- G8-Prozess in Rostock
- AG Grauwacke: Eine Zwischenmeldung
- junge Welt: "Widerstand soll kriminalisiert werden"
- Mehr Selbstbewußtsein im Kampf gegen § 129a
- stern.de: Meck-Pom muss für Gipfelschäden zahlen
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G8-Prozess in Rostock
Der Gipfel der G8 in Heiligendamm liegt nun fast drei Monate zurück. Am Donnerstag, 30.08., findet vor dem Amtsgericht Rostock um 9 Uhr nun ein weiterer Prozess statt. Die Repressionsbehörden, die eine Rechtfertigung für die staatlichen Gewaltexzesse suchen und sich für ihre partiellen Niederlagen rächen wollen, werden keine Ruhe geben. Eine Prozesslawine scheint anzurollen. Gegen über 1000 AktivistInnen wird ermittelt.
Am Donnerstag, 30.08., findet vor dem Amtsgericht Rostock (Zorchstraße 13, nahe Stadthafen, Raum 232) um 9 Uhr ein weiterer Prozeß statt. Ein Aktivist ist wegen Vorfällen bei der Demo am 2. Juni angeklagt. Damit die G8-Prozesse nicht im medialen Nirvana verschwinden, braucht es einer breiten Unterstützung, gerade auch durch Soli-Aktionen außerhalb von Rostock. Vor allem sollte versucht werden, durch kritische überregionale Presse auch die Medien in Mecklenburg-Vorpommern von der bisherigen Hofberichterstattung für die Staatsanwaltschaft und das Innenministerium zu einem kritischen Hinterfragen zu bewegen.
Solidarität mit allen angeklagten G8-GegnerInnen! Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), bagatellisiert weiterhin die Polizeiübergriffe und hält den Vorwurf, der Republikanische Anwätinnen und Anwälteverein (RAV) habe "interessengesteuerte Gerüchte" über die Situation in den Gefangenensammelstellen gestreut, aufrecht: http://www.links-lang.de/presse/6330.php Schon vorher hatte der Innenminister die Darstellungen des RAV und des Legal Teams zur Situation in den Gesas und zu einzelnen Polizeiübergriffen als nicht belegbar abgetan. So erklärte Caffier vor dem Landtag: "Zu den in der Öffentlichkeit geäußerten Vorwürfen des "Republikanischen Anwaltvereins" (im Folgenden RAV), Rechtsanwälte hätten nicht in ausreichender Weise Zugang zu festgenommenen Personen gehabt, ist folgendes anzumerken: Bereits im Vorfeld gab es zahlreiche Kooperationsbemühungen der Polizei, um Absprachen mit dem RAV zu treffen. Im Ergebnis wurden während des Einsatzes allen Anwälten ein ordnungsgemäßer Zugang zu ihren Mandanten gewährt."
So einfach kann mensch sich die Welt zurecht stricken, und von der regionalen (Springer-)Presse wird dies auch nicht hinterfragt. Auszüge aus dem Bericht unter: http://www.mv-zeitung.de/article-print-15580.html der ganze Bericht unter: http://gipfelsoli.org/Home/Repression_G8_2007/Desinformation/3208.html Und die Replik des RAV dazu: http://gipfelsoli.org/Home/Repression_G8_2007/Desinformation/3407.html
Genau so geschlossen, wie gegen den G8 agiert wurde, genau so geschlossen gilt es nun gegen die Repression Stellung zu beziehen! Niemand wird alleine sein! Angeklagt werden Einzelne - gemeint sind alle! Solidarität zeigen! Gegenöffentlichkeit schaffen!
[http://de.indymedia.org/2007/08/192491.shtml]
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AG Grauwacke: Eine Zwischenmeldung
Am 09.05.2007 führten Bundesanwaltschaft (GBA) und Bundeskriminalamt (BKA) eine bundesweite Grossrazzia gegen 18 Personen wegen angeblicher Gründung einer terroristischen Vereinigung namens "Militante Kampagne zum Weltwirtschaftsgipfel - G8 - 2007 in Heiligendamm" durch. Wie bekannt, war das politische Ergebnis dieser Aktion für die Verfolgungsbehörden ein Desaster. Aber wie sieht es mit dem juristischen und kriminalistischen Ergebnis aus? Und was sind die weiteren Folgen, auch auf politischer Ebene?
