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2009-01-24

»Bis zum Gipfel haben wir noch sehr viel zu tun«

Kriegsgegner bereiten sich auf Proteste gegen den NATO-Geburtstag in Baden-Baden und Strasbourg vor.
Ein Gespräch mit Marina Kaisers

Marina Kaisers ist Aktivistin des Widerstandsnetzwerkes dissent

Im Vorfeld des 60. Jahrestages der NATO-Gründung formieren sich Kriegsgegner, um gegen die Feierlichkeiten am 3. und 4. April in Baden-Baden und Strasbourg zu protestieren. Gibt es schon konkrete Planungen?

Zumindest grob. Als Einstieg in die Protestwoche wird es ab dem 1. April Aktionstage zu bestimmten Themen geben. Dazu zählen zum Beispiel die Komplexe Klima, Migration und Europäische Sicherheitsinfrastruktur, die bestimmt ist durch Repression nach innen und Kriegsführung nach außen. Am Freitag und Samstag, also zum Zeitpunkt der NATO-Feierlichkeiten, sind Blockaden geplant. Angesichts des angekündigten Großaufgebots der Polizei müssen wir mit vielen Festnahmen rechnen. Deshalb denken wir auch jetzt schon über Solidaritätsaktionen für die Gefangenen und Proteste gegen Gefangenensammelstellen nach. Allerdings sind das bis jetzt alles nur grobe Ideen, an denen wir in den nächsten Wochen weiter arbeiten müssen.

Bild: Plakat

Am vergangenen Wochenende fand eine internationale Anti-NATO-Konferenz in Strasbourg statt, zu der das Widerstandsnetzwerk dissent aufgerufen hat. Wer hat daran teilgenommen?
Neben vielen Einzelpersonen aus Deutschland, England, Frankreich, Italien und Spanien waren beispielsweise die Interventionistische Linke aus der BRD und die Federation Anarchiste aus Frankreich vertreten. Insgesamt kamen etwa 150 Menschen zu dem Treffen. Da wir die Infrastruktur für die Proteste aufbauen wollen, ging es uns hauptsächlich um Menschen, die bereit sind, konkret mitzuarbeiten. Bis zum Gipfel haben wir noch sehr viel zu tun, und die Zeit ist knapp. Aus welchen Zusammenhängen die Leute kamen, war uns daher nicht so wichtig.

Gibt es einen Konsens innerhalb der Bewegung über die unterschiedlichen Formen des Widerstandes?

Das ICC, also die internationale Koordination der Friedensbewegung, von ATTAC und anderen aus diesem Spektrum, hat vor kurzem auf einer Konferenz in Stuttgart beschlossen, daß es am Samstag vor der Großdemonstration in Strasbourg keine Blockaden geben soll. Allerdings wurde der Konsens ohne radikale Gruppen gefunden und daher werden wir ihn nicht akzeptieren. Unser Ziel ist, den Gipfel zu verhindern. Und deshalb wird es auch am 4. April Blockaden geben. Wir sind aber der Auffassung, daß sich die verschiedenen Aktionen zeitlich nicht überschneiden sollten. Wir werden also unsere Vorhaben mit dem ICC koordinieren.

Im Vorfeld des G-8-Gipfels in Heiligendamm im Sommer 2007 entwickelte sich eine breite und spektrenübergreifende Bewegung. Eine dauerhafte Zusammenarbeit ist daraus nicht entstanden. Gibt es dieses Mal Pläne über den NATO-Gipfel hinaus?

Natürlich haben wir uns überlegt, wie wir nach dem Gipfel weiter eng zusammenarbeiten können. Wir möchten auf den gerade entstehenden Strukturen aufbauen und die gewonnene auch internationale Vernetzung weiter nutzen. Dafür ist während des Gipfels ein Treffen geplant, bei dem es speziell um die weitere Vernetzung geht. Auf der internationalen Konferenz in Strasbourg haben wir gemerkt, daß die Mobilisierung gegen den Gipfel enorm werden wird. Das spielt natürlich auch für diejenigen eine Rolle, die die Camps vorbereiten. Mit einer starken Mobilisierung im Rücken haben sie eine ganz andere Ausgangsbasis in den Verhandlungen mit den Behörden. Wir brauchen eine vernünftige Infrastruktur und kein Camp acht Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt, wie bislang vom Regierunspräsidium Karlsruhe vorgeschlagen.

Im Vorfeld der Proteste gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm hat es eine starke Repressionswelle gegen vermeintliche Gipfelstürmer gegeben. Erleben Sie bereits jetzt ähnliches?

Es kommt darauf an, was man unter Repression versteht. Wir sind noch nicht von der Polizei angegriffen worden, aber wir wissen, daß wir überwacht werden. Außerdem wird gezielt verbreitet, daß sich Militante und Gewalttäter auf die Proteste gegen den NATO-Gipfel vorbereiten. Für mich fängt Repression an, sobald wir in der Öffentlichkeit kriminalisiert werden. Und das findet auf jeden Fall schon jetzt statt. Allerdings nicht in dem Ausmaß wie vor Heiligendamm. Es wurden bisher keine Wohnungen durchsucht. Aber wir müssen davon ausgehen, daß der Gegenwind in dem Maße stärker wird, je näher der Gipfel rückt.

Source: http://www.jungewelt.de/2009/01-24/010.php