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2006-09-12

12.9.2006 Heiligendamm -- Singapur

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- G8 ist Pop!

- Land wirbt für UN-Kamapgne

- Stadt macht sich schön für Gipfel-Gäste

- IWF-Tagung in Singapur: Rigoros gegen Protest

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G8 ist Pop!
Die Vereinnahmung einer Protestbewegung

Zum G8 2005 veranstaltete Bob Geldof sein riesiges "Live8"-Spektakel und zog allerhand Medienaufmerksamkeit auf sich. Geldof, Bono, Herbert Grönemeyer... Noch ist offen welche Barden sich 2007 an die Spitze der globalisierungskritischen Bewegung stellen.

In der Veranstaltung hinterfragen wir die Institutionalisierung und Spaltung der globalisierungskritischen Bewegung. Inwieweit wird durch Popkultur-Events "radikale" Kritik delegitimiert?

Die "Geldofisierung" fegt auf intelligente Weise die Ursachen von Armut und Ausbeutung vom Tisch und präsentiert deren Folgen als "misslungenen Kapitalismus" der "Dritten Welt". Schlimmer noch: den BürgerInnen wird der Protest als Konsumprodukt zurückverkauft, indem sich der Kapitalismus der Taktik und Codes der Bewegung bedient. Beim G8 2005 haben Nichtregierungsorganisationen dabei gern mitgespielt. "dissent!" als radikalere Organisierung hatte darauf keine Antwort.
Die Veranstaltung beleuchtet Live8 und Make Poverty History, den Jugendgipfel J8 und porträtiert Spielfilme die während des G8 im Fernsehen liefen. Wir geben einen Überblick über Diskussionen und Planungen von Kultur-Events, die in der NGO-Mobilisierung für G8 2007 eine Rolle spielen.

In der Diskussion wollen wir klären wie der hegemoniale Pop-Diskurs 2005 zustande kam und das Spektakel organisiert wurde. Wie vermeiden wir, dass radikale Kritik und Aktion als gewalttätig und unpolitisch bagatellisiert wird, und damit in die zugewiesene Rolle schlüpft? Wie lautet die Antwort auf Herbert Grönemeyer?

Unplugged:
Emma Dowling (London), promoviert an der University of London, hat die Vereinnahmung von Protestbewegungen beim G8 2005 analysiert, damals bei "dissent!" aktiv
Mona Bricke (Berlin), G8 Projektbeauftragte bei NGO Forum Umwelt und Entwicklung Bonn

Montag, 2. Oktober 2006
20.00 Uhr
Tante Horst, Oranienstraße 45

Hinter den Kulissen: six hills berlin, Gipfelsoli Infogruppe F.e.l.S.

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Stadt macht sich schön für Gipfel-Gäste
Die Stadtautobahn vor Warnemünde wird saniert. Das Land fördert den Straßenbau wegen des G8-Gipfels mit 425 000 Euro.

Stadtmitte In zehn Tagen beginnt die Sanierung der Stadtautobahn zwischen Lichtenhagen und Warnemünde. Im Frühjahr sollen die Arbeiten abgeschlossen sein, rechtzeitig zum G8-Gipfel in Heiligendamm. Die Stadt wird "schön und schmuck, um die Gäste aus aller Welt zu empfangen", sagte gestern Innenminister Gottfried Timm (SPD). Kurz zuvor hatte er im Rathaus zwei Zuweisungsbescheide übergeben. Für den Ausbau der Stadtautobahn steuert das Land 250 000 Euro bei, die Stadt übernimmt einen Anteil in gleicher Höhe. Dafür verschwinden die tiefen Spurrillen und Bodenwellen auf dem 1,5 Kilometer langen Teilstück. Knapp 10 000 Quadratmeter Fahrbahn werden erneuert, ebenso der angrenzende Radweg.