Den Kern des ganzen Ermittlungsverfahrens bildet das Buch "Autonome in Bewegung" und dessen tatsächliche oder vermeintliche Autoren, die "AG Grauwacke". Daher wollen wir uns hier gemeinsam zum Stand der Dinge äußern, obwohl wir alles andere als eine Gruppe, geschweige denn Vereinigung sind (dazu sind wir viel zu uneinig).
1. Was seit dem 09.05.2007 geschehen ist.
- Wie bekannt, gab es keine Verhaftungen bei der Razzia. Aber es wurden ED-Behandlungen durchgeführt und bei mehreren Personen gegen deren Willen DNA-Proben genommen. - In den Tagen nach dem 09. Mai wurden zahlreiche arbeitswichtigen Gegenstände, v.a. Computer und Mobiltelefone, vom BKA zurückgegeben. Der Rest lagert seit Monaten in Meckenheim beim BKA. - Am 12.05. entdeckte ein Beschuldigter an seinem Auto ein GPS-Peilgerät unbekannter Herkunft. Gegen ihn hat mittlerweile das LKA5 Berlin (Staatsschutz) ein Verfahren eingeleitet wegen "Unterschlagung eines Ortungsmoduls".
- Mitte Juni übermittelte GBA einen "Aktenauszug" des Verfahrens. Dieser umfasste zwei DVDs mit insgesamt 33 Ordnern, insgesamt ca.10.000 Seiten. Soweit bekannt, handelt es sich dabei nur um ca.15% der gesamten Akten. Laut GBA sind es diese Akten, die dem BGH Ende April 2007 zur Verfügung standen, als BGH-Richter Hebenstreit die Durchsuchungsbeschlüsse ausstellte - demnach dürften sie die wesentlichen Teile des Ermittlungsverfahrens enthalten. Aber wir sind dennoch gespannt auf die restlichen 80.000 Seiten (von denen ein erheblicher Teil vermutlich Protokolle aus Telefon- und Internet-Überwachung (TKÜ) sind). - Einige Betroffene haben mit der Auswertung der Akten begonnen, was sowohl aufgrund des Umfangs als auch wegen der Form mit ziemlich viel Arbeit verbunden ist.
- Ende Juli gab es ein Treffen der unmittelbar Beschuldigten aus Berlin, Land Brandenburg, Hamburg und Bremen, um sich über den Umgang mit den Ermittlungsakten und die jeweiligen Einschätzungen zu verständigen. Ergebnis war, dass die Einschätzungen nicht sehr weit auseinanderliegen und der politische Umgang in den jeweiligen Städten (also v.a. Berlin und Hamburg) relativ autonom entschieden wird. Das lag auch deshalb nahe, weil es keine irgendwie geartete "Gruppenstruktur" zwischen den Städten gibt, die Berliner und Hamburger sind sich überwiegend noch nie vorher begegnet. Das weitere politische Vorgehen sehen wir nicht als Exklusivthema der juristisch Beschuldigten, sondern als Thema für mindestens alle Betroffenen von 129a-Repression.
2. Unsere Herangehensweise
In Berlin sind eigentlich alle übereinstimmend der Meinung, dass das Verfahren nicht zu einem Prozess führen wird, sondern eingestellt werden wird - wie so viele §129a-Verfahren. Das erlaubt eine gewisse Freiheit im Umgang mit den Akten und in politischer Hinsicht, da nicht dauernd eine mögliche juristische Prozess-Strategie mitberücksichtigt werden muss. Zwei zentrale Fragen stehen nun im Raum: Was steht in den Akten? Was ist der politische Hintergrund und die passende Antwort darauf?
