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2006-02-23

23.2.2006 Genua

- Zusammenfassung 26. Verhandlungstag - 14.02.2006

- "Wir hatten wahnsinnige Angst"

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Zusammenfassung 26. Verhandlungstag - 14.02.2006

Ein Feuerwerk, wobei der Heimweg mit einem Teilerfolg in der Tasche angetreten werden konnte.

Den Höhepunkt des 26. Verhandlungstages am 14. Februar 2006 bildete der letzte Abschnitt, in dem die vergangene Woche vom Gericht erlassene, die Anzahl der Zeugen "kürzende" Anordnung diskutiert wurde. Davor wurden aber vier Zeugen vernommen.

Der Erste Zeuge, F.P., war während den Ereignissen die meiste Zeit mit M.P. zusammen. Er flüchtete in den dritten Stock, wo er in einem Klassenraum Zuflucht suchte. Er wurde wiederholt übel zusammengeschlagen, entlang eines Korridors gezerrt und die Treppe hinunter geworfen, am Ende hatte er einen gebrochenen Zahn, einen Fraktur des kleinen Fingers und eine Kopfverletzung, die mit 23 Stichen vernäht werden musste. Terrible news, but no news... Auch in diesem Fall war der Staatsanwalt in Sachen Uniformen sehr zurückhaltend, während die Verteidigung zu punkten versuchte (weil F.P. die regulären Uniformen der Bereitschaftspolizei erkannt hatte), wobei der Verteidiger Romanelli durch die Gegenfragen der Anklage den nächsten Schlag einkassieren musste: "Wenn ich etwas wahrgenommen hätte, dass die dunkle Farbe der Uniformen unterbrochen hätte, könnte ich mich daran erinnern", sagte F.P., was eigentlich bedeutet: Dunkle Gurte = 7. Einsatzgruppe.

Der zweite Zeuge erschien uns ehrlich gesagt überflüssig. Er erzählte von einem nahezu schmerzlosen Eintreffen der Polizei im ersten Stock. Der Ton des Zeugen war fast durchweg minimierend. Wir fanden die Aussagen nicht besonders nützlich oder bedeutsam. Die dem Verschweigen geneigte Haltung war offensichtlich. Durch einen Verzicht auf die Vernehmung des Zeugen hätte der Staatsanwalt vielleicht einen Akt des guten willens gegenüber dem Gericht und der prozessualen Ökonomie vollbringen können.

Bei dem dritten Zeugen handelte es sich um das Opfer, dessen Blut in einem der historischen Diaz-Bilder verewigt ist - jenes Bild, in dem auf der grünen Wand eines Treppenabsatzes ein Blutfleck, ein wie ein Lappen auf dem Boden liegendes, zusammengeknülltes Hemd und an der Seite ein blutbeschmiertes Brett zu sehen sind. M.C. Befand sich auf jenem Treppenabsatz, er wurde wiederholt zusammengeschlagen, bis er weder sehen noch sprechen konnte (ihm fehlen acht Dioptrien und ein Polizist zerschlug ihm die Brille mit einem Hieb seines Schlagstocks ins Gesicht). Dadurch, dass sie 30 Minuten darauf verwendete, sich in der Erbringung des Beweises zu versuchen, dass sich die Geschädigten der Diaz-Schule getroffen und die Aussagen abgesprochen haben sollen, bewies die Verteidigung, wie sehr sie sich die prozessuale Ökonomie zu Herzen nimmt. Schade nur, dass aus allerlei Blättern entnommen werden kann, dass es mehrfach Veranstaltungen und Vorträge zur Diaz Schule gegeben hat und dass es schwierig ist, etwas anderes als die Realität nachzuweisen, während es nicht schwierig ist, von den Tatsachen zu berichten. Noblesse oblige, für Verteidiger, die einen ausgeprägten Hang zeigen, sich auf dünnstes Eis zu begeben. Di Bugno (der Personen verteidigt, die der Fälschung und der Verleumdung angeklagt sind), beschwerte sich irgendwann sogar, dass ihm nicht gegönnt sei, den Zeugen zu einer wahrheitsgemäßen Aussage zu zwingen (weil dieser seiner Meinung nach dabei war, die Unwahrheit zu sagen). Wir werden das Gleiche behaupten, wenn ihre Mandanten (die Angeklagten, d. Ü.) die Aussage verweigern werden. Dann werden wir sehen, wer sich denn hier schämen soll, ein Polizeibeamter oder ein junger Mensch, der übelst verprügelt wurde.

