kampfes ist).
Es ist auch sehr beachtenswert, das sich selbst reformistische Gruppen, wie Attac-Basisgruppen und Teile der Universitätswelt, an den Solidaritätskampagne beteiligen. Beim Attac-Sommercamp formierten sich 400 Personen zu einer spontanen Demonstration unter dem Motto „Wie sind alle Terroristen!“
Dieses ist vermutlich aber nur ein Papiertiger, entstanden durch die Tatsache, das einer der Angeklagten ein Soziologe ist, aber es ist zu beachten, dass möglicherweise ein paar Menschen nun angefangen haben sich Fragen über den tatsächlichen Zustände zu stellen.
Der ausgiebige Gebrauch des Paragrafen 129a soll unseren Widerstand kriminalisieren, in Ländern wie Spanien und im besonderen Italien, wo er praktisch alle zwei Monate angewandt wird, ist dies bereits zur grausamen Realität geworden. Bewegen wir uns in die selbe Richtung? Wie wir einst in unserer Broschüre „Repression gegen AnarchistInnen in Italien“ geschrieben haben, ist es nur eine Frage der Zeit bis jede Freundschaft unter diesen Paragrafen kategorisiert werden wird.
Allerdings haben diese Ereignisse dazugeführt, dass gerade eine große Kampagne zur Abschaffungen der Paragrafen 129a und b initiiert wird. Außerdem wird dies nur der Auftakt für eine Offensive gegen den Überwachungsstaat und dessen verschiedenste Formen der sozialen Kontrolle sein. Am 22. September wird es Berlin eine große Demonstration geben, an welcher auch ein großer autonomer Block gegen den Überwachungsstaat und für die Abschaffung des besagten abartigem Paragrafen teilnehmen wird.
Um es nochmals zu wiederholen, für uns gibt es nur eine Terroristenorganisation und dies ist der Staat. Deshalb ist es ein großer Widerspruch Menschen, welche sich aktiv einer der Hauptorganisation des Todes und des Terrorismus, wie der Armee, entgegensetzen, jetzt als Terroristen zu benennen! Dies ist etwas worüber jeder selbst nachdenken sollte.
Wir dürfen nicht vergessen zu erwähnen, dass das Problem nicht nur die Inhaftierung von jemanden aus unserem Umfeld ist, sondern noch mehr sogar durch die Existenz des Gefängnisses vertreten wird. Die Existenz dieser grauen Wände ist eine Bedrohung für uns alle und wir müssen tagtäglich für deren Zerstörung kämpfen.
Freiheit für Axel, Florian und Oli!
Für die Einstellung aller §129a und b – Ermittlungen!
Freiheit für alle!
Zerstört alle Gefängnisse!
[Anarchist Black Cross (ABC) Berlin, 12.09.2007]
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Bilanzversuch zu den Aktivitäten rund um Flucht und Migration in der Anti-G8-Mobilisierung
Im Gesamtprotest breit angekommen – in der Antirassistischen Bewegung wenig angenommen …
Im Rahmen der Anti-G8-Mobilisierung im Juni in Rostock und Heiligendamm gab es ein vielgestaltiges Programm zu Flucht und Migration, sowohl auf aktionistischer als auch auf inhaltlicher Ebene. Die Bandbreite reichte von Demonstrationen, Kundgebungen und Aktionen bis hin zu Vernetzungstreffen, Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen. Im wesentlichen waren drei Ziele mit den Bemühungen verbunden, dieses umfangreiche Programm dort stattfinden zu lassen:
1. eine stärkere Verankerung dieser Thematik in der gesamten Protestbewegung;
2. Ansätze transnationaler Vernetzung aufzugreifen und zu vertiefen;
3. einen Bündelungspunkt für die oftmals sehr zersplittert erscheinenden antirassistischen Netzwerke zu schaffen. Während zu den ersten beiden Punkten eine ziemlich erfolgreiche Umsetzung gelungen ist, fällt die Bilanz zum dritten Punkt doch eher kritisch aus.