Erstens: Was ist der politische Hintergrund und die passende Antwort darauf? Diese Frage kann, spätestens nach den weiteren Razzien und den Verhaftungen vom 31.07.07, nicht mehr beschränkt auf unser Ermittlungsverfahren behandelt werden. Sie betrifft die gesamte Linke, nicht nur deren radikalen Teil, und letztlich weit darüber hinaus die politische "Landschaft" in Deutschland. Wir sehen "unser" Ermittlungsverfahren nur als einen Mosaikstein in einem weit größeren, höchst unerfreulichen Gesamtkunstwerk der sogenannten Sicherheitspolitik. Wir haben dazu darüber hinausgehend keine einheitliche Meinung, daher wird es auch keine politischen Erklärungen von AG Grauwacke geben. Sondern wir werden uns je nach eigenem Bedürfnis in die politische Arbeit bzw. Debatte dazu einbringen in nächster Zeit: in der Soli-Bewegung, oder auch in der Medienarbeit.
Zweitens: Was steht in den Akten? Hier gibt es ein großes Informationsbedürfnis von vielen: Mit-Betroffenen, politisch Interessierten, Medienleuten, Freunden und Freundinnen, BürgerrechtlerInnen, PolitikerInnen... Es gibt bestimmte Inhalte der Akten, die Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit verdient haben. Das betrifft z.B. die Vorgehensweise der Verfolgungsbehörden, ihre "Textanalysen" und Schlussfolgerungen, ihre Überwachungsmaßnahmen, ihre Rundumschläge gegen allerlei linke Gruppen und Strömungen. Andere Teile der Akten sind aus persönlichen oder anderen Gründen nicht geeignet zur öffentlichen Diskussion. Immerhin geht es in den Akten nicht nur um die 18 Beschuldigten - rund 1000 Namen tauchen in den Akten auf, manche nur einmal als Randbemerkung, manche aber auch mit sensiblen Informationen, die wir nicht ohne Zustimmung der Betroffenen anderen zeigen oder mitteilen könnten. Die vielgestellte Frage "tauche auch ICH in den Akten auf?" können wir vorerst so beantworten: Wie an vielen anderen Stellen sind auch hier die Akten wie Kraut und Rüben: Wer in den letzten 15 Jahren radikale linke Politik gemacht hat , und in den Akten NICHT erwähnt wird, muss von den Schnüffelbehörden wohl irgendwie übersehen worden sein.
Dies alles zu sortieren dauert seine Zeit, zumal die 10.000 Seiten Material nicht übersichtlich geordnet sind, was bei diesem Umfang auch kaum möglich ist. Es wimmelt von Wiederholungen, es gibt einander widersprechende "Vermerke" und Vermerke, die andere Vermerke korrigieren... Auch wir selbst haben beim Lesen schon an einigen Stellen vorschnell geurteilt, uns Sachen ungenau gemerkt, wichtige Details übersehen. Wir müssen darum um etwas Geduld bitten, was eine ausführliche Auswertung angeht. Die Zusammenfassung, die im Internet bei indymedia unter Hintergründe zu den 129a-Verfahren zu finden ist, gibt einen guten ersten Überblick über das Ermittlungs(wahn-)system des BKA. Bis es soweit ist, wird es einzelne Informationen geben. Betroffene werden persönliche Informationen bekommen, Soligruppen und ausgewählte Medienleute werden Details bekommen. Das geht nur über persönlichen Kontakt, der zu/von Beschuldigten (bzw. über deren Anwälte) aufgenommen wird.
[http://autox.nadir.org/buch/zwischenmeldung.html]
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junge Welt: "Widerstand soll kriminalisiert werden"
Hausdurchsuchung bei Bonner Atomkraftgegnern dient der Ausspähung und Einschüchterung. Gespräch mit Sebastian Nickel Interview: Jörn Boewe
Rechtsanwalt Sebastian Nickel vertritt den Betreiber einer Bonner atomkritischen Internetseite
Bei Ihrem Mandanten, dem Betreiber der Internetseite antiatombonn.de, wurde Mitte August eine Hausdurchsuchung angeordnetet. Was konkret wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor?
