- Brutalo-Polizisten bei G8-Gipfel in Genua abgehört
- Filme zum Hearing "Was geschah in Heiligendamm?"
- Tornado-Photos
- FAZ: Zäher Fluss der Erinnerungen
- taz: Der Augenzeuge
- Rechtliche Schritte gegen Beschlagnahme
- Berlin: Autonome VV - G8-Nachbereitung
- BKA-Peilsender wird in Berlin versteigert
- "Die Welt zu Gast bei Freunden" - Impressionen vom G8-Gipfel in Heiligendamm 2007
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Brutalo-Polizisten bei G8-Gipfel in Genua abgehört
Die italienische Polizei gerät wegen Gewaltanwendung beim G-8-Gipfel in Genua 2001 erneut unter Druck. Einige Tageszeitungen veröffentlichten am Freitag Auszüge während der Krawalle in Genua abgehörter Telefongespräche zwischen Polizisten. Dabei wird über die extreme Brutalität berichtet, mit dem die Polizei gegen die festgenommenen Globalisierungsgegner vorgegangen war.
"All dieses Gesindel sollte umgebracht werden. Einer ist bereits gestorben, 1:0 für uns", sagte eine Polizistin in einem Telefongespräch in Anspielung auf den von einem Carabiniere getöteten Globalisierungsgegner Carlo Giuliani. Das Dossier mit den abgehörten Telefongesprächen wurde von den Rechtsanwälten der Globalisierungsgegner beim Prozess gegen Dutzende Polizisten und hochrangige Polizeifunktionäre vorgelegt, der derzeit in Genua läuft. Am Freitag fand die letzte Gerichtsverhandlung vor der Sommerpause statt.
Der G-8-Gifpel von Genua sorgt weiter für Konflikte in Italien. Vor zwei Wochen hatte Italiens Regierungschef Prodi den italienischen Polizeichef, Gianni De Gennaro, abgesetzt. Die Maßnahme wurde ergriffen, nachdem die Staatsanwaltschaft Genua Ermittlungen gegen De Gennaro eingeleitet hatte wegen Anstiftung zur Falschaussage in den Ermittlungen zum Polizeieinsatz.
Zunächst waren etwa 160 Polizisten in den Sog der Ermittlungen wegen der Gewalttätigkeiten bei der Durchsuchung der Hauptquartiere der Aktivisten in den Genueser Schulen Diaz und Pascoli sowie wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen in der Kaserne Bolzaneto im Juli 2001 geraten. Mehrere von ihnen wurden aber entlastet.
Über Misshandlungen nach der Festnahme hatten auch die 16 Mitglieder der österreichischen Theatergruppe "VolxTheaterKarawane" geklagt, die drei Wochen lang in Untersuchungshaft gehalten worden waren. Ihnen wurden Verbindungen zur Anarchistengruppe Black Block vorgeworfen.
[http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/491477/index.do]
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Hearing - Was geschah in Heiligendamm?
Nach dem fünfstündigen Hearing "Was geschah in Heiligendamm?" erheben die Veranstalter massive Vorwürfe gegen Polizei und Politik und fordern Konsequenzen zur Bewahrung der Bürger- und Freiheitsrechte. Bei der Anhörung in den Räumen der Gewerkschaft ver.di in Berlin kamen über 30 Zeuginnen und Zeugen zum Ablauf der G8-Protestwoche zu Wort.
Nachfolgend haben wir einen Videomitschnitt des Hearings zusammengestellt. Die Beiträge sind nach RednerInnen geordnet.
* Einleitung Sven Giegold Was geschah in Heiligendamm
* Einleitung von Rain Ulrike Donat Republikanischer Anwältinnenverein
* Einleitung von Heike Kleffner Republikanischer Anwältinnenverein
* Gipfelsoli: Matthias Monroy Gipfelsoli Infogruppe
* Datenschutz: Karsten Neumann Datenschutzbeauftragter Mecklenburg-Vorpommern
* Block G8: Henning Obens Über Block G8 - Galopprennbahn
* Zeugenaussagen: Hans-Christian Ströbele Hans-Christian Ströbele zu den Vorfällen bei der Blockade an der Galopprennbahn
* Eidesstattliche Versicherung: RAV RA. Alexander Hoffmann (RAV) verliest Eidesstattliche Versicherung
* Nachfrage zum Block G8 Nachfrage an Hans-Christian Ströbele
* Ingewahrsamnahme: Tobias Singelstein Zum Thema Ingewahrsamnahme/GESAS u.s.w.