Erfolgreich in der Gesamtbewegung verankert … Von verschiedenen NGOs und attac über die aktiveren gewerkschaftlichen und Partei-Jugendverbände bis hin zum linksradikalen Dissent-Netzwerk - quer durch das gesamte Protestspektrum gab es in der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel eine überraschend große Akzeptanz bis Offenheit für das Thema Flucht und Migration. Das lag zum einen daran, dass einzelne Gruppen aus dem NoLager-Netzwerk und von kein mensch ist illegal den Anspruch auf eigenständige Thematisierung sehr frühzeitig eingebracht hatten. Bereits im Frühjahr 2006, zur ersten Aktionskonferenz in Rostock, stand der Vorschlag für eine Extra-Demonstration zum Migrationsthema im Raum. Zum zweiten überzeugte die „inhaltliche Brücke“: denn die strukturellen Hintergründe von Flucht und Migration sind oftmals in der zerstörerischen Politik der G8 zu finden. Insofern können Flüchtlinge und MigrantInnen diese Zustände aus direkter eigener Erfahrung kritisieren. Zudem sind es wiederum die G8-Staaten, die ein globales Migrationsregime hochrüsten und damit die Verantwortung tragen für die vielen tausend Toten an den Außengrenzen. Und schließlich dürfte entscheidenden Einfluss gehabt haben, was einleitend im Aufruf zum 4. Juni-Aktionstag formuliert wurde: “Bewegungen und Kämpfe von Flüchtlingen und MigrantInnen verstärken sich überall auf der Welt. In San Diego oder Ceuta werden Grenzen unterlaufen, in Los Angeles oder Brüssel Legalisierung eingefordert, in Hamburg oder Bamako sich Abschiebungen widersetzt, in London oder Woomera in Abschiebungsknästen rebelliert, in El Ejido oder Seoul gegen Prekarisierung gekämpft. Niemand kann mehr die globale Dimension und wachsende Bedeutung von migrantischen und Flüchtlingskämpfen ignorieren…”. Und dass die entsprechenden Forderungen nach globaler Bewegungsfreiheit und gleichen Rechten breiter denn je zumindest zur Kenntnis genommen und von großen Teilen der Protestbewegung auch mitgetragen werden, hat sich in Rostock auf verschiedenen Ebenen niedergeschlagen: so in der Gestaltung der Demonstrationsspitze einer der zwei Marschrouten auf der Großdemo am 2. Juni oder im Eröffnungsbeitrag auf dem Alternativgipfel, vor allem aber in der großartigen Beteiligung am Migrationsaktionstag am 4. Juni. Mit nahezu 10.000 TeilnehmerInnen wurde die 4.6.-Demonstration zur zweitgrößten Manifestation der gesamten Aktionswoche! Und dieser tolle Mobilisierungserfolg ist auch dadurch nicht zu schmälern, dass die Demonstration im weiteren Verlauf abgebrochen werden musste, weil die Polizei die angemeldete Route durch die Stadt kurzfristig verweigerte und es eine erneute Eskalation an diesem Tag unbedingt zu vermeiden galt.
Transnationale Vernetzung vertieft … Unter inhaltlicher Bezugnahme auf internationale Konferenzen und Aktionstage im letzten Jahr sowie mit den dabei entwickelten Kontakten wurde im Vorfeld der Anti-G8-Woche für Sonntag, den 3. Juni, zu einem transnationalen Netzwerktreffen zu Flucht und Migration aufgerufen. Über 200 Interessierte haben letztlich an dieser Tagung teilgenommen, und die Zusammensetzung war in der Tat transnational, zumal es durch finanzielle Mittel des Alternativgipfels möglich war, AktivistInnen aus mehreren afrikanischen und osteuropäischen Ländern nach Rostock einzuladen. In den Arbeitsgruppen ging es nicht allein um Informationsaustausch sondern auch um konkrete Kampagnen und Projekte, um vor dem Hintergrund einer zunehmenden Externalisierungspolitik der EU-Migrationskontrolle z.B. gegen bestimmte Rückführungsprogramme nach Afrika oder gegen die neuen Lager in Osteuropa zu intervenieren. So wurde ein für Mitte August in der Ukraine geplantes Noborder-Camp bekannt gemacht, das in Transkarpatien unmittelbar an der neuen Außengrenze der EU stattfinden soll. Und es wurden weitere Verabredungen getroffen, um der Vorverlagerung des EU-Grenzregimes nach Nordafrika entgegenzuwirken, u.a. bei anstehenden EU-Afrikanischen Regierungskonferenzen im Rahmen der portugiesischen EU-Präsidentschaft. Jedenfalls ist es über diese Arbeitsgruppen sowie weitere Diskussionen im Rahmen des Alternativgipfels gelungen, die Anti-G8-Mobilisierung dafür zu nutzen, die Kontakte insbesondere zu den afrikanischen AktivistInnen auszubauen. Schon in den Wochen darauf hat sich gezeigt, dass beispielsweise der Informationsfluss über neue Menschenrechtsverletzungen gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen in Marokko sehr viel schneller und verbindlicher geworden ist.