Der Vorwurf lautet auf öffentliche Aufforderung zu Straftaten. Hintergrund ist ein Artikel, in dem Textpassagen des Aufrufs der Block-G-8-Kampagne enthalten sind. Aus Sicht der Ermittlungsbehörden soll dazu aufgerufen worden sein, gewaltsam Widerstand gegen Polizeibeamte zu leisten.
Nun ist der Text ja bis heute frei im Internet zugänglich. Wozu dann eine Hausdurchsuchung, bei der man sämtliche Computer beschlagnahmt?
Aus Sicht der Verteidigung ist das völlig unverhältnismäßig. Zum einen ist dieser Text auf der Internetseite deutlich als Zitat gekennzeichnet. Die Urheberschaft dürfte ohne weiteres festzustellen sein. Die Staatsanwaltschaft, so zumindest die offizielle Begründung, will konkret herausfinden, wer diesen Text auf die Bonner Internetseite gestellt hat. Aber aus meiner Sicht ist schon höchst fraglich, ob dieser Text überhaupt ein strafbares Verhalten darstellt. Und selbst, wenn es einen Anfangsverdacht geben sollte, ist eine so einschneidende Maßnahme wie die Beschlagnahme sämtlicher Computer nicht gerechtfertigt.
Also worum geht es aus Ihrer Sicht tatsächlich?
Es drängt sich eher der Verdacht auf, daß hier konkret die lokale Bonner politische Szene ausgeforscht und ausgeleuchtet werden soll.
Sehen Sie einen allgemeinen Trend, daß das Strafrecht zweckentfremdet wird, um eigentlich etwas ganz anderes zu erreichen?
Aus unserer Sicht ist ohnehin auch im Vorfeld des G-8-Gipfels und währenddessen eine ganz klare Tendenz zu verzeichnen gewesen, daß die Grenzen zwischen repressiven Maßnahmen, also Strafverfolgung und präventiven Maßnahmen des Polizeirechts immer fließender werden. Das macht den Rechtsschutz unübersichtlich, und vor allem stellt es auch aus meiner Sicht einen klaren Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip dar. Aus unserer Sicht ist das alles sehr bedenklich. Hier wird unter einem Vorwand mit Kanonen auf Spatzen geschossen.
Sehen Sie als Jurist eine Möglichkeit, diesem Trend auf juristischer Ebene irgendeinen Riegel vorzuschieben?
Der G-8-Gipfel selbst hat ja durchaus rechtspolitische Debatten ausgelöst, Stichpunkte sind vor allem Vorfeld-Maßnahmen, Postüberwachung, die unsäglichen Geruchsproben, Heranziehung der Bundeswehr, Rechtsschutz während der Proteste. Es war zum Teil nicht erkennbar bei Vorführungen, ob jetzt die Leute einen Polizeibeamten oder einen Richter vor sich stehen haben. Das wird natürlich an jeweils einzelnen Fällen immer wieder juristisch aufgerollt.
Wie muß man denn eigentlich bewerten, daß die Staatsanwaltschaft Bonn in diesem konkreten Fall ein bißchen aus der Reihe tanzt?
Ob es sich jetzt um einen Einzelfall handelt oder ob möglicherweise bislang unbekannt in anderen Städten ähnliche Repressionsversuche gegen diese Kampagne laufen, weiß ich persönlich nicht. Ich kann insofern auch nur Mutmaßungen anstellen: Also die Staatsanwaltschaft Bonn hat nach eigenen Angaben die Sache gründlich geprüft und sieht eben einen Anfangsverdacht. Ob es hier irgendwelche lokalen Besonderheiten gibt oder ob die Bonner Szene aus bestimmten Gründen besonders interessant ist, vermag ich nicht zu beurteilen.
Der Artikel wurde ja Mitte Mai eingestellt, also im Vorfeld der Anti-G-8-Proteste. Warum jetzt das Ermittlungsverfahren?
