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Infotour on the road gegen G8-2007
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Seit Frühjahr 2005 treffen sich Teile der radikalen zur Vorbereitung der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel, der 2007 im Ostseebad Heiligendamm stattfindet, in Anlehnung an das britische Anti-G8-Netzwerk unter dem Namen dissent!. Eine der ersten Arbeitsgruppen von dissent! war die "AG Infotour", deren Anliegen es ist, über das Thema G8 und die (geplanten) Proteste dagegen zu informieren. Vorbild war die britische Gruppe T.R.A.P.E.S.E. (Take Radical Action through Popular Education and Sustainable Everything), die im Vorfeld des Gipfels 2005 sehr erfolgreich durch Großbritannien tourte und mit Quizspielen und Diskussionen in Kneipen ein breites Publikum erreichte.
Es stellte sich rasch heraus, dass die AG Infotour mehrere Ziele hatte: Zum einen sollte innerhalb des linken Spektrums für die Gipfel 2006 und 2007 mobilisiert werden. Zum anderen wollte sie aber auch darüber hinaus Menschen erreichen und über die G8 und die Proteste aufklären - also ein Gegengewicht bilden zu den hegemonialen Medien. Mittlerweile fanden etwa 85 Veranstaltungen statt, fast die Hälfte davon im Ausland. Rein quantitativ wurden damit um die 2.500 Menschen "erreicht", mehrere Hundert Mailadressen kamen zusammen. Von Anfang an war geplant, mittels "Schneeballeffekt" die Arbeit innerhalb der AG möglichst breit zu streuen. Es wurde eine Homepage aufgebaut, auf der alles benutzte Material zur Verfügung steht. Innerhalb Deutschlands werden die Veranstaltungen nun von regionalen Gruppen organisiert.
Über die Diskussionen mit Gruppen und Personen in ganz Europa kam eine Summe von Erfahrungen zusammen, die ins dissent!-Spektrum und darüber hinaus zurückgetragen werden können. Durch den Austausch wird deutlich, wo die laufende Mobilisierung steht und was ihr noch fehlt.
Von den vergangenen Gipfeln lernen ...
Welche Länder die Infotour besucht hat, lässt sich gut an der internationalen, englischsprachigen Mailingliste ersehen. Unter den 250 Adressen finden sich solche aus Island, Polen, der Tschechischen Republik, Griechenland, Italien, Rumänien, Schweden, Holland und bald auch des Baltikums; im Sommer wird eine Tour rund um die Ostsee stattfinden, im Herbst sind Belgien, Frankreich, Holland, die Ukraine, Großbritannien und die USA dran. Einige Länder gelten dabei als "Very Important Countries": Jene, in denen es in den letzten Jahren eine starke Bewegung gegen Gipfeltreffen von G8, EU, IWF und Weltbank gab. Aber auch osteuropäische Länder spielen eine wichtige Rolle: So liegen manche polnische (und dänische) Städte um einiges näher an Heiligendamm als viele deutsche. Zudem sind im Zuge der Mobilisierung gegen den diesjährigen G8 in Russland viele Kontakte zu osteuropäischen Gruppen entstanden, die sich für Globalisierungskritik interessieren. AktivistInnen aus Russland begleiteten die Infotour in Griechenland und mobilisierten dort zum G8-2006.
Es ist wichtig, die jeweiligen Diskussionen, Anregungen und Konflikte in die deutschlandweite Vorbereitung des G8-2007 zurückzutragen. In Polen wurde deutlich, dass es für viele ein finanzielles Problem ist, zu Gipfelprotesten zu reisen. Eine Hilfe wäre, Busse zu organisieren und DemonstrantInnen, die Visa benötigen, mit Einladungen zu versorgen. Denn Interesse besteht durchaus: In Polen gibt es einige Gruppen, die zu Migration arbeiten und Solidaritätsstrukturen für Flüchtlinge aus Tschtetschenien aufbauen. Es gibt den Wunsch, damit an die Mobilisierungsschwerpunkte von dissent! (Antimilitarismus und Migration) anzuknüpfen.
In Griechenland interessierte vor allem deutsche Polizeistrategien. Griechischer Straßenprotest ist, vor allem im anarchistischen und antiautoritären Spektrum, sehr militant, der Einsatz von Molotov-Cocktails verbreitet. Die griechische Linke ist zersplittert (darin aber gut organisiert), es gibt starke Differenzen zwischen NGOs und Gruppen, die z.B. das Europäische Sozialforum (ESF) organisierten, auf der einen, sowie radikaleren Kräften auf der anderen Seite. Dies kulminiert teils in handgreiflichen Auseinandersetzungen, wie zuletzt beim ESF in Athen. Das "Schneeballprinzip" hat in Südeuropa gut funktioniert; eine Gruppe in Griechenland plant nun, Infotouren in Mazedonien und anderen Ländern zu machen, es gibt eine griechische Webseite zum G8-2007. Und auch in Italien mobilisieren nun Gruppen vor Ort.