Der vierte Zeuge war ein Freund von M.C., der mit ihm die Flucht aus dem Parterre ergriffen hatte aber im Gegensatz zu M.C. aus dem Fenster flüchten konnte. E. B., der junge Mann, von dem hier die Rede ist, lief die Treppe hoch, sprang aus dem Fenster, schlug sich kletternd durch mehrere Gärten durch, bis er auf dem Corso Italia landete, um dann bis nach Quart zu laufen. Um so weit weg zu flüchten, muss er wohl überhaupt nicht verängstigt gewesen sein, nicht wahr, ihr lieben Anwälte der Schergen? Als E.B. zurück kam, fand er das Hemd seines Freundes neben einer Blutlache auf dem Treppenabsatz vor., woraufhin er daheim Bescheid sagte. Seiner Erzählung lässt deutlich erkennen, dass der Schock nicht gerade gering war.

Am Ende der Verhandlung kam dann das Feuerwerk: die Interpretation der Anordnung seitens der Parteien. Bevor der Staatsanwalt das Wort ergriff, legte die Verteidigung Wert darauf, zu verstehen zu geben, dass sie keine Diskussionen wolle, sondern lediglich das von ihr so geliebte "zu Befehl!". Dafür fühlte sich das Gericht verpflichtet, einige bezüglich der Anordnung wichtige Dinge klar zu stellen: als Erstes sprach das Gericht Bedauern über die Art und Weise aus, wie die Anordnung durch die Medien präsentiert worden sei. Dann erklärte das Gericht, dass es die Anordnung lediglich mit dem Ziel erlassen habe, einen Überblick darüber zu erhalten, welche Teile des Indizienrahmens durch welche Zeugen noch zu erörtern seien. Darüber hinaus bekräftigte das Gericht, dass die Anordnung nicht als Vorschrift gedacht war, sondern als Information und dass jede Vermutung, die welche Seite auch immer dahingehend anstellte, dass mit der selben die Absicht bestanden hätte, die Zahl der Zeugen zu reduzieren das Ergebnis eines Missverständnisses gewesen sei. Ein geordneter und würdevoller Rückzug, kann man sagen!

Der Staatsanwalt jedenfalls schritt mit Anmerkungen zum Ausfall, mit denen er das Gericht an die Komplexität der Beweislage und der Straftaten derer die Angeklagten angeklagt sind erinnerte und auch daran, dass viele der früheren Aussagen der Zeugen zustande kamen, als diese nicht den Status von Geschädigten hatten, sondern der übelsten Missetaten beschuldigt waren (weshalb die Fragen, auf die sie antworteten ganz anderen Charakter hatten und erst recht die Antworten), was zur Folge hat, dass die Protokolle, auf die die offiziellen Darstellungen abstellen sollen exakt den Gegenstand der Auseinandersetzung bilden. Andererseits zeigte der Staatsanwalt guten Willen, in dem er sich bereit erklärte, gemeinsam mit den Anwälten der Verteidigung zu besprechen, von welchen Zeugen die mündliche Vernehmung für überflüssig gehalten werden könnte, wobei er seinerseits von 20-25 Namen von Personen sprach, die sich in der Pascoli-Schule aufhielten - sofern (hier grinste Staatsanwalt Zucca) die Verteidigung keine obstruktionistische Haltung einnehme.

Die Anwälte der Nebenklage schlossen sich den Ausführungen des Staatsanwalts an, unter Hinweis darauf, dass die bisher vom Staatsanwalt und von den Anwälten der Nebenklage gestellten Fragen darauf abstellen, nicht nur die durch Körperverletzung, sondern auch die durch alle anderen Straftaten, die Gegenstand des Verfahrens sind entstandenen Schäden festzustellen.