* Erklärung eines Gefangenen Jan Steyer liest die Erklärung von Michael Kronawitter
[http://www.attac.de/heiligendamm07/pages/baktuellesb/hearing-video.php]
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Tornado-Photos
http://gipfelsoli.org/Repression/3296.html
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FAZ: Zäher Fluss der Erinnerungen
Bundeswehreinsatz in Heiligendamm
05. Juli 2007 Die Bundeswehr hat den G-8-Gipfel in Heiligendamm offenbar zu einer umfassenderen Demonstration ihrer Kooperationsfähigkeit mit der Polizei genutzt, als zumindest der Innenminister und der Verteidigungsminister bis vor kurzem wussten. Nur ein Teil dessen, was während des G-8-Gipfels von der Bundeswehr an Amtshilfe geleistet wurde, war dem Verteidigungsministerium nach eigenen Angaben von Anfang an bekannt. Das Innenministerium wundert sich schon etwas länger über das Ausmaß der Heiligendamm-Kooperation zwischen Polizei und Bundeswehr. Erst Nachfragen der Opposition haben aber dann zu Erkundigungen im Verteidigungsministerium geführt. Es fertigte einen Bericht an. Dabei stellte sich heraus, dass statt der zwei vereinbarten sieben Tornado-Aufklärungsflüge unternommen wurden, dass statt vier Fennek-Panzern neun im Einsatz waren, dass entgegen anfänglicher Behauptung in einem Fall die Mindestflughöhe durch einen Tornado-Aufklärer unterschritten wurde und das Flugzeug in weniger als einhundertfünfzig Metern Höhe an einem Demonstranten-Zeltlager vorbeigedonnert war.
Tornado-Einsätze galten potentiellen Störern
Die Tornado-Flugzeuge waren bei ihren Missionen mit leistungsfähigen Kameras ausgestattet. Sie sollten in einem zeitlichen Abstand Luftbilder anfertigen, um eventuelle Veränderungen am Boden zu registrieren, hieß es zunächst. Ausweislich des Berichts wurden aber vor allem Fotos von Gebäuden und Fahrzeugen gemacht, ebenso Luftaufnahmen von Zeltlagern der G-8-Gegner. Aus dem Bericht des Verteidigungsministeriums für den Bundestag wird ersichtlich, dass die Einsätze der Tornados potentiellen Störern des G-8-Gipfels galten, weniger der Abwehr einer terroristischen Bedrohung. Den Angaben zufolge hat das Verteidigungsministerium selbst erst Mitte Juni von der tatsächlichen Zahl der Flugzeugeinsätze erfahren, die angeblich von der Polizeiorganisation "Kavala" erbeten worden waren. Nach Auffassung des SPD-Fraktionsgeschäftsführers Scholz ist bei der Amtshilfe "nicht alles so gelaufen, wie man sich das vorstellt". Der FDP-Fraktionsvorsitzende Westerwelle sagte, ihn verwundere ernstlich, wieso die Union das Grundgesetz zum Einsatz der Bundeswehr noch ändern wolle, wenn schon Tornado-Kampfflugzeuge über Demonstranten fliegen dürften. Und falls die Überflüge nicht durch das Grundgesetz gedeckt waren, was die FDP zu vermuten geneigt zu sein scheint, solle Verteidigungsminister Jung (CDU) doch zurücktreten.
"Witterungsbedingte und technische Schwierigkeiten"
Hingegen war es nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion "aufgrund der sensiblen Sicherheitslage in Heiligendamm notwendig, die technischen Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr auszuschöpfen". Der verteidigungspolitische Sprecher Siebert (CDU) gestand allerdings ein, dass "witterungsbedingte und technische Schwierigkeiten" dazu geführt hätten, dass mehr Flüge durchgeführt wurden, als das Ministerium ursprünglich genehmigt hatte. Im Ausschuss soll er gegenüber dem Staatssekretär des Verteidigungsministeriums etwas deutlicher geworden sein. Eingestanden hat das Verteidigungsministerium unterdessen, dass Vorhalte der Opposition, die Bundeswehr sei auch beim Transport von Polizisten behilflich gewesen, berechtigt waren. Bei sieben Flügen sei "Transportunterstützung" gewährt worden. In zwei Fällen sei mit Hubschraubern Verpflegung unter anderem für die Bundespolizei geflogen worden. Hierzu waren auch den Beobachtungen von Demonstranten zufolge Transporthubschrauber des Heeres vom Typ CH-53 eingesetzt worden. Das Verteidigungsministerium bestätigte nun, es seien in einem Einzelfall sechs leicht verletzte Polizisten mit einem solchen Helikopter ins Krankenhaus nach Bad Doberan geflogen worden. Dort waren während des Gipfels Besucher von Soldaten der Feldjägertruppe durch das Krankenhaus geleitet worden.
