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2001-12-31

Internationalismus (aus Rote Zora "Mili's Tanz auf dem Eis" von Dezember 1993)

Die komplette Broschüre findet sich im Netz unter: http://www.freilassung.de/div/texte/rz/milis/milis1.htm

Aus den bisherigen Kapiteln geht hervor, daß der Internationalismus ein wesentlicher Bestandteil unseres Selbstverständnisses war und ist, was sich ja auch in unseren Aktionen niederschlug.

Unsere politische Identität als Frauen in der Metropole war in den 70er Jahren durch das Verbundenheitsgefühl und Solidaritätsverhältnis zu den trikontinentalen Befreiungskämpfen ebenso stark geprägt wie durch die Erfahrung des politischen Aufbruchs von uns Frauen.

Es ist uns heute oft nicht mehr bewußt, was den Unterschied zwischen dem damaligen und dem heutigen internationalistischen Grundgefühl ausmacht:

Mitte der 60er bis Mitte der 70er Jahre wurden die vielen trikontinentalen Befreiungskämpfe von den sichtbaren und beflügelnden Hoffnungen getragen, daß die mit der imperialistischen Abhängigkeit und Unterdrückung verbundene Herrschaft und Ausbeutung real abzuschütteln sei (Vietnam, Palästina, Angola, Mosambik, Südafrika, Zimbabwe/ Rhodesien, Bolivien, Chile, Uruguay...). Diese Hoffnungen trugen dazu bei, auch in den Metropolen für einen Umsturz dieser Herrschaftsverhältnisse zu kämpfen.

Die Vision einer weltweiten sozialen Revolution (wie sie damals fast greifbar schien) war auch unsere. Allerdings mußten sich die Frauen darin ihren Platz erobern und für die Durchsetzung ihrer eigenen politischen Ansprüche kämpfen.

Wir haben diese Rangordnung von nationaler/ antiimperialistischer und sozialer Befreiung damals indirekt akzeptiert, auch wenn wir versuchten, beide Richtungen miteinander zu verbinden nach der Devise: ohne internationale Revolution keine Frauenbefreiung, ohne Frauenbefreiung keine Revolution, das gehört zusammen.

Unser Blick war damals nicht vorrangig auf die Frauen in den Befreiungskämpfen gerichtet. Inzwischen wissen wir, daß viele Frauen mit eigenen Ansprüchen und Zielen gekämpft haben. Es hat noch vieler Auseinandersetzungen und konkreter Erfahrungen bedurft, um zu erkennen und selbstbewußt zu vertreten, daß Frauenbefreiung vielmehr Grundbedingung und Voraussetzung für eine wirkliche soziale Revolution ist.

Heute hat sich die schmerzhafte Erfahrung niedergeschlagen, daß nationale Befreiung und staatliche Souveränität weder das Ende von Ausbeutung und Herrschaft und der Abhängigkeit vom Imperialismus bedeutet noch Frauenbefreiung einschließt. Frauen führen den Kampf für ihre Befreiung auch gegen den Widerstand ihrer ehemaligen Genossen weiter.

Wie schwer es für Uns (meint 'uns' im Sinne der größeren FrauenLesben- Zusammenhänge) war, unsere Denkmuster zu durchbrechen und FrauenLesbenwege zu beschreiten, für die es keine Vorbilder gibt, haben wir gerade in der Frage des Antiimperialismus immer wieder erfahren: Es ist ein Phänomen, daß viele weiße Frauen trotz eines ausgeprägten Frauenbewußtseins an einem starken Loyalitätsverhältnis zu bewaffnet kämpfenden antiimperialistischen Gruppen festhalten, auch wenn klar war, daß sie mit Frauenbefreiung wenig bis nichts im Sinn hatten und oft auch gegenüber sozialen Bewegungen eine zwiespältige (taktische) Haltung einnahmen. Anstatt sich mit den unterschiedlichen Realitäten ("Metropole" - "Trikont") auseinanderzusetzen, genügten vielen militanten FrauenLesben ihre Projektionen von der Gemeinsamkeit eines weltweiten und militanten Widerstands für das gemeinsame Ziel einer "grundlegenden" Befreiung -Antiimperialismus stand als Synonym für den Kampf gegen die Grundursache aller Herrschaft und Ausbeutung. Zu Beginn der 80er Jahre entwickelte sich unter FrauenLesben auf diesem Hintergrund der Streit darum, was grundlegender sei, das Patriarchat oder der Imperialismus - der Widerspruch ließ sich auch durch die Definition des dialektischen Wechselverhältnisses nicht ausbügeln. Er ging auch nicht auf in der Forderung von FrauenLesben, wir müßten aus unserem Wissen über die eigene Eingebundenheit ins imperialistische System uns klarer auf die Seite der imperialistisch Unterdrückten stellen.

Heute sind wir ein Stück mehr in der Lage, die damaligen Widersprüche zwischen unserem feministischen Selbstverständnis und antiimperialistischer Solidarität mit männlich geprägten Guerillastrukturen zu benennen. Eine Erklärung für die Verdrängung der Widersprüche mag die oft tiefergehende Entschiedenheit von Frauen sein, mit diesem System grundsätzlich brechen zu wollen. Männerdominierte Guerilla bietet Strukturen an, die Hoffnungen auf Brechung der imperialistischen Gewalt durch wirksame Gegengewalt unter Einsatz des eigenen Lebens wecken. Von der solchen Gruppen zugeschriebenen Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit männlicher Couleur geht eine gewisse Faszination aus. Die damalige Beteiligung von vergleichsweise vielen Frauen am Kampf der Guerilla nahmen wir mehr als Bestätigung unserer Faszination wahr - die Frau legitimiert erst den bewaffneten Kampf, weil sie die ganze soziale Bandbreite des Widerstands repräsentiert und dazu noch "kämpft wie ein Mann" - nicht aber als Ausdruck ihres eigenen Kampfes, der sich auch gegen ihre patriarchale Unterdrückung in ihrer Gesellschaft richtete.