... aber Antirassistische Bündelung ziemlich misslungen
Die Idee kam früh, schon Ende 2005, und sie war und blieb ambitioniert: Im Rahmen der Mobilisierungstage gegen den G8 eine Demonstration zu Migration auf die Beine zu stellen, die 5-stellig ausfallen soll – also 10.000 plus! Das wäre für hiesige Verhältnisse geradezu sensationell gewesen, und angesichts einer Anti-Ra-Szene, die sich “zwischen Vielfalt und (vor allem) Zersplitterung” bewegt, ein enormer Bündelungserfolg, der absehbar zu keinem anderen Anlass erreichbar sein dürfte. Wenige Wochen vor dem G8 erschien dieser Anspruch aber als reine Illusion, denn die gesamte Anti-G8-Vorbereitung gestaltete sich äußerst zäh, und in die spezielle Vorbereitung zum Migrationsaktionstag hatten sich auch im Endspurt kaum neue Gruppen eingeklinkt. Dass die 10.000er-Demo dann dennoch nahezu gelungen ist, dass und wie viele Leute sich am 4. Juni beteiligt haben (schon vor der großen Demo fanden verschiedenen Kundgebungen in Rostock statt, so blockierten morgens 2.000 Leute die lokale Ausländerbehörde, eine weitere Kundgebung zum Gedenken an das 1992er-Pogrom fand mit 2500 TeilnehmerInnen in Rostock-Lichtenhagen statt und an einer Aktion zu Ausbeutung migrantischer Arbeit vor einer Lidl-Filiale nahmen weitere 300 Leute teil) bleibt zunächst ein riesiger Erfolg. Dass auf der Demo aber über weite Strecken keine Transparente zu sehen waren, ist eines der Anzeichen dafür, dass aus längerfristig arbeitenden lokalen Antira-Zusammenhängen relativ wenige beteiligt waren. Die Masse der DemonstrantInnen kam aus den Anti-G8-Camps, aus klarer Solidarität oder gar Überzeugung für die Forderungen nach globaler Bewegungsfreiheit und gleichen Rechten für alle! Wie bereits oben ausgeführt, erscheint das Thema Flucht und Migration insofern besser verankert denn je. Demgegenüber konnte m.E. der Anspruch, mit diesem Migrationsaktionstag eine Bündelung der verschiedensten Antira-Netzwerke zu ermöglichen, so gut wie gar nicht umgesetzt werden. Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen war in den drei Wochen vor dem G8 durch die BRD gezogen und dann offensichtlich zu erschöpft, um am 4.6. nochmals stärker präsent zu sein oder gar zu mobilisieren. Auch von den 2000 Beteiligten, und darunter ja vor allem migrantischen Jugendlichen, die noch im November 2006 so eindrucksvoll in Nürnberg für das Bleiberecht demonstriert hatten, waren in meiner Wahrnehmung nur wenige in Rostock dabei. Und auch aus den kein mensch ist illegal-Strukturen waren, um ein 3. Beispiel aufzumachen, zahlreiche Initiativen gar nicht erst oder maximal mit zuguckenden Einzelpersonen angereist. Dasselbe galt dann umso mehr für migrantische Vereine oder auch das Mobilisierungspotential der Flüchtlingsräte, die jeweils im frühen Vorfeld angesprochen worden waren, sich aber offensichtlich ebenfalls entschlossen hatten, dass ihnen dieser Aktionstag (geographisch und inhaltlich?) zu weit weg ist. Davon ausgehend, dass “wir als antirassistische Bewegung” in vielen Regionen dezentral Demonstrationen mit mehreren hundert Beteiligten immer wieder hinkriegen und somit BRD-weit durchaus ein Gesamtpotential von einigen tausend demonstrationswilligen Antiras existiert, konnte für Rostock am 4.6. allenfalls ein Bruchteil mobilisiert