1020 Journalisten an Bord
Während des Aufenthalts hätten die Soldaten, so wird berichtet, vor dem Krankenzimmer gewartet und die Besucher danach wieder zum Krankenhausausgang begleitet. Das Verteidigungsministerium teilte mit, dass die Bundeswehr vorübergehend das Hausrecht übertragen bekommen hatte. Dieses aber galt, so sagte der Leitende Chefarzt des Krankenhauses ausweislich seiner Unterlagen nur für den Außenbereich der Klinik - nicht im Haus.
Über die Zahl der eingesetzten Aufklärungspanzer "Fennek" lagen dem Ministerium nach seiner Auskunft anfänglich ebenfalls falsche Angaben vor. Dem Bericht ist nicht zu entnehmen, welche Fähigkeiten der Fahrzeuge einen Amtshilfeantrag gemäß Artikel 35 des Grundgesetzes gerechtfertigt haben. Zu guter Letzt verzeichnet der Bericht auch einen Fall von Amtshilfe, die Journalisten beim G-8-Gipfel geleistet wurde: So hatten sechs Marinebarkassen mit 82 Fahrten insgesamt 1020 Journalisten transportiert. Einschließlich Gepäck.
[http://www.faz.net]
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taz: Der Augenzeuge
Der Strahl eines Wasserwerfers beim G8-Gipfel hat sein linkes Auge schwer verletzt. Jetzt erstattet Steffen B. Anzeige gegen unbekannt. Was genau ist passiert? VON DANIEL SCHULZ
POTSDAM taz An den Moment, bevor die Welt flach wurde, erinnert sich Steffen B. genau. Er sieht einen Polizisten, der mit seinem Schlagstock auf ihn zeigt. Dann trifft ihn etwas im Gesicht und schreit, fliegt nach hinten. Dann ist sein linkes Auge "irgendwie ausgeschaltet."
Wenn Steffen B. heute nach einem Glas Milch greift, wirft er es öfter mal um. Der 36-Jährige kann Entfernungen nicht mehr einschätzen, er sieht seine Umgebung wie auf einem Fernsehbildschirm - flach eben. Sein Auge wurde von einem Wasserwerfer getroffen, vor vier Wochen, am 7. Juni gegen halb eins am Mittag in Heiligendamm, als dreitausend Menschen den Zugang zum G8-Hotel blockiert haben. Die Zeitungen drucken danach Bilder, die Volksfestatmosphäre zeigen: friedliche Protestler auf mecklenburgischen Wiesen. Nach den Krawallen in Rostock fünf Tage zuvor scheint die Welt wieder in Ordnung. Tatsächlich aber gibt es an den beiden Tagen der Blockade die meisten Verletzten. Steffen B. ist einer von ihnen.
Als ihn der Strahl des Wasserwerfers trifft, steht der Potsdamer gerade auf der Wiese vor dem Westtor. Mit ein paar Freunden ist er tags zuvor per Auto angereist. Sie kennen zwar einige aus der früheren linken Szene von Potsdam - Leute, die heute vierzig Jahre und älter sind -, gehören aber nicht zu denen, die sich schon seit Monaten auf den Gipfel vorbereitet haben.
Wie hätte sich Steffen B. auch auf solch einen Tag vorbereiten sollen? Das Klima zwischen Polizisten und Demonstranten ist aufgeheizt, viele Beamte verhalten sich aggressiv. Dazu trägt wohl, neben der Erfahrung mit den vermummten Steinewerfern von Rostock, auch die Einsatzleitung "Kavala" bei. Die lässt verbreiten, dass die Demonstranten Polizeibeamte mit Steinen bewerfen und mit Säure bespritzen. Nichts davon ist bis heute belegt. Den Polizisten wird suggeriert, die Blockierer seien ein zu allem bereiter Lynchmob.
Als Gewalttäter ist Steffen B. nicht bekannt, in der Staatsanwaltschaft Potsdam liegt nichts gegen ihn vor. Politisch aktiv ist er ab und an durchaus, er hat sich beispielsweise für Asylbewerber eingesetzt. Viel mehr will er über sich aber nicht erzählen. Er möchte "für die Öffentlichkeit auf keinen Fall ein Gesicht bekommen, sonst steht noch RTL vor meiner Tür." Deshalb sind auch Fotos unerwünscht. Es muss die Beschreibung reichen: blonde wellige Haare und die drahtige Figur eines Sportlers, eines Langenstreckenläufers vielleicht. Sein verletztes Auge sieht äußerlich fast normal aus, tränt aber, das Jochbein schimmert bläulich. Ob B. in seinem Beruf - "etwas im medizinischen Bereich" - wieder arbeiten können wird, wagen die Ärzte derzeit nicht zu sagen. Sie meinen, er müsse warten. Er könne nichts weiter tun.