Einerseits nehmen wir Frauen in der Guerilla oft als vehemente Vertreterinnen ihrer Positionen in marxistisch- leninistischen Parteien wahr, andererseits besitzen wir bis heute die Frechheit, sie als allzu unterordnungsbereit unter männlich- patriarchale Strukturen zu subsumieren, d.h. verschwinden zu lassen. Wir übernehmen so die männlichen Klischees von der Frau als Symbol für die Legitimität des bewaffneten Kampfes und machen sie darüberhinaus zu seinem Opfer.

Vielleicht ist eine Erklärung aber auch die uns antrainierte Definition über Männer und Akzeptanz von Autorität, auf die wir einen Teil unserer Identität projizieren, anstatt selbst für uns die Verantwortung zu übernehmen. Und schlüpfen wir nicht allzu leicht immer wieder in die Rolle der Für- Sorgerin, in der frau sich - im positiven wie im negativen Sinn - nicht selbst ins Zentrum stellt, sondern andere in schlechteren, existentielleren Situationen wahrnimmt, sich kümmert - und Widersprüche schluckt, hintenanstellt?

Eine genauere Auseinandersetzung haben wir wohl auch deshalb lange vermieden, weil wir unsere eigenen revolutionären Kräfte angesichts des weltpolitischen Geschehens als verschwindend klein und unbedeutend erachteten. Nur auf uns gestellt, müßten wir daran zweifeln, welche gesellschaftliche Kraft hier denn eine tragfähige Basis und breite Zustimmung für unseren Kampf abgeben könnte. Denn nur eine solche Sicherheit, getragen zu werden von den gleichen Hoffnungen und Kämpfen anderer, kann langfristig den Mut zum Widerstand lebendig halten. Die Faszination von Befreiungsbewegungen auf uns beruht(e) auf diesem teilweise mystifizierten und teilweise realen Unterschied:

Sie werden meistens von einer sozialen Basis in ihrer Gesellschaft getragen, die in sie die Hoffnung auf Beseitigung ihrer Unterdrückung setzt. Diese Hoffnung der Menschen knüpft sich an den Anspruch und die Chance dieser organisierten Bewegung, den Widerstand zu einer gemeinsamen Kraft zu bündeln (und trägt ihn gleichzeitig mit), an der die herrschende Macht sich bricht. Das Wissen, daß ohne organisatorische Strukturen die sozialen Befreiungsschritte der Menschen nicht geschützt werden können, und daß Befreiungsbewegungen diesen Anspruch verkörpern, macht sie immer wieder zu Projektionszielen unserer eigenen Ohnmachtserfahrungen.

In der Zeit der relativ stark entwickelten Kämpfe mit der Aussicht. dem Imperialismus real die Stirn bieten zu können, war die Faszination und gleichzeitige Mythenbildung über bestimmte Befreiungsbewegungen so groß, daß die Beschäftigung mit der wirklichen Realität von keinem Interesse war, im Gegenteil: Als der vietnamesische Befreiungskampf 1975 gewonnen war, redete niemand mehr darüber, weil er durch das Bekanntwerden seiner Widersprüche als Mythos nicht mehr taugte. 1991/92, zur Zeit ihres großen Aufschwungs, als die PKK mit ihrer relativ hohen Beteiligung von Frauen und mit ihren militärischen Erfolgen immer mehr Zustimmung bei den Kurdinnen fand, feierten einige FrauenLesben den Mythos ihres beinahe feministischen Führers Apo. In der Faszination radikaler FrauenLesben gegenüber bewaffnet kämpfenden Gruppen und Bewegungen spiegelt sich auch das weitgehende Fehlen radikaler FrauenLesbenkämpfe hier wider, die Unzufriedenheit und Resignation angesichts der eigenen unverbindlichen Strukturen.

Projektionen tragen jedoch dazu bei, schlechte Zustände zu stabilisieren, anstatt sie zu verändern. Darüber hinaus ergibt dies keine tragfähige Basis für Solidarität, weil frau damit die von den Befreiungsorganisationen selbst vertretenen Ansprüche nicht ernst nimmt.

Wir fragten uns, ob die Sympathie mit bestimmten Befreiungsorganisationen nicht auch mit der Nähe zusammenhängt, die wir über gemeinsame Wurzeln mit ihnen haben. Unser feministisches Empfinden und Geschichtsbewußtsein ist noch immer mit dem Fortschritts- und Entwicklungsgedanken der abendländischen, patriarchal- bürgerlichen Überlegenheit verwoben.

Die weiße FrauenLesbenbewegung hat die Entwicklung der patriarchalen Technologien zur Zerstörung, Unterwerfung und Vernutzung der Erde ("der Natur und der Frauen") zu einem ihrer zentralen Themen gemacht. Trotzdem ist das rassistische Gefühl von der eigenen Überlegenheit, die positive Besetzung von "Entwicklung" der weißen Gesellschaft noch immer sehr tief in uns verankert: z.B. fühlen weiße Frauen sich hier schon viel befreiter gegenüber den "besonders schlimm unterdrückten" Frauen in wenig industrialisierten, als "unterentwickelt" betrachteten Gesellschaften. Das zeigt sich besonders in den rassistischen Urteilen gegenüber Frauen aus/in islamischen Ländern. Dieses fortschrittsgläubige Aufklärungsdenken bildete als Ideologie der Höherentwicklung der Produktivkräfte auch eine der Grundlagen für die marxistisch- leninistisch inspirierten Konzepte vieler Befreiungsbewegungcn der 60er bis 80er Jahre.

Wir finden es darum wichtig, den westlichen Einfluß abendländischer Ideen und Überlegenheitsansprüche auf antiimperialistisehe Befreiungskonzepte in den Blick zu kriegen, wie er in ML- Modellen von gesellschaftlicher Entwicklung zum Ausdruck kommt. Die Anziehungskraft des westlichen "Entwicklungsmodells" ist/ war bei vielen Menschen in den Drei Kontinenten verbunden mit der Hoffnung auf den westlichen Wohlstand. wobei übersehen und von den Marxisten verschleiert wird, daß der Wohlstand ja gerade auf der Ausplünderung derer beruht, die hoffen, diese "Entwicklung" nachvollziehen zu können. Dabei geht es uns nicht um eine generelle Beurteilung von Befreiungsbewegungen und ihrer Kämpfe gegen den Imperialismus, sondern darum, Positionen für unsere eiuetien Handlungen und jenseits der abendländisch- patriarchalisch Befreiungskonzepte zu entwickeln.

