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2006-01-27

27.1.2006 Heiligendamm -- Genua

- Einladung zur Informations- und Diskussionsveranstaltung

- Genua: Erster Bolzaneto-Gefangener sagte aus

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Einladung zur Informations- und Diskussionsveranstaltung
"Das G8-Treffen in Heiligendamm und Perspektiven des Protestes"

am 16.02.2006 um 19.00 Uhr
Ort: Hauptgebäude der Uni Rostock, Universitätsplatz 1, Hörsaal 218

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Freundinnen, der im Mai 2007 stattfindende G8 Gipfel in Heiligendamm wird in der Öffentlichkeit zunehmend präsenter und verlangt, über die kommunalpolitische Besetzung der Themen hinaus, nach einer grundlegenden Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Politik der G8 und Möglichkeiten des Protestes.
Die Gruppe der Regierungschefs der sieben weltweit mächtigsten Industrienationen und Russlands behauptet, nach Lösungen für die Probleme der Welt zu suchen. Tatsächlich zielt ihr Handeln auf Ausbau und Stabilisierung eines ungerechten Systems ab, dass selber Teil der globalen Probleme ist und deren Lösung entgegensteht.
Die bisher wahrnehmbare Debatte im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Gipfel blendet solche Überlegungen aus. Sie befasst sich vielmehr mit Themen wie dem Ausbau des Straßennetzes, "Sicherheitsbedenken" oder vermeintlichen Chancen für die Region und ignoriert, dass die G8 Treffen neoliberale Konzepte forcieren, die mit Armut, Verschuldung, Umweltzerstörung und Krieg einhergehen.
Diese Sichtweise lässt auch die vor Ort wahrnehmbaren Auswirkungen wie Sozialabbau oder Einsparungen im Bildungsbereich außer Acht. In M/V gibt es seit längerem vielfältige Proteste; sei es gegen die Zumutungen des Hartz IV-Gesetzes, Entlassungen in den Werften oder den drastischen Kürzungen an den Hochschulen. Verschiedene Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen arbeiten zu Themenfeldern wie Rassismus, Sozialkahlschlag, Aufrüstung oder Privatisierung. All das kann sich in der Auseinandersetzung mit dem G8 Gipfel wieder finden und in breit getragenen Protesten wahrnehmbar werden.
Mit der Veranstaltung "Das G8-Treffen in Heiligendamm und Perspektiven des Protestes" wollen wir auf die grundlegenden Argumente der globalisierungskritischen Bewegung eingehen und einen Überblick bisheriger Mobilisierungen gegen Treffen der G8 und ähnlicher Gipfel internationaler Relevanz (z.B. WTO, IWF/Weltbank) geben.
Vertreter der bundesweiten Gruppen dissent, Interventionistische Linke (IL) und Deutsche Friedensgesellschaft (DFG-VK) werden aktuelle Diskussionen und Vorhaben auf regionaler und bundesweiter Ebene vorstellen.
Darauf aufbauend erhoffen wir uns einen angeregten Gedankenaustausch mit dem anwesenden Publikum. Wer bereit ist, eigene Vorstellungen und Aktionsformen kritisch zu reflektieren und dabei andere Positionen zu respektieren, ist willkommen. Wir hoffen auf viele Engagierte zu treffen, die die Stärke einer solchen Herangehensweise erkennen.
In der Zukunft kann dadurch ein Netzwerk mit einer inhaltlichen Bandbreite entstehen, welches unterschiedlichste Protestmöglichkeiten gegen die G8 zu tragen vermag. Die Veranstaltung wird vom Forum progress 07 in Kooperation mit dem AstA der Universität Rostock organisiert.

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Genua: Erster Bolzaneto-Gefangener sagte aus

Während das Verfahren wegen dem Überfall auf die Diaz-Schule bereits den 22. Verhandlungstag erreicht hat und zügig vfortschreitet, kam es im Verfahren wegen den Untaten in der Kaserne Bolzaneto erst am 24. Januar zur Aussage des ersten Geschädigten.
Die Zeitung La Repubblica hat eins treffend auf den Punkt gebracht: etwaige "Erinnerungslücken" in Sachen G8 2001 werden dieser Tage durch die Berichte dvon Geschädigten endlich wieder geschlossen. In der Folge Übersetzung des Repubblica Berichts und einer in "Il Secolo XIX" erschienen Kurzmeldung

La Repubblica, 25.01.2006

Rubrik: Il Lavoro

von: Marco Preve

Erste Zeugenaussagen: Sie haben uns beschimpft und geschlagen.
Gewalttaten in Bolzaneto - Die Stunde der Wahrheit
Das Verfahren

Wenn jemand vergessen hatte, dass im Juli 2001 in Genua in einer Haftanstalt der italienischen Republik Gefangene waren, die widerrechtlich verhaftet, getreten, mit Kniestößen in die Genitalien traktiert, der Grundrechte beraubt und - etwa durch Nazi-T-Shirts, die Männer in Uniform zur Schau stellten - auf mannigfache Weise gedemütigt wurden, dann wurde diese Gedächtnislücke am gestrigen Tag durch den Verhandlungstermin im Verfahren wegen den Machtmissbräuchen in der G8 Haftanstalt, die im Inneren der Kaserne Bolzaneto geschaffen worden war wieder geschlossen.

