Die NATO hat 2009 Geburtstag, in der Linken laufen die Vorbereitungen bereits an
»Kein Frieden mit der NATO« heißt das Motto des diesjährigen Kongresses der »Informationsstelle Militarisierung« am 8. und 9. November in Tübingen. Er weist voraus auf den NATO-Gipfel Anfang April 2009 in Straßburg und Baden-Baden, bei dem das Militärbündnis sein 60. Jubiläum feiern will. Militärkritische Gruppen bereiten sich vor, die Politik der NATO zu einem Kernthema der außerparlamentarischen politischen Auseinandersetzung im nächsten Jahr zu machen.
Die 1996 gegründete Informationsstelle Militarisierung (IMI) beleuchtet seit zehn Jahren auf ihren Kongressen sicherheitspolitische Themen aus antimilitaristischer Sicht. IMI-Sprecher Jürgen Wagner rechnet diesmal mit einem verstärkten Interesse für den Kongress, bei dem u. a. über Hintergründe der Georgienkrise, die NATO auf dem Balkan und die Raketenabwehr der NATO informiert wird. Deutschland sei als Mitglied der NATO tief in den Krieg in Afghanistan verstrickt und stelle zudem wichtige Infrastruktur bereit, so mit dem Flughafen Halle/Leipzig als Logistikdrehkreuz für weltweite NATO-Einsätze. In den 60 Jahren seit ihrer Gründung habe sich die NATO von einem zumindest formal auf Verteidigung ausgerichteten Bündnis in eine »global agierende Interventions- und Besatzungsarmee« gewandelt. Bis Ende 2009 werde sie ein neues strategisches Konzept verabschieden, das ein noch offensiveres Vorgehen beinhalten wird. Wagner wünscht sich deshalb, dass Linke über die antimilitaristische Szene hinaus gegen den NATO-Gipfel und die Jubiläumsfeierlichkeiten protestieren.
Gegen den Gipfel mobilisieren Friedensbewegte bereits seit Mitte des Jahres. Zu einem Vorbereitungstreffen Anfang Oktober in Stuttgart reisten Aktivisten aus 16 Ländern an, darunter Frankreich, Irland, Schweden, Norwegen. Kristian Golla vom Bonner »Netzwerk Friedenskooperative« erwartet eine starke gipfelkritische Bewegung. Speziell die baden-württembergische Friedensbewegung sei gut organisiert und werde eigene Proteste vorbereiten. Weil die zentrale Demonstration in Straßburg stattfinden wird, vernetzt sich die bundesweite »Kooperation für den Frieden« mit dem »Mouvement de la Paix« in Frankreich. Die Koordination kündigt gewaltfreie Aktionen zivilen Ungehorsams, ein Protestcamp und eine Konferenz an. Hat die Linke also das Thema NATO wiederentdeckt? Kristian Golla fragt: »Kann die NATO die Probleme der Zukunft lösen? Wenn nicht, welche Alternativen gibt es?« Hier sieht er großen Bildungsbedarf, auch in der linken und Friedensbewegung.
Die NATO hat offenbar bereits bemerkt, dass ihr Gipfel erneut nicht ohne öffentliche Kritik über die Bühne gehen wird. Denn anders als mit »Sicherheitsbedenken« ist die Verlegung des deutschen Teil-Gipfels kaum zu deuten: vom kleinen Grenzort Kehl nach Baden-Baden. Einen Vorgeschmack gibt die Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar 2009, im Gegensatz zum Gipfel keine offizielle Veranstaltung, sondern ein eher informelles Aufeinandertreffen hochrangiger Regierungsvertreter und Militärs. Für die Proteste wird das soeben verschärfte bayerische Versammlungsrecht angewendet werden. Die Militarisierung der Außenpolitik findet im Inneren ihr Gegenbild in der Aushöhlung des Grundgesetzes, auch das sollte linke und militärkritische Debatten zusammenführen.
Von Ulrike Gramann
Source: http://www.neues-deutschland.de/artikel/137741.keine-glueckwuensche-zum-sechzigsten.html