"Fortschritt" und Reproduktion

Wesentliche Grundlage marxistisch- leninistischer Befreiungskonzepte ist der bürgerlich- abendländische Fortschrittsgedanke. Nach ML- Auffassung ist der Kapitalismus mit seiner besonderen Form der Entwicklung der Produktivkräfte und der Konstituierung des Klassengegensatzes zwischen Lohnarbeit und Kapital (und der damit verbundenen Fortentwicklung patriarchaler Macht und sexistischer Arbeitsteilung - aber davon wird nicht so genau geredet) eine gesellschaftlich notwendige und damit eigentlich "fortschrittliche" Entwicklungsstufe auf dem Weg zum Kommunismus. Den Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus bildet der Sozialismus, der die kapitalistische Form des Patriarchats nicht abschaffen, sondern nur "vergesellschaften", d.h. verstaatlichen soll. Der Staat erhält Macht über die Organisierung und Aneignung der (von der gesellschaftlichen Reproduktion entfremdeten) Arbeit bzw. des Mehrwerts. Der Staat soll dann aber nicht mehr als Ausbeutungsorgan, sondern als "Verwalter der Interessen der Arbeiterklasse" begriffen werden. Der männliche Glaube an die Fortschrittlichkeit der "Entwicklung der Produktivkräfte" - innerhalb zu schaffender zentralistischer Nationalstaaten - ist nicht zu trennen vom Glauben an die Fortschrittlichkeit des patriarchalen Aufklärungs- Bürgertums im kolonialen Europa. Dieser "Fortschritt" beruhte im wesentlichen auf der Ausplünderung und Zerstörung von Reproduktionsstrukturen in nichtkapitalistischen Gesellschaften in den Drei Kontinenten und auf der Neuorganisierung von Gewalt- und Aneignungsformen gegenüber Frauen und ihrem reproduktiven und Arbeitsvermögen. Die Weiterentwicklung der Produktivkräfte geht seit der Durchsetzung des Kapitalismus einher mit der Weiterentwicklung des Widerspruchs zwischen voneinander getrennter Produktion und Reproduktion. "Ursprünglich" (gemeint ist: in einer Gesellschaft frei von Ausbeutung und Macht) stand "Arbeit" für eine umfassende gesellschaftliche Lebenspraxis: die Wiedererneuerung des Lebens und kulturelle Tätigkeiten als Ausdruck der Beziehungen zwischen den Menschen und der Natur bzw. ihrer Umwelt - im umfassenden Sinn gesellschaftliche Reproduktionsarbeit. Der Kapitalismus hat diese umfassende "Arbeit" zum Zweck ihrer Umwandlung in Kapital auf den Kopf gestellt, die "produktive" Arbeit geschaffen (zum Zweck des Mehrwert- Raubs), indem er die "Reproduktion" davon abtrennte. Damit wurde Reproduktionsarbeit von einer allgemeinen gesellschaftlichen und kulturellen Arbeit/Betätigung auf die Tätigkeiten verkürzt, die der Erhaltung der "produktiven" Arbeitskraft dienen. Mit der Trennung zwischen produktiver und reproduktiver Arbeit ging die Aufspaltung in einen gesellschaftlichen und einen privaten Sektor einher. Die Reproduktion wurde ins Private verdrängt, in ihrer Bedeutung entmachtet und von den Männern allein den Frauen aufgebürdet.

Diese hierarchische geschlechtliche Arbeitsteilung wird im Sozialismus nicht aufgehoben. Die Organisierung und Verfügung über die Produktion liegt lediglich in den Händen des Staates, der den Frauen nach wie vor (u.U. staatlich abgefedert) die Aufgaben der gesellschaftlichen Reproduktion aufzwingt, noch zusätzlich zum Zwang, ihre Arbeitskraft zu verkaufen.

Die Reproduktionsfrage wird so zum Dreh- und Angelpunkt für den Kampf gegen das Patriarchat - unabhängig von den jeweiligen gesellschaftlichen Systemen, in denen sich die sogenannte produktive Arbeit und Ausbeutung organisiert. In vielen Ländern der Drei Kontinente - vor allem in Afrika - ist der antikoloniale Befreiungsprozeß mit staatssozialistischen Zwangsmaßnahmen einhergegangen (Zwangskollektivierung, Industrialisierung der Landwirtschaft, Zerstörung der Subsistenzbedingungen und -strukturen und Vertreibung in die Städte durch Monokulturanbau, Staudämme und andere technologische "Fortschritte", Maschinen in Männerhand). Mit der Zerstörung traditioneller Lebens- und Wirtschaftsweisen wurden die Frauen mit neuen patriarchalen Gewaltverhältnissen konfrontiert.

Die Übernahme dieses Entwicklungsmodells durch Befreiungsbewegungen hat wohl zwei Begründungen: erstens die Verhaftung der 'revolutionären Eliten' in eben das gleiche vom Westen übernommene Fortschrittsdenken; zweitens haben sich viele mlorientierte Befreiungsorganisationen und anschließende Staatsmänner zur Übernahme des staatssozialistischen Entwicklungsmodells mit Anbindung an den Ostblock entschieden, weil sie sich von der SU Schutz gegenüber dem Imperialismus versprachen.

Heute hat sich bezüglich der Ziele und Hoffnungen von Befreiungsbewegungen einiges grundsätzlich verändert. Vor allem ist das Vereinende in der Bündelung antiimperialistischer nationaler Kämpfe gegen den gemeinsamen äußeren Feind verschwunden. Es hat sich herausgestellt hat, daß "der Imperialismus" nicht durch "nationale Unabhängigkeit" zu vertreiben ist. Statt der erstrebten Unabhängigkeit sind diese Staaten heute abhängiger denn je, ihre Führungen kämpfen um kapitalistische Investitionen und um "gerechte" Aufnahme in den neokolonialen Finanz- und Weltmarkt. Sicherlich spielt die imperialistische Einkreisung über Kriege, Counterguerilla und ökonomische Zwänge eine große Rolle dabei. Doch über die Ähnlichkeiten patriarchaler Macht- und Ausbeutungskonkurrenz (zwischen neuen "revolutionären" Machteliten und alten West- Ost- Konkurrenten), welche sich mit den Anbindungen an die Ost- West- Blöcke verfestigten, konnte sich die imperialistische Übermacht womöglich erst entfalten und Einfluß nehmen.