Ich gehe davon aus, daß ein Zeichen gesetzt werden soll, daß eine politisch aktive Szene unter Beobachtung steht und daß jederzeit mit entsprechenden Maßnahmen gerechnet werden muß. Letztlich ist es einfach der Versuch, dort Widerstandsformen zu kriminalisieren und von möglichen weiteren Aktivitäten abzuhalten. So ein Artikel ist im Prinzip nichts weiter als ein Beitrag zur politischen Meinungsäußerung, der aus meiner Sicht strafrechtlich in keiner Weise relevant ist.
Allerdings ist eine Durchsuchung nach der Strafprozeßordnung an sehr geringe Voraussetzungen gebunden. Die Staatsanwaltschaft bewegt sich hier durchaus noch innerhalb der Buchstaben des Gesetzes. Der Betroffene hat natürlich den Nachteil, daß er lange Zeit ohne Computer und wahrscheinlich auch ohne einen Großteil seiner wichtigen Daten auskommen muß.
junge Welt 27.8.2007
[http://www.jungewelt.de/2007/08-27/045.php?sstr=bonn]
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Mehr Selbstbewußtsein im Kampf gegen § 129a
In den vergangenen Wochen schien es zeitweilig so zu sein, als wolle eine Stellungnahme nach der anderen die jeweils vorhergehende, in der Bekundung der Harmlosigkeit der Unterzeichnenden, der (zu Recht oder zu Unrecht) Beschuldigten, von Brandanschlägen generell und selbst der militanten gruppe (die eher als skurril denn als Organisation mit revolutionärem Anspruch dargestellt wurde) überbieten wollen. In letzter Zeit ändert sich dies. Den Durchbruch brachte wohl der internationale Aufruf (1), der auch die Freilassung der Beschuldigten fordert, denen der Brandstiftungsversuch bei MAN vorgeworfen wird. Es folgte ein Aufruf aus dem Gewerkschafts-/Linkspartei-Spektrum (2), der die Abschaffung des § 129a fordert. Diese Forderungen sind Zeichen eines - in Deutschland als mutig zu bezeichnenden - liberalen Demokratieverständnisses. Der § 129a StGB beschneidet wichtige Grundrechte (3). Und ohne diesen Anti-Terrorismus-Paragraphen wäre wohl kaum Untersuchungshaft wegen einer versuchten Brandstiftung angeordnet worden (4).
In diesem Kontext scheint es nun auch möglich zu sein, weitergehende Fragen anzuschneiden.
Den Anfang machten am 21. August 2007 Rolf Hartmann und Manfred Sehl:
"Wir studierten, promovierten und lehrten mehrere Jahren an deutschen Hochschulen. Überrascht haben wir Stellungnahmen zur Kenntnis genommen, die Teile unserer kritischen Kolleginnen und Kollegen vom Katheder ließen. Ihre Aussagen treffen uns. Sie lesen sich so, als ob kritische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler keine Brandsätze unter - wie Tucholsky sagen würde - für organisierten Massenmord produziertes Kriegsgerät legen könnten. Dabei waren doch Angehörige verschiedener Universitäten 1972 daran beteiligt, einen Rechner der US-Army zu sprengen und damit die Bombardierung von Vietnam für die Dauer mehrerer Tage zu stoppen." (5)
Bei der Kundgebung am 22. August gab es dann Redebeiträge mit statements wie diesen:
* "Wir wollen uns den Stimmen aus dem Chor anschließen und das Bedürfnis zurückfordern, offene Unterstützung auch für diejenigen zu zeigen, welche für ‚schuldig' erklärt werden etwas Ungesetzliches getan zu haben." (6)
* "Gerade die Bundeswehr und damit die Kriegspolitik der BRD, das Anschlagsziel in diesem Falle, wird von vielen als legitimes Aktionsziel angesehen." (7)