Aber Steffen B. tut gern etwas, er verabscheut Ohnmacht. Auch deswegen ist er nach Heiligendamm gefahren. Er hat kein politisches Programm, aber das Gefühl, gegen die "zutiefste Ungerechtigkeit in der Gesellschaft, für die die Vertreter der G8 stehen, ein Zeichen setzen zu können." Steffen B. hat nicht wirklich daran geglaubt, dass die Blockaden den Gipfel tatsächlich von der Außenwelt abschneiden könnten: "Dieser Protest ist immer symbolisch, aber genau darum wichtig."
Dafür sind er und seine Gruppe vom Protestcamp Reddelich Richtung Zaun aufgebrochen. Drei Stunden sind sie durch Wald und Felder marschiert, den Polizeistreifen ausgewichen. Als sie in der Nähe von Hinter Bollhagen bei einem der Eingänge in den Sperrzaun ankommen, stehen da viele Polizisten. Sie blockieren die Straße um die Protestler fernzuhalten. Neuankömmlinge werden mit Wasserwerfern empfangen.
Die Spritzkanonen der Polizeifahrzeuge schießen an diesem Tag öfter in Kopfhöhe - das lässt sich in Videoclips im Internet noch heute beobachten. Eigentlich sei das aber nicht erlaubt, sagt Ulf Erler, der Sprecher der Kavala. "Beamte sollen nicht auf Köpfe, sondern auf die Beine zielen." Es könne natürlich vorkommen, dass jemand stürze und dann am Kopf getroffen werde, aus Versehen.
Aber Steffen B. ist nicht hingefallen. Als der Potsdamer auf der Wiese ankommt, hält er sich fürs erste fern von den spritzenden Wasserwerfern. Er läuft eine halbe Stunde umher, verliert in der Menge einige seiner Freunde aus den Augen. Als die Polizei den Wasserbeschuss einstellt, geht B. weiter nach vorn. Er will "sehen, was da so los ist." In der ersten Reihe hält eine Gruppe Demonstranten eine Bauplane vor sich - etwa sechs Meter entfernt stehen drei Wasserwerfer. Dann passiert es. Ein Polizist zeigt mit seinem Schlagstock auf Demonstranten, wie ein Dirigent. Erst links, dann rechts, dann auf Steffen B. Der Turm des mittleren Werfers dreht sich. B. hört einen Ruf, etwas wie "Achtung, wir löschen." Den Strahl sieht er nicht mehr kommen.
Laut der Dienstvorschrift 122 für den Einsatz von Wasserwerfen müssen Demonstranten rechtzeitig gewarnt werden, bevor mit Wasserstrahlen geschossen wird. Steffen B. ist sich noch heute sicher, dass das nicht passiert ist. Andere Demonstranten bestätigen seine Aussage. Beweisen lässt sich so etwas trotzdem schwer. So wie auch viele andere Übergriffe, die Polizisten während des G8-Gipfels in Heiligendamm begangen haben sollen. Bisher sind gerade einmal 27 Dienstaufsichtsbeschwerden bei der Kavala eingegangen. Und laut Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) gibt es bisher nur eine Strafanzeige. Dieser Tage bereitet der Republikanische Anwaltsvereins weitere vor. Die von Steffen B. soll in der nächsten Woche rausgehen.
Als er auf der Erde liegt, weiß er, dass etwas "absolut Krasses passiert sein muss." Seine linke Gesichtshälfte ist taub. Im medizinischen Befund wird es später heißen, dass das Jochbein zertrümmert und das Lid halb abgerissen ist. Neben ihm schreit ein Mann: "Die haben dir das Auge weggeschossen!"
Steffen B. muss ein bisschen lachen, als er diese Szene im Büro seines Potsdamer Anwalts schildert - über die Panik auf der Wiese in Hinter Bollhagen. Er macht öfter Witze über das, was ihm passiert ist. Beispielweise darüber, dass, als er später in der Rostocker Klinik lag, das ZDF vor dem Krankenhaus gestanden habe. Reden wollte er mit den Fernsehleuten aber nicht: "Da stand groß am Übertragungswagen: Mit dem Zweiten sieht man besser. Das war zu der Zeit nicht so mein Spruch." Er sieht aus dem Fenster und schweigt einige Sekunden. Freunde haben ihm gesagt, man könne fast froh sein, dass es gerade ihn getroffen habe, keinen Schwächeren, er könne doch viel aushalten. Man würde ihnen gern Recht geben. , Aber in diesem einen Moment der Stille - da nicht.