Ein, zwei Verteidiger versuchten daraufhin einen Aufstand gegen den Staatsanwalt, in dem sie behaupteten, dass ihre Bereitschaft, der Zu-den-Aktennahme der Aussagen der Zeugen ohne Vernehmung zuzustimmen für alle oder keinen gelte, was in der Natur ihrer Rolle als Verteidiger läge.

Der Staatsanwalt grinste erneut und erwiderte, dass der Grund weshalb er die Zeugen vernehmen wolle in der Natur seiner Rolle als Staatsanwalt läge, weshalb ein Widerspruch vorliege, den das Gericht als solches zur Kenntnis zu nehmen habe, statt davon auszugehen, dass sich die Verteidigung gegenüber den Entscheidungen des Gerichts ehrerbietig verhielte, aber nicht die Staatsanwaltschaft. Der letzte Hieb lautete: "Natürlich, solltet ihr das überdenken wollen..."

Das Gericht beendete die Verhandlung mit der Feststellung, dass die Qualität der jüngsten Verhandlungen in die Richtung ging, die durch die Anordnung für wünschenswert erklärt werden sollte, was darauf hoffen lässt, dass der Streit am morgigen Verhandlungstag zugunsten der Geschädigten und des Staatsanwalt beigelegt werden wird.

[SupportoLegale Genua]

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"Wir hatten wahnsinnige Angst"

AUS GENUA MICHAEL BRAUN

"Scuola Diaz?" Die Beamtin im Justizpalast von Genua macht eine Kopfbewegung in Richtung Treppe: "Aula Magna." Großer Sitzungssaal also. Wo sonst sollte dieser Prozess stattfinden? Verhandelt wird gegen 28 Angeklagte, 93 Personen sind als Geschädigte aufgelistet, und die Bilder vom Tatort, von blutverschmierten Heizkörpern und Fußböden, von verwüsteten Klassenzimmern und auf Tragen gebetteten Schwerverletzten gingen im Juli 2001 um die Welt.

Aula Magna also. Die Treppe runter, eine Glasfront, dahinter der Saal mit den Ausmaßen einer Sporthalle, die hohen Seitenwände mit mattschwarzen Steinplatten verkleidet, die Stirnwand in hellgrauem Marmor. Gleich fünf Polizisten sind zur Ausweiskontrolle abgestellt. 150 Ledersessel stehen für Zuschauer und Presse bereit, an sechs langen Tischen haben auf der einen Seite die Angeklagten und ihre Verteidiger Platz, auf der anderen die Staatsanwälte und die Anwälte der Nebenkläger.

Ein großer Saal für einen großen Prozess. Das Gericht tritt ein - und so gut wie niemand erwartet es. Kein Angeklagter befindet sich im Raum, keine Presse, selbst die Reihen der Anwälte sind dünn besetzt. Bei einer Verhandlung wegen Beförderungserschleichung oder Ladendiebstahl könnte das öffentliche Interesse kaum geringer sein. "Als erster Zeuge ist Thorsten H. aufgerufen", sagt der Vorsitzende. Ein junger Mann, den Rucksack über der linken Schulter, schlendert an leeren Zuschauerplätzen vorbei nach vorn.

Mit seinen olivgrünen Hosen und dem blauen Kapuzenshirt, mit seinen Piercings in Nase und Ohr sieht Thorsten H. wohl genau so aus, wie ein italienischer Polizist sich einen deutschen Globalisierungsgegner vorstellt. Der heute 32 Jahre alte Hamburger war im Juli 2001 in Genua, um gegen den G-8-Gipfel zu demonstrieren. Jetzt soll er über seine Erfahrungen mit der italienischen Polizei aussagen. Staatsanwalt Enrico Zucca, schlank, mit schlohweißen Haaren und Vollbart, fragt sich mit sanfter Stimme durch die Nacht, als die Scuola Diaz von hunderten Polizisten in Kampfmontur gestürmt wurde.