werden. Das heißt, dass sich selbst zu einem medienwirksamen Anlass wie dem G8-Gipfel und der sowohl frühzeitig (1 1/2 Jahre!) wie auch breit bekannt gemachten Mobilisierung für den Migrationsaktionstag eine relevante bundesweite Bündelung aus den diversen Antira-Netzwerken nicht hinkriegen lässt. Sei es, weil die Differenzen als zu groß erachtet werden und der politische Wille in den jeweils zersplitterten Netzwerken fehlt, sich wenigsten punktuell zusammenzuraufen; sei es, weil alleine die lokale Arbeit im Vordergrund steht: es gibt zur Zeit offensichtlich keine Bündelungsperspektiven!
So großartig also die gesamte Anti-G8-Mobilisierung auch war und so unerwartet stark darin die Migrationsaktionen ausfielen, sollte dies den anhaltend zersplitterten Zustand der bundesweiten Antira-Strukturen nicht überdecken. Bleibt zu hoffen, dass die insgesamt überwiegend positive Erfahrung der „Bewegung der Bewegungen“ mit ihren großen Protestdemonstrationen sowie den erfolgreichen Blockaden in Rostock und Heiligendamm auch auf die verschiedenen antirassitischen Netzwerke abfärbt und dazu motiviert, die potentielle Stärke immer wieder auch in zumindest einzelnen gemeinsamen Mobilisierungen zu suchen.
h., kein mensch ist illegal, Hanau
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Markus Euskirchen: Der Bundeswehreinsatz in und um Heiligendamm
Ausnahmezustand im Hinterland des Globalen Zivilen Krieges
Die Zusammenarbeit der Bundeswehr mit der Polizei ging anläßlich des G8-Gipfels so weit wie noch nie. Sie markiert jenseits vergangener Hochwasserkatastrophen, der Vogelgrippe auf Rügen oder diverser Vermisstensuchen einen weiteren Höhepunkt der Militarisierung Innerer Sicherheit. Insgesamt waren 2.100 SoldatInnen der Bundeswehr im Einsatz, darunter 1.000 Soldaten allein mit Sicherungsaufgaben in- und außerhalb militärischer Einrichtungen. (1) Alle Waffengattungen waren im Einsatz: Auf den Autobahnbrücken um den Gipfelort standen gut sichtbar gepanzerte Panzerfahrzeuge. Darüber hinaus waren bereits im März zwei Tornado-Einsätze vom Innenminister Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen “technischer Amtshilfe” angefordert und Ende April im beantragten Umfang durch den Verteidigungsminister gebilligt worden. Beide Waffensysteme sind auch in Afghanistan im Einsatz. Marine auf der Ostsee, Militärpolizei in Rostock-Laage und am geplanten Bombodrom, militärisch integrierte Einsatzleitungen und ein Krankenhaus rundeten das Militarisierungsszenario ab.
Command Riot Control
Einer der Tornado-Kampfjets schoss aus 110 Metern Höhe Bilder. Feindaufklärung hieß das zu anderen Zeiten oder im Auslandseinsatz. Es gab insgesamt mindestens vier solche “Missionen”, vielleicht sogar sieben mit zehn Flügen, so die Leipziger Volkszeitung. Aufgenommen wurden bei den Flügen mal der Aufbau des Camps in Rostock, mal das Camp Wichmannsdorf mit angrenzenden Zufahrten, mal Camp Reddelich, mögliches Blockadematerial in der Nähe einer Autobahnauffahrt, sowie ein Gebäudekomplex mit erhöhtem Fahrzeugaufkommen. Bei einem Rückflug wurde noch ein Areal mit möglichem Blockadematerial fotografiert. Nicht nur bei der Zahl der Flüge, sondern auch bei der Wahl der auszuspähenden Objekte gingen die Einsätze weit über das vorab Genehmigte hinaus.