Denn es ist nicht nur so, dass Steffen B. mit seinem linken Auge heute nur noch Umrisse und Schatten erkennen kann. Er hat auch Erfahrungen gemacht, die er nicht versteht. Als er etwa auf dem Boden liegt, kümmern sich zwei freiwillige Demo-Sanitäter um ihn. Sie legen ihm eine Binde über beide Augen, es wird vollständig dunkel für ihn. Dann wollen sie ihn in einen der nahe stehenden Krankenwagen bringen. Doch die Polizisten haben das nicht zugelassen, das gaben die beiden Sanitäter später B.s Anwalt zu Protokoll. Begründung: In den Krankenwagen liege Material. Erst nach einer halben Stunde darf das Fahrzeug Steffen B. abtransportieren. Allein.
Keiner seiner Freunde habe ihn begleiten dürfen, erzählt B. "Ich war orientierungslos und ich hatte eine Scheißangst. Warum haben die niemand mitfahren lassen, den ich kannte?"
Er versteht auch nicht, warum die Beamten den Krankenwagen zuerst nach Bad Doberan schicken. Dort hebt jemand die Augenbinde an, Steffen B. erkennt einen weißen Raum, eine Bundeswehruniform. Er hört eine Stimme, die verfügt, dass er sofort nach Rostock gebracht wird. Die Ärzte dort müssen schnell handeln: Mit ein paar Spritzen betäuben sie sein linkes Auge, decken das rechte ab und operieren. Steffen B. kann das leise Schaben der Instrumente hören.
Erst elf Tage später wird er wieder nach Potsdam zurückkehren können. Noch immer muss er sich regelmäßig behandeln lassen. Während der ganzen Zeit geht ihm ein Bild nicht aus dem Kopf: "Das Gesicht des Polizisten, der im Turm saß, hat sich bei mir eingebrannt", sagt Steffen B. Er habe ihn durch das Fenster des Wasserwerfes gesehen. Sehr jung sei der Beamte gewesen, sein "Bubigesicht" habe ihn direkt angesehen, bevor das Wasser kam. B. ist sich sicher, dass er den Mann erkennen würde, wenn man ihm Fotos zeigt. Er will daher, dass er schnell Verdächtige sieht. "Ich hoffe so sehr, dass dieses Bild so lange in meinem Kopf bleibt."
Doch seine Chancen sind begrenzt. Die Kavala soll bald aufgelöst werden, und Polizisten unterliegen in Mecklenburg-Vorpommern keiner Kennzeichnungspflicht. Deshalb ergeht die Anzeige gegen unbekannt. Doch Steffen B. will diesen Polizisten finden. Gründe dafür gibt es natürlich viele. Einer ist der, dass Steffen B. von einem Gericht hören will, dass ihm und anderen durch Polizisten grundlos Gewalt angetan worden ist.
Während der Krankenhaustage in Rostock - nach einer zweiten Operation heilt sein Auge langsam - liest er unter Mühen im Spiegel ein Interview mit August Hanning, Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Die Journalisten fragen, ob die Polizei zu hart vorgegangen sei, ein Demonstrant würde womöglich sein Auge verlieren. Hanning erwidert, immerhin sei in Heiligendamm niemand erschossen worden. Man könne mit dem Ergebnis zufrieden sein.
DAS IST STEFFEN B.
7. Juni 2007: Steffen B. wird am Zaun von Heiligendamm vom Strahl eines Wasserwerfers derart hart am Kopf getroffen, dass sein linkes Augenlid halb abgerissen wird. Erst dreißig Minuten später wird er ins Krankenhaus von Bad Doberan transportiert, von dort aus eilig in eine Rostocker Klinik. Er wird umgehend operiert.
Mitte Juni 2007: Wenn Steffen B. die Augen öffnet, sieht er nur seine Nasenspitze. Sein räumliches Sehvermögen ist stark beeinträchtigt, das Gehirn muss sich erst daran gewöhnen, Bilder mit nur einem funktionierenden Auge zusammensetzen.
Zweite Juliwoche 2007: Steffen B. hat gelernt, nur mit einem Auge sehen zu können. Sein Anwalt stellt bei der Rostocker Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen unbekannt.