Thorsten H. erzählt, wie er sich mit zwei Freunden in der Schule einquartiert hatte, die den Demonstranten von der Stadt Genua als Übernachtung zur Verfügung gestellt worden war. "Die Stimmung war gelöst, viele Leute waren da, es war ein Kommen und Gehen." Plötzlich war es vorbei mit der Ruhe. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, dass die Polizei anrückt. "Wir hatten wahnsinnige Angst", sagt Thorsten H. "Wir standen auf dem Flur im ersten Stock, dann hörte ich auch schon Geschrei und Gepolter von unten."

Fragen und Antworten werden natürlich übersetzt. Manchmal hat der Hamburger Thorsten H. Probleme; die Dolmetscherin nämlich schwäbelt schwer: "Da hascht also auf dem Flur g'standen." Der Zeuge fährt fort.

Polizisten seien die Treppe hochgerannt, "die fingen sofort an, auf mich einzuschlagen. Am Anfang stand ich noch, mit erhobenen Händen, dann wurde ich zu Boden geschlagen." Die Beamten ließen von H. ab, um im hinteren Teil des Flurs weitere Anwesende zu verprügeln; anschließend wurden alle die Treppe hinunter in die Turnhalle gebracht, auf dem Weg setzte es Hiebe und Tritte. "In der Halle waren schon viele Leute, die auf dem Boden lagen oder saßen, die verletzt waren und schrien, einige bewegten sich gar nicht mehr."

Während Thorsten H. spricht, blättert einer der Verteidiger gelangweilt in Akten, ein anderer fummelt unter dem Tisch an seinem Handy herum, eine der beiden Beisitzerinnen kämpft sichtlich gegen ihre Müdigkeit an. Lange habe es dann gedauert, berichtet der Zeuge, bis Sanitäter gekommen seien, um die Verletzten zu versorgen. Inzwischen hätten die Polizisten alle Rucksäcke auf einen großen Haufen ausgeleert. Der Staatsanwalt will nun wissen, ob Thorsten H. Gegenstände vermisst. Auf einem Bildschirm werden die Fotos von der Polizei-Pressekonferenz nach dem Sturm auf die Scuola Diaz gezeigt. Man sieht eine Thermoskanne, zwei Weinflaschen, umfunktioniert zu Molotowcocktails - die, wie man heute weiß, die Polizei in die Schule gebracht hatte. Man sieht Handys, Fotoapparate und jede Menge Campingmesser. "Das da könnte meins sein", Thorsten H. zeigt auf etwas, was er "Multifunktions-Tool" nennt. Nein, sagt er, er habe nie ein Beschlagnahmeprotokoll erhalten, das Messer nie wiederbekommen.

Noch einen Film zeigt der Staatsanwalt: Ein völlig verängstigter junger Mann mit Rastalocken sitzt direkt an der Schiebetür eines Polizeibusses, die ganze Zeit hält er die Hände schützend über den Kopf. Thorsten H. nickt stumm, er erkennt sich auf der Aufnahme wieder. Wie die anderen wurde H. ins Polizeigefängnis Bolzaneto geschafft, dort gingen die Misshandlungen später weiter.

Nein, die Verteidiger haben keine Fragen. Es scheint, als hätten sie den Prozess schon verloren gegeben, keiner von ihnen versucht, die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Zweifel zu ziehen. Nur der Verteidiger von Vincenzo Canterini, des Kommandanten, der den Prügeltrupp angeführt haben soll, hakt nach. Er will nun wissen, ob Thorsten H. sich an "schwarze Kleidungsstücke" bei den Übernachtungsgästen in der Schule erinnere. Der Vorsitzende verdreht die Augen. Er hält erkennbar nichts von dem Versuch des Anwalts, den "Schwarzen Block" - jene Demonstranten, die in Genua tagelang Banken, Geschäfte und Autos abgefackelt hatten - in die Schule hinein- und so mildernde Umstände für seinen Mandanten herbeizufragen.