In der italienischen Linken gab es vor allem zur Bündnispolitik in Deutschland viele Diskussionen. Die Centri Sociali hatten sich an der Frage der Beteiligung am Genoa Social Forum (GSF, das anläßlich des G8-2001 gegründete breite Bündnis) landesweit gespalten. Für viele italienische AktivistInnen ist das GSF an der Gewaltfrage gescheitert. Etliche der 800 Mitgliedsgruppen des GSF hatten sich - trotz zweijähriger Diskussion - nach dem Gipfel von "Gewalt" distanziert. Vor diesem Hintergund wird der deutschen Mobilisierung geraten, dies beim im Aufbau befindlichen Rostocker Bündnis zu bedenken, und die Diskussion um die von der Interventionistischen Linken vorgeschlagenen Basisprinzipien nicht beiseite zu lassen.
Umgekehrt finden italienische AktivistInnen den basisdemokratischen Ansatz von dissent! interessant: In Italien gab es selbst im Protest der radikalen Linken gegen den G8 Sprecher, die als "Anführer" galten; einige von ihnen sitzen nun in Parlamenten. dissent! will sich hierarchiefrei organisieren, Fragen der Entscheidungsfindung oder Vertretung nach außen nehmen großen Raum ein. Auch wenn dissent! wegen Größe und Horizontalität bisher Probleme hat, Entscheidungen zu treffen - in Italien begrüßen nicht wenige den Versuch, eine Organisierung mehr auf organisatorischer denn auf inhaltlicher Ebene zu begründen.
Eine weitere Erfahrung aus dem GSF betrifft die Finanzierung. Das Sozialforum hatte seinerzeit Geld von der Stadt und der Rifondazione Communista bekommen. Die Frage der Ausstattung verschiedener Gruppen mit finanziellen Ressourcen sorgt immer noch für schlechte Stimmung in der Solidaritätsarbeit. Heute noch beschäftigen sich AktivistInnen intensiv mit der juristischen Aufarbeitung des Genua-Gipfels, vor allem mit laufenden Verfahren gegen Polizei und Carabinieri, aber auch gegen 25 ItalienerInnen wegen "Plünderung und Verwüstung". Die Rifondazione Communista unterstützt eine parlamentarische Untersuchungskommission zum G8-2001, die von radikaleren Gruppen abgelehnt wird.
Viele AktivistInnen sind nach den Ereignissen in Genua 2001 traumatisiert nach Hause gekommen. Dies war auch weiter nördlich nicht anders: Nach Göteborg 2001 gab es eine monatelange Hetze gegen schwedische AktivistInnen, die Risse gingen durch Gruppen, Freundschaften und Familien. Den Umgang mit Traumatisierung offensiver anzugehen, wie es die Trauma-AG innerhalb des dissent!-Spektrums vorschlägt, wurde vielerorts begrüßt. Es gibt nach dem EU-Gipfel in Schweden bis heute keine politische Auseinandersetzung über die Gewaltfrage, nicht einmal innerhalb der Linken.
Eine wichtige Frage an die Infotour war die Infrastruktur während des Gipfels 2007, und wie sich schwedische Gruppen einbringen können. Mittlerweile hat sich eine Gruppe gefunden, die zur G8 arbeiten will und die Infotour in Skandinavien fortführt. In Dänemark war zu hören, dass aus dem Parteinspektrum schon Busse für Heiligendamm angekündigt sind.
... und die lokalen Kämpfe einbinden
Natürlich gibt es auch im Inland Orte oder Kämpfe, deren Erfahrungen lehrreich sind. Der Widerstand im Wendland oder gegen das Bombodrom in Nordbrandenburg sind nur zwei Beispiele. Auf Veranstaltungen in Lüneburg und Meuchefitz suchten die Anwesenden Schnittstellen zwischen G8- und Anti-Atom-Widerstand - und fanden sie. Wie beim G8-Treffen in St. Petersburg wird die Energiefrage auch 2007 behandelt. Der Wiedereinstieg in die "friedliche Nutzung" von Kernenergie wird wohl forciert - auch wenn die BRD sich durch das Thema Erneuerbare Energien zu profilieren sucht. Für die Anti-Atom-Bewegung ergibt sich damit ein Anknüpfungspunkt an den G8-2007, aber auch umgekehrt: Die Anti-G8-Bewegung sollte, wenn sie es ernst meint, auch zum nächsten Castor mobilisieren. Dort ergibt sich nebenbei die Gelegenheit, bei der Rallye Monte Göhrde Widerstand im offenen Gelände zu trainieren.