Am Boden wurden insgesamt neun Spähpanzer eingesetzt, in Anlehnung an einen Wüstenfuchs Fennek genannt. Drei Fahrzeuge innerhalb der roten Zone, bis zu sechs Fennek zur Überwachung der An- und Abflugrouten an den An- und Abflugtagen, bis zu fünf weitere zur Überwachung der Fahrstrecken der Delegationen auf der A 19 sowie zwei Fennek zeitlich begrenzt zur Bewachung einer Landesversuchsanstalt, wo auch Genmais angebaut wird. Die Spähtechnik, die beim Fennek auf einem ausfahrbaren Stativ sitzt, besteht aus einer Wärmebild- und einer Digitalkamera mit hoher Auflösung und Zoom-Objektiv, sowie einem Laserentfernungsmesser. Der Informalisierung und Verschmelzung von Bundeswehr- und Polizeieinsatz wurde durch Zusammenarbeit und die Delegation der Entscheidungskompetenz für militärische und polizeiliche Unterführern am die je konkreten Einsatzorte Vorschub geleistet.
Der Fennek hat ein ferngelenktes Mini-Fluggerät an Bord, eine sogenannte Drohne. Sie startet wie ein Modellflugzeug aus der Hand und hat einen Missionsradios von über fünf Kilometern. Aus dem Camp Rostock gibt es für Sonntag, den 2. Juli eine Sichtung eines nicht weiter identifizierten Fluggeräts. Ob die Mini-Drohnen rund um Heiligendamm eingesetzt wurden, muss noch geklärt werden, auszuschließen ist es keinesfalls. (2)
Bei guter Sicht vom Ostseestrand aus erkennbar waren die Boote der Marine - unvergessen die Fernsehbilder vom Ramm-Einsatz gegen Schlauchboote, bei denen die Bundesmarine das Risiko schwerster Verletzungen bis hin zum Tod der AktivistInnen in Kauf nahm. Insgesamt von neun Booten und einer Fregatte ist die Rede: Sechs Verkehrsboote als Transportmittel, ein Minenjagdboot für das Absuchen des seeseitigen Sperrgebietes nach Fremdkörpern, ein Minenjagdboot als Plattform für Minentaucher und eine Fregatte als Unterstützung für die Luftwaffe zur Erstellung des Luftlagebildes im Rahmen der Sicherheit im Luftraum. (3) Die Boote der Marine brachten dann auch die JournalistInnen von ihrem Pressezentrum in Kühlungsborn nach Heiligendamm, als dieses durch die massenhaften Blockaden für Stunden auf dem Landweg nicht mehr erreichbar war. JournalistInnen wurden laut Staatssekretär Schmidt auch im Bundeswehr-Hubschrauber CH 53 von Rostock-Laage nach Heiligendamm und Hohenluckow geflogen. Embedded journalism. Für den Transport einer Delegation von Berlin-Tegel nach Heiligendamm hat das Auswärtige Amt drei mittlere Transporthubschrauber angefordert und erhalten.
Im Krankenhaus Bad Doberan setzte sich die Auflösung der Grenze zwischen zivil und militärisch fort. SanitätssoldatInnen übernahmen ambulante und stationäre Patientenversorgung. Laut Financial Times war dies “die erste Aktion dieser Art in der Geschichte der Bundeswehr”. (FTD, 30.5.07) Neben dem Krankenhaus waren zudem olivgrüne Zelte und Container des Sanitätsdienstes der Bundeswehr aufgestellt. Für ihre eigene Unterkunft haben sich die Soldaten ein Feldlager auf einer Wiese bei Bad Doberan eingerichtet.
