Im badisch-elsässischen Raum wird es nächste Woche zu wirksamen Protesten gegen Krieg, Militarisierung, Abbau von Grundrechten kommen – daran ändern auch Desinformation und Polizeiknüppel nichts
Von Dietmar Koschmieder
Gegen eine Lichtgestalt läßt sich schlecht demonstrieren: Dem Protest gegen das NATO-Jubiläum fehlt das Feindbild« heißt es in einem Beitrag der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung Die Zeit. »Schuld ist Obama«, erklärt schon die Überschrift.
Selbst Die Rote Fahne werfe mittlerweile die Frage auf: »Hat der US-Imperialismus seinen Charakter geändert?« Das Wochenblatt verschweigt aber nicht, daß die junge Welt das ganz anders sieht, und zwar nicht erst seit dieser Woche: »Wir werden an Heiligendamm anknüpfen«, lautet die Parole, mit der Protestler zu Zehntausenden am ersten Aprilwochenende ins Badische gelockt werden sollen. Wie vor zwei Jahren würden »die Camps die Stützpunkte sein«, hieß es im Januar auf der »Rosa-Luxemburg-Konferenz« der marxistischen Tageszeitung Junge Welt, berichtet Die Zeit. Natürlich sieht die junge Welt in Obama nicht den Friedensfürsten, der die NATO umkrempeln wird. Solange es sie gibt, ist und bleibt dieser brutale Militärapparat Instrument im Dienste der wichtigsten Kapitalkreise der beteiligten Nationen, egal, wer dort gerade regiert. Und die Verunsicherung dieser Kreise durch eine fundamentale Krise macht die NATO auch nicht gerade liebenswürdiger und berechenbarer. Schon in Zeiten des scheinbar nimmer endenden kapitalistischen Wachstums hat dieses Bündnis gewußt, wessen Interessen es zu dienen hat, und sich knallhart auf soziale Auseinandersetzungen eingestellt. »Gladio« hießen die Pläne damals, mit denen man gegebenenfalls eine widerständige Bevölkerung in Europa unterdrücken wollte. Wie diese Pläne heute heißen, ist nur Eingeweihten bekannt; die NATO kann zum Jubiläum aber auch jede Menge blutiger Praxis vorweisen – die Förderung von Militärputschen wie in Griechenland oder Kriege gegen Afghanistan oder Jugoslawien sind nur einige Beispiele.
Wenn es trotz aller Klarheit über den Charakter der NATO schwerer als üblich ist, zu den Protestkundgebungen zu mobilisieren, liegt das daran, daß in Krisenzeiten – neben dem Abbau sozialer Rechte – verstärkt demokratische Grundrechte eingeschränkt werden. Schon das militärische Agieren von Bundeswehr und Polizei anläßlich der Proteste zum G-8-Gipfel in Heiligendamm haben das unverhohlen signalisiert: Journalisten werden rechtswidrig ausgesperrt, Demonstranten in ihrer Bewegungsfreiheit behindert und, wenn sie doch durchkommen, in Käfigen weggesperrt, Medien mit Lügen eingedeckt, die Bundeswehr verfassungswidrig im Innern eingesetzt, letztlich werden auch Tote in Kauf genommen. Die Botschaft war eindeutig. Der Sicherheitsaufwand, der nun zur NATO-Feier im April betrieben wird, wirke noch eine Spur absurder als an der Ostsee, meint selbst Die Zeit im obengenannten Beitrag. Da werden nicht nur »Städte zu Hochsicherheitstrakten«, wie lokale Medien berichten, sondern auch Flüsse und Straßen, Brücken und Lufträume gesperrt und militärisch gesichert. Und wenn im Vorfeld der zuständige Landespolizeipräsident ganz offiziell klarstellt, daß er Demonstranten als zu selektierende und dann zu verarbeitende Masse betrachte, drückt er damit unmißverständlich aus, was er von Grundrechten wie dem auf freie Meinungsäußerung oder dem auf Versammlungsfreiheit hält – und in welcher Tradition er sich und sein Amt sieht. Es wird Krieg geführt gegen die Demonstranten. Und wie üblich fängt der im Vorfeld mit Verboten, Einschränkungen, Einschüchterung und Desinformation an. Damit die Menge, die dann noch »zu verarbeiten« bleibt, möglichst gering ist.
Und trotzdem wird es phantasievolle, vielfältige und wirksame Proteste gegen die NATO vor Ort geben. Gerade weil klar ist, wem die NATO nutzt und wem nicht. Und weil der Kampf gegen die NATO nicht nur einer gegen Militarisierung und Krieg ist, sondern auch gegen den Abbau demokratischer Grundrechte und für eine neue Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Die junge Welt wird diesen Kampf mit ihren Mitteln unterstützten. Und das sind vor allem journalistische. Neben der täglichen Printausgabe mit Informationen und Analysen, die Sie so woanders nicht finden, nutzen wir vom Mittwoch, den 1.April, bis zum Sonntag, den 5.April, unsere Internetausgabe für zusätzliche Berichterstattung. Unsere Onlineausgabe widerspiegelt in diesen Tagen also nicht nur das reichhaltige Angebot der Printausgabe, sondern liefert darüber hinaus weitere aktuelle Nachrichten, Berichte und Kommentare. Dabei nutzen wir nicht nur die offiziellen Informationsquellen wie Tickermeldungen der Nachrichtenagenturen und Pressemitteilungen. Wir haben Reporter vor Ort und ein Netz von Informationsquellen aufgebaut. Das Ergebnis dieser Bemühungen finden Sie unter www.jungewelt.de/no-nato.de, und hier können Sie sich auch selbst zu Wort melden.
Es gibt einen weiteren wichtigen Unterschied zu den Protesten vor zwei Jahren in Heiligendamm und ihren Folgen: Nach den Anti-NATO-Aktionen im April wird die Protestbewegung weitergehen. Zum Beispiel mit den Kundgebungen zum Ersten Mai, den internationalen Protesttagen am Samstag, den 16. Mai, und den Schülerprotesten im Juni. Es hilft den Polizeipräsidenten von Baden-Württemberg oder Frankreich also nicht, einfach alles niederhauen zu lassen, was sich nicht willig ihren Vorgaben unterwirft, um so Ruhe im Land herzustellen. Denn ihre Polizeiknüppel ändern nichts an den Ursachen der Proteste. Wie die Ereignisse in Heiligendamm gezeigt haben und die im badisch-elsässischen Raum zeigen werden, braucht es zur Entwicklung der eigenen Protestkultur aber auch ein unabhängiges und wirkungsvolles Protestmedium. Unterstützen Sie die junge Welt, abonnieren Sie diese Zeitung und treten Sie ihrer Genossenschaft bei. Diese Zeit braucht diese Tageszeitung.
Source: http://www.jungewelt.de/2009/03-28/008.php