Anders als Thorsten H. war sein Freund Christian G., der zweite Zeuge, einer der wenigen in der Schule, die nicht verprügelt wurden. Er erzählt ruhig und sachlich von dem Drama jener Nacht. Ob seine Freundin Widerstand geleistet habe, wird er gefragt. "Ich habe überhaupt niemanden gesehen, der sich gewehrt hat." Wahllos hätten die Polizisten auf die Menschen eingeprügelt, in der Turnhalle dann auf die Verletzten. "Einige haben geweint, es war eine furchtbare Situation für mich." Auch er kam anschließend nach Bolzaneto. "Keiner hat uns gesagt, dass wir festgenommen sind. Keiner hat uns gesagt, wohin wir gebracht werden. Keiner hat erklärt, was uns vorgeworfen wird oder dass wir das Recht auf einen Anwalt haben." Ob er heute noch Folgen spüre, lautet die Frage. "Ich versuche seitdem, Uniformen zu meiden."

Deutlicher wird die dritte Zeugin. Die junge Italienerin sieht mit Brille, Zopf und hellbrauner Strickweste eher aus wie eine katholische Laienaktivistin als wie eine militante Globalisierungskritikerin. "Einen der schwärzesten Momente meines Lebens" habe sie in der Turnhalle der Scuola Diaz erlebt - unter all den stöhnenden, blutenden Menschen, die überall auf dem Boden lagen. Sie, die nur ein paar Hiebe mit dem Schlagstock abgekriegt hat, habe die ganze Zeit ihrem Freund zugeflüstert: "Wir haben Glück gehabt, wir haben Glück gehabt", während sie an Blutlachen vorbei abgeführt wurden. Ein Polizist habe ihr zugezischt: "Keiner draußen weiß, dass wir hier sind, wir machen euch jetzt komplett fertig." Wochenlang habe sie später von Polizisten geträumt, die in ihre Wohnung eindringen.

Die vier Polizisten, die die Türen im Saal bewachen, schauen erkennbar mürrisch drein bei dieser Aussage; zwei Männer im Zuschauerraum, augenscheinlich Zivilbeamte, schreiben eifrig mit; die müde Beisitzerin ist mittlerweile fast eingeschlafen. "Sie können gehen, danke fürs Kommen", verabschiedet der Vorsitzende die Zeugen.

"So ist es hier fast immer", sagt draußen Carlo Quartino. Er stellt mit zwei weiteren Leuten vom Genoa Legal Forum, dem Büro, das für die Globalisierungskritiker die Prozesse juristisch begleitet, den Rest des Publikums. "Außer uns und den Zivilbeamten kommt praktisch keiner." Thorsten H. ist das fehlende öffentliche Interesse momentan egal. Er wirkt erleichtert nach seiner Aussage. "Ich habe bis zuletzt mit mir gekämpft, ob ich kommen soll", sagt er. "Für mich ist wichtig: Ich bin nicht ausgewichen. Ich konnte hier in angemessenem Rahmen sagen, was damals geschehen ist - nicht wie bei den absurden Befragungen nach meiner Festnahme, nach drei Tagen ohne Schlaf und Essen." Nur eins ist er nicht losgeworden: "Ich hätte gern noch was gesagt zu den Panikattacken, die mich bis heute verfolgen." In der Nacht vor dem Prozess habe er lange wach gelegen. Seine Angst: "Da steht plötzlich ein Zivilcop auf und sagt, dich hab ich doch damals bei den Ausschreitungen gesehen, und die verhaften mich gleich im Gerichtssaal und sperren mich ein paar Jahre lang weg."

Christian G. nickt. "Das war total befreiend, hier auszusagen. Für mich ist wichtig, dass mit dem Sturm auf die Schule nicht einfach Schluss war, dass es einen Prozess gibt, der das aufarbeitet." Bis zu 15 Jahren Haft hätten ihm damals gedroht, wegen der von der Polizei gefälschten Beweise - "ich hab da in der Zelle schon angefangen, mein Leben umzuplanen". Zwei Sachen sind ihm wichtig: "Die 25 Demonstranten, gegen die jetzt auch in Genua der Prozess geführt wird, wegen Verwüstung und Plünderung, die dürfen wir nicht vergessen. Das ist genau die gleiche Anklage, die wir auch kriegen sollten." Dann grinst er. "Und zweitens, wenn die glauben, sie haben uns den Spaß am Protest genommen, dann irren sie sich schwer. In Heiligendamm, beim G8 nächstes Jahr, sind wir wieder da."

[taz vom 21.2.2006]