Auch die Unterwanderung der zivil-polizeilichen Organisations- und Führungsstrukturen durch Militärs bestätigt mehr und mehr die in letzter Zeit in Mode kommende Rede vom Globalen Zivilen Krieg (4): Immer häufiger und immer weitgehender kommt es zur Auflösung des Unterschieds zwischen Militär und Polizei: Militär wird zunehmend in die Innere Sicherheit miteinbezogen, der Krieg gegen den Terror kommt als sich immer wieder neu arrangierender weltweiter Polizeieinsatz unterschiedlicher Koalitionen Williger daher.
Aber zurück nach Heiligendamm: In zahlreiche zivile Stäben der Polizei und des Innenministeriums des Landes Mecklenburg-Vorpommern waren Verbindungskommandos der Bundeswehr entsandt. So wurden in die Einsatzführung Kavala Marine aus Kiel und VertreterInnen des Landeskommandos Mecklenburg-Vorpommern geschickt. Deren Aufgabe war die “Gewährleistung eines reibungslosen Informationsaustausches im Rahmen der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit.” (5) Insgesamt fünf Verbindungskommandos saßen in regionalen Katastrophenschutzstäben. Ein Kommando für einen großen Krisenstab stand bereit und 25 SoldatInnen hatten Dienst in der Flugeinsatzzentrale von Bundeswehr und Polizei als “Beitrag zu Sicherheit im Luftraum.” (6)
Die Paramilitarisierung von Länder- und Bundespolizeien ist ein altbekanntes und vielkritisiertes Phänomen. Die Verpolizeilichung des Militärs hingegen hat weniger interessiert, weil sie sich bisher nur im Ausland gezeigt hat. Das hat sich jetzt geändert mit dem Einsatz ganz bestimmter Feldjäger, nämlich des für den Protektorats-Einsatz im Kosovo neu aufgestellten CRC-Zuges der Militärpolizei. CRC bedeutet “Crowd and Riot Control”, also Aufstandsbekämpfung. Die PolizeisoldatInnen in diesen Zügen sind genau wie die “Robocops” der Polizei ebenfalls mit Schild, Schlagstock und Helm mit Visier ausgerüstet. Während des G8-Gipfels, laut Spiegel-Blog-Autor Thomas Wiegold, waren sie am Flughafen Rostock-Laage im Einsatz. (7) Die Einheit hat oliv-grüne und speziell gepanzerte Wasserwerfer. Es ist eine Frage der Zeit, wann diese im Rahmen der “Amtshilfe” in den Innenstädten eingesetzt werden …
Die gängige Kritik verurteilt all das als Verstoß gegen die grundgesetzliche Trennung von Polizei und Bundeswehr. Dass z.B. bei derart enger Zusammenarbeit zwischen Polizei und Bundeswehr gerne “auf dem kurzen Dienstweg” gehandelt wurde, bemängelt auch der sonst kaum für militärkritische Ausfälle bekannte SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold: “Es ist nicht in Ordnung, dass untere Polizeiebenen mit unteren Bundeswehr-Ebenen immer neue Einsätze verabredet haben.” Für ihn steht fest, “dass faktisch so getan wurde, als habe es rund um Heiligendamm eine Generalbevollmächtigung für den Einsatz der Bundeswehr gegeben”. (Leipziger Volkszeitung, 21.6.07) Selbst der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, kommentiert: “Amtshilfe der Bundeswehr ist immer sehr erfreulich für die Polizei, wenn sie das ausgleicht, wofür der Polizei die Fähigkeiten fehlen. Beispielsweise Luftbilder bei Entführungen oder Geiselnahme. Mit dem Tiefstflug eines Tornado-Jets über Demonstranten hinweg ist die verfassungsrechtliche Grenze eindeutig überschritten worden. Das muss nachprüfbare Konsequenzen haben.” (ebd.)
Auf dieser Linie bewegt sich denn auch die öffentliche, d.h. parlamentarische und rechtliche Aufarbeitung dieses Großeinsatzes der Bundeswehr im Innern: Der Bundestag wurde mit einer Fragestunde beschäftigt, dem Innenausschuss des Bundestages berichtete der zuständige Staatssekretär. (8) Ein Vordisziplinarverfahren gegen einen der Tornado-Piloten ist eingeleitet. Am Ende wird klar sein, welche Gesetze zu erlassen, welche Rechtsverordnungen herauszugeben sind, um das Militär auch im Innern formal korrekt einsetzen zu können.