Im Verfahren gegen 44 Polizisten, Justizvollzugsbeamte und Carabinieri ist die Stunde der Aussagen der Geschädigten gekommen. Der Erste der einstigen Gefangenen, der gesprochen hat, ist Eugenio A., 24, aus Genua, der vor Kurzem seinen Abschluss in internationaler Diplomatiewissenschaft gemacht hat.

Am 21. Juli befand er sich unter den tausenden Demonstranten, die gegen die Globalisierung der großen Mächte protestierten. Wie viele andere, war er auf der Straße festgenommen und nicht vorliegender Straftaten beschuldigt worden, weswegen er selbst freigesprochen und die Verfahren eingestellt wurden. Jetzt verlangt er Gerechtigkeit, im Gerichtssaal ist er noch einmal die in der Kaserne erlebten Momente durchgegangen, von 17-17,30 Uhr bis ein Uhr nachts, als er entlassen wurde. "Ungefähr fünf Stunden lang - hat er beim Antworten auf die Fragen der Staatsanwälte Patrizia Petruzziello und Vittorio Ranieri Miniati erzählt - bin ich aufrecht in der Zelle gestanden, mit dem Gesicht zur Wand, die Hände hinter dem Rücken und mit gespreizten Beinen. Ich hatte um ein Glas Wasser gebeten, aber niemand hat mir Antwort gegeben". "Dann" fuhr er fort, "haben wir Stimmen von draußen gehört, die sagten: 'hier, nimmt dies!' und es wurde Gas durch das Fenster mit den Gittern gesprüht, meine Augen brannten nämlich".

Eugenio hat den Moment seines Durchgangs durch den Korridor evoziert, als er ? ein Beamter ging ihm voraus ? in das Büro gehen musste, um Erkennungsdienstlich behandelt zu werden. Er hat berichtet, dass sich ein Dutzend Polizisten an den Seiten des Flurs befand. "Sie taten so, als würden sie mir ins Gesicht schlagen und versetzten mir dann mit ihren Händen Hiebe am Oberkörper und am Gesäß. Als sie mich wieder zurückgebracht haben, wurde mir auch mit dem Knie ein Hieb in die Genitalien versetzt. Ich sahte: 'Genug!' und sie antworteten: 'Für euch gibt es nie genug!'". In der Zelle "kam ein Polizist näher, der sein Uniformhemd hochzog und mir ein T-shirt mit Hakenkreuz zeigte?.

Als der Staatsanwalt ihm die Frage stellt, ob er verbal reagiert habe, antwortet er mit einem Lächeln: "Nein, gewiss nicht. In jener Situation wäre es besonders kontraproduktiv gewesen". Vor ihm hatten als Zeugen der Justizvollzugsverwaltungsrichter Salvatore Leopardi und der Vizequästor
Giorgio Gaeta, der seinerzeit Chef des Reparto Mobile [1] war, der gesagt hat, dass er sich nicht an Missbrauchhandlungen und Gewalttaten in den Zellen erinnert.

Il Secolo XIX 25.01.2006
Kurzmeldungen

G8 Verfahren
Ein Geschädigter sagt aus

Genua - Gestern hat im Verfahren wegen den Gewalttaten in der Kaserne Bolzaneto der erste Geschädigte ausgesagt: Eugenio Arecco, ein 24-Jähriger, der berichtet hat, dass er wiederholt von Poloizisten geschlagen wurde. Er hat auch ausgesagt, dass ein Beamter immerzu die jungen Gefangenen beschimpfte und dass dieser sich dann die Uniform hochzog, und ein Hakenkreuz zeigte, das auf sein T-shirt aufgemalt war. Vor Arecco hatten als Zeugen der Justizvollzugsverwaltungsrichter Salvatore Leopardi und Giorgio Gaeta ausgesagt, der seinerzeit Chef der sechsten Mobile-Abteilung der Kaserne Bolzaneto [1] war.

[1] Die Squadra Mobile ist eine aus geschlossenen Einheiten zusammengesetzte Abteilung, die in Deutschland am ehesten mit den kasernierten Einheiten der Bereitschaftspolizei zu vergleichen ist.

[indymedia.de, von nichtsowichtig - 26.01.2006 19:06]