* "Die Linke muss Antworten finden auf die Frage, welche adäquaten Widerstandsstrategien gegen die militärische und ökonomische Gewalt des Kapitalismus entwickelt werden müssen, denn wie unsere revolutionären Urmütter und Urväter schon sagten: ‚Das Reaktionäre fällt nicht um, wenn es nicht zu Boden gestürzt wird.' Dass Proteste nicht ausreichen, um die menschenverachtende Politik der kapitalistischen Elite zu stoppen, haben wir millionenfach in einer langen Geschichte erfahren. Wir müssen den Schritt vom Protest zum Widerstand organisieren und das geht nicht ohne Infragestellung des bürgerlichen Legalismus. Ohne organisierten massenhaften Widerstand wird die brutale staatliche Repression jeden revolutionären Kampf ersticken. [...]. Revolutionäre Organisationen aufbauen! [...]. Den Kapitalismus abschaffen!" (8)
Es schloß der Aufruf für den antikapitalistischen Block bei Demo am 22.9. an:
"die herrschende Klasse wird nicht freiwillig ihre Macht und ihr Eigentum aufgeben, sondern wird mit allen Mitteln versuchen ihre Herrschaft zu verteidigen. Wir gehen deshalb davon aus, dass eine neue solidarische Gesellschaftsordnung nicht durch Reformen des bestehenden Systems, sondern nur durch eine revolutionäre Umwälzung erreicht werden kann." (9)
Bei indymedia und http://gipfelsoli.org wurde eine Auflistung von antimilitaristischen Aktionen der letzten Zeit plus Entwurf für ein Plakat mit dem Titel "Es gibt zu viele Bundeswehrfahrzeuge" eingestellt (10).
Und nun gibt es auch eine Stellungnahme, die auch die mg - wenn auch nicht ohne Vorbehalt und auch eher beiläufig in einem Text, der vorrangig andere Fragen diskutiert - in die inhaltliche Solidarität miteinbezieht: "[...] die Praxis der mg [zielt] - langfristig - sehr wohl auf eine erhebliche Schädigung des Staates [...] - ‚und das ist gut so', auch wenn daran gezweifelt werden kann, ob alles, was die mg so tut und schreibt jenem Ziel wirklich dienlich ist. " (11)
Wichtig ist allerdings zu sehen, dass keiner dieser Texte in den Fehler verfällt, spiegelbildlich zur Situation am Beginn der Soli-Kampagne, vorzuschlagen, die Soli-Arbeit auf ein revolutionäres oder linksradikales Spektrum einzugrenzen. Vielmehr muß erkannt werden, dass nur in dem Maße, in dem der Gesinnungsparagraphen 129a von Liberalen in Frage gestellt wird, die Bereitschaft steigen wird, solche weitergehenden Frage ansprechen.
Eine Überlegung, die Paragraphenamazone in ihrem Eröffnungsbeitrag für diesen blog in Bezug auf die Gefangenen entwickelt, gilt also auch über die Gefangenen hinaus: "Und in der Tat ist Wissenschaft - im Sinne dieser oder jener Seite - niemals unschuldig, niemals harmlos - auch wenn die Schuld nicht immer auch eine strafrechtliche ist. Es geht also [...] darum, maximalen juristischen Spielraum dafür zu schaffen, daß sich die Gefangenen - falls sie wollen - politisch ‚schuldig' bekennen können." (12)
Entsprechend gilt auch für die Bewegung draußen, außerhalb des Knastes: In dem Maße, in dem die radikale und revolutionäre Linke ihre Position selbstbewußter darstellen will, wird Bündnisarbeit nicht weniger wichtig, sondern wichtiger: "Einen mächtigeren Gegner kann man nur unter größter Anspannung der Kräfte und nur dann besiegen, wenn man unbedingt aufs angelegentlichste, sorgsamste, vorsichtigste, geschickteste sowohl jeden, selbst den kleinsten ‚Riß' zwischen den Feinden, [...] als auch jede, selbst die kleinste Möglichkeit ausnutzt, um einen Verbündeten unter den Massen zu gewinnen, mag das auch ein zeitweiliger, schwankender, unsicherer, unzuverlässiger, bedingter Verbündeter sein." (13).
