Anti-NATO-Bündnis kritisiert Kriminalisierung der Proteste in Straßburg und Baden-Baden
Von Ines Wallrodt
Wenige Tage vor dem NATO-Gipfel muss die Friedensbewegung noch immer um ihr Demonstrationsrecht kämpfen. Mehr als 1000 NATO-Gegner demonstrierten bereits gestern Abend in Freiburg.
Das Programm für den NATO-Gipfel Ende dieser Woche steht fest. Ein Treffen zwischen dem US-Präsidenten und Vertretern der Friedensbewegung, wie von dieser gewünscht, ist nicht dabei. Der Gedanke klingt geradezu utopisch: Obama hört sich das Konzept der Kriegsgegner zum Abzug aus Afghanistan an. In der realen Welt vier Tage vor den Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag des Militärbündnisses kämpfen die Kriegsgegner noch immer darum, ihre Meinung überhaupt in Rufweite des offiziellen Gipfels äußern zu dürfen. »Aus dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wird ein Gnadenbrot, das man gerade so gewährt«, kritisierte Reiner Braun vom internationalen Vorbereitungskreis No-to-NATO am Montag die mühsamen Verhandlungen mit deutschen und französischen Behörden. Alles, was bisher klar ist – ob Auftakt an der Europabrücke, Kongressort oder Camp – habe ihnen abgerungen werden müssen.
Gestritten wird weiterhin um Demonstrationsrouten, die Einrichtung von Infopunkten und Auflagen. So wollen die NATO-Gegner am Sonnabend in die Straßburger Innenstadt zum »Ort des Geschehens« ziehen. Die französische Verwaltung will dagegen die Großdemonstration, zu der zehntausende Menschen erwartet werden, in die Außenbezirke leiten. Denselben Konflikt gibt es in Baden-Baden um die Demonstration am Vorabend. Für sie soll 2,5 Kilometer vor dem Kurhaus Schluss sein, wo zum Auftakt des Gipfels ein Gala-Diner stattfindet.
Die Liste der Auflagen ist lang: Verboten sind geschminkte Gesichter genauso wie Kapuzenpullis und Transparente, die länger als drei Meter sind. Man darf in der Demo weder laufen noch sprinten und auch verlassen darf man sie nicht. Personenkontrollen haben bereits begonnen. Von allen Menschen, die das Camp in Straßburg aufbauen, wurden die Ausweise überprüft. Egal ob Firmenmitarbeiter oder potenzieller Demonstrant.
Zur Sicherung des Jubiläumsgipfels sind an diesem Freitag und Samstag auf deutscher Seite 14 600 Polizisten im Einsatz, in Straßburg 10 000. Auch AWACS-Aufklärungsflugzeuge werden auf Antrag der Bundesrepublik in der Luft sein.
Die Kriegsgegner beklagten zudem eine zunehmende »Panikmache«. Die baden-württembergische Polizei hat mehreren Linken verboten, in der Zeit des NATO-Gipfels nach Straßburg zu fahren. Sie müssen nun regelmäßig im Polizeirevier ihres Wohnortes erscheinen, sonst droht ihnen die Festnahme. Angeblich sollen damit Gewalttaten verhindert werden. Zur Begründung verweist ihr Meldebescheid aber lediglich darauf, dass sie in linken Initiativen aktiv sind und an den Protesten gegen die Sicherheitskonferenz in München teilgenommen haben. Stimmung macht die Polizei auch gegen die geplanten Infopunkte, die den Demonstranten die Übersicht erleichtern sollen. Sie sieht darin vor allem die Ausgangsbasis für bedrohliche Aktionen: »Trupps von Störern könnten in ihrem Schutze zusammengezogen werden«, um sodann »überfallartig« die Protokollstrecke zu besetzen. Sogar die Clowns-Armee gilt ihr als »Gefährdergruppe«. Für DFG-VK-Geschäftsführer Monty Schädel, der diverse Demonstrationen rund um den NATO-Gipfel angemeldet hat, torpedieren Polizei und Behörden damit alle Bemühungen, die Lage zu entspannen. »Eine Deeskalation ist von ihrer Seite offenbar nicht gewollt«, so Schädel.
Gegen die Beschränkungen geht das Anti-NATO-Bündnis auch juristisch vor. Friedensaktivist Braun zeigte sich am Montag trotz allem betont gelassen: Für etwaige Passkontrollen werde man beim Weg über die Europabrücke eben in der einen Hand die ID-Karte und der anderen die Pace-Fahne halten.
Source: http://www.neues-deutschland.de/artikel/146475.streit-um-jeden-meter-stadt.html