Eine der Schlussfolgerungen von Gleneagles 2005 (und anderen Gipfeln) war, dass es zu wenig gelang, an lokale Kämpfe anzuknüpfen. Ob es in Heiligendamm besser gelingt, wird sich zeigen. Anknüpfungspunkte gibt es genug: Wegen der Privatisierungspolitik der Fundus-Gruppe, der der Tagungsort des Gipfels 2007 gehört, gibt es erbitterte Auseinandersetzungen. Zwei Bürgerinitiativen kämpfen vor Ort gegeneinander. Wir könnten zeigen, dass lokale Konflikte Teil globaler Phänomene sind - und die lokalen Proteste anschlussfähig an Globalisierungskritik.
PolitikerInnen und EinwohnerInnen rund um Rostock haben wenig Vorstellung, welche Dimension das G8-Treffen und der Protest dagegen hat. Die öffentliche Auseinandersetzung um den Gipfel findet vor dem Hintergrund etwaiger Investitionen und erhoffter Förderung des Tourismus statt. In Bad Doberan organisierte die Infotour mit örtlicher Linkspartei und attac zwei Veranstaltungen. Die anwesenden CDU-Parlamentarier runzelten die Stirn, als sie mit Studien aus Großbritannien konfrontiert wurden. Diese belegen, dass die Kosten der Gipfel stets weit höher lagen als angenommen und der Tourismus keineswegs gefördert wurde. Seitens der Infotour wurde die Befürchtung ausgesprochen, dass Bad Doberan während des Gipfels 2007 weniger für Gastfreundschaft bekannt wird, als vielmehr für Polizeigewalt und die Unfähigkeit mit Kritik umzugehen. Die Veranstaltung war insofern erfolgreich, als ihr eine Einladung ins Stadtparlament folgte. Dort wird Bürgermeister Hartmut Polzin (SPD) vermutlich seinen Vorschlag einer "Sicherheitspartnerschaft" mit DemonstrantInnen unterbreiten.
Auch auf Länderebene wird G8 Thema sein: Im Landeswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern ist die Unterstützung der G8-Proteste durch die Linkspartei.PDS ein willkommener Anlass für die CDU, Abgeordneten und Vorständen der lokalen Linkspartei vorzuwerfen, sie setzten sich "an die Spitze der Bewegung". Die NPD plant, in den Landtag einzuziehen. In Thüringen gibt es eine Nazi-Organisierung gegen Kapitalismus und Globalisierung, die dabei ist, sich auf andere Bundesländer auszudehnen. Sich damit frühzeitig zu beschäftigen, ist für die Linke immens wichtig.
Alles bewegt sich - und die G8-Mobilisierung?
Wenn die breite Mobilisierung mehr Spektren integrieren will, muss sie sich bewegen. Dies gilt in verschiedene Richtungen, sowohl was die Internationalität angeht als auch die lokalen Bezüge. Besonders auffällig: Fast keine Deutschen stehen bisher auf der englischsprachigen Mailingliste, so dass es faktisch (zumindest im Netz) eine englischsprachige und eine deutsche Mobilisierung gibt (auch eine englischsprachige Webseite existiert noch nicht). Der letzte G8-Gipfel in Deutschland - Köln 1999 - kann da in doppelter Hinsicht als schlechtes Beispiel dienen: Die linksradikale Mobilisierung bemühte sich kaum um internationale Vernetzung, zudem führten zahlreiche Spaltungen dazu, dass von der deutschen Bewegung wenig übrig blieb. Der AG Infotour ist es gelungen, zu einem Austausch beizutragen und eine erstaunlich große Anzahl von Menschen zu erreichen. Aber Leute anzusprechen, die politisch weniger aktiv oder interessiert sind, ist bisher in weit geringem Umfang geschehen. Und die Bevölkerung vor Ort über die Proteste und ihre Gründe aufzuklären, dürfte eine der Aufgaben sein, die es noch anzugehen gilt. Somit liegt das zweite Ziel der Infotour, in der Berichterstattung über den G8 ein Gegengewicht zu den hegemonialen Medien zu bilden, noch in weiter Ferne.
Doch mit dem Erreichten hat die Infotour eine Perspektive über 2007 hinaus: Zusammen mit AktivistInnen aus Russland will sie im Winter 2007/2008 nach Japan reisen und über Gipfelproteste in Europa berichten. Und um den Austausch von Informationen fortzuführen: Zum G8-2008 in Japan wird sie wohl in West- und Osteuropa wieder on the road sein.
[Infotour AG]