Und umgekehrt sollten auch die Liberalen erkennen, dass das Wiedererstarken einer radikalen oder revolutionären Linken links von ihnen durchaus nicht zwangsläufig zu den von ihnen immer gefürchteten Eskalationen und Polarisierungen führen muß, sondern es ihnen durchaus erleichtern kann, ihre Reformforderungen durchzusetzen.
Zitatnachweise:
(1) http://delete129a.blogsport.de/2007/08/16/international-scholars-demand-suspension-of-the-a-129a-proceedings-against-all-parties-concerned/; vgl. http://delete129a.blogsport.de/2007/08/18/online-form-for-signing-the-open-letter-to-the-german-federal-prosecutor/.
(2) http://delete129a.blogsport.de/2007/08/20/weiterer-aufruf-fuer-abschaffung-des-a-129-stgb/; vgl. http://delete129a.blogsport.de/2007/08/21/erhebliche-unterstuetzung-fuer-gewerkschaftlerinnen-rls-aufruf-gegen-a-129a/
(3) http://delete129a.blogsport.de/2007/08/13/aamazone-grundrechte-und-a-129a-stgb/.
(4) http://delete129a.blogsport.de/verteidigung/: "Im aktuellen Fall wäre in einem rechtsstaatlichen Verfahren gegen die drei in Brandenburg Festgenommenen der Tatvorwurf der versuchten Brandstiftung gem. § 306 StGB erhoben worden. Die unbestraften und in geordneten sozialen Verhältnissen lebenden Beschuldigten wären aufgrund fehlender Fluchtgefahr nicht in Untersuchungshaft genommen worden."
(5) http://delete129a.blogsport.de/2007/08/29/sind-kritische-wissenschaftlerinnen-unfaehig-brandsaetze-legen/
(6) http://delete129a.blogsport.de/2007/08/23/wir-wollen-das-beduerfnis-zurueckfordern-offene-unterstuetzung-auch-fuer-diejenigen-zu-zeigen-welche-fuer-schuldig-erklaert-werden-etwas-ungesetzliches-getan-zu-haben/
(7) http://delete129a.blogsport.de/2007/08/23/antimilitaristische-aktionen-sind-kein-einzelfall/
(8) http://delete129a.blogsport.de/2007/08/24/die-linke-muss-antworten-finden-auf-die-frage-was-adaequaten-widerstandsstrategien-sind/
(9) http://delete129a.blogsport.de/2007/08/28/aufruf-zum-antikapitalistischen-block-bei-der-demo-229/
(10) http://gipfelsoli.org/Home; bei indymedia wurde der Text bemerkenswerterweise von den ModeratorInnen versteckt: http://de.indymedia.org/2007/08/192434.shtml
(11) http://media.de.indymedia.org/media/2007/08//192488.pdf; vgl. http://einstellung.so36.net/de/ps/228
(12) http://delete129a.blogsport.de/2007/08/13/aamazone-lieber-weniger-pathos-und-mehr-argumente/
(13) http://www.marxistische-bibliothek.de/kinderkrankheit.html, Abschnitt VIII.
[http://delete129a.blogsport.de/2007/08/29/mehr-selbstbewusstsein-im-kampf-gegen-a-129a/]
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stern.de: Meck-Pom muss für Gipfelschäden zahlen
Von Manuela Pfohl
Vor zweieinhalb Monaten bahnten sich Demonstranten ihren Weg zum G8-Gipfel durch die Getreidefelder der Bauern. Für die entstandenen Schäden soll das Land Mecklenburg-Vorpommern aufkommen. Doch nicht alle Gipfel-Opfer haben die Chance auf einen finanzielle Ausgleich.
Ein Bild geht um die Welt: Hunderte Demonstranten, die am 6. Juni durch ein wogendes Weizenfeld marschieren. Richtung Zaun Heiligendamm. Polizisten aus Sachsen-Anhalt sehen die G8-Kritiker kommen. Eingreifen sollen sie nicht. Es gilt die Order Deeskalation. Die Bauern müssen hilflos zusehen, wie ein Teil ihrer Ernte der Globalisierungskritik geopfert wird. Zweieinhalb Monate später liegen im Schweriner Landwirtschaftsministerium die Rechnungen der Landwirte auf dem Tisch.