[http://www.taz.de/index.php?id=start&art=1576&id=442&cHash=26e4cccabf]
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Rechtliche Schritte gegen Beschlagnahme
In der Nacht zum 05. Juni wurde von der Polizei in der Nähe des Camp Rostock eine umfangreiche Personenkontrolle durchgeführt. Dabei wurden nicht nur viele Personen kontrolliert und durchsucht, sondern neben zwei Ingewahrsamnahmen auch zum Teil rechtswidrige Beschlagnahmen vorgenommen. Ein Betroffener wehrt sich nun gegen die Beschlagnahme seines Funkgerätes und bereitet eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Schwerin vor, um die Rechtswidrigkeit der Maßnahme feststellen zu lassen. Verglichen mit den über 1000 Ingewahrsamnahmen und Festnahmen, stellen die unzähligen Beschlagnahmen sicher nur eine geringfügige Form der Repression dar. Dennoch muss die rechtswidrige Beschlagnahme von ungefährlichen Gegenständen wie Funkgeräten und Kleidungsstücken nicht einfach hingenommen werden. Vor allem, wenn kein direkter räumlicher oder zeitlicher Zusammenhang zu Versammlungen besteht, bietet sich eine genaue Prüfung des Sachverhaltes an. Denn dann bestehen an der üblichen Begründung "Gefahrenabwehr" deutliche Zweifel.
Wer während des Gipfels von einer Beschlagnahme betroffen war und Widerspruch eingelegt hat, hat evtl. schon den Widerspruchsbescheid von der Polizeidirektion Rostock erhalten. Meiner (siehe Bild) ist auf den 20. Juni datiert und informiert mich über die Einstellung des Widerspruchsverfahrens. Die Entscheidung ist in meinem Fall völlig korrekt. Nicht korrekt hingegen ist der Bescheid selbst, denn es fehlt die Rechtsmittelbelehrung gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Diese sollte man auf jeden Fall einfordern, wenn man Rechtsmittel einlegen will. Zusätzlich bietet dies eine kostengünstige Form der kreativen Anti-Repression, da ausser dem Porto keine Kosten für das Einfordern der Rechtsmittelbelehrung entstehen. Ich gehe davon aus, dass der Widerspruchsbescheid in der Form als Serienbrief verschickt wurde und alle bisher verschickten Bescheide ebenfalls fehlerhaft sind. Deshalb meine Bitte an alle Betroffenen: Fordert eine Korrektur Eures Bescheides an, ein Musterbrief liegt hier als PDF vor. Der zuständige Regierungsrat bei Kavala freut sich sicher über Post ;-)
Ich persönlich werde nach Erhalt des korrigierten Widerspruchsbescheides Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO vor dem Verwaltungsgericht Schwerin erheben und unter diesem Artikel weiter zu dem Fall berichten.
Zusätzlich würde ich mich freuen, wenn sich so viele Betroffene wie möglich bei mir melden würden. Eine kurze Mail mit Angaben zum Sachverhalt und Aufzählung der beschlagnahmten Gegenstände reicht völlig, Angabe des Namens ist nicht nötig. Ich werde die Berichte dann auswerten und eine Statistik veröffentlichen. Theoretisch wäre das zwar etwas für den EA bzw. den RAV, aber die haben z.Z. sicher genug mit der Aufarbeitung der schwerwiegenden Grundrechtsverletzungen zu tun.
g8-beschlagnahme@wolke7.net
[http://de.indymedia.org/2007/07/186702.shtml]
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Berlin: Autonome VV - G8-Nachbereitung
Auf vielfachen Wunsch wieder ins Programm genommen:
2. Berliner VV zur Nachbereitung der Anti-G8-Proteste und zur gemeinsamen (?) Zukunft in Berlin. Kommt zahlreich, bringt Ideen, Fragen, Antworten und GenossInnen mit! Heiligendamm-Schwung nutzen statt immer noch Füße hochlegen!
13.07.2007 20.00 - Köpi
[Autonome in Bewegung]
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BKA-Peilsender wird in Berlin versteigert
Nach dem G8-Gipfel und den Hausdurchsuchungen nach §129a in Berlin, Bremen und Hamburg provoziert die Berliner Linke das Bundekriminalamt: ein entdeckter Peilsender soll öffentlich versteigert werden. Die Einnahmen sollen für Prozess- und Verteidigungskosten verwendet werden. Verhöhnung auf hohem Niveau. Am 12.05.07, drei Tage nach der Grossrazzia nach §129a durch BKA und Bundesanwaltschaft gegen GlobalisierungsgegnerInnen, wurde am Auto eines der Berliner Beschuldigten ein GPS-Peilsender des Bundeskriminalamts (BKA) entdeckt. Der Peilsender war im vorderen linken Radkasten des Pkws mit starken Magneten befestigt. Ein ähnlicher Sender wurde auch in Hamburg an einem Auto entdeckt. Es handelt sich um einen Satz Hochleistungsbatterien, eine GPS-Empfangsantenne, ein Modul zur Datenverarbeitung und ein Mobilfunk-Sendemodul mit Sendeantenne. Das ganze mit schwarzem Klebeband umwickelt als handliches Päckchen.