Etwas weniger, 175 000 Euro, gibt das Land zum Ausbau der Richard-Wagner-Straße in Warnemünde bei. Die zentrale Straße im Ostseebad wird komplett erneuert, erhält befestigte Parkplätze und neue Laternen. Das Geld aus Schwerin für beide Straßenbauprojekte stammt aus Sondermitteln zur Vorbereitung das Staatsgipfeltreffens vom 6. bis 8. Juni 2007. Obwohl in Heiligendamm getagt wird, dürften die mehreren Zehntausend erwarteten Sicherheitskräfte, Delegationsmitglieder, Journalisten und Demonstranten auch in Rostock für volle Straßen sorgen.

Die Baumaßnahmen standen auch ohne Staatsbesuche auf der Dringlichkeitsliste ganz weit oben, so Tiefbauamtsleiter Heiko Tiburtius. Durch die Sanierung spare die Stadt langfristig "mehrere Tausend Euro", die ansonsten für laufende Ausbesserungen nötig gewesen wären. In allerspätestens sechs Jahren wäre auf der Stadtautobahn eine Generalreparatur unumgänglich geworden.

Eine italienische Journalistin berichtete in der Pressekonferenz von Erfahrungen aus Genua, das 2001 den Gipfel ausrichtete. Auch dort sei vorher viel Geld geflossen, um die Infrastruktur zu verbessern. Auf den Kosten für die Beseitigung von Schäden sei die Stadt aber sitzen geblieben. Schwere Ausschreitungen wie damals seien in Heiligendamm nicht zwangsläufig zu erwarten, sagte Minister Timm. Andere G8-Treffen wie dieses Jahr in Sankt Petersburg oder 2005 im schottischen Gleneagles seien schließlich auch friedlich verlaufen.

[http://www.ostsee-zeitung.de]

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Land wirbt für UN-Kamapgne
MV reiht sich vor dem G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm in eine weltweite Aktion der Vereinten Nationen gegen Armut auf der Welt ein.

Schwerin (epd/dpa) Zum weltweiten Aktionstag gegen Armut und für die UN-Millenniumsziele soll am 15. und 16. Oktober auch in MV ein "sichtbares Zeichen gegen die Armut" gesetzt werden. Dazu haben gestern in Schwerin die bisherigen drei Landtagspräsidenten aufgerufen. Auf verschiedenen Veranstaltungen im Land sollen die acht im Jahr 2000 verabschiedeten Entwicklungsziele verlesen und die Zuhörer anschließend gebeten werden, ihre Unterstützung durch ein Aufstehen zu demonstrieren, sagte Hinrich Kuessner, SPD-Landtagspräsident von 1998 bis 2002, in Schwerin.

Der Landessportbund, verschiedene Schulen sowie alle rund 450 evangelischen und katholischen Kirchgemeinden hätten bereits ihre Teilnahme signalisiert. Bereits ab 14. September werden in Rostock die sogenannten Millenniumstore ausgestellt, die die von 189 Staaten unterzeichneten Ziele symbolisch darstellen sollen.

Kuessners Amtsnachfolgerin Sylvia Bretschneider (SPD) betonte, die Aktion sei eine Möglichkeit, die Entscheidungsträger an ihre Verantwortung für die Welt zu erinnern und die Wahrnehmung dieser Verantwortung von ihnen einzufordern. Auf lange Sicht werde es Europa nur gut gehen, wenn es auch den Menschen außerhalb von Europa gut gehe, unterstrich Rainer Prachtl (CDU), der dem Parlament von 1990 bis 1998 vorstand.

Nach Angaben des Deutschlandbeauftragten der UN-Millenniumskampagne "Stand up", Renee Ernst, werden sich an dem Aktionstag weltweit mindestens 50 Länder aktiv beteiligen. Der entscheidendste Hebel gegen Armut seien gerechte Preise im Welthandel, sagte Ernst. Besonders im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm müssten die Millenniumsziele im Nordosten bekannter gemacht werden.