Diese Fortsetzung und Erneuerung patriarchaler Macht-, Ausbeutungs- und Gewaltverhältnisse in "antiimperialistischen" Staaten oder durch Gruppen, die diese Formen staatlicher Macht anstreben, war und ist für uns Grund genug, Beziehungen zu solchen Regierungen oder Gruppierungen oder deren Unterstützung grundsätzlich abzulehnen. Die klare Abgrenzung von institutionellen Machtebenen ist Ausgangspunkt unserer Solidarität mit den vom Imperialismus und Rassismus unterdrückten Menschen. Wir haben inzwischen aus unseren Erfahrungen und Überlegungen vorerst den Schluß gezogen, internationale Kontakte auf eigene Frauenfüße zu stellen, d.h. neue Wege und eigenständige Kontakte zu Frauen in unterschiedlichen Organisierungen aufzubauen, wobei wir bewaffneten Kampf nicht als Primat sehen, sondern als möglichen und notwendigen Teil zur Unterstützung und zur Verteidigung gegengesellschaftlicher und frauenstärkender Strukturen.

Weltweite Frauenkämpfe - unsere Blicke haben sich verändert

Unser primäres Interesse gilt den Frauen, ihren Kämpfen, ihren Positionen, auch innerhalb der Befreiungsbewegungen. Zudem hat sich unser Blick auf Frauenkämpfe erweitert, die nicht im Zusammenhang mit bewaffnet kämpfenden Gruppen stehen. Unsere Sichtweisen haben sich v.a. durch Auseinandersetzungen über Rassismen und Machthierachien zwischen Schwarzen und weißen Frauen verändert, die Schwarze Frauen in die weiße FrauenLesbenbewegung eingebracht haben. Wie sehr sind wir selbst noch in unseren Utopien und Freiheitsidealen von der 'eigenen' christlich- kolonialen Geschichte einholbar - z.B. in der Orientierung an Individualismus, Leistung und Effektivität auch in unserer Politik, in unserem Bild von der befreiten Frau, in unserem Glauben, schon weiter 'entwickelt' und freier zu sein als Frauen anderswo? Vorstellungen über ein herrschaftsfreies Leben können sich uns nur auftun, wenn wir die Vorstellungen anderer wahrnehmen, sie mitdenken, uns auf sie beziehen, sie unterstützen, von ihnen lernen - unsere "Gewißheiten" infragestellen (lassen).

Es ist inzwischen klar sichtbar geworden, daß Frauen in den Drei Kontinenten gegen den Verlust ihrer Existenzbasis sowie der Grundlagen ihrer lebenserhaltenden. regenerativen Produktivität einen Kampf entfacht haben, der sehr vielfältig ist und sich oft gegen das patriarchal- technologische Prinzip richtet. Denn dieses trachtet danach, alles Lebendige, welches im Austausch mit den schöpferischen Kräften der Natur sich und die Natur zugleich verändernd und bewahrend reproduziert (Vandana Shiva nennt dies das "weibliche Prinzip"), in eine aussaugbare "Ressource" zu verwandeln und aus den zerstörten Zusammenhängen nur noch tote Hüllen übrigzulassen.

Das "weibliche Prinzip" versteht Vandana Shiva aus Indien nicht als eine den Frauen biologisch- anhaftende Zuschreibung weiblicher Naturnähe, sondern als Aufhebung des geschlechtsspezifischen patriarchalen Dualismus von weiblich = friedfertig und passiv- reproduzierend, männlich = gewalttätig und aktiv- produzierend, der in der schöpferischen Kraft der Kämpfe der Frauen um die Wiedergewinnung von gesellschaftlicher Existenz transzendiert wird.

Imperalistische Herrschaft (Weltmarkt, GATT, IWF, Kriege zwischen patriarchalen Mächten als Kampf um die Verfügungs- und Ausbeutungsgewalt) bedeutet in vielen trikontinentalen Ländern, daß Menschen verhungern, ermordet, vertrieben und zur Migration gezwungen werden, und daß der Überlebenskampf aus dem Elend (Kinderbanden, Landbesetzungen, Schmuggel u .a. "informelle" Quellen der Einkommensbeschaffung...) mit komplexen Formen von Repression und Gewalt konfrontiert wird, weil er eine Bedrohung der herrschenden Machtstrukturen ist. Diesen Verhältnissen haben sich weltweit immer mehr Frauen mit wachsenden Kämpfen und Organisierungen entgegengestellt. Ihr Kampf bezieht sich auf einen Jahrhunderte langen Widerstand und knüpft an Wissen über die vorkoloniale Zeit, an Lebensformen, in denen Frauen gesellschaftlichen Einfluß und Bedeutung besaßen, an.

"Weibliches Prinzip" gegen patriarchale Verwertung - Frauenkampf gegen industrielle Großprojekte in Indien

In Indien richtet sich Frauenwiderstand auch gegen industrielle Großprojekte wie Riesen- Staudämme und Waldabholzungen für den Bedarf der Reichen der Welt. Sie bedeuten, daß Hunderttausende Menschen zwangsumgesiedelt werden sollen, die Landschaften und Wälder überflutet werden, um z.B. Riesen- AgroBetriebe für Cash- Crop- Produkte durchzusetzen.

Bei der bereits trotz breiter langandauernder Kämpfe mit internationaler Unterstützung (weswegen sogar die Weltbank ihre Kredite zurückziehen mußte) - begonnenen Flutung von Staubecken im Narmada- Staudamm- Gebiet drohen die Frauen, sich eher mitsamt ihren Familien und ihren Dörfern überfluten als zwangsumsiedeln zu lassen. Auch wenn die Leute immer wieder gewaltsam aus ihren Hütten geholt werden, steht schon jetzt fest, daß sich diese Großprojekte nicht ohne weiteres gegen den Widerstand durchsetzen lassen.