"Weil der G8-Gipfel inklusive der dazugehörigen Demonstrationen rein rechtlich auf die Kappe des Landes Mecklenburg-Vorpommern gehen, muss das Land auch für die Schäden aufkommen", erklärt Detlef Lindemann vom Bauernverband Bad Doberan. Gernot Haffner, Referent des Landwirtschaftsministers sagt: "Wir haben eine geschätzte Schadenshöhe von rund 32.000 Euro in acht betroffenen Betrieben." Bei einem weiteren Hof werde die Schadenssumme noch geprüft. Hauptursache sind zertrampelte Wintergetreide. Daneben wurden zerstörte Weidezäune, das erforderliche Ein- und Ausstallen von Tieren und die Müllentsorgung auf die Rechnung an das Landwirtschaftsministerium geschrieben.
Nach Angaben des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern kommen zu den Schäden der Bauern noch einmal rund 30 Anträge auf Schadensersatz von Kommunen und Privatpersonen. Zerstörte Grünanlagen, aufgerissene Straßen, demolierte Parkautomaten und ähnliche Schäden schlagen mit rund 100.000 Euro zu Buche. Bernd Fritsch, Sprecher des Innenministeriums erklärt: "Etwa ein Drittel der Anträge ist bereits durch Anerkennung oder Ablehnung erledigt."
Hausbesitzer Mike Spangenberg, über dessen Grundstück der Sicherheitszaun an der Kontrollstelle Hinterbollhagen führte, hat das Land sogar verklagt. Wegen unterlassener Hilfeleistung, Hausfriedensbruch und sämtlicher Paragrafen, die sonst noch in Frage kommen. Gipfelkritiker waren zu Hunderten über sein Grundstück marschiert, hatten aus seinem Zaun Straßenblockaden gebaut. Hilfe von der Polizei habe er nicht bekommen, obwohl die vor Ort gewesen sei.
Umsatzeinbrüche müssen die Einzelhändler alleine tragen
Keine Chance auf eine Entschädigung haben die Einzelhändler in Rostock und im Landkreis Bad Doberan. "In der Gipfelwoche mussten viele Händler Umsatzeinbrüche von bis zu 80 Prozent hinnehmen", berichtet der Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Nord-Ost, Heinz Kopp. Ein Grund für das G8-Minus sei gewesen, dass in der Zeit vor und während des Gipfels nur sehr wenige Urlauber in der Region waren. "Es hat sich auch als Trugschluss herausgestellt, dass die Tausenden von Demonstranten, Journalisten und Sicherheitskräften zwischen Rostock und Kühlungsborn die Umsätze bei Lebensmittelhändlern in die Höhe treiben werden", sagt Kopp. Einzige Ausnahmen in der trüben Bilanz seien Unternehmen, in der Umgebung der Camps, in denen die Gipfelkritiker übernachteten. Die Fleischerei Hackendahl, in direkter Nachbarschaft zum Camp Reddelich gehörte dazu.
Mit seinem Transparent "Revolution am Ostseestrand Wir grillen für den Widerstand" hatte der clevere Mecklenburger für gute Beziehungen zu den G8-Kritikern und satten Umsatz gesorgt.Auch die Erwartungen des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern haben sich nach Aussage seiner Präsidentin erfüllt. "Wir gehen von mindestens 25 Millionen Euro Umsatz für die Branche aus", sagt Sylvia Bretschneider. Allerdings hätten sich einige Gastronomen in Kühlungsborn mehr vom Gipfel erhofft. Das Geschäft habe darunter gelitten, dass die Medienvertreter im Pressezentrum rundum versorgt wurden.
[http://www.stern.de/politik/deutschland/:G8-Gipfel-Bilanz-Meck-Pom-Gipfelsch%E4den/596306.html]