Die bürger- bzw. verfassungsrechtliche Kritik und ihre Konsequenzen sind nicht falsch und politisch durchaus notwendig. Dennoch greift diese Kritik zu kurz. Eine radikale Kritik muss sich über die Bedeutung des Militärs klar werden - historisch und systematisch. Der moderne Nationalstaat ist gerade dadurch als Herrschaftsform nach Innen und Außen so stabil, weil er das Monopol legitimer physischer Gewalt beansprucht und in den starken Staaten auch tatsächlich darüber verfügt. Institutionell idealtypisch differenziert und historisch ausgeformt - in Deutschland besonders als Konsequenz aus dem Faschismus - in Polizei für Innen und Militär für Außen. Historisch spielte diese Differenzierung jedoch in den entscheidenden Momenten nie eine Rolle. Wann immer nötig, wurden und werden alle notwendigen Mittel eingesetzt, um die staatliche Sicherheit und Ordnung gegen Revolte und Revolution aufrecht zu erhalten, die Rahmenbedingungen für herrschende Produktionsweise und politische Herrschaft sicherzustellen. Nicht umsonst heißt es “Monopol legitimer Gewalt” - und nicht “legaler Gewalt”. Das Handeln der Staatsgewalt ist in letzter Instanz, im Ausnahmezustand, nicht mehr normengebunden. Und das Wesen des Globalen Zivilen Krieges ist in der Tendenz der permanente Ausnahmezustand.
Im Hinblick auf Militarisierungsfragen hat die BRD, haben die Bundesregierungen der letzten 17 Jahre ihr Normalisierungsprogramm abgeschlossen. Jetzt geht es in die Offensive: Kriegführung im Zusammenhang von Reichtums-, Einfluss- und Rohstoffsicherung nach außen und Sozialabbau, Ungleichheitssicherung durch (para-) militärische militär-polizeiliche Besatzung im Innern werden der zukünftig normale Ausnahmezustand. Dementsprechend bleibt für antimilitaristische Bewegung in Zeiten des Globalen Zivilen Kriegs mehr zu tun als nur auf verfassungsrechtliche Minimalia zu pochen: “Neben Bewusstseinsarbeit und Verweigerung gegenüber der Rüstungs- und Militärmaschinerie sind neue Formen der Kontrolle der gesellschaftlichen Produktion notwendig, und zwar unter dem Aspekt der Abwicklung von Herrschaftsmechanismen und Gewaltpotenzial. Denn alle gesellschaftliche Reproduktion - und damit auch die Bereitstellung der Ressourcen für Militär und Krieg - läuft über den Verwertungsprozess von Kapital und Arbeit. Für diese Auseinandersetzung um Produktionsmittel eignen sich die traditionellen Mittel des Streiks, der Blockade und der Sabotage, das gesamte Spektrum der Mittel des ,gewaltfreien Kampfes`.” (9)
Anmerkungen:
1) So der Sprechers im Bundesministerium der Verteidigung, Oberstleutnant Strunk, zur Kl. Anfrage (Drucksache 16/5698) von Abgeordneten der Linken an die Bundesregierung, 14.6.07
2) Weitere technische Details und Herstellernamen nennt Johannes Plotzki für imi-online.de zusammen: “Wüstenfüchse, Tornados und ALADIN beim G8 in Heiligendamm”
3) Antwort der Bundesregierung (Drucksache 16/5148), 26.4.07
4) Mainstream Politikwissenschaft: http://www.prio.no/page/sd/sd/9429/40475.html, Bewegungsdiskurs: http://www.softtargetsjournal.com/v21/tiqqun.php
5) Antwort der Bundesregierung (Drucksache 16/5148), 26.4.07
6) ebd.
7) Thomas Wiegold im Spiegel-Blog: Für die G8-Liste, 22.6.2007 http://blog.focus.de/wiegold/?p=125
8) Einzelheiten fasst Johannes Plotzki zusammen, a.a.O.