Schon Anfang der 70er Jahre hatte sich die indische Umwelt- Bewegung der Frauen konsolidiert, die Frauen kämpften für das Recht auf Nutzung der einheimischen Walderträge und gegen die Ausbeutung und Abholzung der Wälder. Die Bewegung entwickelte sich selbständig und dezentral und wurde von den Bäuerinnen geleitet. "Jedes Kind in Indien weiß, daß jeder Hungernde ein Recht auf Brot hat und nicht nur der, der Geld in der Tasche hat. Diese Rechtsauffassung ist in jeder Familie gültig, nur auf gesellschaftlicher Ebene ist sie verlorengegangen. Hier gilt die Moral des Marktes, die Menschen gehen ihr in die Falle." (Sarala Behn, "Tochter des Himalaya" und "Mutter" der sozialen Bewegung in der Himalaya- Region, 1975).

In der Chipko- Bewegung setzten die Frauen nach langen harten Kämpfen die Rückgewinnung von Gemeindeland durch, auf dem sie Bäume rekultivieren, die nicht für den Export, sondern z.B. für die Tierfütterung sich eignen. Ihr Ziel ist die Wiederherstellung der Vielfalt des "weiblichen Prinzips", gegen das Kosten- Nutzen- Prinzip patriarchaler Verwertungsinteressen, das alles auslöschen will, was ihm entgegensteht. Der Kampf der Chipko ist ein Kampf für die Rechte und Ansprüche aller Menschen auf Nahrung und Existenz, auf Rückgewinnung der Bedingungen dafür, und für politische Wege, die das Grundrecht auf Überleben achten anstatt zerstören.

Frauenkämpfe in den Armenvierteln der trikontinenalen Megastädte, Selbsthilfeprojekte

In den Slums von Bombay haben sich ehemalige Prostituierte und jetzige "Gehsteig- Bewohnerinnen" zur "Mahila Milan" ("Frauen, die zusammenkommen") zusammengeschlossen. Die Herrschenden konnten nicht mehr wie bisher üblich in Nacht- und Nebelaktionen mit Bulldozern ihre Hütten dem Erdboden gleichmachen, weil "bei Räumungsdrohung genug Leute aus allen anderen Slums zusammenkommen, um dies zu verhindern", sagt Shenaz, eine der Gründerinnen von Mahila Milan. Sie verloren die Angst vor der Macht der Behörden und setzten ihr Bleiberecht und Wohnungsbaukooperativen durch.

In vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas sind es v.a. die Frauen, die sich organisiert haben, um ihr Existenzrecht und neue Lebensbedingungen in den städtischen Armutsvierteln gegen Polizeiterror, Morde, Räumungen und Vertreibungen zu verteidigen.

Auch in den Armenvierteln der Megastädte Lateinamerikas organisieren sich in ständig wachsender Zahl Frauengruppen. Allein in Lima gibt es über 2000 Volksküchen, in denen ca. 100.000 Frauen organisiert sind. Sie gründeten Mütterklubs und Milchkomitees, um für alle Kinder die tägliche Versorgung mit Milch durchzusetzen. Sie lehnten - sie in Abhängigkeiten zwingende - Nahrungsmittelhilfe aus den USA ab. Sie kochen gemeinsam, durchbrechen die Isolation von Frauen in den Familien, stärken ihre Kollektivität in politischen Initiativen, kämpfen gegen Bürokraten- und Polizeigewalt mit Forderungen nach Strom, Wasser und Kanalisation und gegen Räumungen, organisieren Bildungs-, Ausbildungs- und alternative Gesundheitszentren.

Frauenkämpfe für Menschenrechte, gegen die Ermordung von "Unproduktiven", AußenseiterInnen und Oppositionellen

In den favelas von Rio de Janeiro schließen sich Mütter von ermordeten und "verschwundenen" Kindern und Jugendlichen zusammen, um die Zusammenarbeit und Bestechlichkeit von Polizei, Militär und Killerbanden öffentlich zu machen und ihre Bestrafung zu fordern. In Kolumbien arbeiten Frauengruppen wie die Organizacion femenina popular angesichts von Tod und Zerstörung, die von Kampagnen der Geschäftsleute ausgehen, welche auf Plakaten für Lynchjustiz ("Tod den Straßenkindern, Prostituierten und Dieben") werben und den "Kampf bis zur Ausrottung" angesagt haben, gegen die Hoffnungslosigkeit. Prostituierte sowie Straßenkinder und Jugendbanden schließen sich zusammen und fordern "Recht auf Leben und Arbeit für alle". Auch hier machen Frauengruppen in Projekten zur kollektiven Selbstversorgung die Erfahrung, "miteinander in Würde zu leben, wie es vorher nicht möglich war" (eine Frau der Organizaci6n femenina popular).

In Buenos Aires demonstrieren seit 16 Jahren jeden Donnerstag die "Mütter der Plaza de Mayo", weil die Verbrechen an den "Verschwundenen" nicht geahndet und die verantwortlichen Militärs schließlich amnestiert wurden. Die Frauen benennen öffentlich die Täter und die gesellschaftlichen Positionen, in denen sie heute sitzen. In ihrer Zeitung nehmen sie zu allen gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Unterdrückungen Stellung und verbreiten Informationen zu internationalen Entwicklungen. Die Demonstrationen sind mittlerweile zu einem "Ort all derer geworden, die ein Problem haben" (Hebe de Bonafini von den "Müttern").

Kämpfe der Indigena- und Afro- Lateinamerikanischen Frauen "für das Leben, für das Land und für den Respekt gegenüber unserer Kultur und Identität" (Rosalina Tuyuc, Indigena, Vertreterin der guatemaltekischen Frauen- und Witwenorganisation CONAVIGUA)

In Ecuador kämpfen Indigena- Bäuerinnen für ihre Landrechte, die ihnen von Agro- Multis genommen werden, welche "Sicherheitsgesellschaften" anheuern, die mit Terror, Vergewaltigungen und Mord die BewohnerInnen zum Aufgeben bringen sollen.