Nach Angaben der Wismarer SPD-Bundestagsabgeordneten Iris Hoffmann sind von Anfang 2007 an dazu auch Aktionen in den Hansestädten zwischen Hamburg und Greifswald geplant. Unter dem Motto "Acht Ziele in acht Hansestädten" solle auf den Inhalt der Millenniumkampagne aufmerksam gemacht werden.

[http://www.ostsee-zeitung.de]

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IWF-Tagung in Singapur: Rigoros gegen Protest

Die reiche südostasiatische Metropole Singapur war schon immer Vorreiter was "Law and Order" und "Null Toleranz" anbelangt. Bei den derzeit stattfindenden einwöchigen Jahreskonferenzen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank (WB) liefern die dortigen Potentaten und ihre Büttel einen neuen, eindrucksvollen Beweis dafür. Vorbild für den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm? Über die Polizeitaktik in Singapur berichtet die -Frankfurter Allgemeine Zeitung- (www.faz.net) am 6.9.2006 in einem Artikel ihres Wirtschaftsteils.

Anfang Juni 2007 soll in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) das nächste Gipfeltreffen der G8 stattfinden. Die Vorbereitungen für Gegenaktionen laufen seit Monaten. Geplant sind diverse Informationsveranstaltungen, eine Großdemonstrationen und ein Protestcamp eines Bündnisspektrums, dass von der radikalen Linken (bzw. allen, die sich dafür halten) über attac, Teile der PDS, die WASG und die DGB-Jugend bis hin zu kirchlichen Gruppen und Umweltschutzorganisationen reicht (den berühmten NGO's). Darüberhinaus kursiert seit kurzem ein Aufruf der Antifaschistischen Linken Berlin, von Avanti (Projekt undogmatische Linke), dem Bundesvorstand der Grünen Jugend sowie dem Anti-AKW-Netzwerk "X-tausendmal quer" "Für massenhafte Blockaden des G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm". Es erliegt sicherlich niemand der Illusion, dass die Gegenseite mit ihrem Heer von "Ordnungshütern" dabei den tatenlosen Zuschauer spielen wird. Ergo ist interessant, welche Szenarien bei Protesten gegen andere Gipfeltreffen dieser Art gesammelt wurden und werden (z.B. Seattle, Prag, Genua, Evian, St.Petersburg...).

Der neueste Event in diesem Bereich sind die einwöchigen Jahreskonferenzen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank (WB) in Singapur. Über die dort angewandte Polizeitaktik berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (www.faz.net) am 6.9.2006 in einem Artikel ihres Wirtschaftsteils. Nun wollen wir nicht behaupten, dass die dortigen Erfahrungen Eins zu Eins auf Deutschland übertragbar sind, da hierzulande höchstwahrscheinlich keine "burmesischen Söldner" zum Einsatz kommen und - anders als in Singapur - das Wegwerfen eines Taschentuchs auf der Straße oder das Ausspucken eines Kaugummis auf den Gehsteig noch nicht als schweres Vergehen verfolgt wird. Wer es in Singapur wagt, Zigaretten oder Bonbonpapier auf die Straße zu werfen, zahlt 1.000 Singapur-Dollar (500 Euro) Strafe. Cola-Dosen und Tempotaschentücher, die nicht in der Tonne landen, kosten das Doppelte. In der U-Bahn ist es - bei Strafe - verboten zu essen oder zu trinken. ("Stern" 23.1.2006)

Dennoch denken die Herrschenden in der Regel leider etwas globaler als die Linke und die Anti- bzw. Alternativglobalisierungsbewegung und versuchen auch aus Entwicklungen beim Thema "Law and Order" und beim "Gipfel-Hopping" in anderen Erdteilen zu lernen. Wer das nicht glauben mag, der sei nur daran erinnert, dass die "Null Toleranz"-Strategie lange vor Europa in den USA ausgearbeitet und angewandt wurde. Wobei sich der diesbezüglich berüchtigte New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani das Eine oder Andere bei eben jener Metropole Singapur abgeschaut haben dürfte, die dieses Vorgehen nämlich schon sehr viel länger praktiziert...