* http://de.indymedia.org/2007/05/176790.shtml
Laut Fachleuten wird der Marktwert der Technik auf ca. 1000 € geschätzt. Das BKA forderte inzwischen von den Betroffenen ihr "Eigentum" zurück.
Die Entdeckung der Geräte war für die Behörden doppelt peinlich: so waren zum einen die Vorwürfe gegen die Beschuldigten so hanebüchen, dass selbst die mediale Mainstream-Öffentlichkeit die Observation als völlig überzogen und unbegründet ansah. Einer der Betroffenen aus dem Autorenkollektiv "AG Grauwacke" geriet wegen seiner Teilnahme an dem Buchprojekt "Autonome in Bewegung" ins Fadenkreuz der Ermittler. Das Buch ist seit 2 Jahren auf dem Markt und ist inzwischen in zweiter Auflage restlos ausverkauft. Er erklärte nach dem Fund des Peilsenders: "Ich sehe es als ein Zeichen leiser Verzweiflung der Verfolgungsbehörden an, wenn sie meinen, durch Satellitenpeilung der geheimen Verschwörung zum Schreiben eines Buches auf die Spur kommen zu müssen." Peinlich ist aber auch das konspirativ-technische Unvermögen der Behörde. Sie hat mit der Aktion auch ihren Dilettantismus bei der angeblichen "Terrorabwehr" belegt und sich damit im doppelten Sinne der Lächerlichkeit preisgegeben.
Vollends lächerlich ist das Ansinnen, nach dem groben Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen jetzt auch noch die Rückgabe der Überwachungstechnik zu fordern. Eine gruppenübergreifende Berliner Arbeitgruppe gegen Polizeigewalt und für Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten bietet der Bundesbehörde nun an, ihr "Eigentum" zurückzuholen. Im Rahmen einer Party gegen Polizeigewalt, die u. a. von der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) unterstützt wird, soll einer der entdeckten Peilsender öffentlich versteigert werden. Für Polizeibeamte bestehe allerdings Hausverbot, so eine Sprecherin der Veranstalter, da die Polizei in der Regel durch Gewalttätigkeiten auffalle und die Partystimmung dann verderben würde. Trotzdem hätte das BKA die Chance mitzumachen. Unter einer per Pressemitteilung veröffentlichten Telefonnummer kann sich die Behörde offiziell an der Live-Versteigerung beteiligen. Die Einnahmen aus der Versteigerung kommen nach Angaben der Arbeitsgruppe Betroffenen von Polizeiübergriffen zur Wahrnehmung ihrer rechtsanwaltlichen Vertretung zugute.
Ob diese öffentliche Verhöhnung des BKA von den Strafverfolgungsbehörden einfach so hingenommen wird, ist unklar. Diesbezügliche Nachfragen wurden vom Pressesprecher des BKA nicht kommentiert. Ein öffentlicher Showdown kündigt sich also an: das Berliner LKA hatte in der Vergangenheit schon einmal eine Antifa-Party gestürmt, weil es dort Gratis-Cocktails für Naziplakate geben sollte. Damals reagierte die ALB mit einer Gala, an der mehr als 1000 Menschen teilnahmen, und die zahlreiche Prominente mit einem Cocktail für mitgebrachte und zerstörte Nazipropaganda belohnte.
* http://www.antifa.de/cms/content/view/264/32/
* http://de.indymedia.org/2005/09/128297.shtml
Möglicherweise scheut die Polizei in dieser unrühmlichen Angelegenheit allerdings das Rampenlicht. Die Veranstalter der Party jedenfalls sehen einem Ansturm der Berliner Polizeiarmee gelassen entgegen. "So ein Auftritt passt gut in unser Programm!" meint die Sprecherin und betont, dass sie im Vorfeld ausreichend Sicherheitsvorkehrungen getroffen hätten. Für Polizei und Staatsanwaltschaft gaben die Veranstalter in ihrer Presseerklärung schon mal vorsorglich sachdienliche Hinweise. Der zu versteigernde Peilsender befinde sich zurzeit an einem sicheren Ort außerhalb Berlins. Der Peilsender werde erst am 7.7.2007 nach Berlin transportiert und wenige Minuten vor Versteigerung per Kurier angeliefert. Hausdurchsuchungen im Umfeld der Partyveranstalter seien deshalb völlig zwecklos. Und trotzdem rechnen die Veranstalter mit schikanösen Maßnahmen der Polizei. Man sei aber gut darauf vorbereitet, und wäre mit polizeiliche PR-Arbeit sehr zufrieden. Schließlich soll die Party mit vielen BesucherInnen Geld in die leeren Prozesshilfekassen spülen, und da sei jede kostenlose Werbung, auch in Form überzogener Reaktionen der Staatsgewalt willkommen.