In Guatemala haben sich von 60.000 Witwen, deren Männer entführt und ermordet wurden, 11.000 Indigenas in der Frauen- und Witwenorganisation "Conavigua" zusammengetan und verlangen Prozesse gegen die Verantwortlichen der Massaker. Sie entwickeln Methoden der Natur- und Kräuter- Medizin, initiieren Alphabetisierungsprojekte und Ausbildungswerkstätten und fordern kostenlose Schulsachen für die Kinder. Gegen die offiziellen 500- Jahr- Feiern der Kolonisatoren machten sie ihren S00jährigen Widerstand öffentlich.

In Brasilien organisieren sich Schwarze Frauen zunehmend gegen die grundlegend rassistische Strukturierung der Gesellschaft und der sozialen Konflikte.

Arbeiterinnenkämpfe - Landarbeiterinnen und Industriearbeiterinnen unterstützen sich

In Südkorea haben sich Landarbeiterinnen z.B. in der Korea Women Farmers Association - autonome Landfrauenbewegung, die in mehr als 1/3 der ländlichen Regionen verankert ist - organisiert, um der fortgesetzten Ruinierung ihrer Subsistenzgrundlagen und der geplanten Streichung von 2/3 aller Agrar- Arbeitsplätze (4 Millionen Arbeitsplätze, vorwiegend der Frauen!) entgegenzutreten. Zusammen mit Industriearbeiterinnen in den Städten kämpfen sie um ihre Existenzsicherung. Viele Frauen mußten bereits in die Städte migrieren, um ihre zurückbleibenden Familien durch Lohnarbeit zu unterstützen. Seit Mitte der 80er Jahre kämpften sie mit großer Solidarität für unabhängige Gewerkschaften (s. das Kapitel zu Adler).

Bei dem Erdbeben Mitte der 80er Jahre in Mexico- City sind viele Näherinnen umgekommen, weil sie an ihren Arbeitsplätzen eingeschlossen waren und nicht aus den einstürzenden brennenden Häusern fliehen konnten. Seitdem haben die Näherinnen eine unabhängige Frauengewerkschaft durchgesetzt.

Textilarbeiterinnen in Bangladesh haben sich organisiert, Anlaß war u.a. auch, daß Frauen in Klitschen eingesperrt waren und bei einem Brand umkamen. Mit großen Streiks haben sie in den letzten Jahren Teile ihre Forderungen durchsetzen können.

Als Dienstmädchen und Hausangestellte zu arbeiten, ist für Frauen sehr verbreitet. In Südafrika kämpfen Frauen in ihren eigenen Hausangestelltengewerkschaften für die Veränderung ihrer Arbeitsbedingungen.

Verstärkter Kampf um Autonomie der Frauen, gegen Männergewalt

In den letzten Jahren sind Hunderte von Frauenorganisationen neu entstanden und stärker geworden. Sie tragen die Probleme von häuslicher bis zu institutioneller Gewalt gegen Frauen in die Öffentlichkeit und entwickeln Gegenstrukturen.

Die palästinensische Frauenorganisation Al Fanar macht die Ermordung von vergewaltigten Frauen durch die Familie ("Rettung der Familienehre") z..B., mit Demonstrationen öffentlich.

Autonome Feministinnen in Bombay kämpfen schon seit Jahren gegen die Abtreibung weiblicher Föten, Mitgiftmorde oder gegen Gewalt in der Ehe.

Die Frauendachorganisation GABRIELA auf den Philippinen weitet ihre bisherigen Aktivitäten gegen Männergewalt verstärkt auf den Schutz von Prostituierten vor sexueller Gewalt aus. Sie fordert die Ent- Kriminalisierung der Prostitutierten und die Bestrafung von sexueller Gewalt als Gewaltverbrechen.

Mittlerweile ist der 25. November international ein Frauenaktionstag gegen 'Gewalt gegen Frauen'. Hintergrund davon ist der Todestag von Frauen in der Dominikanischen Republik, die von Paramilitärs ermordet wurden.

In Nordindien haben sich Frauen auf dem Land zusammengetan, um gegen den Alkoholismus der Männer vorzugehen. Sie zerstören Alkoholdepots und prangern in Dorfversammlungen gewalttätige (Ehe-)Männer an. Vereinnahmungsversuchen durch Parteien widersetzen sich die Frauen in dieser Bewegung konsequent.

In Nicaragua haben sich in der zugespitzten sozialen Situation viele Frauen aus den männerbestimmten Politikebenen von sandinistischer Gewerkschafts- und Parteiarbeit zurückgezogen. Nach einer Umfrage halten viele diese für "überflüssig", weil ihre wichtigen Fragen keine Beachtung finden: besonders hohe Frauenarbeitslosigkeit, fast 3/4 aller Haushalte werden von Frauen geführt, Gesundheit und Bildung ist für viele zu teuer geworden, Kinder und Frauen leben oft von Straßenjobs, Gewalt und Sexismen haben überall zugenommen. Heute ist die Frauenbewegung in Nicaragua sehr vielfältig. Auch der FSLN nahestehende Frauen haben eigene Positionen oft in Widerspruch zur Parteilinie entwickelt. Und es mangelt nicht an Erfahrungen, wie Frauen sich zur Wehr setzen.

Magaly Quintana vom Colectivo de Mujeres de Matagalpa beschreibt die aktuelle Situation in Nicaragua: "Wir leben in einer Zeit der Hoffnungslosigkeit, in einer Zeit neoliberaler Politik, wo die anderen sozialen Bewegungen und der Sandinismus nicht die geringste strategische Perspektive zu bieten haben. Im Gegenteil, sie beschäftigen sich mit Fragen der Mitregierung, während sich in der Basis große Frustration breitmacht. Deshalb ist es als Erfolg zu bezeichnen, daß sich so viele Frauen von unserem feministischen Programm ansprechen lassen."

Frauen greifen (wieder) zu den Waffen

Die "Noras" Frente Nora Astorga - sind nach dem Krieg demobilisierte Frauen der sandinistischen Armee, deren Forderungen nach Land und Abfindungen in den Auseinandersetzung zwischen verschiedenen militanten Gruppen und der Regierung auf der Strecke geblieben sind.

