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2009-04-10

»Wir brauchen Zeugen, die das beeidigen können«

Nach den Übergriffen beim NATO-Gipfel ermittelt die Friedensbewegung jetzt gegen die Polizei. Ein Gespräch mit Otmar Steinbicker

Interview: Peter Wolter
Otmar Steinbicker ist Vorsitzender des ­Aachener Friedenspreis e.V.

Das Internationale Vorbereitungskomitee für die Proteste gegen den NATO-Gipfel vom vergangenen Wochenende hat Sie mit Ermittlungen wegen der Polizeiübergriffe betraut. Um welche Vorfälle geht es?

Es geht vor allem um den Einsatz der französischen Polizei in Strasbourg am Samstag gegen die friedlichen Demonstranten. Hier ist dringend Aufklärung geboten! In Frankreich hat sich bereits eine intensive Diskussion darüber entfaltet – es fehlen aber immer noch Detailinformationen. Es geht vor allem darum, die Brandstiftungen auf der französischen Seite der Europabrücke über den Rhein aufzuklären. Wir wollen z.B. wissen, wo genau die Polizei war, als das Feuer ausbrach.

Es geht also in erster Linie um Ermittlungen gegen die französische Polizei?

Das ist richtig. Auf deutscher Seite hat es zwar keine spektakulären Übergriffe geben – wir wissen aber immerhin, daß es die Polizei verhindert hat, daß Demonstranten über die Brücke auf die französische Seite gelangen konnten. Das ist aufgeklärt – nicht zuletzt durch den Einsatz der Politiker von Linkspartei und Grünen, die versucht hatten, zwischen Polizei und Demonstranten zu vermitteln.

Wieso aufgeklärt?

Wir haben erfahren, daß die Einsatzleitung der Bundespolizei grundsätzlich bereit war, die Demonstranten über die Brücke zu lassen. Das wurde jedoch durch die Einsatzleitung einer anderen Polizeigruppe verhindert, die wohl der Bundespolizei übergeordnet war.

Wie wollen Sie denn ermitteln?

Wir brauchen die Hilfe von Leuten, die an Ort und Stelle waren: Detaillierte Zeugenaussagen z.B. darüber, wie die französische Polizei Gewalt gegen Demonstranten angewandt hat. Uns interessiert auch die Phase vor und während der Brandstiftungen an der Europabrücke. Die französische Polizei hat bisher nichts darüber verlauten lassen, wo ihre Einsatzgruppen in dieser Zeit waren, wie stark sie waren, was sie gemacht haben. Wir brauchen diese Details, um rekonstruieren zu können, was dort genau vorgefallen ist.

Kurz nachdem das Zollhäuschen in Flammen stand, brannte plötzlich das Ibis-Hotel. Das Feuer wurde gelöscht – brach aber kurz nach 18 Uhr plötzlich mit einer Riesenstichflamme wieder aus. Auch zu diesem Vorgang brauchen wir alle Beobachtungen – etwa dazu, wie und wie schnell sich der Brand ausgedehnt hat. Wir wollen auch Feuerwehrexperten befragen. Ich war übrigens selbst an Ort und Stelle, kann also meine eigenen Beobachtungen mit einbringen.

Die Bilder von den Bränden waren offenbar genau das, was die Polizei und die dahinterstehenden Behörden brauchten, um die Proteste zu diskriminieren. Wäre es denn nicht auch Aufgabe ernsthafter Demonstranten, potentielle Brandstifter zu neutralisieren? Objektiv spielen sie doch der Polizei in die Hände – egal ob sie in deren Auftrag oder aus eigenem Antrieb handeln.

Es wäre den friedlichen Demonstranten sicher schlecht möglich gewesen, den gut 1000 Personen starken Schwarzen Block abzudrängen. Für uns stellt sich jedenfalls die Frage: Bestand dieser Block aus wirklichen Autonomen, oder waren andere dabei? Ich z.B. habe sehr viele junge Leute gesehen – das waren nach meiner Einschätzung eher Kinder, die mal Bürgerkrieg spielen wollten. Die waren eigentlich gar nicht aggressiv. Ganz anders war es aber mit Gruppen älterer Schwarzvermummter, die z.B. einen Bus der Demonstrationsleitung angegriffen haben. Zufällig saß ich selber darin.

Daher wäre es für die Aufklärung der Vorkommnisse sehr hilfreich zu wissen, welche Personengruppen zum Schwarzen Block gehörten.

Es ginge also darum herauszufinden, ob aus diesem Block heraus im Auftrag von Polizei oder Geheimdiensten provoziert wurde?

Es gibt Hinweise auf ein mögliches Zusammenwirken von Polizei und Schwarzvermummten. Ob sie zutreffen, wollen wir auch mit den Ermittlungen klären. Jede Information, die eine solche Hypothese bestätigen oder widerlegen könnte, ist für uns wichtig.

Es wurde z.B. im Internetportal indymedia eine Beobachtung veröffentlicht, daß in der Rue d’Alger ein Polizeiwagen stand, der je zur Hälfte mit Uniformierten und Schwarzvermummten besetzt war. Leider war der Informant anonym – wir brauchen aber Zeugen, die so etwas beeidigen können.

  • Informationen an: steinbicker@aachener-friedenspreis.de0761/36073 (Anwaltsnotdienst)
Source: http://www.jungewelt.de/2009/04-11/023.php