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2006-09-22

22.9.2006 Heiligendamm

Sicherheitskonzept G8 für H-Damm

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Am Abend des 21. Septembers fand im Saal der Medianklinik in Heiligendamm ein Informationsabend der Polizei für die EinwohnerInnen Heiligendamms statt. Damit versucht die Polizei die EinwohnerInnen auf die Einschränkungen vorzubereiten, die sie ihnen während des Gipfels auferlegen wird.

Die Vertreter der Staatsmacht waren:
Knut Abramowski ("Polizeiführer" - Leiter des Einsatzes um den G8 in Heiligendamm)
Thomas Dabel (Einsatzleiter für den Abschnitt Heiligendamm, eigentlich aus Stralsund kommend. Während des Besuchs von George W. Bush hat er den Einsatz in Stralsund koordiniert)
Gunnar Mächler (zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit um den G8)
Norbert Sass (Stadt Bad Doberan, in Vertretung von Bürgermeister Polzin)
Thomas Leuchert (Landrat von Bad Doberan, Heiligendamm ist ein Stadtteil von Bad Doberan)
Uwe Jannsen (BBL-MV Bau und Liegenschaften des Landes)

Die Veranstaltung war gedacht als eine Auftaktveranstaltung, um die EinwohnerInnen Heiligendamms auf die Einschränkungen vorzubereiten, die auf sie während des G8-Gipfels zukommen werden. Es werden also noch weitere Veranstaltungen dieser Art folgen.
Abramowski, der Führer der Polizei, sieht den G8 als ein politisches Element der Zeitgeschichte und diesen möchte die Polizei begleiten und schützen... "Die Polizei möchte friedliche Demonstrationen zu jedem Zeitpunkt ermöglichen," so Abramowski und dann auch noch "freiheitliches Denken fördern." Dennoch würde es Einschränkungen des öffentlichen Lebens geben, materialisiert besonders durch eine "technische Sperre" (oder auch Zaun genannt).

Dabel, der für die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei zuständige Herr in der reinen Männerrunde (die einzige Frau war dazu da, die Folien der ppt-Präsentation weiter zu blättern), ging näher auf den Zaun ein und sabbelte dann etwas von den Gründen weshalb man die Regierungschefs beschützen müsse: Terroristen, Globalisierungsgegner...
Dann stellte er die zwei Zonen vor, die während des Gipfels errichtet werden sollen. Die innere Sicherheitszone wird weiträumig um das Grand Hotel Kempinski in Heiligendamm verlaufen. Die Zuständigkeit für diese Sicherheitszone obliegt dem BKA (wie auch schon beim Bush-Besuch). Hier gibt es keinen Zutritt für Einwohner und Besucher.
Die äußere Sicherheitszone wird von einem Zaun umgeben sein (ungefährer Verlauf siehe Karte). Der 2,5 m hohe und 12-13km lange Zaun verläuft um Heiligendamm beginnend bei der Jemizter Schleuse (zwischen Heiligendamm und Börgerende), dem Lauf des Mühlenfließ folgend, den Großen Wohld auf der Höhe der Galopprennbahn durchquerend und die Straße nach Heiligendamm kreuzend. Auf der Höhe der Galopprennbahn wird der erste Kontrollpunkt eingerichtet sein. Der Zaun verläuft dann weiter unter Auslassung von Vorder und Hinter Bollhagen. In Hinterbollhagen wird auf Höhe des Wasserwerks an der Landstraße 12 (L12) der zweite Kontrollpunkt errichtet werden. Der Zaun verläuft dann gen Norden in Richtung Molli und endet am Kinderbadestrand. Diese Zone wird von der Landespolizei unterhalten.
Innerhalb der äußeren Sicherheitszone sollen sich die Berechtigten jedoch frei bewegen dürfen. Wie frei diese Bewegungsfreiheit wirklich sein wird, ist nicht klar, denn die Anwohner werden von der Polizei zu ihrem Ziel begleitet werden und auch von dort u.U. wieder abgeholt und baden dürfen sie auch nicht.