Ende '91 beschlossen daher 40 Frauen, sich wieder zu bewaffnen und einige Wochen in den Bergen zu trainieren. Im April 1992 legten sie mit einer l0tägigen bewaffneten Straßenbesetzung in Ocotal den gesamten Nord- Süd- Verkehr lahm, besetzten Gemeindeland, Ämter und Polizeistation und drohten, sich in die Luft zu sprengen. Eine große Solidaritätswelle der Bewohnerinnen von Ocotal verhalf zum Erfolg: Mittlerweile ist ein neues Stadtviertel für sie entstanden und noch weiter im Aufbau gebaut von den inzwischen über 400 "Noras", zusammen mit vielen weiteren Frauen. Sie waren Angestellte, Hausangstellte, Landarbeiterinnen, manche haben schon Somoza bekämpft, manche waren bei der Contra, die meisten sind alleinstehend, und alle haben Kinder zu versorgen. Und sie müssen weiterkämpfen, weil die Regierung ihren Abfindungsforderungen noch immer nicht nachgekommen ist. Amparo Rubio von den "Noras": "Unser bewußtes Frau- Sein hilft uns dabei, immer stärker zu werden. Das ist unser Leitspruch: somos re-mujeres."

Frauen wehren sich gegen Be- und Entvölkerungspolitik

In vielen Teilen der Welt wehren sich Frauen einzeln und kollektiv gegen entvölkerungspolitische Programme, gegen Zwangssterilisationen und illegal gehaltene Abtreibungen, an denen unzählige Frauen sterben.

Von Frauenkampagnen gegen das hormonelle Langzeitverhütungsmittel Norplant wissen wir z.B. aus Brasilien, wo Versuche an Frauen gestoppt werden konnten, aus Indien, Bangladesh, Namibia ...

Gegen die Einführung immunologischer Verhütungsmethoden schließen sich Frauen international zusammen.

In Indonesien wehren sich die z.B. Ost- Timoreslnnen und Papuaneslnnen gegen eine staatliche und von internationalen Organisationen getragene Vernichtungspolitik (UNO, Weltbank, etc.), in der Umsiedlungsprogramme, der Entzug von Lebensgrundlagen und Unfruchtbarmachung von Frauen Hand in Hand gehen.

In Slowenien und Kroation haben Frauen Gesetzesvorhaben zu reaktionär- nationalistischen Familien- und bevölkerungspolitischen Programmen mit internationaler Unterstützung stoppen können.

Überall entstehen immer mehr Frauenselbsthilfeprojekte, um die Interessen der Frauen durchzusetzen.

Frauen gegen rassistische Unterdrückung und Besatzungsherrschaft

In Palästina, Kurdistan und Südafrika organisieren Frauen starke Widerstandsstrukturen, in denen sie - als Teil bedrohter Gesellschaften im Spannungsverhältnis zwischen patriarchaler Tradition und Entfaltung eigener Verantwortlichkeiten und neuer weiblicher Rollen in den Befreiungskämpfen - revolutionäre und solidarische Frauenidentitäten herausgebildet haben. In Palästina zwingt der patriarchale Angriff auf Frauenbefreiungsstrukturen durch Islamisten und Linke einerseits und die rassistische Unterdrückung durch Israel andererseits die Frauen dazu, nun an noch mehr Fronten gleichzeitig kämpfen zu müssen. Auch in dieser schweren Lage entwickeln Frauen eigene (Minderheiten-)Positionen weiter, z.B. gegen den Nationalismus der PLO und für Austausch auch mit oppositionellen Frauen in Israel.

Im jahrhundertelangen Kampf der Kurdlnnen gegen ihre Unterdrückung und Vernichtung durch die verschiedenen Regime haben die kurdischen Frauen einen großen Widerstandswillen entwickelt, mit dem sie immer neue Strukturen für die Wiederherstellung und Verteidigung gesellschaftlicher Subsistenz aufbauen. In den autonomen Gebieten Südkurdistans (Irak) wehren sich Frauen gegen die Repression auch der neuen kurdischen Regierung gegenüber "ehrverletzenden" Frauen, kämpfen gegen die Verfügungsgewalt des Mannes über die Frau, für die ökonomische Unabhängigkeit der Frauen und die "Vergesellschaftung" der weiblichen Familienarbeit - diese Forderungen werden z.B. auch von der zum 8März '93 gegründeten "Unabhängigen Frauenunion" vertreten. In Nordkurdistan (Türkei) kämpfen die Frauen auf allen Ebenen in ihrem breiten Aufstand gegen den türkischen Vernichtungskrieg auch für die Veränderung ihrer gesellschaftlichen Frauenrolle und gegen die patriarchalen Machtstrukturen.

In Südafrika sind die Frauen mit ihrem langen antirassistischen Widerstand zu einer unübersehbaren und die sozialen Kämpfe und Umwälzungen tragenden gesellschaftlichen Kraft geworden. "Mit dem Rassismus muß auch der Sexismus gehen", ist die Parole vieler Schwarzer Frauen in der jetzigen Phase der politischen Integration schwarzer Macht - auf dem Hintergrund sich verschärfender sozialer Konflikte und Männermachtkämpfe unter den Schwarzen.