Das geschmacklose Partyplakat im Titanic-Stil jedenfalls könnte die Staatsanwaltschaft, zumindest aber den Berliner Polizeipräsidenten Dieter Glietsch zum humorlosen Durchgreifen gegen die Provokateure verleiten. Dort wird satirisch die immer noch fehlende individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte in Berlin auf die Schippe genommen. Im Körper von Sacha Cohen, der als kasachischer Journalist namens Borat in diesem Jahr die Kinos erobert hatte, lächelt den Zuschauer der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch an. Dass er dabei nur einen völlig albernen Badeanzug trägt, der im Schritt die Aufschrift "Glietsch 001" trägt, macht den Anblick des Plakats in ästhetischer Sicht fast unerträglich. Mit der Meldung "Endlich: Innensenator Körting führt Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte ein!" spielt das Plakat wohl auf die von der rot-roten Landesregierung eingeführte Kennzeichnung von Polizeigruppen an, die unter anderem von der innenpolitischen Sprecherin der Linkspartei, Marion Seelig, als Erfolg verkauft wird. Laut RechtsanwältInnen ist diese Kennzeichnung völlig sinnlos, da sie eine individuelle Identifizierung von Polizeischlägern genauso wenig möglich mache, wie die vorherige Kennzeichnung der Einsatzhundertschaften. Mit dem Plakat wird die Kennzeichnung von Polizei-Unterwäsche als weiterer Erfolg gefeiert. Zur Satire gehört wohl auch, dass die presserechtlich Verantwortliche für die Jubelmeldung Marion Seelig ist. Nach den Übergriffen Berliner Beamter in Rostock lobte Seelig trotz der bundesweiten Kritik an den rabiat zuschlagenden Berliner Polizeieinheiten die seit der Regierungsübernahme der PDS in Berlin angeblich geläuterten Einsatzhundertschaften. Es habe sich viel gebessert, seit die Polizei auch auf das Kommando der Linkspartei höre. Ob BKA, LKA Berlin, der Polizeipräsident und die innenpolitische Sprecherin der neuen Linkspartei nun diesen Spaß verstehen, wird sich wohl spätestens bei der Solidaritätsparty gegen Polizeigewalt am kommenden Wochenende in Berlin zeigen.
* http://www.kato-x-berg.de
* http://www.antifa.de
* http://www.jungewelt.de/2007/05-14/059.php
* http://www.jungewelt.de/2007/06-15/050.php
* http://129akriminalisiertprotest.wordpress.com/
[http://de.indymedia.org/2007/07/186639.shtml]
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"Die Welt zu Gast bei Freunden" - Impressionen vom G8-Gipfel in Heiligendamm 2007
Im Juni 2007 dokumentierten Kamerateams eine Woche lang den vielfältigen Protest gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm. Der Film präsentiert den visuellen Kontrast zwischen der ruhigen mecklenburgischen Landschaft und "dem Zaun" als Symbol der elitären Entfernung der Regierenden vom Volk und dem Globalisierungskampf. Gezeigt werden die verschiedenen Formen des erfolgreichen Protestes und Widerstandes: Demonstrationen, Blockaden, Camps, Gegengipfel, aber auch Polizeiprovokationen und Polizeigewalt. Und natürlich die Clownsarmee, immer in der ersten Linie, mal deeskalierend durch Späße mit der Polizei, mal selbst durch Wasserwerfer weggespült. Der Film begleitet GipfelgegnerInnen bei ihren Aktionen und wechselt in Parallelmontagen immer wieder den Standort des Geschehens. Neben Statements von GipfelgegnerInnen zum Geschehen kritisieren auch AnwohnerInnen in Interviews das G8-Gipfeltreffen und zeigen auch zum Teil Verständnis für den friedlichen Protest der jungen DemonstrantInnen. In Interviews beschreiben Werner Rätz von attac und Barbara Kamradt von Greenpeace die Folgen der Globalisierung und die Notwenigkeit von globalen sozialen Rechten. Der Film dokumentiert den Protest international, jung und friedlich mit viel Kreativität und guter Laune als Mut machendes Zeichen für internationales, solidarisches Bewusstsein, politische Courage und zivilen Ungehorsam.
(c) 2007, Lauflänge 30 Min.
Der Film kostet als DVD 10,- EUR zzgl. 3,- EUR Versandkosten.
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