9) Markus Euskirchen: Militärrituale. Analyse und Kritik eines Herrschaftsintruments, Köln 2005
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Solidaritätserklärung des Dissent-Netzwerkes mit den § 129a Beschuldigten
Berlin, 16. September 2007
Solidarität mit den Anti-G8 Aktivistinnen die von §129a betroffen sind.
Die Taktfrequenz von 129a-Ermittlungen und Kriminalisierung politischer und sozialer Initiativen hat in diesem Jahr massiv zugenommen. Im Zuge der Anti-G8-Mobilisierung gab es am 9. Mai in mehreren Städten Hausdurchsuchungen gegen die angeblichen Köpfe der „militanten Kampagne gegen den G8-Gipfel“, hunderte Menschen gerieten durch ihr politisches Engagement ins Visier der Ermittlungsbehörden.
10 000 skandierten in vielen Städten anschließend „Wie sind alle 129a!“ und zeigten damit nicht nur ihre Solidarität, sondern stellten sich entschlossen gegen diesen Angriff des Staates.
Die Repression gegen G8-Gegner_innen hat sich während des Gipfels auf allen Ebenen verstärkt: Polizeiübergriffe und Präventivhaft waren an der Tagesordnung. Jetzt droht die Staatsanwaltschaft mit über 1000 Strafverfahren gegen Demonstrant_innen. Am Morgen des 16.8.2007 fand eine Hausdurchsuchung bei einem Bonner Atomkraftgegner statt, der Inhaber und technischer Administrator der Internetadresse www.antiatombonn.de ist. Der absurde Vorwurf: Aufforderung zu Straftaten wegen der Dokumentation des Aktionskonzeptes von der Initiative Block G8.
Am 31. Juli wurden Axel, Oliver und Florian verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, Bundeswehrfahrzeuge angezündet zu haben. Am gleichen Tag wurde auch Andrej festgenommen und die Wohnungen und Arbeitsplätze von drei weiteren Beschuldigten durchsucht. Das Konstrukt der Bundesanwaltschaft sieht in Andrej und den drei weiteren Beschuldigten die intellektuellen Köpfe der „militanten gruppe“ und hat sie deshalb seit September 2006 umfassend überwacht. Einer der drei in Brandenburg Festgenommenen hat sich zweimal mit Andrej getroffen. Deshalb wird Ihnen jetzt nicht nur versuchte Brandstiftung vorgeworfen, sondern sie sollen Mitglieder der „militanten gruppe“ sein. Andrej wurde am 22. August von der Haft verschont, der Haftbefehl ist nicht aufgehoben.
In diesem Haftbefehl ist auch aufgeführt, Andrej sei an dem „inszenierten Widerstand gegen den Weltwirtschaftsgipfel 2007 in Heiligendamm aktiv” gewesen. Das ist richtig. Hunderte Menschen haben im Dissentnetwerk zwei Jahre lang mit Andrej die Proteste gegen den G8-Gipfel vorbereitet; Camps, Demos und Infrastruktur aufgebaut. Wir verstehen dieses repressive Vorgehen deshalb auch als Angriff auf unsere politischen Strukturen und werden dem offensiv entgegen treten.
An dem „Aktionstag gegen Krieg, Militarisierung und Folter“ während des Gipfels in Heiligendamm waren auch maßgeblich Aktivist_innen aus dem Dissent-Netzwerk beteiligt. Unsere Solidarität wendet sich auch gegen den staatlichen Versuch, den Widerstand der drei Antimilitaristen mit dem Schreckgespenst des Terrorismus zu stigmatisieren. Der Versuch von Kriegsgegnern – ohne jede Gefährdung von Menschenleben – Bundeswehrfahrzeuge zu zerstören, ist Widerstand gegen die Kriegspolitik der Bundesregierung und kein Terrorismus.
Das Dissent-Netzwerk solidarisiert sich mit allen betroffenen Aktivist_innen.
Wir fordern die Einstellung der 129a-Verfahren!
Freiheit für Axel, Florian und Oliver!
Abschaffung der §§ 129 a-z!
www.dissentnetwork.org