Die Polizei will mit dem Bau des Zauns schon im Januar beginnen, um ihn dann im Mai abgeschlossen zu haben. Den Bau begleitend, wird es schon einzelne Kontrollen geben, die sich mit der Zeit verschärfen werden. Anfangs sind sie also noch nicht so hart (nur "um zu schauen, wer nach Heiligendamm rein möchte", so Dabel). In der Zeit um den Gipfel werden dann nur noch Bewohner und Berechtigte (Eigentümer und Nutzer von Grundstücken, Pflegepersonal, Müllabfuhr, Arbeitnehmer aber auch Gäste) durch die Kontrollpunkte gelassen werden.
Um zu erfassen, wer zu den Berechtigten gehört, werden Listen erstellt. Die Erstellung wird in den nächsten Wochen beginnen, um möglichst alle Berechtigten zu erfassen. Die Berechtigten erhalten dann Berechtigungsausweise, damit sie die Berechtigung ausweisen können.
Der erste Kontrollpunkt wird nur für Fußgänger und Fahrradfahrer sein. Wer mit dem Auto kommt, muß es auf dem Parkplatz der Galloprennbahn abstellen. Damit soll gewährleistet werden, daß die Delegationen, freie Fahrt haben. Der Verkehr innerhalb des Zauns wird von da ausgehend von der Polizei gewährleistet. Es wird einen Shuttle-Service geben, der Menschen aus Heiligendamm zum Kontrollpunkt und u.U. bis nach Bad Doberan bringen soll. Es sollen dafür Kleinbusse eingesetzt werden, die im 10-15 min Takt verkehren sollen.
Die zweite Kontrollstelle in Hinter Bollhagen wird für Autofahrer sein. Hier ist jedoch mit längeren Kontrollzeiten zu rechnen... (Im Verlaufe der Diskussion kristallisierte sich heraus, daß die Polizei schon jetzt den Einwohnern die Benutzung dieser Möglichkeit vergälen wollte - die Einwohner sollen ihr Auto stehen lassen und sich von den Bullen kutschieren lassen.)

Während des Gipfels wird es innerhalb der äußeren (der inneren sowieso) einen Badeverbot geben (absolute Bewegungsfreiheit, blablabla).

Und einen Hubschrauberlandeplatz (oder mehrere) wird es auch noch geben. u.U. hinter dem Forsthaus.

Und das war nur der erste Informationsabend. Es werden also ohne Zweifel noch weitere Einschränkungen für die Einwohner folgen. Aber damit das nicht so schwer wiegt und es den Bewohnern nicht so schwer fällt, sollen im Laufe der Zeit noch Kontaktbeamte in Heiligendamm "installiert" werden, die sich um den Kummer kümmern können.
Und für alle die es eiliger haben wird es eine Kontakttelefonnummer geben (0180-5010766 12c/min), das andere Ende soll im Hauptquartier der Polizei liegen. Manchmal kann es aber sein, dass nur der Anrufbeantworter anspringt. Bis jetzt darf der Polizeiführer nämlich noch nicht so viele Bullen anführen, und sowieso ist alles noch so weit weg und sie wissen noch gar nichts genaues von nichts - es ist alles ein Prozeß...und sie sind sowieso total überarbeitet.
Später in der Diskussion stellte sich es dann heraus, dass es bei den "wenigen Kräften" um einhundert Polizisten handelt, die Einsatzleitvorbereitungszentrale, die sich in der Industriestraße 15 in Rostock-Schmal (im Siemensgebäude) befindet.
Die Internetadresse der Polizei: http://www.polizei.mvnet.de/ (G8 Gipfel 2007) Auf der Seite wird es in Zukunft auch noch ein Kontaktformular geben.