Keine Chance für Demonstranten
Singapur geht während der IWF-Tagung "rigoros, aber fair" vor

che. SINGAPUR, 5.September. Brennende Polizeiwagen, Barrikaden, Steinewerfer - diese Bilder soll die Welt auf keinen Fall sehen, wenn der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank in der kommenden Woche ihre Jahreskonferenzen in Singapur abhalten. 16.000 Delegierte, Banker und Berichterstatter erwartet die Tropenmetropole. Dafür baut sie einen Sicherheitsapparat auf, den es bislang bei keiner Konferenz gegeben hat. Der Versuch der Weltbank, friedliche Demonstrationen während der Tagung in Singapur zuzulassen, ist gescheitert. "Wir haben unsere Vorstellungen, Singapur hat seine Gesetze", sagt Peter Stevens, der Repräsentant der Weltbank in Singapur.

Willkommen sind im Zwergstaat all die, die über die Zukunft der Weltfinanzen diskutieren wollen. Wer protestieren oder gar die Tagungen verhindern will, wird mit sehr harter Hand angefasst werden. Wenn er denn die Insel am Äquator überhaupt betreten darf. "Unser Ziel ist es, im Vorfeld diejenigen auszusortieren, die unlautere Interessen haben", heißt es bei der Polizei. Dazu dient in erster Linie die "not-.toland-notice". Diese staatliche Anordnung sieht vor, dass Verdächtigen der Einlass an den Grenzstellen untersagt wird. Jeder, der den Zöllnern suspekt scheint, fliegt mit der nächste Maschine zurück ins Herkunftsland. Spezielle Auffanglager seien geschaffen worden, in die auch etwaige Demonstranten gebracht werden sollen.

Singapur wendet auch während der Tagungswoche das geltende Recht an. Dies sieht vor, dass nicht zu Reizthemen wie etwa Religion oder Rasse demonstriert werden darf. Demonstrationen unter freiem Himmel müssen genehmigt werden. Vom IWF zugelassene Bürgerbewegungen dürfen in einem abgetrennten Teil des Veranstaltungszentrums protestieren.

Ausländer dürfen in geschlossenen Räumen demonstrieren, aber nur nach polizeilicher Genehmigung, die auf der Internetseite der Polizei beantragt werden kann. -Wir werden nicht dulden, dass sich Gruppen von Menschen bilden und diese Gruppen immer weiter wachsen. Wir sind darauf vorbereitet, mit Protestlern entschieden, rigoros, aber fair umzugehen-, sagt Aubeck Kam, Leiter der Einsatzkräfte.

Hysterisch reagierte der Stadtstaat im vergangenen Sommer: Dutzende schwer bewaffneter Schutzpolizisten wurden entsandt, um vier Menschen zum Gehen zu bewegen. Sie standen still vor einem Regierungsgebäude, trugen aber Hemden, auf denen sie mehr Transparenz von den Institutionen forderten.

Um das Singapurer Recht in der IWF-Woche durchzusetzen, hat der Stadtstaat 2.900 Polizisten, burmesische Söldner und reguläre Soldaten trainiert. Da ihnen jegliche Erfahrung mit gewalttätigen Demonstranten fehlt, sind ihre Offiziere in den vergangenen Monaten zu Brennpunkten der Protestbewegung gereist - etwa zur Tagung der Welthandelskonferenz nach Hongkong. Dort lernten die Singapurer, dass die polizeilichen Absperrgitter von den Demonstranten zerlegt und als Waffen missbraucht wurden. Also konstruierte Singapur eigene, zweieinhalb Meter hohe Gitterzäune, die so schwer sind, dass sie nicht bewegt werden können. Die Konsequenz der Härte Singapurs könnte eine Globalisierung der Proteste werden: Mehrere Bürgerinitiativen planen, statt in Singapur auf der ihm vorgelagerten Insel Batam zu demonstrieren. Sie ist 45 Minuten mit der Fähre entfernt und gehört zu Indonesien.

[http://de.indymedia.org/2006/09/156923.shtml]