Frauenkämpfe gegen Zwangsethnisierung und Krieg

Der Krieg in Ex- Jugoslawien ist ein Krieg von sich reorganisierenden Männermacht- Bünden im Verbund mit imperialistischer Politik zur Zerstörung der von Frauen getragenen sozialen Reproduktionsstrukturen und Frauenkämpfen gegen die rassistische Zwangsethnisierung und Kriegspolitik. Trotz Verleumdung und Verfolgung versuchen sie (z.B. die Frauen in Schwarz in Belgrad, Feministinnen in Kroatien), sich mit antinationalistischen Frauen über die neuen Nationalstaatsgrenzen hinweg zusammenzuschließen und sich gegenseitig zu unterstützen. Sie organisieren sich gegen Vergewaltigung und schaffen Zufluchtshäuser. "Die Zahl der Vergewaltigungen an allen Fronten in Bosnien und Kroatien ist gewaltig, aber auch die in allen Städten der zurückkehrenden Krieger in Ex- Jugoslawien. Die 'Notrufe für Frauen und Kinder' in Zagreb und Belgrad stellen fest, daß die Zahl der registrierten Vergewaltigungsfälle seit Kriegsbeginn um hundert Prozent gestiegen ist. Und in hundert Prozent mehr Fällen als zuvor wurden Todesdrohungen ausgestoßen, trugen die Täter Waffen. Die Täter sind meistens Kriegsveteranen, Nachbarn, die mit ihrer Kalaschnikow griffbereit zu Bett gehen. Sobald sich die ewigen Soldaten nicht mehr unter Feinden befinden, machen sie ihre eigene Frau zum Objekt von Vergewaltigung und Verstümmelung. Und dies unabhängig von der Nationalität der Frau, ihres Alters oder des Grades ihrer Begierde." (L. Mladgenovic, Belgrad, in: Sherezade Nr. 4)

In Belgrad fanden riesige Demos gegen den Staat, gegen den Krieg und für soziale Forderungen statt. Um die Kriegsgebiete herum haben hauptsächlich Frauen Strukturen für Deserteure und Versorgung von Flüchtlingen geschaffen.

Frauen organisieren und vernetzen sich

Auch überregional nimmt die Frauenorganisierung zu. Zum Beispiel gibt es seit 1981 kontinentale und länderspezifische Frauentreffen und feministische Kongresse von Frauen aus Lateinamerika und der Karibik. Seit Mitte der 80er Jahre finden kontinentale Lesbentreffen (Lateinamerka, Karibik) unter äußerst repressiven Bedingungen statt, seit 1992 feministische Treffen zentralamerikanischer und karibischer Frauen, deren spezifische Gemeinsamkeit im Dasein als "Hinterhof' der USA und Erfahrungen von Krieg, Gewalt und Widerstand liegt.

Die Diskussionen umfassen thematisch zum Beispiel das Verhältnis zwischen Rassismen, Klassismen und Sexismen, Ablehnung von Hierarchien darin, lesbische Existenz, Gewalt gegen Frauen, Repression, Armut, Autonomie, Völkermord, Frauenbewegung, Rolle der Frau in der Kirche, in den Medien, ökologie ... und Gegenstrategien. Frauen machen eigene Radioprogramme, tauschen sie aus und stellen ihre Positionen und Aktivitäten in Frauenzeitungen dar. Feminismus wird als gesellschaftsverändernde Kraft verstanden und von Frauen verschiedenster sozialer Schichten umgesetzt. Von den Frauen können wir z.B. lernen, wie ihre Bemühungen um Toleranz und "Einigkeit in der Unterschiedlichkeit" eine ganz neue Stärke entstehen lassen.

Beispiel haben wir die vielen, in allen Drei Kontinenten maßgeblich von Frauen organisierten Landbesetzungen hier nicht erwähnt, oder die Frauenkämpfe sogenannter Minderheiten und UreinwohnerInnen gegen rassistische Verfolgung und Vernichtung (der Indigenas, Aborigines, in Osttimor etc...), oder die Kämpfe der Frauen Osteuropas. Aus vielen Ländern fehlen uns aber auch Informationen. Die Frauenkampfe in Afrika sind noch immer ein weitgehend blinder Fleck.

Wir fangen an, die Geschichte aus der Sicht der Kämpfe gegen die Herausbildung des sog. gesellschaftlichen Fortschritts, d.h. gegen die "Höherentwicklung" der sog. Produktivkräfte und Verfestigung patriarchaler Macht zu begreifen. Die daraus im weißen Feminismus erarbeiteten Kriterien für eine Analyse unserer Gesellschaft aus dem Blickwinkel weiblicher Widerstandsgeschichte und -strategien sind allerdings noch sehr ungenau. Die Orientierung auf "soziale Kämpfe von FrauenLesben" oder "Kämpfe von unten" reicht nicht aus, um Vorstellungen zu formulieren, wie aus den Kämpfen eine wirksame Frauen- GegenKraft werden kann. Die "Übersetzung" gesellschaftlicher Widersprüche in feministische Befreiungsstrategien und Gesellschaftsvisionen wird nicht allein eine theoretische, sondern auch eine praktische Anstrengung sein.

In diesem Prozeß haben wir die Aufgabe, nach einer umfassenden Vorstellung von Befreiung für uns zu suchen, von der ausgehend strategische Wege und Ziele entworfen werden können. Ohne das werden unsere Kämpfe immer nur Ausdruck momentaner Gegnerinnenschaft zu den herrschenden Verhältnissen sein. Wir liefen Gefahr, uns in aktuellen Tageskämpfen aufzureitben und unseren Mut zu verlieren, könnten in repressiven und schwachen Phasen den resignativen Tendenzen keine neuen Schritte und Impulse entgegensetzen und aktuelle Niederlagen nicht relativieren. Ohne Befreiungsvisionen werden wir nicht zu langfristiger Organisierung und Kollektivität finden.

Unsere Vorstellung von Befreiung ist untrennbar verbunden mit den Kämpfen gegen die neokoloniale Zerstörung und Ausplünderung der Erde.

Wir haben eine klare Verantwortung für die Gewalt und Ausbeutungsstrukturen, die von hier ausgehen. Wir können uns nicht heraushalten z.B. mit der Begründung. so manche Ziele von Befreiungsbewegungs- Führungen abzulehnen, während die vom Imperialismus gemanagten Kriege gegen die Bevölkerungen in den Drei Kontinenten uns in der Metropole die relative Ruhe und Sicherheit bescheren, die uns nicht zum Eingreifen zwingt - im Gegenteil kann praktische Solidarität hier diese Sicherheit aufs Spiel setzen!

Darüber hinaus haben wir ein eigenes Bedürfnis und Interesse, zur Ausbreitung von grundsätzlichem Widerstand hier beizutragen. Solange wir uns nicht aktiv und unterstützend zu den Kämpfen der Frauen aus den drei Kontinenten verhalten, sind wir Mittäterinnen an diesem rassistischen System, was unserer Befreiung auch hier im Wege steht.