Nach der Präsentation gab es dann noch eine Fragerunde für die rund 50 HeiligendammerInnen und daran anschließend noch eine für die rund 10 PresseverteterInnen (wo ich nicht mehr anwesend war).
Während der Fragerunde kam das Gespräch auch noch auf das Thema der gewalttätigen Demonstranten. Die Polizei wich jedoch aus. Diesen Teil der Strategie will sie noch nicht Preis geben. Bisher seien noch keine Demonstrationen in der näheren Umgebung von Heiligendamm angemeldet worden. Und außerdem sei die Vorbereitung noch nicht weit genug fortgeschritten. Aber die EinwohnerInnen sollen keine Sorge haben. Die Polizei wird Leib, Leben und Eigentum der Bürger innerhalb und außerhalb des Sicherheitszauns zu beschützen suchen (vor den gewalttätigen Globalisierungsgegnern und Terroristen...).
Somit wird für die Menschen innerhalb des Zaunes als einzige Gefahr nur noch zu schnell fahrende Bullen geben - von denen der Führer Abramowski während seiner 32 Jahre Amtszeit noch nie etwas gehört hat.

Homepage:: http://www.dissentnetzwerk.org |

Polizei wird bürgernah...

Nach etlichen Veranstaltungen der Infotour in MV scheint nun auch die Polizei Bürgernähe zu entdecken. Noch ein paar Ergänzungen...

Der Bereich außerhalb des Zauns in H-damm wird im Kompetenzbereich des Bundesgrenzschutz, nun Bundespolizei, liegen.
Oberste Ziele des Stabes dem Abramowski (aus dem Westen; seit 1. Januar 2006 eingesetzt) sind 1. die Sicherheit der Staatsgäste und 2. die Gewährleistung des Demonstrationsrechts. Letzteres ist natürlich ersterem untergeordnet. Die Polizei sorgt sich ob der Größe der Proteste. Es ist offen ob große Demonstrationen in Rostock genehmigt werden. Begründet wird dies damit dass die Stadt zu klein ist für Demonstrationen in fünfstelliger Größe. Ähnliches gilt für etwaige Camps. Unsicherheit besteht darüber, dass offensichtlich viele DemonstrantInnen aus dem Ausland anreisen werden. Diese sind von der Polizei wenig kalkulierbar.

Große Sorge bereitet dem Sonderstab Abrowskis "Kawala" der "Terrorismus". Hier sind wohl 2 Dinge gemeint. Zum einen wird postuliert, dass die Sicherheitslage in Deutschland ohnehin lange nicht so gefährdet war wie derzeit wegen der Angst vor z.B. islamistisch motivierten Anschlägen. Befürchtet (oder behauptet) wird, dass potentielle Terroristen die Proteste nutzen könnten um aus ihrer Deckung heraus Anschläge zu verüben.
Mit Terrorsimus bezeichnet Abramowski aber auch jeglichen Versuch, den "legitimen Protest" zu verlassen. Wer den Zaun überwinden will gilt als solcher. Und da, wie ist es anders zu erwarten, will die Polizei "Null Toleranz" walten lassen. Hierzu gehört z.B. auch die Blockade des Flughafens Laage.

Nervös ist die Polizei angesichts der Wasserseite. Diese wird wohl ausschließlich von deutschem Militär gesichert. Neben Awacs-Flugzeugen werden Kriegsschiffe vor Anker liegen und angeblich auch U-Boote patroullieren. Es wird also ähnlich verfahren wie bei der WM 2006. Eine öffentliche Auseinandersetzung zu diesem Thema steht aus.

Im Kühlungsborner Hotel Morada wird das G8 Presezentrum für 3.000 JournalistInnen eingerichtet. Alle sollen auch in Kühlungsborn übernachten. Die Kleinbahn "Molli" wird für öffentlichen Verkehr gesperrt und als Shuttle eingesetzt. Die Median-Klinik, wo die Polizei-Veranstaltung stattfand, wird wochenlang geschlossen und als Gipfel-Lazarett genutzt.

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[http://de.indymedia.org/2006/09/157630.shtml]